HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

März 2015
16. Jahrgang
PDF-Download

Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Das Feindstrafrecht – alter Wein aus der Tüte

Von RiAG Dr. Lorenz Leitmeier, München

Wir leben in Zeiten des Terrors – permanent als Gefahr, oft genug realisiert. Die Rechtswissenschaft sucht nach Antworten, wie damit umzugehen ist: Sind die Vorfelddelikte bei der Terrorbekämpfung verfassungsgemäß?[1] Wird das Strafrecht zu weit ausgedehnt, wenn Sympathiebekundungen für Terrorvereinigungen wie den "Islamischen Staat" (wieder) unter Strafe gestellt werden? Schränken wir dadurch die Meinungsfreiheit zu stark ein und geben die Werte auf, die wir verteidigen wollen?[2]

Thomas Fischer hat jüngst in einer Kolumne[3] das "Feindstrafrecht" diskutiert, das Günther Jakobs in dieser Zeitschrift zweimal dargestellt und verteidigt hat[4].

Wenn ein Bundesrichter dieses Modell weit über die Fachwelt hinaus als ernsthafte Alternative diskutiert, die "einer der scharfsinnigsten, gnadenlosesten und gründlichsten Denker seiner Zunft in der europäischen Nachkriegszeit" anbietet; und wenn dem "die verschreckte Rechtswissenschaft nicht viel entgegen zu halten hat"[5], lohnt es sich, das "Feindstrafrecht" einmal an den wissenschaftlichen Vorgaben desjenigen zu messen, aus dessen Werkzeugkasten Jakobs sich bedient – nämlich Max Webers.

Liest man dessen Methodologie mit Blick auf Jakobs´ Modell, stellt man fest: Weber, Großmeister der Wissenschaftslehre, Erfinder des Idealtypus und Apostel der Wertfreiheit, hat 100 Jahre vor Jakobs die schönste Replik geschrieben.

I. Die Wissenschaft: Deskriptiv

Jakobs stellt wiederholt klar, deskriptiv zu argumentieren[6] und als Teil des Wissenschafts-, nicht des Rechtssystems, die wirkliche Welt zu beschreiben und keine postulierte Welt (des Korrekten): Es sei "nicht mein Anliegen, irgend jemanden zum Feind zu stilisieren, sondern zu beschreiben, wen das Rechtssystem als Feind behandelt, und zu prognostizieren, wem es zukünftig diese Rolle zuerkennen wird. Es geht nicht um Normierungen, noch weniger um politische Postulate, sondern um Bestandsaufnahmen und deren Verlängerungen in die Zukunft."[7]

Jakobs beschreibt also, er wertet nicht; sein Modell des Feindstrafrechts soll analytisch sein und nicht legitimatorisch. Seine Frage ist: Wie wirkt das Recht, wen schließt es aus? Jakobs möchte die tatsächlichen Wirkungen der "Bekämpfungsgesetzgebung" wissenschaftlich darstellen; er betreibt also nicht Rechtsdogmatik, die sich mit Rechtsnormen unter dem Gesichtspunkt ihrer Sollgeltung beschäftigt, mit ihrem begrifflichen Geltungsbereich, sondern Rechtssoziologie, der es um die Seinsgeltung des Rechts geht[8], um die faktische Existenz der Rechtsordnung.[9]

Damit ist die Frage, ob Jakobs den Maßstäben der deskriptiven Wissenschaft genügt.

1. Webers Anspruch: Werturteilsfreiheit

Dass Jakobs "gnadenlos" denkt[10] und die "political correctness" ignoriert, ist Weber zufolge die beste Voraussetzung: "Nirgends ist das Interesse der Wissenschaft auf die Dauer schlechter aufgehoben als da, wo man unbe-

queme Tatsachen und die Realitäten des Lebens in ihrer Härte nicht sehen will."[11]

Wissenschaft muss jedoch beachten, was sie leisten kann – und wo ihre Grenzen sind. Insbesondere muss sie die "oft haarfeine Linie" zwischen Wissen und Glauben beachten[12]. Aufgabe der Wissenschaft ist es nicht, bindende Normen und Ideale zu ermitteln, um daraus für die Praxis Rezepte ableiten zu können[13]: "Der Jurist hat so wenig die Aufgabe, den Wert jener Kulturgüter, deren Existenz an den Bestand von ´Recht´ gebunden ist, zu ´beweisen´, wie der Mediziner die Aufgabe hat, ´nachzuweisen´, daß die Verlängerung des Lebens unter allen Umständen erstrebenswert sei. Beide sind dazu auch, mit ihren Mitteln, gar nicht imstande. (…) Die Wissenschaften, normative und empirische, können den politisch Handelnden und den streitenden Parteien nur einen unschätzbaren Dienst leisten, nämlich ihnen zu sagen: 1. es sind die und die verschiedenen ´letzten´ Stellungnahmen zu diesem praktischen Problem denkbar; – 2. so und so liegen die Tatsachen, mit denen ihr bei eurer Wahl zwischen diesen Stellungnahmen zu rechnen habt."[14]

Die Abwägung zwischen verschiedenen Werten "nun aber zur Entscheidung zu bringen, ist freilich nicht mehr eine mögliche Aufgabe der Wissenschaft, sondern des wollenden Menschen: er wägt und wählt nach seinem eigenen Gewissen und seiner persönlichen Weltanschauung zwischen den Werten, um die es sich handelt. Die Wissenschaft kann ihm zu dem Bewußtsein verhelfen, daß alles Handeln, und natürlich auch, je nach den Umständen, das Nicht-Handeln, in seinen Konsequenzen eine Parteinahme zugunsten bestimmter Werte bedeutet, und damit - was heute so besonders gern verkannt wird - regelmäßig gegen andere. Die Wahl zu treffen, ist seine Sache."[15]

Für Weber kommt es allein darauf an, "daß einerseits die Geltung eines praktischen Imperativs als Norm und andererseits die Wahrheitsgeltung einer empirischen Tatsachenfeststellung in absolut heterogenen Ebenen der Problematik liegen und daß der spezifischen Dignität  jeder  von beiden Abbruch getan wird, wenn man dies verkennt und beide Sphären zusammenzuzwingen sucht. (…) Schon so einfache Fragen aber, wie die: inwieweit ein Zweck die unvermeidlichen Mittel heiligen solle, wie auch die andere: inwieweit die nicht gewollten Nebenerfolge in Kauf genommen werden sollen, wie vollends die dritte, wie Konflikte zwischen mehreren in concreto kollidierenden, gewollten oder gesollten Zwecken zu schlichten seien, sind ganz und gar Sache der Wahl oder des Kompromisses. Es gibt keinerlei (rationales oder empirisches) wissenschaftliches Verfahren irgendwelcher Art, welches hier eine Entscheidung geben könnte."[16]

2. Jakobs` Umsetzung

a) Behauptete Beschreibung

In seinem Aufsatz aus 2006, in dem er auf alle Kritiker antwortet, behauptet Jakobs, nur zu beschreiben. Er stellt so oft klar, sich allein auf der deskriptiven Ebene zu bewegen, dass kein Rest an Zweifel erlaubt ist:

"Daß jeder als Person behandelt werden soll, ist per se ein bloßes Postulat, ein Modell für eine Gesellschaft, damit aber nicht schon Teil einer wirklich stattfindenden Gesellschaft. (…) Offenbar muß also zwischen einem - wie überzeugend auch immer - postulierten Recht, einem Modellrecht, und der wirklichen normativen Struktur einer Ge­sell­schaft unterschieden werden. Jenes mag in Zukunft, ´im Geiste´, ori­en­tie­ren, aber nur dieses orientiert im jeweiligen ´Hier und Jetzt´. (…) Ein Recht postulieren zu können und ein Recht wirklich zu haben, ist nicht das­selbe, und nur letzteres, das Recht, das man wirklich hat, bietet in der jeweiligen Gegenwart Orientierung. (…) Die postulierte Welt des Kor­rekten mag solche Grenzen nicht kennen; die wirkliche Welt kennt sie."[17]

Bis hierher geht Jakobs methodisch korrekt vor: Er stellt klar, auf welcher Ebene er argumentiert.

b) Praktizierte Wertung

Jakobs verlässt das Feld wertfreier Deskription entgegen seiner Ankündigung sehr schnell, anfangs angedeutet, später ohne Zurückhaltung. Heikel ist bereits, wie er sein Programm einleitet: "Meine Bemerkungen sind, wie ich wiederhole, deskriptiv gemeint, nicht präskriptiv. (…) Ich werde zu zeigen versuchen, daß der Körper des Kaisers, also des Staates, an manchen Stellen nicht mit ordentlicher rechtsstaatlicher Kleidung bedeckt, sondern nackt ist, mehr noch, daß er unter den gegenwärtigen Bedingungen nackt sein muß, wenn er nicht insgesamt wegen rechtstaatlicher Überhitzung Schaden nehmen soll."[18]

Nach der Beteuerung, rein deskriptiv zu argumentieren, schreibt er im Anschluss, das Feindstrafrecht "muss sein" – ohne den Wechsel der Ebenen kenntlich zu machen, wertet er und beschreibt nicht.

In der Folge besteht seine Argumentation dann zu weiten Teilen aus Wertungen. Das liest sich wie folgt: "Nun ist nicht zu erwarten, die vor mehr als 350 Jahren formulierten Gedanken des Hobbes ließen sich eins zu eins in die Gegenwart übertragen, obgleich die Erkenntnis, daß ein prinzipieller Gegner eben anders, als Feind, zu behandeln ist als ein Bürger mit eher passageren Defekten, nach wie vor richtig ist."[19]

Das ist offenkundig präskriptiv, auf dem Boden der Deskription kann Jakobs so etwas nicht schreiben. Wer anders als Jakobs entscheidet, dass jemand als Feind, nicht als Bürger zu behandeln sei?

