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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 370

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 407/18, Beschluss v. 18.12.2018, HRRS 2019 Nr. 370


BGH 1 StR 407/18 - Beschluss vom 18. Dezember 2018 (LG Halle)

Gesamtstrafenbildung (Berücksichtigung nach § 154 StPO eingestellter Straftaten).

§ 54 StGB; § 46 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 20. März 2018 aufgehoben

a) im Gesamtstrafenausspruch,

b) im Ausspruch über die erweiterte Einziehung von Wertersatz in Höhe von 9.416 Euro; insoweit entfällt die Einziehung.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertersatzes in Höhe von 6.036 Euro sowie die erweiterte Einziehung des Wertersatzes in Höhe von 9.416 Euro angeordnet.

Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 22. Oktober 2018 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Bemessung der Gesamtstrafe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Das Landgericht hat insoweit rechtsfehlerhaft zu Lasten des Angeklagten ausdrücklich straferschwerend berücksichtigt, dass weitere 39 Einzeltaten aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt wurden.

Die Festsetzung der Gesamtstrafe innerhalb der durch § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB gezogenen Grenzen ist ein eigenständiger Strafzumessungsvorgang, der den allgemeinen Grundsätzen des § 46 StGB unterliegt (BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 - 4 StR 217/13, StraFo 2013, 477). Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat der Tatrichter bei der Strafzumessung die für und gegen den Täter sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Bei der Feststellung und Bewertung von Strafzumessungstatsachen kann der Tatrichter grundsätzlich auch strafbare Handlungen ermitteln und würdigen, die nach § 154 StPO eingestellt worden sind. Eine strafschärfende Berücksichtigung solcher vorläufig eingestellter Taten setzt aber voraus, dass diese in der Hauptverhandlung prozessordnungsgemäß festgestellt sind und zur Ãœberzeugung des Tatgerichts feststehen (BGH, Beschlüsse vom 18. März 2015 - 2 StR 54/15, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 33 Rn. 4 und vom 12. September 2012 - 5 StR 425/12, wistra 2012, 470 Rn. 3 mwN).

Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe nicht. Das Landgericht hat nur pauschal festgestellt, dass der Angeklagte in der Zeit zwischen dem 7. März 2015 und dem 12. Oktober 2015 in weiteren 47 Fällen mindestens 20 und maximal 500 Stangen Zigaretten in einer Gesamtliefermenge von 7.726 Stangen angekauft hat (UA. S. 4), ohne dass aber weitere konkrete Feststellungen zu den nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellten 39 Einzeltaten getroffen werden. Solche Feststellungen werden nur in Bezug auf die zur Aburteilung gelangten acht Einzeltaten getroffen.

Der Senat kann im Blick auf die erhebliche Erhöhung der Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten nicht ausschließen, dass der Gesamtstrafenausspruch auf den rechtsfehlerhaften Erwägungen zur Einbeziehung der vorläufig ausgeschiedenen weiteren Taten beruht.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass gerade bei den hier begangenen Steuerstraftaten bei der Bemessung der Gesamtstrafe der insgesamt entstandene steuerliche Verkürzungsumfang besonders in den Blick zu nehmen ist.

2. Auch die Entscheidung zur Einziehung des Wertes von Taterträgen hält nur teilweise einer rechtlichen Überprüfung stand. Nach § 73 Abs. 1 StGB nF ist zwingend das einzuziehen, was der Täter durch oder für die Taten erlangt hat. Ist die Einziehung des Erlangten nicht möglich, weil es verbraucht ist, ist nach § 73c StGB nF die Einziehung eines Geldbetrages auszusprechen, der dem Wert des Erlangten entspricht.

a) Soweit das Landgericht in Bezug auf die acht abgeurteilten Taten der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei nur die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 6.036 Euro anordnet und dabei zu Grunde legt, dass der Angeklagte aus den insgesamt angekauften 3.018 Stangen unverzollten und unversteuerten Zigaretten einen Gewinn von mindestens zwei Euro pro Stange erzielt hat, ist der Angeklagte nicht beschwert.

Der Steuerhehler erlangt im Sinne des § 73 StGB, indem er die Zigaretten ankauft oder sich sonst verschafft, zunächst die Zigaretten und durch den anschließenden Weiterverkauf den hieraus erzielten Erlös (BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 - 1 StR 613/14, wistra 2015, 236 Rn. 15 und vom 28. Juni 2011 - 1 StR 37/11, wistra 2011, 394 Rn. 11). Die Aufwendungen des Steuerhehlers für den Erwerb der Zigaretten bleiben dabei unberücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 1 StR 613/14, wistra 2015, 236 Rn. 15; Urteil vom 29. Juni 2010 - 1 StR 245/09, NStZ 2011, 83 Rn. 39 mwN).

b) Die erweiterte Einziehung von Wertersatz in Höhe von 9.416 Euro in Bezug auf die nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Taten kann jedoch keinen Bestand haben.

Wird das Verfahren - wie hier - hinsichtlich eines Teils der Tatvorwürfe nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, können die diesen Taten zugeordneten Taterträge nach § 76a Abs. 3 StPO nur noch im selbstständigen Einziehungsverfahren eingezogen werden, das einen entsprechenden Antrag nach § 435 StPO voraussetzt (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2003 - 3 StR 421/02, NStZ 2003, 422 f.). Fehlt es daran, steht der dennoch ausgesprochenen Einziehung das Verfahrenshindernis der fehlenden Anhängigkeit entgegen (BGH, Beschlüsse vom 9. Januar 2018 - 3 StR 605/17, NStZ-RR 2018, 116, 117 und vom 14. Juni 2018 - 3 StR 28/18 Rn. 4; Heine in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 4. Aufl., § 76a Rn. 19).

3. Einer Aufhebung der bisherigen Feststellungen bedarf es nicht, da sie vom aufgezeigten Wertungsfehler nicht betroffen sind. Der neue Tatrichter kann aber ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 370

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 153

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede