HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

März 2015
16. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Zangenangriff auf den Honorar-Wahlarzt

Wie Karlsruhe und Berlin ein etabliertes Versorgungsmodell sanktionieren

Von Prof. Dr. Hendrik Schneider und RA Thorsten Ebermann

I. Ausgangslage

Mit Urteil vom 16.10.2014[Az. III ZR 85/14] in Zivilsachen hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die vertragliche Vereinbarung sog. Wahlleistungen, die durch Honorarärzte[1] im Rahmen der Versorgung stationärer Patienten des Krankenhauses erbracht werden, nichtig ist.

Die Thematik ist von erheblicher wirtschaftlicher Brisanz, denn die Abrechnung "wahlärztlicher Leistungen" gemäß § 17 KHEntgG ermöglicht lukrative Zusatzeinnahmen auf GOÄ-Basis, die zwar angestellten und beamteten Krankenhausärzten nach wie vor offen stehen, jedoch auf Honorarbasis tätigen Vertragsärzten seit dem 16.10.2014 (vorbehaltlich der unter IV. empfohlenen Vorgehensweise) verschlossen sind.[2] Für die Patienten

hat dies zur Folge, dass sie sich nicht mehr uneingeschränkt durch vertragliche Vereinbarung bedingen können, durch den Arzt ihres Vertrauens behandelt werden zu können.

Der Sachverhalt der Entscheidung des BGH in Zivilsachen betraf die Rückforderung ärztlicher Honorare durch eine private Krankenversicherung (Klägerin) gegen einen Honorarkooperationsarzt (Beklagter), der in seiner Funktion als niedergelassener Vertragsfacharzt Mitglied einer Gemeinschaftspraxis war. Hintergrund war die Behandlung der Versicherungsnehmerin (Patientin) durch den Beklagten in einem Krankenhaus. Der stationären Versorgung der Versicherungsnehmerin lagen ein "Behandlungsvertrag über im Krankenhaus zu erbringende stationäre Leistungen" sowie eine "Vereinbarung über Behandlung gegen Privatrechnung" zugrunde. Auf der genannten Wahlleistungsvereinbarung war der Beklagte weder als Wahlarzt noch als "gewünschter" Stellvertreter des Wahlarztes aufgeführt. Eine Beauftragung des Beklagten im Rahmen der externen Wahlarztkette erfolgte nicht. Der Beklagte liquidierte die von ihm erbrachten ärztlichen Leistungen gegenüber dem Patienten. Die Versicherung forderte die Summe aus abgetretenem Recht zurück und bekam vor dem BGH Recht.

Der BGH schließt sich in seiner Entscheidungsbegründung hierbei der von Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums zu recht vertretenen engen Auslegung[3] des § 17 Abs. 3 KHEntgG an und führt insofern aus:

"Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG erstreckt sich eine Wahlleistungsvereinbarung, deren wirksamer Abschluss Grundlage für die Abrechnung wahlärztlicher Leistungen ist, auf angestellte und beamtete Krankenhausärzte, denen der Krankenhausträger das Liquidationsrecht eingeräumt hat. Niedergelassene Honorarärzte wie der Beklagte, die auf Grund eines Kooperationsvertrags im Krankenhaus tätig werden, ohne dort angestellt zu sein, sind jedoch weder Beamte noch Angestellte des Krankenhauses."[4]

In der Praxis ist, wie im Einzelnen unter II. noch darzustellen sein wird, die Abrechnung von Wahlleistungen durch Honorarkooperationsärzte in unterschiedlichsten Fallvarianten weit verbreitet. Neben den zivilrechtlichen Konsequenzen[5] kann nach geltendem und künftigem Recht auch der Staatsanwalt zuständig sein. Zu prüfen sind de lege lata Körperverletzung und Betrug, "de lege ferenda" ist zudem an § 299a StGB zu denken. Insbesondere unter dem zuletzt genannten Blickwinkel dürfte die Debatte um die strafrechtliche Relevanz der "getarnten" Zuweisung gegen Entgelt wieder aufleben.[6]

II. Praxisrelevante Szenarien

1. Direktabrechnung von Wahlleistungen durch den Honorarkooperationsarzt auf dem Briefkopf der Praxis

Häufig rechnen Honorarkooperationsärzte die im Rahmen der Krankenhausbehandlung erbrachten Wahlleistungen auf eigenem Briefkopf der Praxis ab.