Wie weit die Gegnerschaft reicht, bestimmt ebenfalls Jakobs: "Nur darf unter einem prinzipiellen Gegner heute nicht (nur) ein Gegner der etablierten Herrschaft verstanden werden, vielmehr ist er als ein Gegner der freiheitlich verfaßten Gesellschaft zu begreifen. (…) Wer sein Leben zurechenbar und einigermaßen dauerhaft an kriminellen Strukturen ausrichtet, für den bricht zwar nicht rundum, aber doch bereichsweise die Präsumtion rechtstreuen Verhaltens und damit eine Bedingung seines Status als Person im Recht zusammen. (…) Eine wirklich stattfindende Gesellschaft kommt um eine mehr oder weniger umfassende Exklusion der hartnäckigen Gegner nicht herum."[20]

Auch diese Sätze vom Verlust des Bürger-Status und der unverzichtbaren Exklusion der Gegner sind keine Beschreibungen des Rechts, wie es ist, sondern hochnormativ. Wer den Anspruch verliert, als Person behandelt zu werden, bestimmt Jakobs, und nicht der Gesetzgeber, dessen Gesetze er angeblich deskriptiv beschreibt.

"Wer keine hinreichende kognitive Sicherheit personalen Verhaltens leistet, kann nicht nur nicht erwarten, noch als Person behandelt zu werden, sondern der Staat darf ihn auch nicht mehr als Person behandeln, weil er ansonsten das Recht auf Sicherheit der anderen Personen verletzen würde. (…) Der prinzipiell Abweichende bietet keine Garantie personalen Verhaltens; deshalb kann er nicht als Bürger behandelt, sondern muß als Feind bekriegt werden. (…) Ein Individuum, das sich nicht in einen bürgerlichen Zustand zwingen läßt, kann der Segnungen des Begriffs der Person nicht teilhaftig werden. Der Naturzustand ist eben ein Zustand der Normlosigkeit, also exzessiver Freiheit wie exzessiven Kampfes. Wer den Krieg gewinnt, bestimmt, was Norm ist, und wer verliert, hat sich dieser Bestimmung zu beugen. (…) Anders formuliert, wer den Feind unter den Begriff des bürgerlichen Verbrechers bringt, sollte sich nicht wundern, wenn die Begriffe "Krieg" und "Strafverfahren" durcheinandergeraten. Nochmals anders formuliert, wer dem Bürgerstrafrecht seine rechtsstaatlichen Eigenschaften (…) nicht nehmen will, sollte das, was man gegen Terroristen tun muß, wenn man nicht untergehen will, anders nennen, eben Feindstrafrecht, gebändigten Krieg."[21]

Wer formuliert diese präskriptiven Sätze außer Jakobs? Wer entscheidet, was man tun "muss"? Wer exkludiert die Feinde, schickt sie in den Naturzustand, verhängt den ("gebändigten") Kriegszustand?

Mit Deskription haben diese Sätze nichts zu tun, sie sind ausschließlich normativ. Jakobs argumentiert auf der Ebene des "Sollens", die er – in Abwehr gegen seine Kritiker – gerade nicht betreten wollte.

3. Webers Replik

Für ein Vorgehen, wie es Jakobs unternimmt, hat Weber persönlich Verständnis, als Wissenschaftler weist er es entschieden zurück: "Nicht diskutieren möchte ich ferner, ob die Scheidung von empirischer Feststellung und praktischer Wertung ´schwierig´ sei. Sie ist es. (…) Nicht diskutieren ferner, sondern ausdrücklich anerkennen möchte ich: daß man gerade unter dem Schein der Ausmerzung aller praktischen Wertungen ganz besonders stark, nach dem bekannten Schema: ´die Tatsachen sprechen zu lassen´, suggestiv solche hervorrufen kann. (…) Daß aber ein illoyal erweckter Schein der Erfüllung eines Gebotes sich für die Wirklichkeit ausgeben kann, bedeutet doch keine Kritik des Gebotes selbst. Dieses aber geht gerade dahin: daß, wenn der Lehrer praktische Wertungen sich nicht versagen zu sollen glaubt, er diese als solche den Schülern und sich selbst absolut deutlich mache. (…) Aber es handelt sich doch ausschließlich um die an sich höchst triviale Forderung: daß der Forscher und Darsteller die Feststellung empirischer Tatsachen (einschließlich des von ihm festgestellten ´wertenden´ Verhaltens der von ihm untersuchten empirischen Menschen) und seine praktisch wertende, d.h. diese Tatsachen (einschließlich etwaiger, zum Objekt einer Untersuchung gemachter ´Wertungen´ von empirischen Menschen) als erfreulich oder unerfreulich beurteilende, in diesem Sinn: ´bewertende´ Stellungnahme unbedingt  auseinanderhalten  solle, weil es sich da nun einmal um heterogene Probleme handelt."[22]

Die Trennung zwischen "Sein" und Sollen" einzuhalten, ist für Weber zentral: "Ich muß abwarten, ob sich wirklich Leute finden, welche behaupten, daß die Fragen: ob eine konkrete Tatsache sich so oder anders verhält?, warum der betreffende konkrete Sachverhalt so und nicht anders geworden ist?, (…) dem Sinn nach nicht  grundverschieden seien von den Fragen: was man in einer konkreten Situation praktisch tun  solle?, unter welchen Gesichtspunkten jene Situation praktisch erfreulich oder unerfreulich erscheinen könne?, (…) Ob dagegen jemand, der die absolute Heterogenität beider Arten von Fragen zugibt, dennoch für sich in Anspruch nimmt: in einem und demselben Buch, auf einer und derselben Seite, ja in einem Haupt- und Nebensatz einer und derselben syntaktischen Einheit sich einerseits über das eine und andererseits über das andere der beiden heterogenen Probleme zu äußern, — das ist seine Sache. Was von ihm zu verlangen ist, ist lediglich: daß er seine Leser über die absolute Heterogenität der Probleme nicht unabsichtlich (oder auch aus absichtsvoller Pikanterie)  täusche.  Persönlich bin ich der Ansicht, daß kein Mittel der Welt zu "pedantisch" ist, um nicht zur Vermeidung von Konfusionen am Platze zu sein."[23]

Weber zufolge gilt: Das "fundamentale Gebot wissenschaftlicher Unbefangenheit ist es deshalb: in solchen Fällen[der Abgabe von Werturteilen]den Lesern (und — sagen wir wiederum — vor allem sich selbst!) jederzeit deutlich zu machen, daß und wo der denkende Forscher aufhört und der wollende Mensch anfängt zu sprechen,

wo die Argumente sich an den Verstand und wo sie sich an das Gefühl wenden. Die stete Vermischung wissenschaftlicher Erörterung der Tatsachen und wertender Raisonnements ist eine der zwar noch immer verbreitetsten, aber auch schädlichsten Eigenarten von Arbeiten unseres Faches. Gegen diese Vermischung, nicht etwa gegen das Eintreten für die eigenen Ideale richten sich die vorstehenden Ausführungen. Gesinnungslosigkeit und wissenschaftliche ´Objektivität´ haben keinerlei innere Verwandtschaft."[24]

II. Das Werkzeug: "Idealtypus"

Jakobs zufolge handelt es sich bei seinem schillernden "Feindstrafrecht" um einen Idealtypus, den er "aus den vom Gesetzgeber so genannten Bekämpfungsgesetzen und anderen Vorschriften zu destillieren"[25] versucht habe. Damit übernimmt Jakobs das zentrale Werkzeug aus Webers Wissenschaftslehre.

1. Webers Vorgabe

Weber zufolge liegen nicht die "sachlichen Zusammenhänge der Dinge", sondern die "gedanklichen Zusammenhänge der Probleme" den Arbeitsgebieten der Wissenschaften zugrunde[26]; die objektive Gültigkeit des Wissens beruht darauf, daß die gegebene Wirklichkeit nach Kategorien geordnet wird. Wissenschaft kann allein leisten: "Begriffe und Urteile, die nicht die empirische Wirklichkeit sind, auch nicht sie abbilden, aber sie in gültiger Weise denkend ordnen lassen. (…) Wer den Grundgedanken der auf Kant zurückgehenden modernen Erkenntnislehre: daß die Begriffe vielmehr gedankliche Mittel zum Zweck der geistigen Beherrschung des empirisch Gegebenen sind und allein sein können, zu Ende denkt, dem wird der Umstand, daß scharfe genetische Begriffe notwendig Idealtypen sind, nicht gegen die Bildung von solchen sprechen können."[27]

Idealtypen konstruieren Zusammenhänge, sind ideal nur in dem Sinne, dass sie in der Wirklichkeit nicht erreicht werden: "Vorweg sei hervorgehoben, daß der Gedanke des Sein sollenden, ´Vorbildlichen´ von diesen in rein logischem Sinn ´idealen´ Gedankengebilden, die wir besprechen, hier zunächst sorgsam fernzuhalten ist."[28]

Der Idealtypus ist ein Gedankenbild, das bestimmte Beziehungen und Vor­gänge zu einem in sich widerspruchslosen Kosmos gedachter Zu­sammenhänge vereinigt: "Er wird gewonnen durch einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und durch Zusammen­schluß einer Fülle von diffus und diskret, hier mehr, dort weniger, stellenweise gar nicht, vorhandenen Einzelerscheinungen, die sich jenen einseitig heraus­ge­ho­benen Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich einheitlichen Gedanken­bilde. In seiner begrifflichen Reinheit ist dieses Gedankenbild nirgends in der Wirklichkeit empirisch vorfindbar (…)."[29]

Um die Wirklichkeit einzufangen, ist festzustellen, "wie nahe oder wie fern die Wirklichkeit jenem Idealbilde steht."[30]

Gesetzliche Regelungen sind dafür geeignet: "Der Kosmos der rechtlichen Normen ist natürlich zugleich begrifflich klar bestimmbar und (im rechtlichen Sinn!) für die historische Wirklichkeit geltend. Aber ihre praktische Bedeutung ist es, mit der die Arbeit der Sozialwissenschaft in unserem Sinn zu tun hat. Diese Bedeutung aber ist sehr oft nur durch Beziehung des empirisch Gegebenen auf einen idealen Grenzfall eindeutig zum Bewußtsein zu bringen."[31]

2. Jakobs` Umsetzung

Ganz im Sinne Webers möchte Jakobs das "Bürgerstrafrecht" und das "Feindstrafrecht" als Idealtypen benutzen, "die sich kaum je rein verwirklicht finden lassen."[32]

Typische Kennzeichen des Feindstrafrechts sind: Die Strafbarkeit wird weit vorverlagert, noch in den privaten Bereich hinein; bei diesen Tatbeständen fällt die Strafe überproportional aus; das Parlament geht über zu einer "Bekämpfungsgesetzgebung"; prozessuale Garantien werden abgebaut[33]. Legt man diese Kennzeichen zugrunde, ist der Idealtypus unproblematisch, hat er weithin anerkannt heuristischen Wert, um die Rechtsentwicklung zu analysieren.

