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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 107/00, Urteil v. 16.05.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 107/00 - Urteil v. 16. Mai 2000 (LG Amberg)

Aufhebung eines Teilfreispruchs bei Anklage wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen (Ausreichende Konkretisierung des Tatvorwurfs)

§ 176 StGB; § 174 StGB; § 260 Abs. 3 StPO

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 9. November 1999 aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Von dem Vorwurf in einem weiteren Fall seine Tochter S. sexuell mißbraucht zu haben, wurde der Angeklagte freigesprochen.

1. In der zugelassenen Anklage war dem Angeklagten neben der abgeurteilten Tat weiter zur Last gelegt worden, er habe an einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Frühjahr 1998 seine Tochter S. zur Couch im Wohnzimmer geführt, ihr wiederum an deren nackten Geschlechtsteil gegriffen und dabei wahrgenommen, daß er dem Kind Schmerzen bereitete. Das Landgericht hat den Angeklagten von diesem Vorwurf aus rechtlichen Gründen frei gesprochen, weil die Tat nicht sicher in den von der Anklage bezeichneten Zeitraum fiele, sich vielmehr nur in die Zeit von Ende 1997 bis zum Morgen des 2. April 1998 einordnen ließ. Das beanstandet die Revision der Staatsanwaltschaft zu Recht.

2. Die beiden dem Angeklagten vorgeworfenen Mißbrauchshandlungen waren mit der zeitlichen Umschreibung "im Frühjahr 1998" in der Anklage hinreichend zeitlich eingegrenzt und voneinander wegen der unterschiedlichen Tatorte - Wohnzimmer, Schlafzimmer - unterscheidbar. Damit stellte die Anklage der Staatsanwaltschaft Amberg vom 2. August 1999 eine wirksame Verfahrensgrundlage dar. Daran ändert nichts, daß sich der Angeklagte, wie sich dem Urteil entnehmen läßt, möglicherweise weiterer sexueller Übergriffe an seiner Tochter schuldig gemacht hat. Jedenfalls die angeklagten Taten waren zeitlich und räumlich ausreichend umschrieben.

Einer Aburteilung auch des zweiten Tatvorwurfs stand auch nicht entgegen, daß das Landgericht in der Hauptverhandlung - anders als die Anklage zu dem Ergebnis gekommen war, daß der Tatzeitraum für diese Tat nur in den - weiteren - Rahmen von Ende 1997 bis zum Morgen des 2. April 1998 eingegrenzt werden könne. Dieser Zeitraum, der von der Anschaffung der Couch einerseits, von der Festnahme des Angeklagten andererseits bestimmt war, stellte weiterhin eine ausreichende Konkretisierung des Tatvorwurfs dar. Insoweit lag dem Urteil des 2. Strafsenats vom 16. September 1998 (2 StR 445/98 StV 1999, 243, 244), auf das sich das Landgericht beruft, ein anderer Sachverhalt zugrunde; dort hatten sich die geschilderten Vorfälle möglicherweise mehrere Jahre vor dem angeklagten Tatzeitraum abgespielt. Bei einer solchen Fallgestaltung lassen sich angeklagte Taten nicht mehr zuverlässig von gleichartigen oder ähnlichen Taten eines Angeklagten abgrenzen. Im hier zu entscheidenden Fall blieb es aber trotz der - relativ geringfügigen - Ausweitung bei einem zeitlichen Rahmen, der die Tat hinreichend deutlich umschrieb.

In jedem Fall hätte das Landgericht von seinem Standpunkt das Verfahren gemäß § 260 Abs. 3 StPO einstellen müssen.

Externe Fundstellen: NStZ 2000, 548

Bearbeiter: Karsten Gaede