HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Mai 2014
15. Jahrgang
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Prozessdokumentation

Wehret den Anfängen – oder:
Vom missglückten Versuch, ein Exempel zu statuieren

Von RA und FAfStR Jochen Thielmann, Wuppertal

Natürlich sind Fußball-Hooligans ein gesellschaftliches Problem, das man in den Griff bekommen sollte.[1] Dass es in Deutschland in den letzten Jahren auf diesem Gebiet keine Katastrophe gegeben hat, mag auch an der guten Arbeit der Polizei und der Vereine liegen. Wenn sich die Justiz dieses Themas annimmt und ein Exempel statuieren will, kann dies aber auch nach hinten losgehen. Ein Fall aus Essen zeigt einmal mehr, dass "gut gemeint" und "gut gemacht" nicht unbedingt zusammen in einer Kurve stehen müssen.

Ausgangspunkt war ein Spiel zwischen den regionalen Rivalen Rot Weiß Essen und dem Wuppertaler Sportverein im März 2011. Viele Stunden vor dem Spiel kam eine Masse Wuppertaler Anhänger am Essener Hauptbahnhof an und wurde dort schon von der Polizei in Empfang genommen. Während der Großteil der Fans sich erst einmal am Bahnsteig sortierte, liefen vereinzelte Fans den vorgezeichneten Weg in Richtung der wartenden Busse. Anstatt sich aber nach dem Treppenabgang dorthin zu begeben, liefen diverse junge Männer die Treppe zum nächsten Bahnsteig hoch, die von der Polizei nicht kontrolliert worden war. Auf diesem Bahnsteig standen vereinzelte RWE-Fans, die bei Anblick der anrückenden Wuppertaler erschreckt die Flucht ergriffen. Die Polizei erkannte die Gefahr und sorgte in kürzester Zeit dafür, dass der Bahnsteig von beiden Seiten abgesperrt wurde. Dreizehn WSV-Anhänger waren "eingekesselt", erhielten einen Platzverweis und wurden kurzerhand wieder in den nächsten Zug nach Wuppertal gesetzt. Das Meisterschaftsspiel musste ohne sie stattfinden. In den örtlichen Medien war am nächsten Tag mit Verweis auf Auskunft der Polizei davon die Rede, dass Wuppertaler Fans am Hauptbahnhof "auf die Gleise gesprungen wären und dort Pyrotechnik gezündet" hätten. Auch wurde berichtet, dass eine Polizeikette durchbrochen worden sei.

In der polizeilichen Strafanzeige las sich das Ganze schon etwas zurückhaltender, aber noch immer strafbar genug. Dort hieß es, zwei Polizeibeamten hätten beobachtet, "wie die Wuppertaler Fans zielgerichtet auf die Essener Fans zu rannten und diese angriffen." Und weiter: "Aufgrund der rücksichtslosen Verfolgung der Essener Fans und deren Flucht mussten die Gleise 10 und 11 für den Bahnbetrieb ca. 10 Minuten gesperrt werden." Allerdings musste auch konstatiert werden: "Die angegriffenen Essener Fans konnten nicht mehr festgestellt werden." Die Videoaufzeichnungen von den Bahnsteigen am Hauptbahnhof konnten "aufgrund der Kameraeinstellungen" auch keine Tathandlungen nachweisen. Die angeschriebenen Beschuldigten machten ausnahmslos von ihrem Recht Gebrauch, keine Angaben zu machen. Damit waren die Ermittlungen abgeschlossen. Die Akten glichen sich wie ein Ei dem anderen.

I. Die erste Instanz

Für einen heranwachsenden Beschuldigten wurde das Verfahren nach Wuppertal abgegeben, wo es sogleich zu einem unspektakulären Ende kam: Einstellung gem. § 170 Abs.2 StPO. Die Begründung las sich kurz und knapp: "Der Beschuldigte hat sich nicht eingelassen. Keine für eine Überführung geeigneten Beweismittel."

Die restlichen zwölf Männer wurden getrennt, aber wortgleich beim Amtsgericht Essen wegen Landfriedensbruchs angeklagt, so dass sehr viele Essener Amtsrichter sich mit derselben Sache auseinanderzusetzen hatten. (Nur ein Brüderpaar wurde gemeinsam angeklagt, anders wäre es dem zuständigen Staatsanwalt dann wohl doch zu seltsam vorgekommen.) In den folgenden Monaten bewiesen die Essener Strafrichter zumindest eindrucksvoll, dass sie sich hinsichtlich des Ausgangs der Verfahren nicht abgesprochen hatten – oder aber sich nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht mehr an eine etwaige Absprache halten konnten.