Im Einklang mit Weber baut Jakobs seine Idealtypen als Extreme auf: "Bürgerstrafrecht ist das Recht aller, Feindstrafrecht das Recht derjenigen, die gegen den Feind stehen; dem Feind gegenüber ist es nur physischer Zwang, bis hin zum Krieg. (…) Bürgerstrafrecht erhält die Normgeltung, Feindstrafrecht (im weiteren Sinn: das Maßregelrecht eingeschlossen) bekämpft Gefahren; - gewiß gibt es massenweise Zwischenformen."[34]

b) Ungenauigkeit

An dieser Stelle wird es problematisch: Konstitutiv für den Idealtypus ist der Begriff "Feind"; dieser Begriff ist aber ungenau – also das Gegenteil dessen, was ein Idealtypus sein soll.

Dieser zentrale Begriff bleibt dunkel, wie Bung herausgearbeitet hat: "Zum Feind wird erst derjenige, der das nicht leistet, was Jakobs die kog­ni­tive Mindestgarantie personalen Verhaltens nennt. Was ist aber damit gemeint? Sofern die Formel der kognitiven Mindestgarantie darüber entscheiden soll, ob ein delinquierendes Indivi-

duum als Bürger oder als Feind behandelt wird, kommt alles auf begriffliche Präzision und Plausibilisierung dieser Formel an. Hier freilich muss man Jakobs eine schwer verständliche Zurückhaltung attestieren. Seine Argumentation zieht sich entweder einfach auf die abstrakte Formel zurück, die als solche kein wirkliches Kriterium erkennen lässt oder er wählt Formulierungen, die schon auf ersten Blick gewisse Zweifel darüber aufkommen lassen, wie es um ihren argumentativen Status bestellt sein mag."[35]

Jakobs kontert diese Kritik: "Geläufig wird mir vorgeworfen, diese Bestimmung des Feindes sei einigermaßen ungenau. Die Feststellung stimmt, aber sie ist als Vorwurf falsch formuliert: Beim ´Bürger´ oder ´Bürgerstrafrecht´ und beim ´Feind´ oder ´Feindstrafrecht´ handelt es sich um Idealtypen, die in reiner Ausprägung praktisch nicht vorkommen. Das Praktische liegt immer dazwischen und trägt deshalb das Stigma aller Mischtypen, eben ungenau zu sein."[36]

Mit dieser Replik verfehlt Jakobs indes den Sinn von Idealtypen: Wenn er solche entwickelt, dann doch genau deshalb, um präzise sein zu können, um reine Formen zu haben.

Jakobs hingegen reicht den Vorwurf ungenauer Begriffsbildung an die Wirklichkeit weiter; als ob das Untersuchungsobjekt die klaren Begriffe zur Verfügung stellen müsste, mit denen es eingefangen wird. Das entscheidende Kriterium seines Idealtypus bleibt vage, weil "das Praktische ungenau ist"? Genau so funktionieren Idealtypen nicht: Sie müssen überzeichnet und sehr genau sein, um die "Mischform Wirklichkeit" messen zu können. Das Modell steht im Dienst der Wirklichkeit, nicht umgekehrt. Wenn das entscheidende Kriterium des Idealtypus nicht genau herausgearbeitet wird, ist er überflüssig, kann er keine Dienste leisten. Heuristisch ist das nahe am GAU. Das wäre so, als hätte Weber bei seinem Idealtypus "charismatische Herrschaft" das Moment "Charisma" unbestimmt gelassen, weil die "Wirklichkeit eine Mischform ist".

Jakobs liefert keine Bestimmung des "Feindes", seine begrifflichen Versuche sind hilflos: "Wer genau dazu gerechnet werden muß, läßt sich gewiß nur schwierig bestimmen, aber unmöglich ist es nicht: Wer sich selbst zu einem Teil verfestigter krimineller Strukturen gemacht hat, bei dem verdünnt sich die Hoffnung, ein gemeinsamer modus vivendi werde sich trotz einzelner verbrecherischer Taten finden lassen, zur schieren Illusion, eben zur "endlos kontrafaktischen" Erwartung. (…) Soweit mit dem Feind als Feind umgegangen wird, fehlt mangels Gegenseitigkeit das Rechtsband, das die bürgerliche Gesellschaft knüpft; der Umgang erfolgt also im Verhältnis zum Feind nicht als rechtlicher (…)."[37]

Diese Bestimmungen verlassen den Bereich des Rechts. So wenig wie Recht die Bedingung seiner Möglichkeit garantieren kann, so wenig kann es darüber bestimmen, wer von ihm zu erfassen ist. Das ist eine politische, nicht rechtliche Frage. Nicht umsonst war Hobbes, auf den sich Jakobs wiederholt bezieht, ein politischer Denker. [38]

b) Wertung

Äußerst problematisch ist der "Feind" auch in normativer Hinsicht: An ihm entscheidet sich, wie das Strafrecht einen Delinquenten behandelt – als Person oder "entpersonalisiert".

