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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 974

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 223/04, Beschluss v. 05.10.2004, HRRS 2004 Nr. 974


BGH 1 StR 223/04 - Beschluss vom 5. Oktober 2004 (LG Ulm)

Wirksamer Rechtsmittelverzicht; Prüfungskompetenz des Tatgerichts hinsichtlich der Zulässigkeit der Revision.

§ 346 StPO; § 302 Abs. 1 Satz 1 StPO

Entscheidungstenor

1. Der Beschluß des Landgerichts Ulm vom 22. April 2004, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 4. Februar 2004 als unzulässig verworfen wurde, wird aufgehoben.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt:

"Das Landgericht hat den Angeklagten am 4. Februar 2004 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Im Anschluss an die Urteilsverkündung und nach Rechtsmittelbelehrung haben der Angeklagte und sein Verteidiger auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichtet. Gleichwohl hat der Angeklagte am 10. Februar 2004 Revision eingelegt. Das Landgericht hat diese Revision mit Beschluss vom 22. April 2004 als unzulässig verworfen, da das Rechtsmittel nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO begründet worden sei. Mit Schreiben vom 2. Mai 2004, eingegangen bei dem Landgericht am 3. Mai 2004, hat sich der Angeklagte gegen den seinen Verteidigern am 27. April bzw. 30. April 2004 zugestellten Beschluss gewandt und die Entscheidung des Revisionsgerichts beantragt.

Der Antrag hat im Ergebnis keinen Erfolg.

Die Revision des Angeklagten ist unzulässig, weil er nach der Urteilsverkündung wirksam auf Rechtsmittel verzichtet hat (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO). Wie das Hauptverhandlungsprotokoll ausweist, haben der Angeklagte und sein Verteidiger durch ausdrückliche Erklärung auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet. Diese Erklärung nimmt an der Beweiskraft des Protokolls nach § 274 StPO teil, weil sie gemäß § 273 Abs. 3 StPO vorgelesen und genehmigt wurde. Der Rechtsmittelverzicht kann als Prozesshandlung grundsätzlich nicht widerrufen, wegen Irrtums angefochten oder sonst zurückgenommen werden (st. Rspr.; vgl. BGH NJW 1999, 2449, 2451; BGH NStZ-RR 2002, 114, jeweils m.w.N.). Umstände, die Zweifel an der Wirksamkeit des Verzichts begründen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. auch die dienstliche Erklärung des Richters am Landgericht T. vom 9. März 2004 - Bd. III Bl. 507/508 d.A.). Die am 10. Februar 2004 eingelegte Revision des Beschwerdeführers richtet sich damit gegen ein rechtskräftiges Urteil, ist folglich gemäß § 349 Abs. 1 StPO unzulässig. Diese Entscheidung zu treffen, ist Sache des Revisionsgerichts, nicht die des Tatrichters.

Seine Befugnis zur Verwerfung der Revision ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen ein Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen oder Fristen nicht gewahrt hat (vgl. § 346 Abs. 1 StPO). Soweit die Revision dagegen aus einem anderen Grund als unzulässig zu verwerfen ist, steht die Befugnis hierzu allein dem Revisionsgericht zu. Das gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Form- oder Fristeneinhaltung zusammentrifft, also wenn - wie hier - die Revision nach wirksamem Rechtsmittelverzicht zwar fristgemäß eingelegt, aber nicht begründet worden ist (BGH NStZ 2000, 217; BGH NStZ-RR 2001, 265 m.w.N.). Der Beschluss des Landgerichts vom 22. April 2004, mit dem die Revision gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen worden ist, ist daher aufzuheben und durch eine Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 349 Abs. 1 StPO zu ersetzen."

Dem tritt der Senat bei.

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 974

Bearbeiter: Karsten Gaede