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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 551

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 202/21, Urteil v. 24.02.2022, HRRS 2022 Nr. 551


BGH 3 StR 202/21 - Urteil vom 24. Februar 2022 (LG Düsseldorf)

BGHSt; Regelmäßig kein Wiedereintritt in die Hauptverhandlung nach letztem Wort durch Verkündung des ein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlusses (Bezug zur Sachentscheidung; rein formale Vorgänge; ausdrückliche Erklärung; stillschweigender Wiedereintritt; Anforderungen an die Zulässigkeit der Revision; rechtliches Gehör); Ablehnung eines Beweisantrags wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit (Verbot der Beweisantizipation; Konnexität).

§ 258 Abs. 2 StPO; § 344 Abs. 2 S. 2 StPO; Art. 103 Abs. 1 GG

Leitsätze

1. Die Verkündung des ein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlusses stellt für sich gesehen keinen Wiedereintritt in die Hauptverhandlung im Sinne des § 258 StPO dar. Anderes gilt allenfalls dann, wenn der Beschluss über die bloße Zurückweisung hinaus einen Bezug zur Sachentscheidung aufweist, weil sich in ihm die Bewertung einer potentiell urteilsrelevanten Frage widerspiegelt. Nicht maßgeblich ist hingegen, ob der Befangenheitsantrag als unzulässig oder unbegründet behandelt wird. (BGHSt)

2. Nach einem Wiedereintritt in die Verhandlung muss das Gericht die Möglichkeit zu umfassenden Schlussvorträgen und das letzte Wort erneut gewähren, auch wenn er nur einen unwesentlichen Aspekt oder einen Teil der Anklagevorwürfe betrifft, weil jeder Wiedereintritt den vorangegangenen Ausführungen ihre rechtliche Bedeutung als Schlussvorträge und letztes Wort nimmt. (Bearbeiter)

3. § 258 StPO, der Gewährleistung des durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass der Angeklagte unmittelbar vor der endgültigen Beratung des Gerichts zu dem gesamten Ergebnis der Hauptverhandlung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung und somit auf die Urteilsfindung Einfluss nehmen kann. Diese Funktion ist allerdings, wenn dem Angeklagten bereits einmal das letzte Wort gewährt worden war, nur bei danach eintretenden, in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht sachentscheidungsrelevanten Ereignissen berührt. Bei neuen, sich auf die eigentliche Urteilsfindung in der Sache nicht auswirkenden, insbesondere rein formalen Vorgängen besteht hingegen für den Angeklagten kein Bedürfnis, sich in Reaktion hierauf ergänzend zu verteidigen. (Bearbeiter)

4. Ein Wiedereintritt in die Verhandlung kann durch eine ausdrückliche Erklärung des Vorsitzenden beziehungsweise des Gerichts oder stillschweigend geschehen. Für letzteres genügt jede Betätigung, in welcher der Wille des Gerichts, mit der Untersuchung und der Aburteilung fortzufahren, erkennbar zutage tritt, auch wenn das Gericht darin keine Wiedereröffnung der Verhandlung erblickt oder diese nicht beabsichtigt. Dies ist der Fall bei jedem Vorgang, der die gerichtliche Sachentscheidung auch nur mittelbar beeinflussen könnte, indem er eine tatsächliche oder rechtliche Bewertung des bisherigen Verfahrensergebnisses zum Ausdruck bringt. Auf Umfang und Bedeutung der nochmaligen Verhandlungen kommt es dabei nicht an. Ob ein Wiedereintritt vorliegt, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. (Bearbeiter)

5. Insbesondere wird durch Prozesshandlungen wieder in die Verhandlung eingetreten, die wie etwa die Stellung, Erörterung und Entscheidung von Beweisanträgen ihrer Natur nach in den Bereich der Beweisaufnahme fallen. Aber auch ein sonstiges Verhandeln über einzelne Vorgänge kann einen Wiedereintritt begründen, beispielsweise Erörterungen über die Voraussetzungen eines Haftbefehls, also seines Erlasses, seiner Aufrechterhaltung oder Aufhebung. Demgegenüber liegt keine Wiedereröffnung der Verhandlung in Vorgängen, die - wie beispielsweise die Negativmitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO oder die Bekanntgabe eines Verbindungsbeschlusses zur gemeinsamen Urteilsverkündung - auf die gerichtliche Sachentscheidung keinen Einfluss haben können. (Bearbeiter)

6. Wegen des Verbots der Beweisantizipation darf eine Beweistatsache nicht mit dem Argument als bedeutungslos erachtet werden, das Tatgericht sei von ihrem Gegenteil schon überzeugt. (Bearbeiter)

7. Tatsächlich bedeutungslos sind Indiz- beziehungsweise Hilfstatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Sachzusammenhang besteht oder sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnten, weil sie nur mögliche, nicht aber zwingende Schlüsse zulassen und das Gericht den möglichen Schluss nicht ziehen will. (Bearbeiter)

8. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Tatsache so, als wäre sie erwiesen, in ihrem vollen Umfang ohne Umdeutung, Einengung oder Verkürzung in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der potentiell berührten Haupttatsache beziehungsweise zum Beweiswert der anderen Beweismittel in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde. Die Ablehnung wegen Bedeutungslosigkeit erlaubt es dem Tatgericht dabei nicht, die Bedeutungslosigkeit lediglich aus dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme abzuleiten, die Richtigkeit der behaupteten Tatsache in Frage zu stellen oder den Beweiswert in Zweifel zu ziehen. (Bearbeiter)

9. Eine vom Revisionsführer behauptete Verletzung des § 258 StPO muss durch die Angabe aller Tatsachen dargetan werden, die den konkreten Fehler lückenlos belegen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dies erfordert in der Regel die vollständige Darlegung des für die Beurteilung der Rüge relevanten Verfahrensverlaufs, also auch der Anwesenheit des Angeklagten am Schluss der Verhandlung. Dabei ist die bloße Bezugnahme auf das Sitzungsprotokoll (wie auch ansonsten) unzulässig; das Revisionsgericht muss vielmehr allein aufgrund der Revisionsbegründungsschrift in die Lage versetzt werden, das Vorliegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers prüfen zu können. (Bearbeiter)

10. Ein Beweisantrag muss sich nicht zu Umständen verhalten, die ihn bei fortgeschrittener Beweisaufnahme mit gegenläufigen Beweisergebnissen dennoch plausibel erscheinen lassen. Die Rechtsprechung, die vereinzelt eine solche „qualifizierte“ Konnexität für erforderlich gehalten hat (vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284), findet jedenfalls seit der umfassenden Neuregelung des Beweisantragsrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 keine Anwendung mehr; denn sie ist mit der geänderten Gesetzeslage nicht zu vereinbaren. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Dezember 2020 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

soweit der Angeklagte in Fall II. 1. der Urteilsgründe verurteilt worden ist,

im Gesamtstrafenausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, Urkundenfälschung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit unrichtigen Angaben zur Beschaffung eines Aufenthaltstitels, sowie „unerlaubten Besitzes eines Dopingmittels in nicht geringer Menge zum Zwecke des Dopings beim Menschen im Sport“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

A.

I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

1. Am 30. Juli 2019 griff der Angeklagte mit den gesondert Verfolgten E. und C. den Geschädigten A. an und filmte das Geschehen teilweise mit seinem Mobiltelefon. E. versetzte dem leicht aufgerichtet auf dem Rücken liegenden Angegriffenen einen Faustschlag ins Gesicht, wodurch dieser zu Boden sackte. Als er sich aufrichten wollte, trat der Angeklagte, der feste Turnschuhe trug, von hinten gegen dessen Nacken und Hinterkopf. Eine nicht identifizierte männliche Person griff schützend ein, konnte aber nur E. abhalten, während C. dem nach wie vor am Boden liegenden Geschädigten Tritte gegen die Beine versetzte. Daraufhin stellte sich ein weiterer namentlich nicht ermittelter Mann über das Opfer, um die Angreifer fernzuhalten. Als es erneut aufstehen wollte, trat der Angeklagte ihm seitlich in den Kopf- und Nackenbereich, wodurch es wieder zu Boden ging. Anschließend entfernten sich der Angeklagte und die gesondert Verfolgten. Der Geschädigte erlitt Schmerzen, Schürfwunden sowie Rötungen an Auge und Hinterkopf. Die Verletzungen nahm der Angeklagte billigend in Kauf (Fall II. 1. der Urteilsgründe).

2. Am 2. August 2019 suchte der Angeklagte mit vier Begleitern den Vorplatz eines Restaurants in D. auf, begrüßte den Zeugen Ö., eine nicht identifizierte männliche Person und den Türsteher D. Nachdem zwei weitere Männer hinzugekommen waren, verließ der Angeklagte nach einer kurzen Unterhaltung gemeinsam mit sechs Begleitern den Vorplatz. Dort blieben die Zeugen Ö. und N., die nicht identifizierte männliche Person sowie der Geschädigte R. zurück, der während der Verabschiedung aus dem Restaurant gekommen war. Die vier unterhielten sich darüber, dass der Türsteher D. den Zeugen Ö. zunächst nicht in das Restaurant hatte hineinlassen wollen. Nach einem kurzen Telefonat des Zeugen erschien der Angeklagte mit den sechs Personen, darunter den gesondert Verfolgten E. und De., drei Minuten später wieder und ging mit ihnen zielstrebig auf die Gruppe zu. Er redete aus kurzer Entfernung mit dem Geschädigten und kreiste ihn gemeinsam mit seinen Begleitern ein, so dass sich der Umstellte nicht mehr entfernen konnte. Es entstand ein unübersichtliches Gerangel, in dessen Verlauf die Begleiter den Geschädigten mehrfach schlugen und in den Schwitzkasten nahmen. Hierdurch zog er sich eine Rötung am Hals und eine aufgeplatzte Lippe zu. Dies nahm der Angeklagte billigend in Kauf (Fall II. 2. der Urteilsgründe).

3. Das vorgenannte Geschehen wurde von dem Geschädigten D. beobachtet. Als er telefonisch um Verstärkung bitten wollte, löste sich der Angeklagte aus der Gruppe und schlug ihn in einer Links-Rechts-Kombination mit den Fäusten gegen den Kopf und den Oberkörper, so dass der Geschädigte zu Boden fiel. Sodann stiegen der Angeklagte und seine Begleiter über ihn. Während einer der Begleiter ihm einen Tritt gegen den Oberkörper versetzte, trat auch der Angeklagte - ungezielt - nach ihm, nahm dessen Mobiltelefon an sich, versuchte vergeblich, es durchzubrechen, und warf es anschließend in Richtung des noch am Boden Liegenden. Als dieser aufstand, schlug ihm einer der Begleiter des Angeklagten mit der Faust gegen den Oberkörper. Der Geschädigte erlitt eine Schwellung am Kopf, die mehrere Tage anhielt. Der Angeklagte nahm die Verletzung billigend in Kauf (Fall II. 3. der Urteilsgründe).

4. Im Juni 2019 reichte der als staatenlos in der Bundesrepublik Deutschland geduldete Angeklagte beim Ausländeramt gefälschte Lohnabrechnungen einer T. GmbH ein. Am 12. Dezember 2019 übersandte er per E-Mail über seinen Rechtsanwalt weitere gefälschte Verdienstbescheinigungen derselben Gesellschaft. Diese existierte in Wahrheit nicht. Der Angeklagte wusste dies und wollte durch Täuschung des zuständigen Sachbearbeiters eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erlangen. Er verfügte zudem über die marokkanische Staatsangehörigkeit, was er verschwieg (Fall II. 4. der Urteilsgründe).

5. Am 3. Januar 2020 legte der Angeklagte dem Amtsgericht Düsseldorf über seine Rechtsanwältin erneut gefälschte Lohnabrechnungen der vorgenannten - nicht existenten - Gesellschaft vor, um dem für die Entscheidung über die Haftfortdauer zuständigen Richter bewusst vorzuspiegeln, einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen (Fall II. 5. der Urteilsgründe).

6. Am 21. Dezember 2019 bewahrte der Angeklagte in seiner Wohnung mehrere Packungen mit Testosteronpropionat mit insgesamt 4.186 Milligramm Testosteron sowie verschiedene Fertigpens Genotropin mit einer Gesamtmenge von 108 Milligramm Somatotropin auf, um diese zum Doping im Boxsport einzusetzen (Fall II. 6. der Urteilsgründe).

II. In rechtlicher Hinsicht hat das Landgericht die Taten wie folgt gewertet:

Die Fälle II. 1. bis II. 3. hat es als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB beurteilt und in Fall II. 1. zudem § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB als erfüllt angesehen. Die Fälle II. 4. bis II. 5. hat die Strafkammer als Urkundenfälschung in Form des Gebrauchens einer unechten Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB bewertet und in Fall II. 4. dazu tateinheitlich eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG angenommen. Hinsichtlich Fall II. 6. ist sie von einer Straftat nach § 2 Abs. 3, § 4 Abs. 1 Nr. 1 AntiDopG ausgegangen.

B.

Die Revision ist begründet, soweit der Angeklagte in Fall II. 1. verurteilt worden ist. Insoweit unterliegt das Urteil bereits auf eine Verfahrensrüge der Aufhebung. Der Entfall der für diese Tat festgesetzten Einzelstrafe entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Im Übrigen hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

I. Die Beanstandung, mit der die Revision die rechtsfehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags und damit eine Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO geltend macht, dringt durch. Deshalb haben der Schuld- und der Strafausspruch in Fall II. 1. sowie der Ausspruch über die Gesamtstrafe keinen Bestand.

1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Ein Verteidiger des Angeklagten beantragte in der Hauptverhandlung vom 10. Dezember 2020 - nach Ablauf einer von der Strafkammer gesetzten Frist zur Stellung von Beweisanträgen (s. hierzu B. II. 1.) - unter anderem die Vernehmung eines Zeugen zum Beweis der Tatsachen, dass dieser als Betreiber eines dem Tatort direkt gegenüberliegenden Geschäfts die Tätlichkeiten in Fall II. 1. beobachtet habe, er der Mann sei, der ausweislich des in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Videos den Geschädigten habe schützen und die Angriffe abwehren wollen, und der Angeklagte während des Angriffs bei ihm gewesen sei, mit ihm über die Straße gegangen sei und die Beteiligten verbal zur Beendigung der Auseinandersetzung aufgefordert habe. Somit habe sich der Angeklagte nicht an dem Angriff beteiligt und sei nicht die Person, die das Beweisvideo aufgenommen habe.

Die Strafkammer lehnte den Beweisantrag im Urteil wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsachen mit der Begründung ab, sie mäße der Aussage des Zeugen selbst dann keine Bedeutung für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bei, wenn er bekunden würde, der Angeklagte habe sich nicht an dem Angriff beteiligt. Das Tatvideo sei bei dem Angeklagten gesichert worden, und dieser habe sich in WhatsApp-Nachrichten selbst der Täterschaft bezichtigt. Die Verteidigung sei daher zu weiteren Ausführungen gehalten gewesen, die Zweifel an dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme hätten aufkommen lassen; allein die Bekundungen des Zeugen wären dazu nicht geeignet gewesen. Vielmehr hätte die Strafkammer angenommen, es handele sich um eine weitere Falschaussage zugunsten des Angeklagten. Denn der Zeuge habe dem Angeklagten nach dem Inhalt des Beweisantrags lediglich ein Alibi verschaffen sollen, ohne Angaben dazu zu machen, weshalb dieser sich in den WhatsApp-Chats selbst als Täter bezichtigt habe.

2. Die zulässig erhobene Rüge ist begründet.

a) Das - nicht lediglich eine Negativtatsache behauptende - Ersuchen um die Zeugenvernehmung stellt einen Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO dar. Insbesondere ist die Konnexität zwischen Beweistatsachen und Beweismittel gewahrt. Der Beweisantrag muss sich nicht zu Umständen verhalten, die ihn bei fortgeschrittener Beweisaufnahme mit gegenläufigen Beweisergebnissen dennoch plausibel erscheinen lassen. Die Rechtsprechung, die vereinzelt eine solche „qualifizierte“ Konnexität für erforderlich gehalten hat (vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - 5 StR 38/08, BGHSt 52, 284), findet jedenfalls seit der umfassenden Neuregelung des Beweisantragsrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2121) keine Anwendung mehr; denn sie ist mit der geänderten Gesetzeslage nicht zu vereinbaren (s. BGH, Beschluss vom 1. September 2021 - 5 StR 188/21, NJW 2021, 3404 Rn. 21 ff., 23, 26).

b) Die Ablehnung des Beweisantrags wegen - wie die Auslegung der Ablehnungsbegründung ergibt: tatsächlicher - Bedeutungslosigkeit ist rechtsfehlerhaft, auch wenn seine Bescheidung erst im Urteil aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen für sich genommen nicht zu beanstanden ist.

aa) Tatsächlich bedeutungslos sind - allein - Indiz- beziehungsweise Hilfstatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Sachzusammenhang besteht oder sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnten, weil sie nur mögliche, nicht aber zwingende Schlüsse zulassen und das Gericht den möglichen Schluss nicht ziehen will. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Tatsache so, als wäre sie erwiesen, in ihrem vollen Umfang ohne Umdeutung, Einengung oder Verkürzung in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der potentiell berührten Haupttatsache beziehungsweise zum Beweiswert der anderen Beweismittel in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde. Die Ablehnung wegen Bedeutungslosigkeit erlaubt es dem Tatgericht dabei nicht, die Bedeutungslosigkeit lediglich aus dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme abzuleiten, die Richtigkeit der behaupteten Tatsache in Frage zu stellen oder den Beweiswert in Zweifel zu ziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2018 - 3 StR 342/17, StraFo 2018, 388, 389; Urteil vom 10. August 2017 - 3 StR 549/16, NStZ 2018, 111, 112; Beschluss vom 23. Mai 2012 - 5 StR 174/12, NStZ-RR 2012, 353, 354; Urteil vom 12. Oktober 1976 - 1 StR 549/76, juris Rn. 3; LR/Becker, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 220; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 244 Rn. 56).

bb) Daran gemessen erweist sich die Ablehnung als rechtsfehlerhaft.

Das Landgericht hat nach der Beschlussbegründung die unter Beweis gestellten Beweistatsachen nicht als solche und nicht so, als wären sie erwiesen, in seine Würdigung eingestellt. Es hat die Bedeutungslosigkeit vielmehr aus dem bisherigen Beweisergebnis hergeleitet, indem es das Gegenteil der Beweistatsachen bereits durch andere Beweismittel als belegt und die beantragte Zeugenaussage durch eine vorweggenommene Würdigung als Falschaussage angesehen hat. Dies ist unzulässig. Wegen des Verbots der Beweisantizipation darf eine Beweistatsache nicht mit dem Argument als bedeutungslos erachtet werden, das Tatgericht sei von ihrem Gegenteil schon überzeugt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. März 2018 - 3 StR 342/17, StraFo 2018, 388, 389; vom 3. Dezember 2015 - 2 StR 177/15, NStZ 2016, 365; vom 18. März 2015 - 2 StR 462/14, NStZ 2015, 599, 600; vom 23. Mai 2012 - 5 StR 174/12, NStZ-RR 2012, 353, 354; vom 11. April 2007 - 3 StR 114/07, StraFo 2007, 331; Urteil vom 12. Oktober 1976 - 1 StR 549/76, juris Rn. 3; KKStPO/Krehl, 8. Aufl., § 244 Rn. 143).

c) Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht nach Durchführung der beantragten Zeugenvernehmung die Täterschaft des zum Tatvorwurf schweigenden Angeklagten in Fall II. 1. abweichend bewertet hätte und daher das Urteil ohne den Rechtsfehler insoweit möglicherweise anders ausgefallen wäre (zum Begriff des Beruhens vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 - 3 StR 518/19, NZWiSt 2021, 478 Rn. 94).

3. Die Aufhebung der Verurteilung in Fall II. 1. bringt den Gesamtstrafenausspruch zu Fall.

II. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.

1. Die Rüge, dem Angeklagten sei das letzte Wort nicht gewährt und damit § 258 StPO verletzt worden, dringt entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht durch.

a) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Am 27. Oktober 2020 erklärte die Vorsitzende der Strafkammer die Beweisaufnahme für beendet. Sie gab den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit, bis zum 9. November 2020 Beweisanträge zu stellen, und bestimmte Fortsetzungstermine. Auf entsprechende fristgerechte Anträge wurden an den folgenden Hauptverhandlungstagen weitere Zeugen vernommen. Am 27. November 2020 bestimmte die Vorsitzende einen weiteren Fortsetzungstermin für den 10. Dezember 2020 und wies darauf hin, an diesem Tag sollten die Plädoyers gehalten werden.

Am 10. Dezember 2020 wurden auf Anregung der Verteidigung erneut Zeugen vernommen. Sodann beantragte sie zusätzliche Beweiserhebungen, unter anderem die Vernehmung eines weiteren Zeugen (dazu bereits B. I.). Nach einer dreistündigen Unterbrechung erklärte die Vorsitzende, es bestehe nunmehr Gelegenheit, für den Angeklagten eine Einlassung abzugeben, und teilte mit, nach Beratung seien die Beweisanträge von diesem Tag erst im Urteil zu bescheiden. Nach zwei weiteren Unterbrechungen für insgesamt zirka 45 Minuten lehnte der Angeklagte die Vorsitzende wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Gesuch stützte sich im Wesentlichen darauf, dass sich die Personalien des weiteren Zeugen erst nach der Vernehmung eines anderen Zeugen am 27. November 2020 sowie anschließenden Nachforschungen ergeben hätten und die Verteidigung daher nicht präkludiert sei; indem die Vorsitzende diesen Einwand zurückgewiesen habe, habe sie dokumentiert, die Sache nicht weiter aufklären zu wollen und in der Beurteilung der Schuld des Angeklagten bereits vorgefasst zu sein. Außerdem habe sie die Pflicht missachtet, eine neue Frist zu setzen, weil das Gericht nach Fristablauf erneut in die Beweisaufnahme eingetreten sei. Die Vorsitzende erklärte, die Hauptverhandlung werde bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch fortgesetzt (§ 29 Abs. 2 StPO), und stellte fest, dass keine Verständigungsgespräche geführt worden seien und das Selbstleseverfahren abgeschlossen sei. Die Beweisaufnahme wurde im allseitigen Einverständnis geschlossen. Es folgten die Schlussvorträge, und der Angeklagte erhielt das letzte Wort.

Außerhalb der Hauptverhandlung gab die Vorsitzende noch am 10. Dezember 2020 eine dienstliche Erklärung ab, sie habe in der Sitzung mitgeteilt, die Strafkammer werde die an diesem Tag gestellten Beweisanträge im Urteil bescheiden, und habe darauf hingewiesen, dass dies eine Entscheidung des Spruchkörpers nach Beratung gewesen sei.

Am 15. Dezember 2020 äußerte die Verteidigung ergänzend, die dienstliche Erklärung der Vorsitzenden gebe den Ablauf der Hauptverhandlung nicht zutreffend wieder: Vor Stellung des Befangenheitsantrags sei nicht mitgeteilt worden, dass es sich um eine Entscheidung der Strafkammer gehandelt habe, ein entsprechender Beschluss sei nicht verkündet worden.

Unter dem 17. Dezember 2020 fasste die Strafkammer ohne Mitwirkung der Vorsitzenden - außerhalb der Hauptverhandlung - einen Beschluss, mit dem sie das Ablehnungsgesuch zurückwies. Der Antrag vom 10. Dezember 2020 sei unbegründet. Denn die bloße Bekanntgabe einer nach Beratung ergangenen Kammerentscheidung durch die Vorsitzende rechtfertige nicht die Besorgnis der Befangenheit; die Vorsitzende sei weder berechtigt gewesen, diese Entscheidung als Vorsitzendenanordnung zu treffen, noch habe sie dies so dargestellt. Ein weiterer Antrag vom 11. Dezember 2020 sei wegen Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Geltendmachung des vorgebrachten Ablehnungsgrundes unzulässig.

Der Zurückweisungsbeschluss wurde am 18. Dezember 2020 bekannt gemacht, indem ihn die Vorsitzende in der Hauptverhandlung verkündete. Ohne weitere Unterbrechung folgte die Verkündung des Urteils. Die Schlussvorträge wurden nicht wiederholt, dem Angeklagten nicht erneut das letzte Wort gewährt.

b) Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Die Strafkammer musste dem Angeklagten, dem am 10. Dezember 2020 das letzte Wort gewährt worden war, dieses nicht erneut in der Hauptverhandlung am 18. Dezember 2020 einräumen. Denn die Verkündung des das Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlusses vom 17. Dezember 2020 an diesem Tag stellt keinen Wiedereintritt in die Hauptverhandlung im Sinne des § 258 StPO dar.

aa) Der Senat kann offenlassen, ob die Rüge zulässig erhoben worden ist, wenngleich die Revision nicht ausdrücklich vorgetragen hat, der Angeklagte sei am letzten Tag, bei der Verkündung des Zurückweisungsbeschlusses und des Urteils, anwesend gewesen, sondern insoweit lediglich auf das Hauptverhandlungsprotokoll verwiesen hat.

