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Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 54/03, Beschluss v. 26.03.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 2 StR 54/03 - Beschluss vom 26. März 2003 (LG Koblenz)

Strafzumessung (gerechter Ausgleich des Unrechts- und Schuldgehalts).

§ 46 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 24. Oktober 2002 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von sieben Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 15. Juni 2001 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und wegen

- Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 6)

- Einfuhr in Tateinheit mit Handeltreiben und Erwerb von Betäubungsmitteln in 23 Fällen (Fälle 7 bis 29)

- Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 30)

- Handeltreibens in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln jeweils in nicht geringer Menge (Fall 31)

zu der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.

Zudem wurde die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs; im übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Der Strafausspruch hat keinen Bestand, weil die Einzelfreiheitsstrafen und das sich aus den beiden Gesamtfreiheitsstrafen ergebende Gesamtstrafübel den Unrechts- und Schuldgehalt der festgestellten Taten überschreiten.

Sie sind unvertretbar hoch und lösen sich nach oben von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs.

1.

a) In den sechs Fällen der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bezog sich die Unterstützungshandlung des Angeklagten jeweils auf 4,032 g Heroinhydrochlorid (20 g Heroingemisch).

Der Angeklagte fuhr die Haupttäter mit seinem Pkw zur Drogenbeschaffung von Koblenz nach Aachen und zurück. In den Fällen 7 bis 29 hat der Angeklagte in den Niederlanden jeweils 1,134 g Kokainhydrochlorid (3 g Kokaingemisch) zum Eigenverbrauch und 0,6048 g Heroinhydrochlorid (3 g Heroingemisch) zum Weiterverkauf erworben und nach Koblenz gebracht. Im Fall 30 besaß der Angeklagte 3,024 g Heroinhydrochlorid (15 g Heroingemisch) zum Weiterverkauf, im Fall 31 1,98 g Heroinhydrochlorid (8,86 g Heroingemisch), die er zum Weiterverkauf aus den Niederlanden nach Koblenz gebracht hatte.

b) Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat das Landgericht bei den Taten 1 bis 6 sowie 30 und 31 minder schwere Fälle verneint und in den Fällen 7 bis 29 gewerbsmäßiges Handeln (§ 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG) angenommen. In den Fällen der Beihilfe wurde der Strafrahmen jedoch nach §§ 27, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Zudem wurden die Mindeststrafen in allen Fällen auf einen Monat Freiheitsstrafe herabgesetzt (§§ 31 BtMG, 49 Abs. 2 StGB). Damit ergaben sich Strafrahmen von einem Monat bis zu elf Jahren und drei Monaten in den Fällen 1 bis 6 und von einem Monat bis zu fünfzehn Jahren bei den übrigen Taten.

c) Für die Taten 1 bis 6 hat das Landgericht jeweils Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren festgesetzt. Für eine ähnliche Tat hat das Amtsgericht Aachen die einbezogene Freiheitsstrafe von sieben Monaten mit Bewährung verhängt.

In den Fällen 7 bis 29 verhängte das Landgericht Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten, im Fall 30 ein Jahr und neun Monate sowie im Fall 31 zwei Jahre und drei Monate.

2.

Die Höhe dieser Einzelfreiheitsstrafen entspricht durchweg nicht mehr dem Unrechts- und Schuldgehalt der Taten. Das Landgericht hat zahlreiche Strafmilderungsgründe von Gewicht festgestellt. Hierzu gehören insbesondere die Besonderheiten in der Person des Angeklagten, der maßgeblich zur Schmerztherapie wegen einer zunächst nicht erkannten Magenkrebserkrankung zu Drogen griff und durch die Taten seinen Eigenbedarf decken wollte.

Die vom Landgericht als straferschwerend gewerteten Umstände (erhebliche Vorstrafen überwiegend wegen Diebstählen, Bewährungsbruch, Art der Drogen und deren Menge) können demgegenüber die Höhe der festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen nicht rechtfertigen. Dabei ist auch von Bedeutung, daß das Landgericht die Mindeststrafen in allen Fällen auf einen Monat herabgesetzt hat. Die verhängten Strafen liegen jedoch durchweg deutlich über den Mindeststrafen der ungemilderten Strafrahmen, ohne daß das Landgericht dies nachvollziehbar begründet.

3.

Die Gesamtfreiheitsstrafen haben schon wegen der Aufhebung der Einzelfreiheitsstrafen keinen Bestand. Darüberhinaus entspricht das Gesamtstrafübel, das sich aus der Summe der beiden - zudem fehlerhaft gebildeten (vgl. hierzu unten 4.) - Gesamtfreiheitsstrafen von insgesamt fünf Jahren sechs Monaten ergibt, nicht mehr dem Gesamtgewicht der festgestellten Taten. Sie betreffen Wirkstoffmengen von insgesamt 42,8 g Heroinhydrochlorid und 26 g Kokainhydrochlorid. Hierzu kommen geringe Mengen, für deren Erwerb und Einfuhr der Angeklagte Beihilfe geleistet und deshalb vom Amtsgericht Aachen zu der einbezogenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten mit Bewährung verurteilt wurde. Der sich aus diesen Taten ergebende Unrechts- und Schuldgehalt rechtfertigt auch unter Berücksichtigung der vom Landgericht aufgeführten straferschwerenden Umstände die Gesamtdauer der verhängten beiden Gesamtfreiheitsstrafen nicht, zumal der Angeklagte zusätzlich mit dem Widerruf der zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten aus dem Beschluß des Amtsgerichts Koblenz vom 8. Februar 2000 rechnen muß (UA S. 23 Nr. 16).

4. Im übrigen hat das Landgericht bei der Bildung der Gesamtstrafen verkannt, daß sich die Zäsurwirkung der Verurteilung des Amtsgerichts Aachen nicht nach dem Datum der abgeurteilten Tat (29. Juni 2000) richtet, sondern nach dem Datum des Urteils vom 15. Juni 2001. In die erste Gesamtfreiheitsstrafe hätten daher alle Strafen für Taten einbezogen werden müssen, die der Angeklagte bis zum 15. Juni 2001 begangen hat. Das sind hier die Fälle 1 bis 6 (nicht nur 1 bis 5) und der bisher nicht abgegrenzte Teil der Taten 7 bis 29, die bis zum 15. Juni 2001 begangen wurden. Wie viele dies sind, wird der neue Tatrichter festzustellen haben. Eine zweite Gesamtfreiheitsstrafe hätte aus den Strafen gebildet werden müssen, die für die nach dem 15. Juni 2001 begangenen Taten verhängt wurden.

II.

Der Maßregelausspruch hat ebenfalls keinen Bestand. Das Landgericht hat die die Maßregelanordnung ausschließende Voraussetzung des § 64 Abs. 2 StGB mit der rechtsfehlerhaften Begründung verneint, eine Entziehungskur erscheine nicht von vornherein aussichtslos. Damit hat sie einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 91, 1 ff.) darf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nur dann angeordnet werden, wenn die hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht. Hierfür könnte - worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist - zwar die vom Angeklagten erklärte Therapiebereitschaft sprechen. Dies wird jedoch der neue Tatrichter zu beurteilen haben.

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2003, 214

Bearbeiter: Ulf Buermeyer