HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Mai 2012
13. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Das 45. Strafrechtsänderungsgesetz – Ein erstes europäisiertes Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität

Von Prof. Dr. Martin Heger, HU Berlin

I. Einleitung

Am 6. Dezember 2011 – auf den Tag genau drei Jahre nach Inkrafttreten der ihm zugrunde liegenden Umweltstrafrechts-Richtlinie 2008/99/EG[1] – wurde das "Fünfundvierzigste Strafrechtsänderungsgesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt (45. StrRÄndG)" erlassen.[2] Ausweislich seines Art. 5 sollte dieses Gesetz in zwei Etappen in Kraft treten: Art. 1, der Änderungen des StGB vorsieht, und Art. 4 mit für das Kriminalstrafrecht unbeachtlichen Änderungen der Abfallverbringungsbußgeldverordnung (AbfVerbrBußV) sind bereits am Tage nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt,[3] d. h. am 14.12.2011 in Kraft getreten; ihnen werden zum 13. Juni diesen Jahres die Art. 2 und 3 mit – strafrechtlich relevanten – Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) und des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) folgen.

Angesichts seiner Zielsetzung, die Umweltstrafrechts-Richtlinie der EG in deutsches Strafrecht zu überführen, zählt dieses 45. StrRÄndG mit seinen Änderungen der §§ 311, 325, 326, 327, 328, 329, 330, 330c und 330d StGB sowie der Strafnormen des BNatSchG und des BJagdG sicherlich zu den größeren Gesetzesvorhaben auf dem Gebiet des strafrechtlichen Umweltschutzes und ergänzt insoweit das 18. und das 31. Strafrechtsänderungsgesetz, mit denen in den Jahren 1980 bzw. 1994 zunächst das Umweltstrafrecht im StGB zusammengefasst und damit sozusagen kodifiziert und fast anderthalb Jahrzehnte später erheblich umgebaut und ausgeweitet worden war.[4] Diese beiden vorausgegangenen Strafrechtsänderungsgesetze waren vom deutschen Strafgesetzgeber aber nicht nur chronologisch innerhalb der Strafrechtsreform durchnummeriert worden; vielmehr verband man die laufende Nummer in der amtlichen Bezeichnung jeweils programmatisch mit dem Zusatz "Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität" (1980) – im Rückblick regelmäßig als 1. UKG bezeichnet – bzw. "Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität" (1994; 2. UKG).[5]

Eine Titulierung des 45. StrRÄndG auch als 3. UKG wäre angesichts der Vorgänger vielleicht nahe liegend gewesen; der Gesetzgeber "versteckt" demgegenüber die inhaltliche Zielrichtung – nämlich die zweite umfängliche Reformierung insbesondere der §§ 311 und 324 ff. StGB aus dem Kernstrafrecht sowie einzelner Bereich des Umwelt-

nebenstrafrechts[6] – hinter der eher formal anmutenden Zielsetzung der Umsetzung einer EG-Richtlinie. Weil wiederum deren ausdrücklicher – und in die Titulierung des 45. StrRÄndG – mit aufgenommener Zweck der "strafrechtliche Schutz der Umwelt" ist, dient natürlich auch das 45. StrRÄndG, eben indem es die europarechtlichen Verpflichtungen zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt aufgreift und in nationales Strafrecht umformt, wie das 1. und 2. UKG der Bekämpfung der Umweltkriminalität.