Zulässigkeitsbedenken ergeben sich daraus, dass die behauptete Verletzung des § 258 StPO durch die Angabe aller Tatsachen dargetan werden muss, die den konkreten Fehler lückenlos belegen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dies erfordert in der Regel die vollständige Darlegung des für die Beurteilung der Rüge relevanten Verfahrensverlaufs, also auch der Anwesenheit des Angeklagten am Schluss der Verhandlung (vgl. Thüringer OLG, Beschluss vom 27. Oktober 2004 - 1 Ss 229/04, VRS 108 [2005], 215; Radtke/Hohmann/Forkert-Hosser, StPO, § 258 Rn. 36; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 258 Rn. 67). Zudem ist die bloße Bezugnahme auf das Sitzungsprotokoll auch ansonsten unzulässig; das Revisionsgericht muss vielmehr allein aufgrund der Revisionsbegründungsschrift in die Lage versetzt werden, das Vorliegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers prüfen zu können (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 344 Rn. 21 mwN). Hier kommt hinzu, dass mit dem letzten Wort eine Verfahrenshandlung des Angeklagten betroffen ist und eine unterbrochene Hauptverhandlung unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich ohne den Angeklagten fortgesetzt (§ 231 Abs. 2 StPO) werden kann.

bb) Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Dem Angeklagten wurde nach dem Schluss der Beweisaufnahme am 10. Dezember 2020 das letzte Wort gewährt. Mit der Zurückweisung des Befangenheitsantrags (auch) als unbegründet trat die Strafkammer nicht wieder in die Hauptverhandlung ein. Für diese Frage, die der Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden hat (zu jeweils als unzulässig zurückgewiesenen Befangenheitsanträgen vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 1988 - 5 StR 6/88, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 5 [Ablehnungsgesuch, das nach Verkündung der Urteilsformel auf der Geschäftsstelle angebracht worden ist und nach § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO als unzulässig verworfen wird] und - insoweit nicht tragend - BGH, Urteil vom 21. März 1985 - 1 StR 417/84, NStZ 1985, 464, 465 [während der Schlussausführungen gegen Sachverständige angebrachte Anträge]), gilt:

Die Verkündung des ein Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschlusses stellt allenfalls dann einen Wiedereintritt in die Hauptverhandlung im Sinne des § 258 StPO dar, wenn er über die bloße Zurückweisung hinaus einen Bezug zur Sachentscheidung aufweist, weil sich in ihm die Bewertung einer potentiell urteilsrelevanten Frage widerspiegelt; nicht maßgeblich ist hingegen, ob der Befangenheitsantrag als unzulässig oder unbegründet behandelt wird. Im Einzelnen:

(1) Nach einem Wiedereintritt in die Verhandlung muss das Gericht die Möglichkeit zu umfassenden Schlussvorträgen und das letzte Wort erneut gewähren, auch wenn er nur einen unwesentlichen Aspekt oder einen Teil der Anklagevorwürfe betrifft, weil jeder Wiedereintritt den vorangegangenen Ausführungen ihre rechtliche Bedeutung als Schlussvorträge und letztes Wort nimmt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2017 - 1 StR 391/16, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 20 Rn. 6; vom 9. August 2001 - 3 StR 253/01, NStZ-RR 2001, 372; Urteil vom 15. November 1968 - 4 StR 190/68, BGHSt 22, 278, 279 f.; Radtke/Hohmann/Forkert-Hosser, StPO, § 258 Rn. 26; krit. zum Begriff des Wiedereintritts Rübenstahl, GA 151 [2004], 33 ff.).

Ein Wiedereintritt in die Verhandlung kann durch eine ausdrückliche Erklärung des Vorsitzenden beziehungsweise des Gerichts oder stillschweigend geschehen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2014 - 3 StR 185/14, NStZ 2015, 105; KKStPO/Ott, 8. Aufl., § 258 Rn. 24; MüKoStPO/Cierniak/Niehaus, § 258 Rn. 20). Für letzteres genügt jede Betätigung, in welcher der Wille des Gerichts, mit der Untersuchung und der Aburteilung fortzufahren, erkennbar zutage tritt, auch wenn das Gericht darin keine Wiedereröffnung der Verhandlung erblickt oder diese nicht beabsichtigt. Dies ist der Fall bei jedem Vorgang, der die gerichtliche Sachentscheidung auch nur mittelbar beeinflussen könnte, indem er eine tatsächliche oder rechtliche Bewertung des bisherigen Verfahrensergebnisses zum Ausdruck bringt. Auf Umfang und Bedeutung der nochmaligen Verhandlungen kommt es dabei nicht an. Ob ein Wiedereintritt vorliegt, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (s. RG, Urteil vom 16. November 1925 - II 419/25, RGSt 59, 420, 421 f.; BGH, Beschlüsse vom 20. September 2017 - 1 StR 391/16, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 20 Rn. 6 f.; vom 9. Juni 2015 - 1 StR 198/15, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 19; Urteil vom 27. Februar 2004 - 2 StR 146/03, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 14; KKStPO/Ott, 8. Aufl., § 258 Rn. 24; Dölling/Duttge/König/Rössner/Harrendorf, 38 39 Gesamtes Strafrecht, 5. Aufl., § 258 StPO Rn. 21; KMR/Stuckenberg, StPO, 22. EL, § 258 Rn. 3 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 258 Rn. 28; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 258 Rn. 4 ff.; MüKoStPO/Cierniak/Niehaus, § 258 Rn. 19 f.; Radtke/Hohmann/Forkert-Hosser, StPO, § 258 Rn. 26; SSWStPO/Ignor/Wegner/Franke, 4. Aufl., § 258 Rn. 13; a.A. SKStPO/Velten, 5. Aufl., § 258 Rn. 48 f.; s. zur Bildung von Fallgruppen Schlothauer, StV 1984, 134).

Hiernach wird insbesondere durch Prozesshandlungen wieder in die Verhandlung eingetreten, die wie etwa die Stellung, Erörterung und Entscheidung von Beweisanträgen ihrer Natur nach in den Bereich der Beweisaufnahme fallen (s. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2014 - 3 StR 185/14, NStZ 2015, 105; BeckOK StPO/Eschelbach, 42. Ed., § 258 Rn. 3; KKStPO/Ott, 8. Aufl., § 258 Rn. 24; Radtke/Hohmann/Forkert-Hosser, StPO, § 258 Rn. 27, jeweils mwN). Aber auch ein sonstiges Verhandeln über einzelne Vorgänge kann einen Wiedereintritt begründen, beispielsweise Erörterungen über die Voraussetzungen eines Haftbefehls, also seines Erlasses, seiner Aufrechterhaltung oder Aufhebung (vgl. aus der Rechtsprechung - die allerdings noch vor BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 1 StR 648/10, BGHR StPO § 126 Tatgericht 2, datiert, wonach das Amts- oder Landgericht über Haftfragen während der laufenden Hauptverhandlung stets in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung zu entscheiden hat - BGH, Beschluss vom 9. August 2001 - 3 StR 253/01, NStZ-RR 2001, 372; Urteile vom 11. April 2001 - 3 StR 534/00, StV 2001, 438; vom 25. Juli 1996 - 4 StR 193/96, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 8; vom 27. August 1992 - 4 StR 314/92, juris Rn. 4; ferner HKStPO/Julius/Beckemper, 6. Aufl., § 258 Rn. 15; KMR/Stuckenberg, StPO, 22. EL, § 258 Rn. 5; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 258 Rn. 29a; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 258 Rn. 7 ff.; Radtke/Hohmann/Forkert-Hosser, StPO, § 258 Rn. 27; SKStPO/Velten, 5. Aufl., § 258 Rn. 49; SSWStPO/Ignor/Wegner/Franke, 4. Aufl., § 258 Rn. 14).

Demgegenüber liegt keine Wiedereröffnung der Verhandlung in Vorgängen, die - wie beispielsweise die Negativmitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO (s. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 1 StR 198/15, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 19; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 258 Rn. 30) oder die Bekanntgabe eines Verbindungsbeschlusses zur gemeinsamen Urteilsverkündung (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2000 - 3 StR 53/00, NStZ-RR 2001, 241; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 258 Rn. 30) - auf die gerichtliche Sachentscheidung keinen Einfluss haben können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2017 - 1 StR 391/16, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 20 Rn. 7; vom 11. Mai 2017 - 1 StR 35/17, NStZ 2018, 290, 291; vom 9. Juni 2015 - 1 StR 198/15, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 19; Urteile vom 13. Oktober 1992 - 5 StR 476/92, NStZ 1993, 94, 95; vom 27. August 1992 - 4 StR 314/92, juris Rn. 4; Beschluss vom 20. Juni 1988 - 3 StR 182/88, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiederentritt 4; Bock, ZStW 129 [2017], 745, 763 f.; KMR/Stuckenberg, StPO, 22. EL, § 258 Rn. 6; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 258 Rn. 10; a.A. SKStPO/Velten, 5. Aufl., § 258 Rn. 51).

(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Strafkammer hier nicht gegen § 258 Abs. 2 StPO verstoßen.

(a) Dass das Landgericht mit der Verkündung des Beschlusses über die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs nicht wieder in die Hauptverhandlung eingetreten ist, legen bereits systematische Erwägungen zur Ausgestaltung des Ablehnungsverfahrens (§§ 24 ff. StPO) nahe. Denn dieser Vorgang gehört seiner Natur und gesetzlichen Konzeption nach nicht zum Bereich der Beweisaufnahme und Hauptverhandlung (vgl. Rübenstahl, GA 151 [2004], 33, 47). Dies zeigt sich schon daran, dass die Entscheidung in anderer Besetzung, nämlich ohne die hiervon ausgeschlossene abgelehnte Vorsitzende (§ 27 Abs. 1 StPO) und die Schöffen, außerhalb der Hauptverhandlung getroffen worden ist. Ferner hätte der Beschluss nicht in der Hauptverhandlung verkündet werden müssen; vielmehr wäre eine formlose schriftliche Mitteilung außerhalb der Hauptverhandlung ausreichend gewesen (§ 28 Abs. 2 Satz 2, § 35 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Verkündung hat diese formlose Mitteilung lediglich ersetzt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 35 Rn. 12; s. auch BGH, Urteil vom 3. März 1961 - 4 StR 548/60, BGHSt 15, 384). Zwar schließt diese gesetzliche Konzeption des Ablehnungsverfahrens die Bewertung als Wiedereintritt in die Hauptverhandlung nicht von vornherein aus (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11. April 2001 - 3 StR 534/00, StV 2001, 438). Es bedarf jedoch schon im Ausgangspunkt einer näheren Begründung, warum in der Bekanntgabe der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch eine solche Wiedereröffnung mit der Folge der Pflicht zur erneuten Gewährung des letzten Wortes liegen soll.

(b) Ein Wiedereintritt in die Hauptverhandlung kann sich auf der Grundlage der dargelegten Rechtsprechung nur dann ergeben, wenn die Verkündung ein sonstiges Verhandeln über einen Vorgang darstellt, durch welches das Gericht dokumentiert, mit der Untersuchung und Aburteilung fortfahren zu wollen, und dies insbesondere auf die gerichtliche Sachentscheidung Einfluss haben kann. Nur dann sind Sinn und Zweck des Äußerungsrechts nach § 258 StPO betroffen.

(aa) Aus der ersten Voraussetzung folgt, dass es unerheblich ist, ob der Befangenheitsantrag als unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen wird. Denn in beiden Fällen ist er erfolglos und dokumentiert das Gericht seine Absicht, das Verfahren fortzusetzen.

Auch aus den in diesem Zusammenhang genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (s. BGH, Beschluss vom 9. Februar 1988 - 5 StR 6/88, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 5; Urteil vom 21. März 1985 - 1 StR 417/84, NStZ 1985, 464, 465) ergibt sich nichts anderes. Insbesondere lässt sich diesen entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts nicht im Umkehrschluss entnehmen, eine Zurückweisung des Gesuchs als unbegründet stelle eine Wiederöffnung der Verhandlung dar. Die Entscheidungen beschränken sich allein und ausschließlich auf bereits unzulässige Befangenheitsanträge; Gleiches gilt für die entsprechenden - zustimmenden - Stellungnahmen des Schrifttums (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 258 Rn. 30; MüKoStPO/Cierniak/Niehaus, § 258 Rn. 21; SSWStPO/Ignor/Wegner/Franke, 4. Aufl., § 258 Rn. 15; ebenso KMR/Stuckenberg, StPO, 22. EL, § 258 Rn. 6 unter der Voraussetzung, dass „die Gründe für die Ablehnung keine Äußerung erfordern können“, sowie LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 258 Rn. 11, wenn keine Gesichtspunkte zur Sprache kommen, die auch für Sachentscheidung relevant sein können, und jedenfalls für den Fall, dass der Befangenheitsantrag nach Verkündung der Urteilsformel gestellt wird; Bock, ZStW 129 [2017], 745, 762; Dölling/Duttge/ König/Rössner/Harrendorf, Gesamtes Strafrecht, 5. Aufl., § 258 StPO Rn. 22; KKStPO/Ott, 8. Aufl., § 258 Rn. 25; Rübenstahl, GA 151 [2004], 33, 47 f.).

