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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 220

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 400/23, Beschluss v. 28.12.2023, HRRS 2024 Nr. 220


BGH 5 StR 400/23 - Beschluss vom 28. Dezember 2023 (LG Zwickau)

Konkurrenzen zwischen versuchter Nötigung und Bedrohung (Tateinheit; Konsumtion).

§ 240 StGB; § 241 StGB; § 52 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Der Senat neigt zu Tateinheit zwischen versuchter Nötigung und Bedrohung in Fällen, in denen die Nötigungshandlung in einer Bedrohung mit einem gegen den Genötigten gerichteten Verbrechen besteht (vgl. bereits - ebenfalls nicht tragend - BGH HRRS 2022 Nr. 1037; siehe aber auch BGH HRRS 2022 Nr. 778). Diese Einschätzung stützt sich u.a. darauf, dass von den Tatbeständen unterschiedliche Rechtsgüter geschützt werden, nämlich die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung bei § 240 StGB einerseits und der subjektive Rechtsfrieden des Einzelnen bei § 241 StGB andererseits. Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion ist demgegenüber im Grundsatz nur anzunehmen, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen der anzuwendenden Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst wird.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 31. Mai 2023 wird

das Verfahren im Fall II.2 der Urteilsgründe auf den Vorwurf der Beihilfe zur versuchten Nötigung beschränkt;

der Schuldspruch des vorgenannten Urteils dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und der Beihilfe zur versuchten Nötigung schuldig ist.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und der Beihilfe zur versuchten Nötigung in Tateinheit mit Beihilfe zur Bedrohung schuldig gesprochen, ihm deswegen eine Geldauflage erteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Senat hat das Verfahren im Fall II.2 der Urteilsgründe aus prozessökonomischen Gründen mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf der Beihilfe zur versuchten Nötigung beschränkt.

a) Der vom Landgericht insoweit ausgesprochenen Verurteilung wegen Beihilfe zur versuchten Nötigung in Tateinheit mit Beihilfe zur Bedrohung lag zugrunde, dass der Angeklagte im Auftrag eines gesondert Verfolgten einem Zeugen einer von dem gesondert Verfolgten begangenen gefährlichen Körperverletzung eine auf seinem Mobiltelefon gespeicherte Nachricht zeigte, in der der gesondert Verfolgte den Zeugen aufforderte, zu der von ihm beobachteten Tat keine Angaben bei der Polizei zu machen, andernfalls es ihm so ergehen werde, wie dem Opfer der gefährlichen Körperverletzung. Der Zeuge ließ sich davon indes nicht beeindrucken.

b) Der Generalbundesanwalt hatte hierzu in seiner Antragsschrift beantragt, den Schuldspruch dahin zu ändern, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen Beihilfe zur Bedrohung entfalle, weil die Annahme einer tateinheitlichen Beihilfe zur Bedrohung neben der Beihilfe zur versuchten Nötigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen Konkurrenzverhältnis dieser beiden Delikte widerstreite.

c) Infolge der mit Zustimmung des Generalbundesanwalts durchgeführten Beschränkung der Strafverfolgung auf den Vorwurf der Beihilfe zur versuchten Nötigung braucht der Senat nicht mehr zu entscheiden, ob an der zu § 241 StGB in der bis zum 2. April 2021 geltenden Fassung ergangenen Rechtsprechung festzuhalten ist, nach der die Bedrohung auch hinter einer nur versuchten Nötigung zurücktrat, wenn die Nötigungshandlung in einer Bedrohung mit einem gegen den Genötigten gerichteten Verbrechen bestand (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. November 2005 - 1 StR 455/05, NStZ 2006, 342; vom 11. März 2014 - 5 StR 20/14 Rn. 4; vom 12. Januar 2022 - 4 StR 389/21 Rn. 7). Er neigt indes - wie zuletzt der 4. Strafsenat (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2022 - 4 StR 220/22, NStZ-RR 2022, 341) - zur Annahme von Tateinheit. Das ergibt sich aus Folgendem:

Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion ist im Grundsatz nur anzunehmen, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen der anzuwendenden Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 1992 - GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 108; vom 27. November 2018 - 2 StR 481/17, BGHSt 63, 253, 258 f. zur Konkurrenz von versuchtem Einbruchdiebstahl und Sachbeschädigung; Urteil vom 24. September 1998 - 4 StR 272/98, BGHSt 44, 196, 198 zur Konkurrenz von versuchtem Tötungsdelikt und vorsätzlicher Körperverletzung). Dass diese Voraussetzung gegeben ist, erscheint dem Senat aus folgenden Gründen zweifelhaft: Zum einen ist durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom 30. März 2021 (BGBl. I S. 441) für die Bedrohung mit einem Verbrechen gemäß § 241 Abs. 2 StGB die Strafrahmenobergrenze auf zwei Jahre erhöht worden. Zum anderen werden von den Tatbeständen unterschiedliche Rechtsgüter geschützt, nämlich die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung bei § 240 StGB einerseits (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 1991 - 1 StR 3/90, BGHSt 37, 350, 353; BVerfG, Urteil vom 11. November 1986 - 1 BvR 713/83, BVerfGE 73, 206, 237; so schon RGSt 64, 113, 115) und der subjektive Rechtsfrieden des Einzelnen bei § 241 StGB andererseits (BT-Drucks. 19/17741, S. 37; BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395; vgl. BVerfG Beschluss vom 19. Dezember 1994 - 2 BvR 1146/94, NJW 1995, 2776, 2777; vgl. auch LK/Schluckebier, StGB, 13. Aufl., § 241 Rn. 1: seit der Erweiterung des Tatbestandes sei seit dem 3. April 2021 mittelbar auch der offene Diskurs in der demokratischen Gesellschaft und die Bereitschaft zum bürgerschaftlichen Engagement geschützt).

Einer Änderung der Rechtsprechung hätte aber möglicherweise eine Entscheidung des 3. Strafsenats (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2022 - 3 StR 161/22 Rn. 4) entgegengestanden. Der Senat hat deshalb aus prozessökonomischen Gründen zur Vermeidung eines aufwändigen Anfrageverfahrens die Verfahrensbeschränkung angeregt.

d) Der Rechtsfolgenausspruch bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt. Der Senat schließt aus, dass die Jugendkammer bei einer Verurteilung im Fall II.2 nur wegen Beihilfe zur versuchten Nötigung auf eine niedrigere Geldauflage erkannt hätte, zumal diese auch für Fall II.1 (Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung) einheitlich verhängt wurde, ihre Höhe ohnehin primär am Erziehungsgedanken ausgerichtet ist und der Angeklagte den Tatbestand der Beihilfe zur versuchten Bedrohung tatsächlich verwirklichte.

2. Die weitergehende Revision erweist sich als unbegründet. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung hat auch mit Blick auf die Revisionsrechtfertigunginsoweit aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen - keinen (weiteren) Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die von der Verteidigung mit der angeforderten Stellungnahme zur Verfahrensbeschränkung vorgebrachten weiteren Beanstandungen der Beweiswürdigung der Strafkammer zeigen im Revisionsverfahren beachtliche Rechtsfehler nicht auf, sondern erschöpfen sich in einer eigenen Würdigung der Beweisergebnisse.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 220

Bearbeiter: Christian Becker