Zivilrechtlich liegt dem in der Regel ein totaler Krankenhausaufnahmevertrag des Patienten mit dem Krankenhaus und ein Zusatzvertrag des Honorarkooperationsarztes mit dem Patienten über die ärztliche Wahlleistung zugrunde.[7] Alternativ ist auch ein gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag denkbar[8]. Bei der zuletzt genannten Variante der Vertragsgestaltung schuldet der Krankenhausträger nur die pflegerischen und untergeordnete medizinische Leistungen. Die eigentliche ärztliche Behandlung folgt ausschließlich aus der getroffenen Wahlleistungsvereinbarung. So liegt es beispielsweise bei Belegärzten. Die Entscheidung des BGH lässt diese Vertragsgestaltung und das Belegarztmodell insgesamt zwar unberührt. Soweit aber der Vertrag des Patienten mit dem Honorarkooperationsarzt – außerhalb des Belegarztmodells – in dem Abschluss einer Wahlarztvereinbarung besteht, steht dem die Entscheidung des BGH v. 16.10.2014 entgegen. Insofern ist es unerheblich, ob Grundlage für die Behandlung ein totaler Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag oder ein gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag bildet. Denn § 17 KHEntgG gilt unabhängig von der vertraglichen Gestaltung für jede Form der Vereinbarung von Wahlleistung.

Die diesbezüglichen strafrechtlichen Folgen sind noch ungeklärt. In der Literatur wird ohne nähere Prüfung auf § 263 StGB verwiesen. Es sei ein Abrechnungsbetrug denkbar, wenn der Arzt eine gerichtlich nicht durchsetzbare Forderung auf nichtiger Vertragsgrundlage durchsetzen wolle.[9]

2. Erbringung spezieller ärztlicher Leistungen in eigenem Labor bzw. eigenen Räumlichkeiten

In anderen Fallkonstellationen, in denen das Krankenhaus dem Arzt die Möglichkeit der Abrechnung von Wahlleistungen einräumen möchte, verfügt der Vertragsarzt über bestimmte medizinische Kompetenzen, die von der Klinik durch eigenes Personal nicht vorgehalten werden. Die entsprechenden diagnostischen oder Behandlungsleistungen werden von dem Arzt entweder in eigenen Räumlichkeiten, in vom Klinikum seitens des Vertragsarztes angemieteten Flächen oder in eigenen Räumen des Klinikums ausgeübt. Der Vertragsarzt erbringt Leistung als Wahlleistung auf Veranlassung eines zur Privatliquidation berechtigten Krankenhausarztes. Im Unterschied zu der Fallkonstellation oben, die "interne" Wahlarztkette genannt wird und auf § 17 Abs. 3 Satz 1 1. HS KHEntgG beruht, liegt insofern eine Beauftragung im Rahmen der externen Wahlarztkette vor, deren grundsätzliche Zulässigkeit aus § 17 Abs. 3 Satz 1 2. HS KHEntgG folgt. Im medizinrechtlichen Schrifttum sind die Einzelheiten der externen Wahlarztkette umstritten. Dies gilt hinsichtlich des Ortes der Leistungserbringung, der Voraussetzungen des Vertragsschlusses sowie der Auslegung des Begriffs der Veranlassung zur Leistungserbringung.[10] Zu den strafrechtlichen Konsequenzen der unterschiedlichen Grundpositionen, siehe nachstehend unter III.

3 . Umgehungsstrategien – Wechsel in das Angestelltenverhältnis

Teilweise ist zu beobachten, dass niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser in Reaktion auf die Entscheidung des BGH ihr Vertragsverhältnis auf eine "Anstellungslösung" umstellen. Der niedergelassene Arzt ist in diesen Fällen für das Klinikum nicht mehr auf Honorarbasis, sondern als angestellter Arzt tätig. Dies ist grundsätzlich zulässig, vgl. § 20 Ärzte-ZV. Teilweise finden sich insofern aber problematische Einschränkungen. Beispielsweise sind den Autoren Verträge bekannt, in denen parallel zum Anstellungsvertrag ein Honorarvertrag mit identischem Leistungsinhalt geschlossen wird, so dass das Anstellungsverhältnis einzig zu dem Zweck eingegangen wird, dem Arzt in formaler Übereinstimmung mit den Prämissen des § 17 Abs. 3 KHEntgG die Möglichkeit der Abrechnung von Wahlleistungen einzuräumen. Teilweise sehen die Verträge auch vor, dass lediglich "eigene" Patienten des Vertragsarztes, die von diesem in das Krankenhaus eingewiesen wurden, stationär auf der Grundlage einer Wahlleistungsvereinbarung behandelt werden.

III. Strafbarkeitsrisiken

1 . Abrechnungsbetrug

Von Teilen des medizinstrafrechtlichen Schrifttums wird, wie oben dargelegt, vertreten, die Abrechnung von Wahlleistungen entgegen § 17 Abs. 3 Satz 1 1. HS KHEntgG in Interpretation des BGH erfülle den Straftatbestand des Betruges zum Nachteil des Patienten[11]:

"Eine Strafbarkeit wegen Betruges kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Leistungen zu Lasten von Selbstzahlern oder Kostenträgern abgerechnet werden, ohne dass die Abrechnungsvoraussetzungen erfüllt sind und dem Abrechnenden dies auch bekannt ist. Wenn dann auf diese Abrechnungen gezahlt worden ist, dürfte nicht nur der Verdacht des versuchten Betruges, sondern auch des Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB begründet sein."[12]

Dem ist aus zwei Gründen zu widersprechen.

Erstens ist in Rechnung zu stellen, dass der Tatbestand des § 263 StGB eine maßgebliche Begrenzung durch den Tatsachenbegriff, der den Bezugspunkt der Täuschung darstellt, enthält. Eine Täuschung im Sinne des § 263 StGB liegt nämlich nur dann vor, wenn sich die "konkludente Miterklärung" auf Tatsachen, nicht aber dann, wenn sie sich auf Rechtsauffassungen bezieht.[13] Hieraus folgt, dass es nicht auf die Abrechnungsfähigkeit der in Rechnung gestellten Leistung, sondern darauf ankommt, ob die Geltendmachung von Ansprüchen "zugleich inzident Tatsachenbehauptungen" umfasst.[14]

Wenn demnach der niedergelassene Vertragsarzt in voller Kenntnis der Rechtsprechung des BGH in Fallkonstellation 2.1 weiterhin in eigenem Namen gegenüber den Patienten Wahlleistungen abrechnet, täuscht er über die rechtliche Durchsetzungsfähigkeit seiner Forderung und die Wirksamkeit des zugrunde liegenden Vertrages über Wahlleistungen, nicht aber über eine Tatsache. Dasselbe gilt in Fallkonstellation 2. Werden die rechtlichen Zulässigkeitsprämissen der externen Wahlarztkette eingehalten, liegt bereits kein Einfordern einer Leistung, auf die kein Anspruch besteht, vor.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage der Abgrenzung von Rechtsausführungen und Tatsachen bei dieser Fallgestaltung nur dann, wenn die Grenzen der externen Wahlarztkette überschritten werden, so z.B. bei der pauschalen Beauftragung des externen Arztes ohne Abwägung der Spezifika des Einzelfalles und ohne Prüfung der Sinnhaftigkeit der Konsultation eines externen Spezialis-

ten. Allerdings bestehen gegenwärtig bei der Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 2. HS KHEntgG (externe Wahlarztkette) noch erhebliche Gestaltungsspielräume, weil die Entscheidung des BGH v. 16.10.2014 diese Konstellation nicht erfasst und weitere höchstrichterliche Entscheidungen noch nicht vorliegen. In der Fallgruppe 3 kann die der Abrechnung zugrunde liegende Wahlleistungsvereinbarung als "Umgehungsstruktur" gemäß § 134 BGB ebenfalls nichtig sein[15], auch insoweit läge nach hier vertretenem Standpunkt aber keine Täuschung über Tatsachen vor.

Für die Rechtspraxis ist zwar zu bedenken, dass der BGH in neuerer Entscheidung dazu tendiert, in der Abrechnung aus Rechtsgründen nicht erstattungsfähiger Leistungen eine Täuschung über Tatsachen zu sehen[16]. Faktisch hat sich in der Rechtsprechung somit eine streng sozialrechts- bzw. zivilrechtsakzessorische Interpretation des § 263 StGB durchgesetzt, die den Verstoß gegen sozialrechtliche, krankenhausrechtliche oder gebührenrechtliche Tatbestände zu einer betrügerischen Leistungserschleichung hochstilisiert. Da es bei den vorliegenden Fallkonstellationen aber an jedem faktischen Substrat der in der Rechnung des Arztes verkörperten Erklärung fehlt, ist fraglich, ob die Rechtsprechung auch vorliegend die Täuschung bejahen würde.

Zweitens fehlt es nach der hier vertretenen Auffassung auch an einem Vermögensschaden, weil der Vermögensabfluss in Gestalt der GOÄ-Vergütung einen Gegenwert hatte. Dieser bestand in der indizierten und vom Patienten gewünschten Behandlung durch "seinen" Arzt.

Freilich wird die Rechtsprechung insofern zu einem anderen Ergebnis kommen. Denn aufgrund der Annahmen der "streng formalen Betrachtungsweise" geht sie auch dann von einem Vermögensschaden aus, wenn die Leistung fachlich einwandfrei erbracht wurde und medizinisch indiziert war.[17] Auch wenn es zu den Fallgestaltungen der Abrechnung von Wahlleistungen durch Honorarkooperationsärzte noch keine höchstrichterliche Entscheidung in Strafsachen gibt, kann man davon ausgehen, dass die Rechtsprechung streng formal aus der Verletzung des § 17 Abs. 3 KHEntgG auf eine wirtschaftlich wertlose Leistung und damit auf einen Vermögensschaden i.S.d. § 263 StGB schließen wird. Vor diesem Hintergrund sind Verfolgungsrisiken auch bei den vorliegenden Szenarien nicht auszuschließen.

2. Körperverletzung

Berücksichtigt man den Umstand, dass nach h.M. und ständiger Rechtsprechung der ärztliche Heileingriff per se eine tatbestandsmäßige Körperverletzung darstellt[18], ist der Vorwurf der Verletzung des § 223 StGB nicht von vornherein ausgeschlossen. So geht beispielsweise das Oberlandesgericht Braunschweig[19] in einer Arzthaftungssache davon aus, die Einwilligung des Patienten in den Heileingriff hänge davon ab, dass die Wahlarztvereinbarung rechtswirksam zustande gekommen sei. Folgt man dem, wäre die Einwilligung des Patienten in den Fällen einer zivilrechtlich unwirksamen Wahlleistungsvereinbarung stets unwirksam und die vorsätzliche Körperverletzung in Gestalt der Behandlung des Patienten demnach auch rechtswidrig.

Für die strafrechtliche Prüfung der Wirksamkeit der Einwilligung ist in Rechnung zu stellen, dass der Patient die Wahlarztvereinbarung im Glauben an die Rechtwirksamkeit des zu Grunde liegenden Vertrages abschließt und die Einwilligung somit an einem Willensmangel leidet. Nach der Position der Rechtsprechung sind "ärztliche Heileingriffe nur durch eine von Willensmängeln nicht beeinflußte Einwilligung des Patienten"[20] gerechtfertigt. Derartige Irrtümer bei der Erteilung der Einwilligung dürften in Übereinstimmung mit einer im Schrifttum vertretenen Auffassung allerdings nur dann beachtlich sein, wenn sie sich auf das Rechtsgut des vom Täter verletzten Straftatbestandes beziehen.[21] Rechtsgut des § 223 StGB ist die körperliche Unversehrtheit und nicht das Vermögen des Patienten.[22] Unterschreibt dieser eine nach Rechtsprechung des BGH nichtige Wahlleistungsvereinbarung und zahlt er das geforderte ärztliche Honorar im Vertrauen auf die Bestandskraft der Vereinbarung und die Rechtswirksamkeit des Vertrages, irrt er über das Bestehen einer Forderung, nicht aber über die Art und den Umfang der Beeinträchtigung seiner körperlichen Unversehrtheit im Rahmen des ärztlichen Eingriffs. Der Vorwurf einer Körperverletzung lässt sich demnach nicht begründen.[23] Ob die Rechtsprechung auf der Grundlage der oben darlegten Position zu einem anderen Ergebnis kommt, ist unsicher. Denn die bisher entschie-

denen Fälle[24] betreffen rechtsgutsbezogene Irrtümer und nicht Fehlvorstellungen über außerhalb des Schutzzwecks des § 223 StGB liegende Umstände. Jenseits arztstrafrechtlicher Sachverhalte ist die Rechtsprechung zu Willensmängeln bei der Einwilligung von Kasuistik geprägt. Es soll in jedem Einzelfall unter Würdigung der besonderen Umstände entschieden werden, "ob und inwieweit ein Willensmangel beachtlich ist"[25]. Insofern besteht auch Offenheit für die hier vertretene Differenzierung.

Folgt dem hier vertretenen Ansatz, führt keine der oben genannten Fallkonstellationen zu einer Bestrafung wegen vorsätzlicher Körperverletzung.

3. § 299a EStGB gem. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz: Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen v. 4.2.2015

Da der geplante Tatbestand der Korruption im Gesundheitswesen[26] insbesondere auch auf niedergelassene Ärzte anwendbar ist, wird insofern eine Lücke im Schutz des Wettbewerbs[27] geschlossen, die durch die Entscheidung des Großen Senats[28] entstanden war.[29]

Vor diesem Hintergrund sind de lege ferenda auch Fälle der Zuweisung von Patienten gegen Entgelt strafbar[30]. Auch dann, wenn der Arzt eine Gegenleistung in Form der Behandlung erbringt, kann bei unangemessen hohem Honorar die bevorzugte Einweisung in das Klinikum des Vorteilsgebers den Vorwurf der Unrechtsvereinbarung begründen.[31] Einschlägig wären insofern § 299a Abs. 1 Nr. 1 EStGB (unlautere Bevorzugung im Wettbewerb) und – subsidiär – auch § 299a Abs. 1 Nr. 2 EStGB, weil die Zuweisung gegen Entgelt auch berufsrechtswidrig ist (§ 31 Abs. 1 MBO sowie § 73 Abs. 7 SGB V).[32]

Strafbarkeitsrisiken für den Vertragsarzt und den Geschäftsführer des Krankenhauses, der den Vertrag mit dem niedergelassenen Arzt abschließt, bestehen daher insbesondere in Fallkonstellation 3. Denn insofern liegt es nahe, dass die "Angestelltenlösung", mit der die Vertragsparteien nunmehr formal in Einklang mit der BGH Rechtsprechung vom 16.10.2014 agieren wollen, als "Belohnung" des Vertragsarztes für die Zuweisung von Patienten eingestuft wird, durch die der Vertragsarzt in den Genuss des Honorars aus wahlärztlicher Behandlung kommen soll.

Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Strafverfolgungsrisiken sind nachfolgend kurz überblicksartig nach unserem Dafürhalten gesetzeskonforme Lösungsansätze zur Einbeziehung des niedergelassenen Vertragsarztes in die wahlärztliche Behandlung aufzuzeigen:

IV. Lösungsansätze

1 . Der Weg über die externe Wahlarztkette

Die Beauftragung eines niedergelassenen Arztes, der zu dem Krankenhaus in keinem Anstellungsverhältnis steht, über die externe Wahlarztkette des § 17 Abs. 3 Satz 1 2. HS KHEntgG ist vorbehaltlich der gegebenen rechtlichen Grenzen und gegenwärtigen Unwägbarkeiten durchaus möglich. Die externe Kette bietet sich insbesondere dann an, wenn der niedergelassene Arzt über spezielle Kompetenzen verfügt, die im Krankenhaus durch eigenes Personal nicht vorgehalten werden.

Mit Skepsis ist demgegenüber ein in der Literatur für diese Fallgestaltung vorgesehener Vorschlag zu betrachten, der – ohne Beauftragung im Rahmen der externen Kette – eine Lösung über die so genannte "gewünschte Stellvertretung" sucht.[33] Wünsche der Patient die Behandlung durch einen externen Spezialisten, komme dieser als gewünschter Stellvertreter des liquidationsberechtigten Krankenhauses in Betracht, ohne dass es der externen Beauftragung über § 17 Abs. 3 Satz 1 1. HS KHEntgG bedürfe.

Das KHEntgG sieht aber einen eigenständigen Weg für die genannte Fallkonstellation vor, der nicht durch eine extensive Interpretation des § 17 Abs. 3 Satz 1 1. HS KHEntgG umgegangen werden darf. Hierfür spricht nicht zuletzt auch, dass von Stellvertretung nur dann gesprochen werden kann, wenn der Stellvertreter über vergleichbare Kompetenzen verfügt wie der Vertretene. Verfügt die Vertretene über die entsprechenden medizinischen Kompetenzen nicht, erweitert der Stellvertreter das Handlungsspektrum des Klinikums, wird aber begrifflich nicht an Stelle des Vertretenen tätig.