Unabhängig davon, wie Jakobs seinen Idealtypus bestimmt, alleine der Begriff "Feind" ist wertend: Er impliziert Krieg und totale Vernichtung; er nimmt die Entscheidung vorweg, dass Strafrecht und Feind harmonieren, dass man einen Delinquenten strafrechtlich als Feind behandeln kann. Weit über eine wertfreie Beschreibung hinaus erschließt Jakobs das Phänomen mit seiner Wertung: Der Begriff konstituiert das Phänomen erst, und Sprache kann von Wertungen nicht gereinigt werden[39].

Mit seiner Begrifflichkeit entscheidet Jakobs, dass ein guter Teil des Strafrechts Kriegsrecht ist. Warum nennt er sein Modell nicht "Präventionsstrafrecht"? Das wäre weit weniger spektakulär, aber (deutlich stärker) deskriptiv.

Jakobs nimmt diesen Einwand auf – und wischt ihn weg: "Roxin (…) und Greco (…) wenden sich insbesondere gegen die ´legitimatorisch-affirmative Verwendung´ des Begriffs. Die Legitimation wird jedoch nicht von demjenigen geleistet, der das Notwendige beschreibt."[40]

Hier irrt Jakobs doppelt, für einen scharfsinnigen Denker europäischen Ranges zeigt er wenig Problembewusstsein: Wenn er etwas "beschreibt", das "notwendig" sei, hat er dafür Partei ergriffen. Aber selbst, wenn er nur beschriebe, ohne es "notwendig" zu nennen: Er würde allein die vorherrschenden Werte reproduzieren und dadurch affirmieren, was ohnehin schon gegeben ist. Allein die (vorgeblich wertfreie) Beschreibung der Realität verdoppelt sie positivistisch[41].

3. Webers Replik

Wer in seine Idealtypen Wertungen hineinträgt, schafft nach Weber ein prinzipielles Problem: "Demgegenüber ist es aber eine elementare Pflicht der wissenschaftlichen Selbstkontrolle und das einzige Mittel zur Verhütung von Erschleichungen, die logisch vergleichende Beziehung der Wirklichkeit auf Idealtypen im logischen Sinne von der wertenden Beurteilung der Wirklichkeit aus Idealen heraus scharf zu scheiden. Ein ´Idealtypus´ in unserem Sinne ist, wie noch einmal wiederholt sein mag, etwas gegenüber der wertenden Beurteilung völlig indifferentes, er hat mit irgend einer anderen als einer rein logischen ´Vollkommenheit´ nichts zu tun. Es gibt Idealtypen von Bordellen so gut wie von Religionen (…)."[42]

"Nichts aber ist allerdings gefährlicher als die, naturalistischen Vorurteilen entstammende, Vermischung von Theorie und Geschichte, sei es in der Form, daß man glaubt, in jenen theoretischen Begriffsbildern den ´eigentlichen´ Gehalt, das ´Wesen´ der geschichtlichen Wirklichkeit fixiert zu haben, oder daß man sie als ein Prokrustesbett benutzt, in welches die Geschichte hineingezwängt werden soll,
oder daß man gar die ´Ideen´ als eine hinter der Flucht der Erscheinungen stehende ´eigentliche´ Wirklichkeit, als reale ´Kräfte´ hypostasiert, die sich in der Geschichte auswirkten. (…) Auch Entwicklungen lassen sich nämlich als Idealtypen konstruieren und diese Konstruktionen können ganz erheblichen heuristischen Wert haben. Aber es entsteht dabei in ganz besonders hohem Maße die Gefahr, daß Idealtypus und Wirklichkeit ineinander geschoben werden. (…) Logische Ordnung der Begriffe einerseits und empirische Anordnung des Begriffenen in Raum, Zeit und ursächlicher Verknüpfung andererseits erscheinen dann so miteinander verkittet, daß die Versuchung, der Wirklichkeit Gewalt anzutun, um die reale Geltung der Konstruktion in der Wirklichkeit zu erhärten, fast unwiderstehlich wird."[43]

III. Erklärungswert des Modells

Will man die rechtspolitische Frage beantworten, ob Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen strafbar sein soll oder nicht, kann Jakobs´ Modell heuristischen Wert haben – wenn die Methode sauber eingehalten wird: Zunächst ist ein Idealtypus zu entwickeln, der die Kriterien in reiner Form enthält, wie es Jakobs getan hat. Diesen Idealtypus müsste man (weitgehend) deskriptiv bezeichnen als "Präventionsstrafrecht", um keine wertende Vorentscheidung zu treffen. Anhand dieses Idealtypus ist dann im einzelnen zu untersuchen, wie nahe der Straftatbestand "Sympathiewerbung" an diesem Idealtypus ist, welcher Zugewinn an Sicherheit und welche Einbuße an Meinungsfreiheit zu erwarten sind, wie die Kollision der Werte detailliert aussieht.