1. Der erste Angeklagte erschien ohne Verteidiger und laut Protokoll auch ohne Schuldeinsicht: "Ich bin mit meinen Leuten aus der S-Bahn raus und wir wollten auf das gegenüberliegende Gleis und auch noch in die Stadt Bier trinken. Wir wollten keine Menschen verletzen. (…) Von dem Angriff der Wuppertaler Fans habe ich nichts gesehen." Die beiden Polizeibeamten konnten den Angeklagten – und in den Folgeprozessen auch die anderen Angeklagten – nicht wiedererkennen. Die Aussage des ersten Polizisten wurde so protokolliert: "Die Gruppe Wuppertaler rannte in die Essener Fans und diese flüchteten Richtung Westausgang. (..) Einige rannten mit Verletzungen aus dem Bahnhof Richtung Stadt. Wir konnten nicht nachvollziehen, ob diese durch die Ausein-

andersetzung verletzt wurden. Wir haben sie nicht mehr aufgefunden. (…) Sie rannten einen anderen Bahnsteig wieder herauf und in die Menge Essener Fans. Die ersten vier oder fünf Leute waren als erstes da. Ob die letzten tatsächlich jemanden geschlagen haben, kann ich nicht sagen." In den Angaben des Kollegen hieß es ausdrücklich: "Auf diesem Bahnsteig sind dann Backpfeifen verteilt worden." Doch der Angeklagte versuchte, standhaft zu bleiben: "Ich habe niemanden verletzt. Sollte ich jemanden verletzt haben, tut es mir auf jeden Fall leid." Der Amtsrichter kam zu einem Schulspruch und verurteilte den nicht vorbestraften Mann zu 60 Tagessätzen. Eine Woche später war das Urteil rechtskräftig.

2. Auch der zweite Angeklagte hoffte, ohne Verteidiger, aber dafür mit dem heranwachsenden Kollegen, dessen Verfahren eingestellt worden war, erfolgreich sein zu können. Er bestätigte laut Protokoll den Anklagevortrag, verwies aber darauf, dass er und der Zeuge wegen einer Beinverletzung hinterhergelaufen seien. "Ich weiß nicht, ob ein Angriff stattgefunden hat." Diese Einlassung wurde vom ersten Polizeibeamten gekontert: "Es ist eine geschlossene Gruppe ausgestiegen. Diese sind alle zusammen losgelaufen und auch drüben auf dem Bahnsteig angekommen." Der Kollege des Beamten sprach wieder von "Backpfeifen" und der Entlastungszeuge, der sogar nur von "hinterhergehen" sprach, war keine große Hilfe. Die Staatsanwaltschaft beantragte ein Bewährungsstrafe von neun Monaten für den wegen Beleidigung vorbestraften Angeklagten, was dem Amtsrichter offenbar ein wenig zu streng war, so dass er es bei sechs Monaten Freiheitsstrafe beließ, weil eine solche Tat am helllichten Tag auf dem belebten Bahnhof "nicht nur das Sicherheitsgefühl der betroffenen Gegner, sondern auch das Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit" beeinträchtige. Kein Verteidiger, kein Rechtsmittel.

3. Der dritte Angeklagte begab sich ebenfalls allein, aber offenbar mit einer anderen taktischen Marschroute vor seinen Richter, denn er war laut Protokoll zur Aussage nicht bereit. Daraufhin verlas der Richter zunächst einmal seinen BZR-Auszug und hörte die beiden Polizisten an. Deren Angaben wurden ein wenig defensiver: "Ich selber habe nicht gesehen, dass Fans verletzt worden sind. Mir wurde gesagt, dass Essener Fans geflohen sind und diese sichtliche Verletzungen im Gesicht hatten." Der Kollege sprach aber weiterhin von "Backpfeifen" und Essener Fans, die "ca. 14 oder 15 Jahre alt waren, vielleicht sogar teilweise noch jünger." Nach den Aussagen der Zeugen wird der Amtsrichter dem Angeklagten aus Fürsorgegesichtspunkten noch einmal klar gemacht haben, dass er sich besser einlassen sollte. Er erklärte nun, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, dass auf dem Nachbargleis Essener Fans gewesen seien und man nur etwas zu trinken holen wollte. Dann ist protokolliert: "Was da passiert ist, lässt mich keinesfalls kalt, wenn es wirklich so gewesen ist, aber das kann ich nicht beurteilen." Dieser Satz wird gemeint gewesen sein, wenn es in dem schriftlichen Urteil heißt, dass strafmildernd vor allem bedacht worden sei, "dass der Angeklagte sich letztlich geständig und reuig gezeigt hat". Seine tiefe Reue hat dem zweimal im Zusammenhang mit Fußballspielen Vorbestraften die von der Staatsanwaltschaft beantragte Bewährungsstrafe von sechs Monaten eingebracht. Das Urteil wurde von ihm an Ort und Stelle akzeptiert. Inwieweit auch hier die Überzeugungskraft des Richters ausschlaggebend war, ist zumindest nicht protokolliert.