(bb) Maßgeblich ist vielmehr, ob der Beschluss über die bloße Zurückweisung hinaus einen Bezug zur Sachentscheidung aufweist, weil sich in ihm die gerichtliche Bewertung einer potentiell urteilsrelevanten Frage widerspiegelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2017 - 1 StR 391/16, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 20 Rn. 7; vom 11. Mai 2017 - 1 StR 35/17, NStZ 2018, 290, 291; vom 9. Juni 2015 - 1 StR 198/15, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 19; Urteile vom 13. Oktober 1992 - 5 StR 476/92, NStZ 1993, 94, 95; vom 27. August 1992 - 4 StR 314/92, juris Rn. 4; Beschluss vom 20. Juni 1988 - 3 StR 182/88, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 4; Bock, ZStW 129 [2017], 745, 763 f.; KMR/Stuckenberg, StPO, 22. EL, § 258 Rn. 6; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 258 Rn. 10; Radtke/Hohmann/Forkert-Hosser, StPO, § 258 Rn. 26). Gerade dieser Bezug ist der tragende Gesichtspunkt in durch den Bundesgerichtshof bereits entschiedenen ähnlichen Konstellationen und ermöglicht daher eine einheitliche Handhabung. Das gilt insbesondere für den oben genannten vergleichbaren Fall, dass sich das Tatgericht entscheidet, eine grundsätzlich außerhalb der Hauptverhandlung mögliche Haftentscheidung in der Verhandlung zu erörtern und zu verkünden. Ausschlaggebend für die Annahme eines Wiedereintritts in die Verhandlung ist dann nämlich, dass die Entscheidung zumindest inzident auch die gerichtliche Beurteilung des Verdachtsgrades beinhaltet, also eine sachliche Bewertung des bisherigen Beweisergebnisses (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 2001 - 3 StR 253/01, NStZ-RR 2001, 372; Urteile vom 11. April 2001 - 3 StR 534/00, StV 2001, 438; vom 25. Juli 1996 - 4 StR 193/96, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 8; vom 27. August 1992 - 4 StR 314/92, juris Rn. 4; Bock, ZStW 129 [2017], 745, 765). Ebenso fügt sich diese Betrachtungsweise bruchlos in die Rechtsprechung ein, wonach die reine Negativmitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO (s. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 1 StR 198/15, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 19; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 258 Rn. 30) oder die bloße Bekanntgabe eines Verbindungsbeschlusses zur gemeinsamen Urteilsverkündung (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2000 - 3 StR 53/00, NStZ-RR 2001, 241; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 258 Rn. 30) keine Wiedereröffnung der Verhandlung darstellt.

Diese Begrenzung auf die Sachentscheidungsrelevanz folgt aus dem Sinn und Zweck des § 258 StPO, der Gewährleistung des durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass der Angeklagte unmittelbar vor der endgültigen Beratung des Gerichts zu dem gesamten Ergebnis der Hauptverhandlung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung und somit auf die Urteilsfindung Einfluss nehmen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 1980 - 2 BvR 705/79, BVerfGE 54, 140, 141 f.; LR/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 258 Rn. 1; SK-StPO/Velten, 5. Aufl., § 258 Rn. 37). Diese Funktion ist allerdings, wenn dem Angeklagten bereits einmal das letzte Wort gewährt worden war, nur bei danach eintretenden, in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht sachentscheidungsrelevanten Ereignissen berührt. Bei neuen, sich auf die eigentliche Urteilsfindung in der Sache nicht auswirkenden, insbesondere rein formalen Vorgängen besteht hingegen für den Angeklagten kein Bedürfnis, sich in Reaktion hierauf ergänzend zu verteidigen (vgl. Bock, ZStW 129 [2017], 745, 764).

(c) An einer solchen Sachentscheidungsrelevanz im Rechtssinne fehlt es hier.

Der Befangenheitsantrag zielt per se nicht primär auf eine Beeinflussung der Sachentscheidung selbst, sondern auf die Veränderung der Besetzung des Gerichts (vgl. Rübenstahl, GA 151 [2004], 33, 47). Überdies spiegelt sich vorliegend in dem das Gesuch zurückweisenden Beschluss keine Bewertung einer potentiell für den sachlichen Gehalt des Urteils relevanten Frage wider:

Die Gründe des Beschlusses verhalten sich nicht zu dem bisherigen Beweisergebnis, befassen sich inhaltlich nicht mit den Beweisanträgen der Verteidigung und führen auch sonst nichts zur Sache aus. Sie beschränken sich hinsichtlich des Antrags vom 10. Dezember 2020 darauf, dass die reine Bekanntgabe einer nach Beratung ergangenen Kammerentscheidung nicht die Besorgnis der Befangenheit rechtfertige und die Vorsitzende weder berechtigt gewesen sei, diese Entscheidung als Vorsitzende zu treffen, noch dies so dargestellt habe.

Der Senat folgt nicht der Ansicht des Generalbundesanwalts, der darauf abgestellt hat, erst durch die Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs sei endgültig klar geworden, dass die Strafkammer über die Beweisanträge nicht mehr in der Verhandlung entscheide. Zum einen ging bereits aus dem Hinweis der Vorsitzenden in der Hauptverhandlung vom 10. Dezember 2020 eindeutig hervor, dass nach Fristablauf gestellte Beweisanträge erst im Urteil beschieden werden sollen. Anders als der Beschwerdeführer meint, brachte der Hinweis dabei hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass das beabsichtigte Vorgehen nach § 244 Abs. 4 Satz 4 StPO auf einer Kammerentscheidung beruhte. Denn aus der Angabe „nach Beratung“ ergab sich die Verantwortlichkeit des Spruchkörpers ohne Weiteres. Zum anderen kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dem Fall, dass das Tatgericht über einen auf die Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen gerichteten Hilfsbeweisantrag „mittelbar“ in einem nach der Gewährung des letzten Wortes verkündeten Teileinstellungsbeschluss entscheidet, allenfalls die rechtsfehlerhafte Behandlung des Hilfsbeweisantrags gerügt werden, nicht aber eine Verletzung des § 258 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2001 - 4 StR 414/00, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 13). Gleiches muss im Ergebnis hier gelten.