2 . Die Anstellungslösung

Grundsätzlich bildet die in Fallkonstellation 2.3 angesprochene "Angestelltenlösung" eine gesetzeskonforme Möglichkeit, den niedergelassenen Arzt in die interne Wahlarztkette einzubeziehen. Den gesetzlichen Voraussetzungen der internen Wahlarztkette ist in diesem Fall Rechnung getragen, weil es sich bei dem Wahlarzt um einen angestellten Arzt des Krankenhauses handelt. Aus den oben genannten Gründen sind allerdings Umgehungskonstruktionen zu vermeiden. Daher verbieten sich Formulierungen in Verträgen, bei denen die Privatliquidationsbefugnis auf die Behandlung von Patienten beschränkt wird, die seitens des niedergelassenen Arztes zuvor zur stationären Behandlung in das Krankenhaus eingewiesen wurden. Auch sind Mischlösungen fraglich, in denen dieselbe Tätigkeit teils auf Honorarbasis (hier sind wegen des unternehmerischen Risikos höhere Einzelhonorare möglich), teils im Angestelltenverhältnis (um dem niedergelassenen Arzt die Berechnung von Wahlleistungen zu ermöglichen) verrichtet werden soll.

3 . Honorararzttätigkeit

In jedem Fall ist zudem weiterhin die Tätigkeit als Honorararzt eine rechtssichere Möglichkeit für Vertragsärzte, im stationären Sektor Leistungen (d.h. allgemeine Krankenhausleistungen) zu erbringen.[34] Unter Zugrundelegung der BGH-Rechtsprechung[35] sowie den gesetzgeberischen Vorhaben[36] ist allerdings zu beachten, dass – wie ausführlich beschrieben – hierbei keine Wahlleistungen erbracht und abgerechnet werden können. Die angemessene Beteiligung[37] des Honorararztes an von Krankenhäusern abgerufenen DRG[38] bleibt jedoch möglich; ebenso vertragliche Ausgleichsregelungen zwischen Vertragsarzt und Klinik für die Fälle, in denen ein zunächst begonnener ambulanter Behandlungsfall in den stationären Bereich "kippt" (so genannter "gekippter Behandlungsfall"), weil damit dem Vertragsarzt die ambulanten Abrechnungsmöglichkeiten rechtlich verwehrt sind, obwohl entsprechende (Vor-)Leistungen erbracht wurden.[39]

Insgesamt bleibt abzuwarten, ob und wie das Strafrecht in der Praxis mit der Entscheidung des BGH in Zivilsachen umgehen wird. Mit entsprechenden Verfahren ist in Kürze zu rechnen. Schon jetzt verweigern private Krankenversicherungen über den unmittelbaren Regelungszusammenhang der Entscheidung vom 16.10.2014 hinaus die Erstattung der ärztlichen Honorare. Dass bei den entsprechenden zivilrechtlichen Verfahren das Strafrecht als Druckmittel eingesetzt wird, ist für die betroffenen Ärzte bitter, in der Praxis aber die Regel.


[1] Zum Begriff des Honorarkooperationsarztes vgl. Schneider/Ebermann HRRS 2013, 219 ff.; Ebermann Aktuelle Kardiologie 2012, 213 f.

[2] Grundlegend zur Abrechnung wahlärztlicher Leistungen: Wagener/Nösser/Korthus Das Krankenhaus 2005, 396 ff.; Bender MedR 2008, 336 ff.; Porten, Grundlagen und Grenzen der Leistungserbringung durch Honorarärzte (2014), 185 ff.

[3] Clausen ZMGR 2012, 248 ff., 255, ferner: ders. MedR 2013, 57 f.; ders. MedR 2014, 586 ff.; ders. MedR 2009, 655 ff.; ders. Radiologen WirtschaftsForum 11/2014, 5 f. Zur Gegenauffassung vgl. Altendorfer/Heppekausen NZS 2011, 493 ff.; Hauser/Renzewitz/Schliephorst, Vertragsärztliche Tätigkeit im Krankenhaus (2009), 156; Jenschke Der Honorararzt 21.12.2012.

[4] BGH v. 16.10.2014 - III ZR 85/14 = GesR 2014, 720 ff.

[5] Seit der Entscheidung des BGH sind Honorarforderungen von Honorarärzten gegen Patienten nicht mehr gerichtlich durchsetzbar (§ 134 BGB), bereits geleistete Vergütungen können kondiziert werden (§ 812 BGB).

[6] Schneider/Gottschaldt wistra 2009, 133 ff.; Schneider HRRS 2009, 484 ff.; Schneider/Ebermann HRRS 2013, 219 ff.; Boemke/Schneider KU 06/2013, 63 f.; Schneider/Eberhardt KU 12/2012, 38 f.; Kölbel wistra 2009, 129 ff.; Kölbel NStZ 2011, 195 ff.