4. Ab diesem Zeitpunkt änderten sich sämtliche Verfahren dahingehend, dass in allen übrigen Prozessen Strafverteidiger tätig waren. Diese Verschiebung der Kräfte führte dazu, dass sich die Amtsrichter mehr Mühe geben mussten und in dem zeitlich folgenden Verfahren ein Fortsetzungstermin nötig wurde, um einen weiteren Polizeibeamten vernehmen zu können. Wieder wurden von den Polizeibeamten die Schilderungen des Angriffs zum Besten gegeben: "Die Essener wurden körperlich angegangen, das kann ich für zwei genau sagen. (…) Ich habe gesehen, wie ein Wuppertaler Fan auf einen Essener Fan drauf gerannt ist. Für mich war das ganz klar ein Angriff oder eine Jagd. Ich kann nicht genau sagen, was zwischen dem Wuppertaler Fan und dem Essener Fan passiert ist." Das Protokoll zur Aussage des Kollegen liest sich wie folgt: "Ich konnte von meinem Punkt aus nicht genau sehen, wie die Körperverletzungen waren. Ein Kollege hat berichtet, dass ihm auch kleine Kinder entgegen kamen, die Verletzungen hatten, aber wer genau was gemacht hat, kann ich nicht sagen. (…) Ich kann aber nicht sagen, dass geschlagen wurde." Die Anträge von Staatsanwaltschaft (150 Tagessätze) und Verteidigung (Freispruch) wurden vom Amtsrichter weniger ernst genommen als die Entscheidungen seiner Kollegen: sechs Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung. Ein Urteil, das nun zum ersten Mal nicht rechtskräftig wurde.

5. Ein Amtsrichter hatte zwei Tage später seine beiden "Hooligan-Hauptverhandlungen" auf einen Tag gelegt und begann um 10 Uhr mit der Sitzung. Der Angeklagte war zur Aussage bereit und schilderte, dass er mit den anderen Fans ein Bierchen trinken wollte. "Wir sind schnellen Schrittes auf die Treppe zugerannt. Vor uns sahen wir Rot-Weiß-Essen-Fans im Alter zwischen 14 und 16 Jahren alt. Wir sind auf die Treppe zugelaufen und wegen des großen Auflaufs sind Passanten und Fans weggerannt." Der führende Polizeibeamte wiederholte sinngemäß seine bisherigen Angaben, war aber zwischenzeitlich offenbar von sich selbst nicht mehr so überzeugt: "Ich meine, die Wuppertaler Fans sind zielgerichtet und die Essener Fans zugegangen und haben diese angegriffen. Man hätte auch vorbei- bzw. durchlaufen können. (…) Ich habe nur nach Berichten der Einsatzleitung erfahren, dass Essener Fans körperlich angegriffen wurden." Auf weitere Nachfrage erklärte er: "Ich weiß, dass ein Essener Fan von einem Wuppertaler angegriffen wurde. Beide haben sich berührt. Es war für mich nicht erkennbar, ob eine Person umgerannt wurde. Für mich sah es aus wie ein Angriff." Der zweite Beamte war – möglicherweise aufgrund kritischer Befragung durch Verfahrensbeteiligte – auch präziser in seinen Angaben. Einerseits sagte er aus, dass Essener Fans tätlich angegriffen worden seien, andererseits erklärte er erstmals: "Ich habe selber nicht gesehen, dass Essener Fans geschlagen wurden." Aber: "Kollegen haben mir erzählt, dass ihnen Verletzte entgegenkamen." Die Beweisaufnahme wurde geschlossen und dann "mit Zustimmung aller Beteiligten" folgender Beschluss verkündet: "Das Verfahren wird gem. § 153 II StPO auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des

Angeklagten trägt, eingestellt." Ende der Hauptverhandlung um 11.10 Uhr.

6. Die Dauer der darauf folgenden Hauptverhandlung wird im Protokoll von 11.11 Uhr bis 11.12 Uhr angegeben. Der Angeklagte war zur Aussage nicht bereit, die Zeugen wurden unvernommen entlassen und das Ergebnis war identisch mit dem der vorausgegangenen Hauptverhandlung. Der Wind begann sich zu drehen.

