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Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 187/03, Beschluss v. 03.07.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 187/03 - Beschluss vom 3. Juli 2003 (LG Stade)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Hang; Erörterungsmangel; eigene Sachkunde; Sachverständiger).

§ 64 StGB; § 267 StPO; § 246a StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 20. Dezember 2002 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Die Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jedoch weist das Urteil insofern einen sachlich-rechtlichen Mangel auf, als das Landgericht die sich aufdrängende Prüfung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen hat.

Nach den Feststellungen des Landgerichts begann der Angeklagte 1995 verstärkt Alkohol zu trinken, so daß er wegen Alkoholvergiftung für eine Woche in ein Krankenhaus eingeliefert werden mußte. In der Folgezeit suchte er für zwei Wochen eine kirchliche Beratungsstelle auf, eine regelrechte Therapie gegen den Alkoholmißbrauch unternahm der Angeklagte jedoch nicht. Auch weiterhin nahm er vermehrt Alkohol zu sich, was im Sommer 2002 erneut zu einem Krankenhausaufenthalt zwecks Durchführung einer Entgiftung führte.

Kurz danach, im September 2002, beging er die abgeurteilte Tat, dabei hatte er eine Blutalkoholkonzentration von 2,5 ‰. Im Jahr 2000 wurde er unter anderem wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, im Jahr 1997 wegen zweier jeweils unter Alkoholeinfluß begangener Körperverletzungen verurteilt; 1993 erging gegen ihn wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr ein Strafbefehl.

Auch vor Begehung der Tat, zu der es nach den Urteilsgründen aufgrund der Alkoholisierung der Beteiligten kam und in der die starke Alkoholisierung des Angeklagten zutage getreten ist, hatte der Angeklagte stundenlang Bier und Schnaps getrunken. Die sachverständig beratene Strafkammer konnte eine alkoholbedingte erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nicht ausschließen.

Angesichts dieser Feststellungen, die einen Hang des Angeklagten zu übermäßigem Alkoholkonsum und einen symptomatischen Zusammenhang zwischen der Tat und der Abhängigkeit belegen, hätte der Tatrichter - sachverständig beraten (§ 246 a StPO) - prüfen und entscheiden müssen, ob bei dem Angeklagten die Gefahr besteht, daß er auch künftig in Folge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Unterbringung nach § 64 StGB ist zwingend anzuordnen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kommt es auch nicht darauf an, daß verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB besteht (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 2; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 64 Rdn. 3). Es ist schließlich nicht ersichtlich, daß es bei dem Angeklagten an der erforderlichen konkreten Erfolgsaussicht der Unterbringung mangelt (BVerfGE 91, 1 ff.).

Einer etwaigen Nachholung der Unterbringung steht auch nicht entgegen, daß ausschließlich der Angeklagte Revision eingelegt hat (vgl. BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362).

Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des Urteils, soweit eine Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Der Strafausspruch wird hierdurch nicht berührt. Der Senat kann ausschließen, daß im Falle der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt worden wäre.

Bearbeiter: Ulf Buermeyer