Soweit der Antrag vom 11. Dezember 2020 mit der Begründung zurückgewiesen wurde, die Ablehnung sei nicht unverzüglich geltend gemacht worden, kommen ebenfalls keine Gesichtspunkte zur Sprache, die für die Sachentscheidung relevant sein können.

Schließlich gaben die Prozessbeteiligten zu dem Beschluss weder Erklärungen ab (zu dieser Erwägung s. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 - 1 StR 198/15, BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 19), noch erörterten sie anschließend die Sach- und Rechtslage (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. Februar 2019 - 3 StR 469/18, NStZ 2019, 426 Rn. 9), so dass sich auch nicht etwa aus diesen Gründen ein Wiedereintritt in die Verhandlung ergibt.

2. Die Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 6 Satz 3 bis 5 StPO hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen keinen Erfolg.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Revisionshauptverhandlung, die Rüge sei nicht gemäß § 238 Abs. 2 StPO präkludiert, weil die Vorsitzende die Feststellungen zum Selbstleseverfahren erst im Fortsetzungstermin am 10. Dezember 2020 getroffen habe und mithin die von Amts wegen vorgesehene Beweisaufnahme zum Zeitpunkt der Fristsetzung nicht abgeschlossen gewesen sei, so dass diese Anordnung gegen § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO verstoßen habe (zu den Voraussetzungen der Rügepräklusion vgl. LR/Becker, StPO, 27. Aufl., § 238 Rn. 46 ff.; KKStPO/Schneider, StPO, 8. Aufl., § 238 Rn. 28 ff., jeweils mwN), verhilft der Rüge nicht zum Erfolg. Mit dieser Stoßrichtung hat der Angeklagte sie nicht erhoben. Innerhalb der Revisionsbegründungsfrist hat er vorgetragen, die Vorsitzende habe bereits zuvor in der Hauptverhandlung vom 23. Oktober 2020 festgestellt, die Berufsrichter und Schöffen hätten die Urkunden gelesen, die übrigen Verfahrensbeteiligten hierzu Gelegenheit gehabt.

3. In dem nach der Teilaufhebung des Urteils verbleibenden Umfang hat dessen aufgrund der Sachbeschwerde veranlasste materiellrechtliche Überprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:

a) Der Schuldspruch der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB in Fall II. 2. begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts belegen die Urteilsgründe, dass sich der Angeklagte an der Tat als Mittäter im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB beteiligte.

Zwar hat das Landgericht den erforderlichen gemeinsamen Tatentschluss des Angeklagten und seiner Begleiter nicht ausdrücklich festgestellt. Vielmehr erschöpfen sich die Urteilsfeststellungen, mit Ausnahme der Angabe, er habe die Verletzungsfolge beim Geschädigten billigend in Kauf genommen, in der Beschreibung des - auf Videoaufnahmen dokumentierten - äußeren Geschehens. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich jedoch die Überzeugung der Strafkammer entnehmen, dass der Angeklagte und seine Begleiter aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses, zumindest einer konkludenten Übereinkunft, handelten. Dies ergibt sich noch hinreichend daraus, dass er zusammen mit den Begleitern „zielstrebig“ auf die Gruppe um den Geschädigten zuging und auf ihn „aus kurzer Entfernung“ als Ausgangspunkt für das „Einkreisen“ einredete. Als sich das Opfer „nicht mehr entfernen konnte“, wurde es gleich „mehrfach“ geschlagen und in den Schwitzkasten genommen. Die Schilderung kann nur dahin verstanden werden, dass der Angeklagte und seine Begleiter einvernehmlich gegen den Geschädigten vorgingen. Dementsprechend hat das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung den maßgeblichen Tatbeitrag des Angeklagten darin gesehen, dass er den Angegriffenen durch das In-den-Weg-Stellen an der Flucht hinderte, sich mithin aktiv - mit Verletzungsvorsatz - an dem gemeinsamen Umstellen und damit der körperlichen Misshandlung beteiligte.

Da sich der gemeinsame Tatentschluss aufgrund der Feststellungen zum objektiven Handlungsablauf aufdrängt, hat er nicht eigens beweiswürdigend belegt werden müssen.

b) In Fall II. 4. kann dahinstehen, ob auch den per E-Mail übersandten Lohnabrechnungen Urkundsqualität zukam (vgl. dazu Fischer, StGB, 69. Aufl., § 267 Rn. 21 mwN), weil nach den Feststellungen schon im Juni 2019 gefälschte Bescheinigungen ohne Zuhilfenahme einer digitalen Übermittlung eingereicht worden waren und jedenfalls dies den Schuldspruch der Urkundenfälschung trägt. Die Annahme lediglich einer Tat beschwert den Angeklagten im Übrigen nicht.

c) Da der Gesamtstrafenausspruch bereits auf die unter B. I. dargelegte Verfahrensrüge aufzuheben ist, kommt es nicht darauf an, ob der im Rahmen der Gesamtstrafenbemessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigte Gesichtspunkt, er sei hinsichtlich der abgeurteilten drei gefährlichen Körperverletzungen einschlägig vorbestraft und habe die Taten unter laufender Bewährung begangen, was auf ein „eingeschliffenes Verhaltensmuster bezüglich der Begehung von gemeinschaftlichen Körperverletzungen schließen“ lasse, als rechtsfehlerhaft zu beurteilen ist. Allerdings spricht Einiges dafür, dass die Strafkammer mit der Bezeichnung „eingeschliffenes Verhaltensmuster“ lediglich zum Ausdruck hat bringen wollen, der Angeklagte habe eine Vielzahl gefährlicher Körperverletzungen gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB begangen; dies wird durch die Vorstrafe wegen „gemeinschaftlicher“ gefährlicher Körperverletzung aus dem Jahr 2017 sowie die abgeurteilten Taten hinreichend belegt. Für diese strafschärfende Erwägung wäre es nicht von Bedeutung, inwieweit das Tatbild der Vorverurteilung den nunmehr festgestellten Delikten in Einzelheiten gleicht.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 551

Bearbeiter: Christian Becker