7. Eine Woche später begann die Hauptverhandlung, in der erstmals mehr als ein Beteiligter vor Gericht stand. Der Amtsrichter hatte zwei Anklagen gegen insgesamt drei Angeklagte verbunden und begann mit dem Standardprogramm der beiden Polizeizeugen. Zuvor erläuterten die drei Angeklagten, dass sie in der Stadt Bier trinken wollten und keine Essener Fans wahrgenommen hätten. Es sei weder zu einer Pöbelei noch zu einer Rangelei gekommen. Es wurde nicht ausgeschlossen, jemanden aus Versehen angerempelt zu haben. Der erste Polizist berichtete wieder von zwei Essener Fans, die angegriffen worden seien, und dass Kollegen Essener Fans mit "Verletzungen im Gesicht" gesehen hätten. Dann wurde er so ausführlich wie bisher noch nie: "Ich weiß nur, dass es zwischen den Wuppertaler Fans und 2 Essener Fans Körperkontakt gab. Ob es eine Rempelei war oder Schläge, das weiß ich nicht. Ich konnte sehen, dass die Wuppertaler auf einen Essener Fan zu rannten, der Essener Fan blieb stehen. Dann trafen sie aufeinander, der Essener Fan ging zurück, drehte sich um und rannte weg. (…) Die ersten beiden Wuppertaler sind an den Essener Fans hängengeblieben, alle anderen sind durchgerannt. (…) Aus der Reaktion der Essener Fans schließe ich, dass es Körperkontakt gab. Gesehen habe ich das aber nicht." Der zweite Beamte erklärte diesmal, er habe keine "Backpfeifen" gesehen, aber der Fankundige Beamte hätte gesagt, es wurden "Geschädigte mit roten Wangen" gesehen. Dem Amtsrichter schienen diese Beweise nicht ausreichend und lud für einen Fortsetzungstermin neun andere Gruppenmitglieder. Am Ende der Beweisaufnahme folgte er nicht den Anträgen der Staatsanwaltschaft auf 150 Tagessätze, sondern sprach die drei Angeklagten frei. Im schriftlichen Urteil hieß es, dass der Tatbestand des Landfriedensbruchs nach den Feststellungen nicht erfüllt sei. Wie nicht anders zu erwarten, legte die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Berufung ein – aber anders als zu erwarten (s.u.).

8. Am gleichen Tag war auch die Fortsetzungsverhandlung gegen einen weiteren Angeklagten, der sich dahingehend eingelassen hatte, mit der Gruppe nichts zu tun zu haben, sondern dringend die Toilette hätte aufsuchen müssen. Trotz neuer Schilderungen des ersten Beamten ("Entgegen unserer Vermutung stürmten diese ca. 15 Personen aber auf Gleis 11/12 und gingen tätlich, wahllos und aggressiv auf alles los, was rot war – also Essener Fans.") wurde auf Anregung des Verteidigers das Verfahren gegen den vorbestraften Angeklagten gem. § 153a StPO gegen Zahlung von EUR 900,-- eingestellt.

9. Ein paar Tage später verhandelte zum ersten Mal ein Amtsrichter zum zweiten Mal über denselben Sachverhalt. Der erste Angeklagte hatte von ihm noch eine rechtskräftige Bewährungsstrafe von sechs Monaten erhalten, aber inzwischen gab es Urteile und Beschlüsse, die in eine andere Richtung wiesen. Ohne Anhörung eines einzigen Zeugen wurde die Sache nach zehn Minuten mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft gegen eine Geldbuße von EUR 1.200,-- gem. § 153a StPO eingestellt.

10. Die letzte amtsgerichtliche Hauptverhandlung im vorliegenden fand kurz vor Weihnachten statt und sah wieder eine Amtsrichterin, die wusste, was sie wollte. Die Angaben der beiden Polizeibeamten reichten ihr auch noch, als einer von beiden auf den Videobildern, die in Augenschein genommen wurden, zu einer Person, die dem jetzigen Angeklagten zum Verwechseln ähnlich sah, ausführte, dass dieser Mann nicht zu der Gruppe gehört haben könne. weil er nach Ankunft des Zuges nicht sofort losgelaufen sei, sondern sich erst umgeschaut habe. Der Antrag der Staatsanwaltschaft lautete auf sechs Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung, die Amtsrichterin verurteilte den (nicht einschlägig) Vorbestraften zu neunzig Tagessätzen. Ein Rechtsmittel ging kurz darauf beim Amtsgericht ein.

Nach der ersten Runde durch die Gerichtssäle des Amtsgerichts in Essen waren somit fast sämtliche Erledigungsarten bei den dreizehn Beschuldigten zu verzeichnen: von einer Einstellung nach § 170 Abs.2 (durch die StA Wuppertal) und drei Freisprüchen über Einstellungen nach § 153 und § 153a bis hin zu Geld- und Freiheitsstrafen, von denen die der nicht verteidigten Angeklagten bereits rechtskräftig waren.

II. Die zweite Instanz

Der weitere Verfahrensgang in den übrig gebliebenen Verfahren kann auch nicht dafür sorgen, mit der Essener Justiz nachsichtig zu sein.

1. Die Staatsanwaltschaft Essen wollte die drei Freisprüche nicht akzeptieren und deshalb verfasste der zuständige Oberstaatsanwalt einen Schriftsatz, der wie folgt aussah: "In der Strafsache gegen C.D. lege ich gegen das Urteil vom 23.11.12 zuungunsten des Angeklagten D. Berufung ein." Knapp fünf Monate später begründete der Anklageverfasser die Berufung gegen die drei Angeklagten. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Verteidiger der beiden Mitangeklagten bereits ihre Wahlverteidigergebühren abgerechnet und der dritte Kollegen sein Erstaunen darüber kundgetan, dass nur gegen seinen Mandanten Berufung eingelegt worden sei, wo aber doch ein einheitlicher Sachverhalt vorliegen würde. Offenkundig würde zweierlei Maß angewendet. Erst jetzt dämmerte es den Staatsanwälten, dass offenbar ein kleiner Fauxpas passiert war und zwei der drei Freisprüche bereits rechtskräftig geworden waren. Konsequenterweise wurde die Berufung nun zurückgenommen. Somit waren alle drei Freisprüche rechtskräftig.