Damit ist die Grenze der Wissenschaft erreicht: Ob der Tatbestand in das Gesetz aufgenommen werden soll oder nicht, ist nicht Aufgabe des Wissenschaftlers, sondern des Politikers.

Jakobs ` Feindstrafrecht hingegen setzt den "Feind" voraus, wo er ihn erst begründen müsste; wo er den Abstand der Rechtswirklichkeit von seinem Idealtypus erst messen müsste. Dazu aber wäre begriffliche Klarheit erforderlich, denn nicht überall, wo Zwang ist, wird dem Beschuldigten der Status als Person genommen. Man müsste wissen, was legitime Macht ist und was illegitime Gewalt[44].

Jakobs entwertet auch den analytischen Teil seines Feindstrafrechts, indem er deskriptive und präskriptive Argumente, normative Rechtspolitik und wertfreie Rechtssoziologe aneinanderreiht, ohne kenntlich zu machen, wann er sich auf welcher Ebene bewegt.[45]

IV. Fazit

Das "Feindstrafrecht" ist methodisch ein Desaster: Jakobs wechselt zwischen "Sein" und "Sollen", als bedeutete dieser Unterschied nicht die Welt in den Geisteswissenschaften. Er möchte mit den Mitteln der Deskription einen "gebändigten Krieg" beschreiben, zugleich dessen Notwendigkeit erweisen und schließlich Grenzen einziehen.

Jakobs verhängt den Kriegszustand, allerdings nur ein bisschen – als ob der gebändigte Krieg nicht gleich entfesselt wäre und in Guantánamo endete. Wer die schiefe Ebene betritt, findet keinen Halt. Sollte Jakobs´ Befund deskriptiv sein, müssten die "feindstrafrechtlichen Regeln" als verfassungswidrig dargestellt werden, weil das Grundgesetz das StGB nicht als Kriegsrecht zulässt. Und präskriptiv kann der "gebändigte Krieg im StGB" nicht vertreten werden, solange das Grundgesetz gilt[46].

Durch den Wechsel der Ebenen kann Jakobs seine Theorieimmunisieren: Werden die normativen Momente kritisiert,will das Modell nur deskriptiv sein, nichts als de-

skriptiv. Die Deskription wiederum kann man nicht kritisieren,weil das Modell an den entscheidenden Stellen nicht beschreibt. Gemessen am Giganten Weber wirkt vieles klein – das Feindstrafrecht jedoch sieht man kaum noch.


[1] BGH 3 StR 243/13 = HRRS 2014 Nr. 929; dazu Petzsche, HRRS 2015, 33.

[2] Deutsche Richterzeitung 2014, 410 f.

[3] Die Zeit vom 20.1.2015 (Teil 1) und 27.1.2015 (Teil 2), online abrufbar unter http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-01/thomas-fischer-strafrecht-voelkerrecht.

[4] HRRS 2004, 88 und HRRS 2006, 288.

[5] Zur umfassenden Literatur zum Feindstrafrecht vgl. Greco, Feindstrafrecht, 2010, S. 31-47.

[6] HRRS 2006, 289 f.

[7] Jakobs, HRRS 2006, 289.

[8] V gl. Raiser, Das lebende Recht. Rechtssoziologie in Deutschland, 3., überarb. Aufl., 1999, S. 243 f.

[9] Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, 5., revidierte Aufl., besorgt von Johannes Winckelmann, Tübingen: Mohr, 1972, S. 181 : "Wenn von ‚Recht’, ‚Rechtsordnung’, ‚Rechtssatz’ die Rede ist, so muß besonders streng auf die Unterscheidung juristischer und soziologischer Betrachtungsweise geachtet werden. Die erstere fragt: was als Recht ideell gilt. Das will sagen: welche Bedeutung, und dies wiederum heißt: welcher normative Sinn einem als Rechtsnorm auftretenden sprachlichen Gebilde logisch richtiger weise zukommen sollte . Die letztere dagegen fragt: was innerhalb einer Gesellschaft faktisch um deswillen geschieht, weil die Chance besteht, daß am Gemeinschaftshandeln beteiligte Menschen, darunter insbesondere solche, in deren Händen ein sozial relevantes Maß von faktischem Einfluß auf dieses Gemeinschaftshandeln liegt, bestimmte Ordnungen als geltend subjektiv ansehen und praktisch behandeln, also ihr eigenes Handeln an ihnen orientieren."

[10] Fischer (Fn. 3).

[11] Weber, Die "Objektivität sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, hrsg. von Johannes Winckelmann, 7. Aufl., 1988, S. 146-214; S. 154 f.

[12] Weber, (Fn. 11), S. 212.

[13] Weber, (Fn. 11), S. 149.