[7] Bäune MedR 2014, 76 ff., 79; Biermann/Ulsenheimer/Weißauer MedR 2000, 107 ff., 108; Bender MedR 2008, 336 ff.; Krempel/Siebel Zeitschrift für Herz-,Thorax- und Gefäßchirurgie 2014, 196.

[8] Vgl. Spickhoff in, ders. (Hrsg): Medizinrecht (2014), § 630a BGB, Rn. 32; Schloßer MedR 2009, 313 ff.; Biermann/Ulsenheimer/Weißauer MedR 2000, 107 ff., 108.

[9] Clausen/Schroeder-Printzen ZMGR 2010, 3 ff., 21; Krempel/Siebel Zeitschrift für Herz-,Thorax- und Gefäßchirurgie 2014, 196 ff.

[10] Einzelheiten bei Hauser, in: Robbers/Wagener (Hrsg.): Die Krankenhausbehandlung. Praxiskommentar zur Vertragsgestaltung (2009), 155; Clausen MedR 2014, 33 ff., 34; Bender GesR 2013, 449 ff.

[11] Clausen/Schroeder-Printzen ZMGR 2010, 3 ff., 21; Krempel/Siebel Zeitschrift für Herz-,Thorax- und Gefäßchirurgie 2014, 196 ff., 200.

[12] Clausen/Schroeder-Printzen ZMGR 2010, 3 ff., 21.

[13] Perron , in: Schönke/Schröder (2014), § 263, Rn. 8 ff.; Hefendehl, in: MüKo StGB (2014), § 263, Rn. 85 ff.; Fischer, StGB (2015), § 263, Rn. 27; Lackner, in: Lackner/Kühl (2014), § 263, Rn. 5; Kindhäuser, in: K/N/P (2013), § 263, Rn. 85 ff.; Hoyer, in: SK StGB (2014), § 263, Rn. 19.

[14] Dann , in: AG Medizinrecht im DAV/IMR (Hrsg.): Brennpunkte des Arztstrafrechts (2012), 31 ff.; Schneider/Geiger GesR 2012, 286 ff.

[15] Clausen ZMGR 2014, 416, 418.

[16] Vgl. BGH v. 10.3.1993 - 3 StR 461/92 = NStZ 1993, 388 ff.(Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot: Täuschung über die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit der Behandlung); BGH v. 25.1.2012 - 1 StR 45/11 = HRRS 2012 Nr. 313 (Verstoß u.a. gegen Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung sowie Verwendung nicht vorgesehener Gebührenziffern: Täuschung über die Konformität der Abrechnung mit geltenden Vorschriften); BGH v. 16.6.2014 - 4 StR 21/14 = HRRS 2014 Nr. 830 (Verstoß gegen eine Pflegezusatzvereinbarung: Täuschung über die Qualifikation des Pflegepersonals; AG Landsberg/Lech v. 16.1.2013 - 6 Ls 200 Js 141129/08 = MedR 2013, 735 ff. (Verstoß gegen das Depotverbot nach § 128 Abs. 1 SGB V: Täuschung über dahingehend konforme Abrechnung) und hierzu kritisch: Schneider/Kaltenhäuser medstra 2015, 25, 29.

[17] BGH v. 25.1.2012 - 1 StR 45/11 = HRRS 2012 Nr. 313.

[18] Vgl. dazu etwa BGH v. 20.2.2013 - 1 StR 585/12 = HRRS 2013 Nr. 342; Eser, in: Schönke/Schröder (2014), § 223, Rn. 27 ff.; Joecks, in: MüKo StGB (2012), § 223, Rn. 42 ff.; Fischer, StGB (2015), § 223, Rn. 16 ff.; Lackner, in: Lackner/Kühl (2014), § 223, Rn. 8 ff.; Paeffgen, in: K/N/P (2013), § 228, Rn. 56 ff.; Wolters, in: SK StGB (2014), § 223, Rn. 30b ff. Zusammenfassend auch Schneider, in: Mitglieder der Juristenfakultät (Hrsg.): Festschrift der Juristenfakultät zum 600jährigen Bestehen der Universität Leipzig (2009), 165 ff.

[19] OLG Braunschweig v. 25.9.2013 - 1 U 24/12 = GesR 2014, 155.

[20] So der BGH im Bohrerspitzenfall (BGH v. 20.1.2004 - 1 StR 319/03 = HRRS 2004 Nr. 193).

[21] Arzt , Willensmängel bei der Einwilligung (1970), 19 ff. nach Roxin, AT I (2006), 581.

[22] Eser , in: Schönke/Schröder (2014), § 223, Rn. 1; Joecks, in: MüKo StGB (2012), § 223, Rn. 1; Fischer, StGB (2015), § 223, Rn. 2; Lackner, in: Lackner/Kühl (2014), § 223, Rn. 1; Paeffgen, in: K/N/P (2013), § 223, Rn. 2.; Wolters, in: SK StGB (2014), § 223, Rn. 1.

[23] So auch Roxin, AT I (2006), 582 mit anderer Begründung.

[24] Auch BGH v. 1.2.1961 - 2 StR 457/60 = BGHSt 16, 309, vom BGH im Bohrerspitzenfall zitiert, bezieht sich auf Fallkonstellationen rechtsgutsbezogener Irrtümer.

[25] OLG Stuttgart v. 7.7.1961 - 2 Ss 213/61 = NJW 1962, 62 ff.

[26] Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz: Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen v. 4.2.2015; Badle medstra 2015, 2 ff.; Schneider HRRS 2013, 473 ff.; Kubiciel/Tsambikakis medstra 2015, 11 ff.

[27] Zu den von § 299a EStGB geschützten Rechtsgütern vgl. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz: Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen v. 4.2.2015, 11: "Er dient der Sicherung eines fairen Wettbewerbs im Gesundheitswesen (...). Er dient ferner dem Schutz des Vertrauens der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen. Mittelbar wird der Straftatbestand auch die Vermögensinteressen der Wettbewerber im Gesundheitswesen sowie die Patienten und der gesetzlichen Krankenversicherung schützen".

[28] BGH v. 29.3.2012 - GSSt 2/11 = HRRS 2012 Nr. 612.

[29] Dannecker , in: K/N/P (2013), § 299, Rn. 23e; Fischer, StGB (2015), § 299, Rn. 10e; Krick, in: MüKo StGB (2014), § 299, Rn. 11; Heine/Eisele, in: Schönke/Schröder (2014), § 299, Rn. 8a; Geiger CCZ 2012, 172 ff.

[30] Auch diese Fallkonstellationen zu erfassen, ist das erklärte Ziel des Entwurfs, vgl. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz: Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen v. 4.2.2015, 19.

[31] Dies folgt aus der Rechtsprechung des BGH zum Vorteilsbegriff der § 331 ff. StGB, BGH v. 21.6.2007 - 4 StR 99/07 = HRRS 2007 Nr. 731. Zur Gegenauffassung: Schneider, in ders. (Hrsg.): Festschrift für Manfred Seebode zum 70. Geburtstag (2008), 331 ff., aus dem medizinrechtlichen Schrifttum, vgl. Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung für die Deutschen Ärzte (2010), § 32, Rn. 23: Die Kooperationen zwischen niedergelassenen Ärzten und Klinikträgern seien ein "Deckmantel" für Krankenhäuser, um "einweisende Ärzte (...) an das Haus zu binden". Die "Grenzen des guten Geschmacks" seien "teilweise längst überschritten".

[32] Zu dieser Thematik Schneider/Ebermann HRRS 2013, 219 ff.

[33] Bender GesR 2013, 449 ff.

[34] Siehe hierzu "Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung" (GKV-VStG) vom 22.12.2011, in Kraft seit 01.01.2012 (BGBl. I, 2983), zusammenfassend RatzelSzabados GesR 2012, 210 ff. und außerdem durch das im Zuge des "Gesetzes zur Einführung eines pauschalierten Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen" (PsychEntgG) vom 21.7.2012, BGBl. I, 1613, Geltung ab 1.1.2013, geänderte KHEntG, zusammenfassend Clausen ZMGR 2012, 248 ff.

[35] BGH v. 16.10.2014 - III ZR 85/14 = GesR 2014, 720 ff.

[36] Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz: Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen v. 4.2.2015; Badle medstra 2015, 2 ff.; Schneider HRRS 2013, 473 ff.; Kubiciel/Tsambikakis medstra 2015, 11 ff.

[37] Siehe hierzu ausführlich: Schneider/Ebermann HRRS 2013, 223 f. ("Korridorbetrachtung").

[38] Für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen wurde für die deutschen Krankenhäuser gemäß § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem eingeführt. Grundlage hierfür bildet das G-DRG-System (German-Diagnosis Related Groups-System), wodurch jeder stationäre Behandlungsfall mittels einer entsprechenden DRG-Fallpauschale vergütet wird.

[39] Vgl. hierzu BSG v. 17.3.2005 – B3 KR 11/04R = GesR 2005, 357.