2. Während also die Verfahren dieser drei Angeklagter nicht so eng zusammenhingen, wie dies eigentlich vorgesehen war, wurden die beiden anderen Verfahren in der Berufungsinstanz in mehr als einer Art und Weise miteinander verbunden.

a) Zunächst wollte der Vorsitzende Richter der Berufungskammer, die das Rechtsmittel gegen das letzte

amtsgerichtliche Urteil verhandelt musste, mit so großem Tempo und Elan an die Sache gehen, dass am Tag der ersten versuchten Terminsabsprache die Revisionsbegründungsfrist noch gar nicht abgelaufen war. Nicht einmal drei Monate nach der Hauptverhandlung des Amtsgerichts begann die Berufungshauptverhandlung und der beabsichtigte Weg der Kammer wurde sehr früh deutlich. Ein Antrag auf Beiordnung mit der Begründung, dass der juristisch unerfahrene Angeklagte sich bei einer solchen Konstellation (Verfahrensausgänge von Freispruch bis zur Freiheitsstrafe) nicht selbst verteidigen könne, wurde vom Vorsitzenden mit der Standardbegründung zurückgewiesen, dass keine schwierige Sach- oder Rechtslage vorliege: "Soweit es um Verfahren gegen andere mögliche weitere Beteiligte geht, hat dies keine Auswirkungen auf das vorliegende Verfahren, da es um den hier vorliegenden Einzelfall geht, so dass auch aus diesem Gesichtspunkt eine Beiordnung nicht gerechtfertigt ist." Der nächste Antrag auf Beiziehung der Akten der Parallelverfahren wurde sodann ebenso abgelehnt wie der Antrag auf Vernehmung der anderen Beschuldigten. Da half es auch nicht, dass der Staatsanwalt in seiner Stellungnahme erklärt hatte, den zweiten Antrag könne man seines Erachtens nicht ablehnen. Offenbar wollte der Vorsitzende ein schnelles Ende eines kurzen Prozesses – ein solches Bestreben wurde jedoch von den beiden Polizeibeamten ausgehebelt, die trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen waren.[2]

Die ablehnende Entscheidung des Beiordnungsantrags wurde mit der Beschwerde angegriffen. Das Oberlandesgericht Hamm hielt die Entscheidung des Strafkammervorsitzenden für richtig und schien dem Vorsitzenden zugleich die Anleitung dafür mitzugeben, wie der Angeklagte in diesem weder rechtlich noch tatsächlich schwierigen Fall verurteilt werden kann: "Sollte daher auch das Landgericht im Berufungsverfahren feststellen können, dass der Angeklagte als Teil der vorbeschriebenen Gruppe auf die "gegnerische Fangruppierung" zugerannt sei, stehe dessen Strafbarkeit wegen bedrohenden Landfriedensbruchs außer Frage, zumal bei allen Begehungsformen des § 125 StGB bedingter Vorsatz genügt ..." Nachdem die Verteidigung im Vorfeld des zweiten Hauptverhandlungstags erneut Anträge auf Vernehmung der anderen Beschuldigten und Beiziehung der Akten gestellt hatte, begann der Vorsitzende, die ersten Zeugen aus der Gruppe zu laden. Der zweite Hauptverhandlungstag wurde dann sehr kurz, weil offensichtlich war, dass ein einziger Tag nicht ausreichen würde und ein Schöffe nicht mehr innerhalb der Fortsetzungsfrist zur Verfügung stehen konnte. Dem Vorsitzenden war nun klar, dass eine kurze Hauptverhandlung nicht der Weg zum Ziel sein konnte und teilte deshalb sein Vorhaben mit, dieses Verfahren mit dem anderen laufenden Berufungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. Wie sich inzwischen herausgestellt hatte, verband diese beiden Verfahren auch sonst weit mehr als üblich.

b) Nachdem sich die beiden Verteidiger kurzgeschlossen hatten, fiel sehr schnell auf, dass mit den Urteilen etwas nicht stimmte bzw. zu genau stimmte: Die Feststellungen waren wortgleich und auch die Beweiswürdigung entstammte komplett dem zuerst verkündeten Urteil. Die Fragen ergaben sich von selbst: Hatten hier zwei Richterkollegen zusammengearbeitet? Oder hatte hier die eine vom anderen abgeschrieben? Von wem stammt das zweite Urteil überhaupt? Lag das bereits bei der Akte befindliche erste Urteil der Richterin bei der zweiten Hauptverhandlung schon vor, so dass es sich bei der Beweisaufnahme um eine reine Showveranstaltung handelte? Und wie sieht es bei einem Gericht mit dem Datenschutz aus, wenn eine Richterin die Urteile aus einer anderen Abteilung ansehen darf, ohne vorher die Akte beigezogen zu haben? Auf Antrag der Verteidigung wurden vom Vorsitzenden der Berufungskammer dienstliche Erklärungen der beteiligten Richter angefordert. Während der erste Richter in seiner schriftlichen Äußerung den – von niemanden aufgestellten – Vorwurf bestritt, dass es zu Absprachen zwischen den Amtsrichtern zur Bildung einer "einheitlichen Rechtsprechung" gekommen sei, und von der Übereinstimmung der Urteilstexte erst durch die Anfrage des Gerichts erfahren haben wollte, lautet die dienstliche Erklärung der zweiten Richterin wie folgt:

"Das Urteil des Kollegen Richter am Amtsgericht W. lag zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung am 12.12.2012 nicht vor. Bei der Abfassung der Urteilsgründe habe ich jedoch das bereits von meinem Kollegen abgefasste Urteil vorliegen gehabt. Die Übereinstimmungen sind nicht verkennbar, es handelte sich aber nach Durchführung der Hauptverhandlung um den gleichen Sachverhalt, sodass auf das bereits abgefasste Urteil zurückgegriffen wurde. Die Urteilsfindung erfolgte ohne Absprache mit dem Kollegen und auch das von ihm abgefasste Urteil lag mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor."

Der Inhalt dieser dienstlichen Erklärung ist nicht verwunderlich. Alles andere hätte für die Richterin erhebliche dienstrechtliche Konsequenzen gehabt. Und so werden auch Richter – wie alle Beschuldigte – dazu neigen, Dinge zu leugnen, die ihnen Nachteile einbringen würden, wenn ihnen diese nur sehr schwer zu beweisen sind. Es fällt auf, dass die Angaben bewusst knapp gehalten sind, so dass keine Mitteilung über etwaige Gespräche mit dem Kollegen über diesen Sachverhalt vor der ersten Hauptverhandlung oder zur Frage, wie überhaupt die Richterin an ein Urteil gelangen kann, das ein anderer Richter in einer anderen Strafsache gesprochen hat, zum Inhalt des Textes gemacht worden sind. Am Ende musste offenbleiben, wie die genauen Hintergründe aussahen.

c) Inzwischen lagen erstmals schriftliche Äußerungen von drei weiteren Polizeibeamten vor, die am besagten Tag vor Ort gewesen waren, darunter die des Fankundigen Beamten, der angeblich die verletzten Essener Fans gesehen hatte. Dieser erinnerte sich fast ein Jahr später an diese Begegnung wie folgt:

"Auf der Empore, in Höhe des Bahnsteigs 11-12, kamen mir 4 erkennbare Essener Fans vom Bahnsteig 11-12 entgegen. Die erste Person hielt sich die Hand vor seinen

Mund und lief Richtung Südausgang. Die zweite Person rief mir entgegen, "da sind Schalker", und lief mit den anderen beiden Personen auch in Richtung Südausgang. Ich selbst begab mich über den Treppenaufgang auf Gleis 11-12. Hier kam mir die Gruppe der Wuppertaler Fans auf Höhe des Treppenabganges entgegen. Ich forderte diese Personengruppe auf, stehen zu bleiben. Dieser Aufforderung kamen diese Personen nach."

Auch die beiden anderen Polizeibeamten hatten keine eigene Wahrnehmung über etwaige Verletzte gemacht.

d) Der letzte Akt im Versuch der Essener Justiz, dem Unwesen der gewaltbereiten Fußballanhänger mittels einer rigorosen Vorgehensweise die Stirn zu bieten, war dann schließlich unspektakulär. Fünf terminierte Hauptverhandlungstage und dreizehn geladene Zeugen warteten auf die Prozessbeteiligten, als der Vorsitzende Richter zunächst den nächsten Beiordnungsantrag der beiden Angeklagten aufgrund der Fülle der inzwischen beigezogenen Akten positiv beschied und dann nach der Vernehmung des ersten Polizeibeamten, der mit bis dahin nicht üblicher Zurückhaltung deutlich machte, selbst keine Attacke von Wuppertaler Fans auf Essener Fans gesehen zu haben, nach Rücksprache mit den Schöffen anbot, das Verfahren abzukürzen und gegen Zahlung von jeweils EUR 300,-- gem. § 153a StPO einzustellen. Die beiden Angeklagten nahmen diesen Vorschlag mit Bauchschmerzen an.[3]

III. Und die Moral von der Geschicht`?

Nachdem nunmehr alle dreizehn Strafverfahren abgeschlossen waren, stellten sich einige Fragen über das Vorgehen der verschiedenen Verfahrensbeteiligten.

1. Der erste Blick ist auf die Richter zu werfen, die schließlich die entscheidende Rolle spielen müssen. Wie kann es sein, dass bei einem identischen Sachverhalt manche Angeklagte zu Bewährungsstrafen und zu Geldstrafen verurteilt werden, die Verfahren gegen andere eingestellt werden und eine dritte Gruppe sogar freigesprochen wird? Haben die beteiligten Richter dadurch nicht dem Bild ihrer Berufsgruppe in der Öffentlichkeit Schaden zugefügt? Möglicherweise kann die Öffentlichkeit über solche Dinge nur den Kopf schütteln – so wie es die Wuppertaler Anhänger auf den Anklagebänken getan haben. Allerdings kann man dieses Geschehen mit guten Gründen als ein Zeichen für die richterliche Unabhängigkeit in diesem Land sehen. Es soll gar nicht ausgeschlossen werden, dass Richter dieselben Sach- oder Rechtsfragen unterschiedlich entscheiden, auch wenn die Spannweite im vorliegenden Fall erheblich ist. Im Gegenteil wäre ein Vorgehen, wie es von einem Richter in seiner dienstlichen Erklärung in Abrede gestellt wurde, nämlich dass Absprachen zwischen den Amtsrichtern zur Bildung einer "einheitlichen Rechtsprechung" getroffen werden, für den Rechtsstaat weitaus problematischer. Insofern weist der unterschiedliche Umgang mit dem Sachverhalt darauf hin, dass jeder Richter nach eigener Überzeugung gehandelt haben wird, ohne zu großes Interesse an der Entscheidung der Kollegen gehabt zu haben.

Ist durch dieses Durcheinander der richterliche Berufsstand nicht unbedingt beschädigt, so muss das Verhalten einzelner Richter aber unbedingt scharfe Kritik hervorrufen. Wenn ein und derselbe Richter in verschiedenen Verfahren einmal einen unverteidigten Angeklagten mit sechs Monaten Freiheitsstrafe nach Hause schickt, um einige Wochen später das Verfahren gegen einen schweigenden Angeklagten – ohne Vernehmung eines einzigen Zeugen – nach zehn Minuten gem. § 153a StPO zu beenden, dann stimmt etwas nicht. Vielleicht hatte der Richter ja eingesehen, dass er im ersten Urteil falsch gelegen hatte, und konnte diesen Umstand aufgrund der Rechtskraft des Urteils nicht mehr ändern. Dies ist die einzige Erklärung, die den Richter entlasten könnte. Vielleicht hatte er aber auch nur das Interesse verloren.

Über die Arbeitsweise der Richterin, die die Urteilsgründe des Kollegen in ihren eigenen Urteilstext kopiert hat, braucht man keine weiteren Worte zu verlieren. Ob dies irgendwelche dienstrechtlichen Konsequenzen hatte, ist hier nicht bekannt.

2. Die Staatsanwaltschaft in Essen hat sich in diesen Verfahren in mehrfacher Hinsicht nicht mit Ruhm bekleckert.

a) Schon die Entscheidung, die Beschuldigten ohne jede weitere Ermittlungstätigkeit anzuklagen, war eine Fehlentscheidung, auch wenn sich die Ankläger heute auf den Standpunkt stellen könnten, dass nur ein einziger Richter das Verhalten der Wuppertaler Fußballfans als nicht strafbar angesehen hat, während alle anderen zumindest eine geringe Schuld nicht ausschließen wollten. Aber es ist keine neue Erkenntnis, dass Richter beim Amtsgericht vor allem dann zur Einstellung neigen, wenn ihnen klar wird, dass eine Verurteilung kaum infrage kommt.[4] Und wenn dann nicht nur § 153a StPO, sondern § 153 StPO und dann noch mit Übernahme der notwendigen Auslagen des Angeklagten durch die Staatskasse herauskommt, geht es kaum offensichtlicher. Das gerichtliche Verfahren stand somit schon von Grund auf unter einem schlechten Stern.

b) Diesem subjektiven Befund eines Verteidigers könnte jedoch von der Staatsanwaltschaft der Boden entzogen werden. Dies wäre möglich, wenn die Staatsanwälte unisono die Leitlinie ihrer Behörde umgesetzt hätten, dass dieses Verhalten strafbar gewesen ist und deshalb nur eine Verurteilung akzeptabel sei. Aber der bunte Strauß der Verfahrensbeendigungen zeigt, dass die Vor-

gaben offenbar nicht so strikt waren, wie dies zu Beginn den Anschein hatte. Die Sitzungsvertreter hätten jeder möglichen Einstellung entgegentreten können, doch in jedem Verfahren, in dem die Einstellung des Verfahrens zur Sprache kam, wurde auch eingestellt. Dass schließlich bei dem Freispruch der drei Angeklagten versehentlich nur ein einziger Schuldspruch angegriffen wurde und offensichtlich als Folge daraus auch dieses Rechtsmittel zurückgenommen wurde, passt leider in das Bild, das die Staatsanwaltschaft in diesem Verfahren abgegeben hat.

c) Wenn aber nun die Staatsanwaltschaft letztendlich auch die Überzeugung verlassen hatte, dass das Verhalten der Beschuldigten tatsächlich strafbar gewesen ist bzw. dass man den Beschuldigten ihr möglicherweise strafbares Verhalten nicht habe nachweisen können, so stellt sich die Frage, warum man dort sechsmonatige Bewährungsstrafen akzeptiert hat. Möglicherweise ist die Einsicht zu spät gekommen. Ein gutes Gefühl kann bei der Staatsanwaltschaft Essen in Bezug auf dieses Verfahren wirklich niemand haben.

3. Ein kurzes Wort auch noch zu den Zeugen dieses Verfahrens, die zum großen Teil aus Polizeibeamten bestanden. Die beiden zuständigen Beamten haben in jedem Verfahren ausgesagt und auch wenn sie niemals von vornherein mit solch großem Belastungseifer bei der Sache waren, wie man das als Verteidiger oft befürchtet und beobachtet, so geht aus den Protokollen doch hervor, dass in den ersten Prozessen die kritische Distanz zu den eigenen Wahrnehmungen und das strikte Auseinanderhalten von eigenem Erleben und Hörensagen weitaus weniger ausgeprägt war als bei den späteren Terminen. Hätten die beiden Polizisten von Beginn an klar gemacht, was sie gesehen bzw. – besser – nicht gesehen hatten, so hätten die rechtskräftig verurteilten jungen Männer eine realistische Chance gehabt, ebenfalls relativ unbeschadet aus dem Verfahren herauszukommen. Aber offensichtlich macht es bei Polizeibeamten im Zeugenstand einen Unterschied aus, ob ein Verteidiger im Raum ist und Fragen stellt. Und es braucht nicht darauf hingewiesen zu werden, dass es so nicht sein sollte.

4. Womit wir bei den Strafverteidigern wären, die in diesem Verfahren relativ gut davonkommen. Dies ist aber vor allem deswegen so, weil ihre bloße Anwesenheit bei dem vorliegenden Sachverhalt offenbar schon genügt hat, um die jeweiligen Mandanten vor der Verurteilung zu schützen. Von allen Strafverfahren, die in Essen vor dem Amts- und Landgericht durchgeführt worden sind, sind nur diejenigen Angeklagten rechtskräftig verurteilt worden, die ohne Verteidiger vor den Richter getreten sind. Zwei der Angeklagten sind trotz Verteidigers vom Amtsgericht verurteilt worden, waren dann jedoch vor dem Landgericht erfolgreich, indem die Verfahren dort nach § 153a StPO eingestellt worden sind. Dieses Ergebnis ist zwar einerseits geeignet für eine Werbekampagne der Strafverteidigervereinigungen, dass Verteidigung nicht nur in den Fällen des § 140 StPO als notwendig angesehen werden muss, aber andererseits auch erschreckend, weil man das Gefühl nicht los wird, dass die Angeklagten ohne Rechtsbeistand keine faire Chance erhalten haben.

5. Die wahren Verlierer dieser Reihe von Strafverfahren sind daher natürlich nicht die beteiligten Polizisten, Staatsanwälte und Richter, sondern einmal mehr die Verurteilten, die vielleicht nicht das Geld hatten, sich einen Verteidiger leisten zu können. Möglicherweise wird in nächster Zeit die Bewährung bei einem der Beteiligten widerrufen, weil er "erneut" strafbar gemacht hat und er muss die sechs Monate aus diesem Verfahren absitzen.

Welches Licht wirft eine solche Schlussfolgerung auf die deutsche Strafjustiz?


[1] Es kann kein Weg sein, dass an die Fans der Auswärtsmannschaft – wie ganz aktuell im Hinblick auf das Revierderby ernsthaft von beiden Vereinen in Erwägung gezogen – einfach keine Karten mehr verkauft werden.

[2] Übrigens nicht zum ersten Mal: schon beim Amtsgericht musste zwei Tage verhandelt werden, weil die beiden Zeugen beim ersten Termin nicht erschienen waren.

[3] Der Vorsitzende Richter erklärte dem Verfasser einige Tage später auf einer Fortbildungsveranstaltung, das Verfahren wäre vermutlich ausgegangen wie das "Hornberger Schießen".

[4] Mein persönlicher Lieblingssatz aus 2013 stammt auch von einem Essener Vorsitzenden einer Berufungskammer (in einem anderen Verfahren ohne Fußballbezug), der nach einer ausführlichen Einlassung des seine Unschuld beteuernden Berufungsführers äußerte: "Das reicht mir für einen Freispruch nicht aus." Das Verfahren wurde schließlich – wie sonst? – gem. § 153a StPO beendet.