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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 255/02, Beschluss v. 19.07.2002, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 2 StR 255/02 - Beschluss vom 19. Juli 2002 (LG Gera)

Minder schwerer Fall des schweren Raubes (erforderliche Gesamtbetrachtung; bestimmende Strafzumessungsumstände).

§ 250 Abs. 3 StGB; § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Zwar müssen die Urteilsgründe nur die bestimmenden Strafzumessungsumstände mitteilen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO; BGH StV 1993, 72). Wenn vom Tatrichter nicht jeder zu Gunsten oder zu Lasten eines Angeklagten sprechende Umstand ausdrücklich angesprochen wird, so lässt das noch nicht ohne weiteres annehmen, er habe ihn übersehen. Ein Rechtsfehler liegt erst vor, wenn ein wesentlicher, die Tat prägender, Gesichtspunkt erkennbar nicht berücksichtigt wurde (vgl. BGH StV 1994, 17). Das ist dann zu besorgen, wenn eine Strafkammer nur die Tatumstände, nicht aber wesentliche Umstände, die die Täterpersönlichkeit betreffen, in die Abwägung einbezogen hat.

2. Die Entscheidung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, erfordert eine Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Dabei sind alle wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Erst nach dem Gesamteindruck kann entschieden werden, ob der außerordentliche Strafrahmen anzuwenden ist (st. Rspr. vgl. BGHSt 26, 97, 98; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Prüfungspflicht 1; BGH NStZ 2000, 254).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 6. März 2002 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubs in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung (Einzelstrafe acht Jahre) unter Einbeziehung einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und einer Woche verurteilt.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Der Strafausspruch hat keinen Bestand, weil das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB mit rechtsfehlerhafter Begründung verneint hat. Die Entscheidung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, erfordert eine Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Dabei sind alle wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Erst nach dem Gesamteindruck kann entschieden werden, ob der außerordentliche Strafrahmen anzuwenden ist (st. Rspr. vgl. BGHSt 26, 97, 98; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Prüfungspflicht 1; BGH NStZ 2000, 254; BGH, Beschl. v. 29.8. 2001 - 2 StR 276/01).

Die Ausführungen des Landgerichts zur Strafrahmenwahl lassen besorgen, daß das Gericht die seinem pflichtgemäßen Ermessen obliegende Gesamtwürdigung nicht in rechtsfehlerfreier Weise vorgenommen hat. Es hat dabei nämlich ausschließlich auf den Angeklagten belastende Tatumstände abgestellt, eine Reihe wesentlicher strafmildernder Gesichtspunkte, die vor allem die Täterpersönlichkeit betreffen, wie die Unbestraftheit zur Zeit der Tat und seine schwierige persönliche Situation, hat es nur bei der eigentlichen Strafzumessung berücksichtigt. Zwar müssen die Urteilsgründe nur die bestimmenden Strafzumessungsumstände mitteilen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO; BGH StV 1993, 72). Wenn vom Tatrichter nicht jeder zu Gunsten oder zu Lasten eines Angeklagten sprechende Umstand ausdrücklich angesprochen wird, so läßt das noch nicht ohne weiteres annehmen, er habe ihn übersehen. Ein Rechtsfehler liegt erst vor, wenn ein wesentlicher, die Tat prägender, Gesichtspunkt erkennbar nicht berücksichtigt wurde (vgl. BGH StV 1994, 17). Das ist hier aber zu besorgen, da die Strafkammer nur die Tatumstände, nicht aber wesentliche Umstände, die die Täterpersönlichkeit betreffen, in die Abwägung einbezogen hat.

Der Senat kann angesichts der Höhe der Strafe nicht ausschließen, daß das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht. Der Strafausspruch bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung.

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2002, 329

Bearbeiter: Karsten Gaede