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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 726

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 130/18, Beschluss v. 08.05.2018, HRRS 2018 Nr. 726


BGH 2 StR 130/18 - Beschluss vom 8. Mai 2018 (LG Limburg)

Straftaten nach BtMG (Konkurrenzen).

§ 29 BtMG

Leitsatz des Bearbeiters

Dient der Besitz an den Betäubungsmitteln der gewinnbringenden Weiterveräußerung, tritt die Strafbarkeit wegen Besitzes hinter das täterschaftlich begangene Handeltreiben zurück, während zwischen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und Besitz Tateinheit besteht.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 18. Dezember 2017

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des unerlaubten Besitzes eines Schlagrings schuldig ist,

b) im Ausspruch über die Einzelfreiheitsstrafe im Fall II.2.2 der Urteilsgründe und der Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten,

c) im Ausspruch über den Vorwegvollzug aufgehoben; dieser entfällt.

2. Im Umfang der Aufhebung zu Ziff. 1 Buchst. b wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubten Besitzes eines Schlagrings zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass drei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe „einschließlich der erlittenen Untersuchungshaft“ vor der Vollziehung der Maßregel zu vollstrecken sind. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Schuld- und Strafausspruch im Fall II.2. der Urteilsgründe haben keinen Bestand.

a) Hierzu hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte von Ende Juli bis zum 29. August 2016 für den gesondert verfolgten S. 10 kg Haschisch, 2 kg Marihuana und 35 g Kokain aufbewahrte, die dieser zum gewinnbringenden Weiterverkauf verwenden wollte. Als Gegenleistung für die Aufbewahrung dieser Betäubungsmittel und seine Mitwirkung beim Verpacken von Verkaufsportionen wurde dem Angeklagten von S. gestattet, soviel Marihuana für seinen eigenen Konsum zu entnehmen, wie er wollte. Tatsächlich konsumierte der Angeklagte in der Folgezeit täglich 3 bis 4 g Marihuana aus diesem Vorrat. Außerdem übergab S. ihm zwei Flaschen Parfüm und mehrere Flaschen Asthma-Spray.

b) Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe sich durch die Aufbewahrung der Betäubungsmittel als Mittäter des tateinheitlich begangenen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht. Er habe einen erheblichen Tatbeitrag zum Handeltreiben geleistet, weil S. ohne seine Mitwirkung nicht mehr auf die Betäubungsmittel habe zugreifen können. Außerdem habe er eigennützig gehandelt, um Marihuana für seinen Eigenkonsum zu erhalten.

c) Die Annahme von Mittäterschaft des Angeklagten beim tateinheitlich begangenen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist rechtsfehlerhaft.

aa) Das Aufbewahren von Rauschgift für einen Dritten, das zur gewinnbringenden Veräußerung bestimmt ist, kann zwar im Einzelfall ein Tatbeitrag sein, der die Annahme von Mittäterschaft beim Handeltreiben rechtfertigt. Ob es sich so verhält, bestimmt sich aber nach den allgemeinen Grundsätzen für die Abgrenzung der Beteiligungsformen gemäß § 25 Abs. 2 oder § 27 StGB.

Die Feststellung, dass der Angeklagte eigennützig handelte, reicht, wie das Landgericht erkannt hat, nicht aus, um täterschaftliches Handeltreiben zu begründen. Für die Wertung seines Tatbeitrags als Beihilfe spricht, dass sich die Mitwirkung des Angeklagten an dem Umsatzgeschäft in der Aufbewahrung der Betäubungsmittel und einer Hilfe beim Verpacken von Verkaufsportionen erschöpfte. Derartige Hilfstätigkeiten können zwar im Einzelfall für die Annahme von Mittäterschaft genügen. Hier ist jedoch zu bedenken, dass der Angeklagte weder mit der Beschaffung der Betäubungsmittel noch, von seiner Mitwirkung beim Verpacken der Verkaufsportionen abgesehen, mit den Verkaufsgeschäften zu tun hatte. Angesichts dessen hat der Umstand, dass er kleine Mengen Marihuana zum Eigenkonsum aus dem großen Betäubungsmittelvorrat entnehmen durfte und Parfüm sowie Asthma-Spray von S. erhielt, keine ausschlaggebende Bedeutung. Dies rechtfertigt nicht die Wertung des Tatbeitrags des Angeklagten als Mittäterschaft. Nichts anderes gilt für die Feststellung, dass S. nur mit Hilfe des Angeklagten Zugriff auf den Betäubungsmittelvorrat nehmen konnte (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juni 2003 - 2 StR 139/03, NStZ-RR 2003, 309 f.).

bb) Der Senat ändert den Schuldspruch insoweit in Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

Dient der Besitz an den Betäubungsmitteln der gewinnbringenden Weiterveräußerung, tritt die Strafbarkeit wegen Besitzes hinter das täterschaftlich begangene Handeltreiben zurück, während zwischen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und Besitz Tateinheit besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2017 - 4 StR 580/16, StraFo 2017, 128 f. mwN).

§ 265 Abs. 1 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, weil der geständige Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

d) Die Änderung des Schuldspruchs gebietet eine Aufhebung des Ausspruchs über die Einzelfreiheitsstrafe zu Fall II.2.2 der Urteilsgründe.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Tatrichter ohne den Wertungsfehler zu einer geringeren Einzelstrafe gelangt wäre, auch wenn der Strafrahmen wegen des tateinheitlich begangenen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG unverändert bleibt. Dem Senat ist es aufgrund der Schuldspruchänderung verwehrt, selbst festzustellen, dass die Einzelfreiheitsstrafe angemessen ist. Deshalb ist die Zurückverweisung der Sache zur neuen Entscheidung über die Bemessung dieser Einzelstrafe und zur Bildung einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe geboten.

Die zugehörigen Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen worden und können aufrecht erhalten bleiben.

2. Die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe vor der Maßregel hat keinen Bestand, weil sich der mögliche Vorwegvollzug durch die vom Angeklagten erlittene Untersuchungshaft, die drei Monate überschreitet, erledigt hat.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 726

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2018, 285 ; StV 2019, 323

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner