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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 285/00, Beschluss v. 16.08.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 285/00 - Beschluß v. 16. August 2000 (LG Osnabrück)

Begriff der "nicht geringen Menge" beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG

Leitsatz des Bearbeiters

Maßstab für die nicht geringe Menge eines Betäubungsmittels ist nicht dessen Gewicht, sondern die Menge des in ihm enthaltenen Wirkstoffs. Der Grenzwert für eine nicht geringe Menge Heroin beträgt demgemäß 1,5 g Heroinhydrochlorid (BGHSt 32, 162).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 29. November 1999 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen verurteilt wurde (Handeltreiben mit Heroin, Ziffer II. 1. bis 7. der Urteilsgründe);

b) im gesamten Strafausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuldspruch wegen unerlaubten Handeltreibens mit einer jeweils nicht geringen Menge Kokain in drei Fällen (Ziffer II. 8. bis 10. der Urteilsgründe) richtet. Dagegen hält der weitergehende Schuldspruch und der Strafausspruch sachlich - rechtlicher Prüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte zu Grammpreisen zwischen 35,- und 40,- DM in sieben Fällen Heroin in "größeren Mengen", jedoch "nicht über jeweils 30 Gramm", die er gewinnbringend weiterveräußerte. Den jeweiligen Wirkstoffgehalt des Heroins teilt das Landgericht nicht mit. Es ist dennoch der Überzeugung, daß der Angeklagte in allen sieben Fällen mit einer nicht geringen Betäubungsmittelmenge Handel getrieben hat, denn es sei "aufgrund der vom Angeklagten verkauften Einzelmengen ... davon auszugehen, dass es sich bei dem (gemeint: den) von ihm angekauften Mengen um jeweils nicht geringe Mengen gehandelt hat". Damit ist eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG indessen nicht belegt.

Maßstab für die nicht geringe Menge eines Betäubungsmittels ist nicht dessen Gewicht, sondern die Menge des in ihm enthaltenen Wirkstoffs. Der Grenzwert für eine nicht geringe Menge Heroin beträgt demgemäß 1,5 g Heroinhydrochlorid (BGHSt 32, 162). Dem angefochtenen Urteil kann nicht entnommen werden, daß das vom Angeklagten erworbene und weiterverkaufte Heroin jeweils mindestens diese Wirkstoffmenge enthielt. Denn schon bei einem durchaus nicht unüblichen Wirkstoffgehalt von 5 % (vgl. die Tabelle bei Weber, BtMG Anhang E Seite 1007 zum festgestellten Wirkstoffgehalt der im Jahr 1997 untersuchten Proben sichergestellter Heroinbase; zur Umrechnung auf Heroinsalz vgl. Weber § 29 a Rdn. 94) ist bei einer - hier in allen sieben Einzelfällen nicht auszuschließenden - Gewichtsmenge des Heroins von 29 g der Grenzwert der nicht geringen Menge unterschritten.

Der Schuldspruch wegen unerlaubten Handeltreibens mit nicht geringen Mengen Heroin in sieben Fällen kann daher keinen Bestand haben. Dies führt nicht nur zum Wegfall der entsprechenden Einzelstrafen und der Gesamtstrafe, sondern auch zur Aufhebung der Einzelstrafen von je zwei Jahren, die das Landgericht für die drei Fälle des Handeltreibens mit nicht geringen Mengen Kokain festgesetzt hat. Denn der Senat kann nicht ausschließen, daß die Höhe dieser Einzelstrafen durch die sieben weiteren Einzelstrafen von je zwei Jahren für die Fälle des Handelns mit nicht geringen Mengen Heroin mitbedingt wurde.

Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird sich im Wege der Schätzung und unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes eine Überzeugung von der jeweiligen Gewichtsmenge und dem jeweiligen Mindestwirkstoffgehalt des vom Angeklagten gehandelten Heroins zu verschaffen haben. Anknüpfungspunkt für die Schätzung des Wirkstoffgehalts kann dabei etwa der vom Angeklagten bezahlte Einkaufspreis bzw. der erzielte Verkaufserlös pro Gramm sein oder auch der Umstand, daß nach den bisherigen Feststellungen die jeweiligen Erwerber die Qualität des Heroins nicht beanstandet hatten.

Bearbeiter: Rocco Beck