[14] Weber, Der Sinn der "Wertfreiheit" der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, in: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, hrsg. von Johannes Winckelmann, 7. Aufl., 1988, S. 489-540; S. 496/499.

[15] Weber, (Fn. 11), S. 150.

[16] Weber, (Fn. 14), S. 501/508.

[17] Jakobs, HRRS 2006, 290.

[18] Jakobs, HRRS 2006, 290.

[19] Jakobs, HRRS 2006, 290.

[20] Jakobs, HRRS 2006, 294.

[21] Jakobs, HRRS 2004, 92.

[22] Weber, (Fn. 14), S. 497 f.

[23] Weber, (Fn. 14), S. 509 f.

[24] Weber, (Fn. 11), S. 156 f.

[25] Jakobs, HRRS 2006, 293.

[26] Weber, (Fn. 11), S. 166.

[27] Weber, (Fn. 11), S. 213/208.

[28] Weber, (Fn. 11), S. 192.

[29] Weber, (Fn. 11), S. 191.

[30] Weber, (Fn. 11), S. 191.

[31] Weber, (Fn. 11), S. 195.

[32] Jakobs, HRRS 2004, 88.

[33] Jakobs, in: Eser/Hassemer/Burkhardt (Hrsg.), Die deutsche Strafrechts­wissen­schaft vor der Jahrtausendwende, München, 2000, S. 47, 51.

[34] Jakobs, HRRS 2004, 90.

[35] Bung, HRRS 2006, 68.

[36] Jakobs, HRRS 2006, 293.

[37] Jakobs, HRRS 2006, 294.

[38] Jakobs wehrt sich auch dagegen, mit Carl Schmitt in Verbindung gebracht zu werden: "Einigermaßen wirklichkeitsnah sind freilich die Ausführungen von Hörnle (…). Ich wende mich allein gegen ihre Assoziation: Feindstrafrecht - Carl Schmitt (…). Wenn in einem Kopf während der Lektüre eines Textes "C. S." aufblitzt, - warum muß das am Text liegen?" ( HRRS 2006, 297 ). Wer allerdings das Kriterium "Feind" als entscheidend theoriebildend einführt, stellt den Anschluss an Carl Schmitt her (Bung, HR RS 2006, 64 m.w.N.). Genauso könnte man ein "Diskursstrafrecht" einführen und sich wundern, wenn jemand an Habermas denkt.

[39] Ottmann, Geschichte des politischen Denkens, Band 4/1, Metzler, 2010, S. 58.

[40] Jakobs, HRRS 2006, 297.

[41] Ottmann (Fn. 39), S. 58. Auch Fischer unterläuft dieser Fehler: "Man hat Herrn Jakobs viele Vorwürfe gemacht wegen der ´Erfindung´ des Feindstrafrechts – obgleich er es nicht erfunden, sondern nur beschrieben hat." Wer die Frage von Jakobs übernimmt: Sind die Terroristen "Feinde" oder "Bürger"?, ist schon in die Falle gegangen: er übernimmt dessen (normative) Dichotomie, die es im StGB nicht gibt.

[42] Weber, (Fn. 11), S. 200.

[43] Weber, (Fn. 11), S. 195/203 f.

[44] Die berühmte Formulierung Hannah Arendts lautet: "Macht und Gewalt sind Gegensätze.", in: "Macht und Gewalt", 2005, S. 57.

[45] Genauso unsauber heißt es bei Fischer (Fn. 3): Jakobs habe das Bild des Feindstrafrechts entworfen, zunächst distanziert, später auf irritierende Weise bestätigend und fordernd. Zu Unrecht sei er dafür angegriffen worden: Die Angst davor, dass Recht nicht mehr "Gerechtigkeit" und "Glück" verwirklichen möchte, sondern nurmehr Imaginationen davon, nehme man denen übel, die sie beschreiben. Jakobs argumentiere also einerseits "irritierend affirmativ", sei aber andererseits nur (beschreibender) Bote.

[46] Wenn Fischer (Fn. 3) über das Feindstrafrecht im zweiten Teil seiner Kolumne sagt, es sei keine Lösung, weil die Dick Cheneys dieser Welt die "dark side" bevorzugten, geht das am Punkt vorbei: Das Feindstrafrecht ist nicht ungeeignet, sondern mit dem Grundgesetz nicht zu machen. Es ist nicht deshalb abzulehnen, weil es auf der schiefen Ebene keinen Halt bietet – sondern weil Art. 1 GG verbietet, die schiefe Ebene zu betreten. Dagegen hilft auch nicht der Einwand, es sei ein rechtsphilosophisches Konzept, das nicht mit der wirklichen Verfassung kollidieren könne: Jakobs beschreibt (vorgeblich) Recht, wie es ist. Eine Beschreibung von tatsächlichen Zuständen ist richtig oder falsch. Ist sie richtig, dann müssten alle feindstrafrechtlichen Vorschriften als verfassungswidrig verworfen werden – Jakobs nennt sie aber "notwendig". Normativ jedoch ist das Konzept unzulässig, weil verfassungswidrig. Dies müsste Fischer klarstellen. Wer ausdrücklich als Bundesrichter schreibt, muss sich auch an Bundesrecht halten.