II. Europäisierung des Umweltstrafrechts

Schon ausweislich seiner amtlichen Bezeichnung dient das 45. StrRÄndG der Umsetzung der Richtlinie 2008/99/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt. Mit dem 45. StrRÄndG wird mithin die Europäisierung dieses Rechtsgebiets, die schon seit der Konvention des Europarates vom 4.11.1998[7], dem Wiener Aktionsplan vom 3.12.1998[8] und den Schlussfolgerungen des Ratsvorsitzes von Tampere vom 15./16.10.1999 hoch oben auf der kriminalpolitischen Agenda der Europäischen Union gestanden hat,[9] dann aber angesichts konkurrierender Rechtssetzungsvorschläge innerhalb der ersten und dritten Säule – den Richtlinien-Vorschlag der Kommission vom 13.3.2001[10] lehnte der Rat schließlich ab und erließ am 27.1.2003 den Rahmenbeschluss 2003/80/JI[11], der wiederum vom EuGH aus Kompetenzgründen für nichtig erklärt worden ist – bis zur Entscheidung des EuGH vom 13.9.2005[12] die Union in eine tiefe intra-institutionelle Krise stürzen sollte, bevor im Jahr 2008 dann die Beteiligten – namentlich EG-Kommission und Rat – sich darauf verständigten, mittels einer EG-Richtlinie die wesentlichen Bestimmungen des zuvor vom EuGH aus kompetenzrechtlichen Gründen für nicht erklärten EU-Rahmenbeschlusses 2003/80/JI doch noch als Grundlage für EU-weite Mindestvorgaben zum Umweltstrafrecht heranzuziehen. Auch wenn nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam zum 1.5.1999 auf Grundlage von Art. 31 und 34 EUV a.F. bereits eine Anzahl von strafrechtsrelevanten Rahmenbeschlüssen ergangen und in das nationale Recht umgesetzt worden sind,[13] sind doch – nimmt man noch die Richtlinie 2009/123/EG "über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen für Verstöße"[14] hinzu, deren Vorgaben freilich nach Einschätzung des Gesetzgebers bereits de lege lata insbesondere von § 324 StGB erfüllt worden sind[15] – mit den beiden Richtlinien zum Umweltstrafrecht in einem weiteren Sinne erstmals verbindliche Vorgaben für das nationale Strafrecht mittels EG-Richtlinien erlassen worden; die Europäisierung des Umweltstrafrechts[16] wurde so doch noch zum Prototyp einer Europäisierung des Wirtschafts- und Umweltstrafrechts.

In der Gesetzesbegründung wird daher zunächst die Entstehungsgeschichte der umzusetzenden Richtlinie kurz referiert[17] und sodann ausführlich – orientiert an den Bestimmungen der genannten Richtlinie – der daraus resultierende Umsetzungsbedarf im deutschen Strafrecht skizziert.[18] Über die Richtlinien-Vorgaben hinaus gehen auf den ersten Blick nur ganz wenige Bestimmungen des 45. StrRÄndG. Aus europarechtlicher Sicht ist das gewählte Vorgehen mustergültig, nimmt es doch den umzusetzenden Rechtsakt als Ausgangspunkt und verdeutlicht – auch mit Blick auf den nationalen Gesetzgeber – welcher Umsetzungsbedarf tatsächlich gegeben ist; das zeigt zugleich auf, dass der Gesetzgeber – will er ergänzend andere Bestimmungen als die von den europäischen Vorgaben betroffenen ändern – dies sozusagen "auf eigene Rechnung" tun muss; soweit er bestehende Spielräume nutzen möchte, muss er dabei vor allem die Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts berücksichtigen, sollte aber auch darüber hinaus bei seiner Strafgesetzgebung etwa ein rationales kriminalpolitisches Programm verfolgen. Diese beiden Gesichtspunkte treten demgegenüber bei der Umsetzung zwingender Richtlinien-Vorgaben zurück; der Vorrang des Europarechts zwingt den nationalen Gesetzgeber dazu, sogar gegen seine verfassungsrechtlichen Vorgaben, erst recht aber gegen bislang beachtete kriminalpolitische Grundsätze sein Strafrecht den EU-Vorgaben anzupassen.

Aus diesen Gründen sieht Art. 83 Abs. 3 AEUV mit Wirkung seit dem 1.12.2009 vor, dass jeder EU-Mitgliedstaat gegen strafrechtliche Richtlinien. die seine strafrechtlichen Grundprinzipien tangieren können, ein Veto einlegen kann.[19] Zur Zeit der Verabschiedung der Richtlinie 2008/99/EG wie auch der vom Gesetzgeber mitberücksichtigten Richtlinien zur Meeresverschmutzung war der Vertrag von Lissabon[20] und mithin dieses Veto-Recht noch nicht in Kraft, so dass der deutsche Gesetzgeber angesichts der Möglichkeit einer Mehrheitsentscheidung im Rat letztlich keine durchgreifende Möglichkeit gehabt hat, eine ihm unter Umständen mit Blick auf die Struktur und die Grundprinzipien des deutschen Strafrechts missliebige europarechtlich zwingende Richtlinien-Vorgabe zu verhindern. Das soll nicht heißen, dass die Vorgaben der Umweltstrafrechts-Richtlinie den deutschen Gesetzgeber in ein unlösbares Dilemma gestürzt hat, doch ist es jedenfalls angesichts der Unvermeidlichkeit der Richtlinien-Vorgaben nur konsequent, die vorliegende deutsche Strafrechtrechtsreform-Gesetzgebung allein am Europarecht in Gestalt der genannten Richtlinien auszurichten. Deshalb verwundert es auch nicht, dass die in allein national motivierten Strafrechtsreform-Vorschlägen re-

gelmäßig am Anfang stehenden Erwägungen über das geschützte Rechtsgut als die kriminalpolitische Legitimierungsgrundlage einer Strafgesetzgebung hier keinerlei Erwähnung gefunden haben. Bemerkenswert ist dies angesichts des Gegenstandes des 45. StrRÄndG – des strafrechtlichen Schutzes der Umwelt – freilich schon, war doch gerade das Umweltstrafrecht seit Beginn der Diskussion um seine Kodifizierung innerhalb des StGB in den späten 1970er Jahren insbesondere auch ein Schlachtfeld der Disputanten zum Rechtsgutsprinzip.[21]

III. Vor dem 45. StrRÄndG: Die Europäisierung der "Alttatbestände"

Zugleich macht die amtliche Überschrift des 45. StrRÄndG noch etwas anderes deutlich: Hatte der deutsche Strafgesetzgeber beim 1. und auch noch beim 2. UKG das "Heft des Handelns" allein in der Hand, so dass er unbeeinflusst von äußeren Vorgaben Zielrichtung und Inhalte dieser Strafrechtsänderungsgesetze bestimmen konnte, hat sich dies inzwischen grundlegend verändert. Mit dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2008/99/EG am 26.12.2010 war er vielmehr von Europarechtswegen verpflichtet, alle die Bestimmungen seines Umweltstrafrechts den Richtlinien-Vorgaben anzupassen, die diesen noch nicht entsprochen haben. Weil aber bereits einige der Straftatbestände der §§ 324 ff. StGB sowie des Nebenstrafrechts ganz oder teilweise die Vorgaben der Richtlinien vorweggenommen haben, bedurfte es insoweit naturgemäß keines gesetzgeberischen Umsetzungsaktes mehr. Das heißt aber nicht, dass nicht auch diese die Richtlinien-Vorgaben bereits antizipierenden "Alttatbestände" nicht ebenfalls – und zwar ohne weiteren (Umsetzungs-)Rechtsakt – europäisiert worden sind.[22]

1. Verbot der Entkriminalisierung

bezogen auf die Mehrzahl der Tatbestände des deutschen Umweltkern- und -nebenstrafrechts, welche – noch allein aufgrund nationalen Antriebs – die nunmehr EU-weit geltenden Mindeststandards vorweggenommen und damit die Richtlinien-Vorgaben erfüllt haben, hat sich spätestens mit Ablauf der Umsetzungsfrist etwas grundsätzliches geändert, denn seither könnte der deutsche Gesetzgeber sich nicht mehr einfach mit einem "Federstrich" dieser Strafnormen entledigen. Vielmehr müsste er, wollte er etwa unter dem Stichwort einer "Rücknahme von Überkriminalisierungen" im Umweltstrafrecht zunächst prüfen, ob nicht aus den EG-Richtlinien zum Umweltstrafrecht und zur Meeresverschmutzung quasi eine Bestandsgarantie für wesentliche Teile des hergebrachten deutschen Umweltstrafrechts abzuleiten ist. Insbesondere die im Schrifttum immer wieder erhobene Forderung, das Umweltstrafrecht partiell auf der Tatbestandsebene einzuschränken, um so nur noch die wirklich strafbedürftigen Fälle mit der "Keule des Strafrechts" zu treffen und damit den Grundsatz "minima non curat praetor" optimal zu verwirklichen, geht seither ins Leere, soweit die weite Tatbestandsfassung zur Erfüllung der Vorgaben der EG-Richtlinien beibehalten werden muss.

2. Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung

Dass bereits das Gros der Vorgaben der EG-Richtlinie im tradierten deutschen Strafrecht enthalten gewesen ist, was der Gesetzgeber – nachdem ihm eine fristgerechte Umsetzung des teilweise unbestreitbaren, wenngleich nicht allzu umfänglichen Änderungsbedarf nicht mehr gelungen war – Ende 2010 zum Anlass genommen hatte, sozusagen "vorläufig" der EU-Kommission Erfüllung in Sachen einer Mindestharmonisierung[23] des Umweltstrafrechts zu vermelden, bedeutet aber nicht nur eine Veränderungssperre in Richtung auf eine Entkriminalisierung (eine Ausweitung der deutschen Strafnormen sowie eine Strafschärfung wäre europarechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, solange dadurch nicht z. B. die Grundfreiheiten des AEUV faktisch ausgehebelt würden).

Indem die nationalen Strafnormen seit Neuestem auch der Erfüllung von EU-Vorgaben dienen, hat sich zugleich der Auslegungsmaßstab verändert; da auch viele (aber nicht alle) "Alttatbestände" der §§ 324 ff. StGB nunmehr der Umsetzung der Umweltstrafrechts-Richtlinie dienen, gilt mit Blick auf ihre Auslegung der Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung gegenüber anderen denkbaren Auslegungsmethoden, wenn und soweit nur mittels ersterer ein Ergebnis erreicht werden kann, das inhaltlich der Richtlinien-Vorgabe entspricht.[24] Und dies hat mit dem nationalen Umsetzungsgesetz – hier dem 45. StrRÄndG – nichts zu tun, so dass es weder auf dessen Erlass noch dessen Inkrafttreten ankommen kann. Vielmehr besteht die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung bei allen Alttatbeständen bereits seit dem Ablauf der Umsetzungsfrist, d. h. seit dem 26.12.2010.

Dass dadurch möglicherweise ein Beschuldigter für etwas bestraft wird, was im Lichte allein der bis dahin gebräuchlichen Interpretation deutscher Gerichte keine solche Strafe begründet hätte, ist hinzunehmen, denn in Deutschland gilt grundsätzlich kein Vertrauensschutz mit Blick auf eine ständige Rechtsprechung; ändert sich diese im Rahmen der allgemein anerkannten Auslegungsregeln, wird man allenfalls im Ausnahmefall über die Figur eines unvermeidbaren Verbotsirrtums (§ 17 Satz 1 StGB) helfen können. Das ist aber nichts Neues; man denke nur an die Änderung der Rechtsprechung zur absoluten Fahruntüchtigkeit i. S. von §§ 315c, 316 StGB, welche zu einer vom Täter zur Tatzeit noch nicht absehbaren Absenkung der Promillegrenze von 1,3 auf 1,1 geführt hat-

te.[25] Die europarechtliche Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung wird mit Blick auf den Vertrauensschutz keine anderen Ergebnisse zeitigen, schon weil diese Pflicht von Europarechtswegen nur innerhalb des nach nationalem Recht gegebenen Auslegungskanons besteht.

Namentlich eine zum Nachteil des Beschuldigten über den Wortlaut einer Strafnorm hinausgehende Interpretation bleibt damit eine nach deutschem Strafrecht (§ 1 StGB) und Verfassungsrecht (Art. 103 Abs. 2 GG) unzulässige Analogie in malam partem, auch wenn nur dadurch einer Richtlinien-Vorgabe effektiv Rechnung getragen werden könnte. Daher könnte man nicht etwa die Regelung des § 326 Abs. 2 StGB a.F. seit Ablauf der Umsetzungsfrist richtlinienkonform dahingehend verstehen wollen, dass eine Verbringen von Abfällen "durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes" bereits bei deren bloß innerstaatlichem Transport "von A nach B" und nicht – wie das bisherige Tatbestandsverständnis – nur der Transit der Abfälle durch das Bundesgebiet; ein Transport innerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes ist eben nicht sprachlich von einem Transport "in den, aus den oder durch den Geltungsbereich des Gesetzes" erfasst.[26] Das gleiche gilt für die bis 2011 in § 326 Abs. 1 StGB allein und abschließend genannten Tathandlungen: Von einem Behandeln, Lagern, Ablagern, Ablassen oder sonst Beseitigen[27] kann eben bei einem Transportvorgang, der nicht mit einer Beseitigung der Abfälle verbunden ist, nicht die Rede sein. Deswegen ergibt sich eine Strafbarkeit für die innerstaatliche Beförderung von Abfällen, sofern diese nicht zugleich beseitigt werden oder als Gefahrgüter unter § 328 Abs. 3 Nr. 2 StGB einzustufen sind, erst mit der Einfügung der Tathandlung des "Beförderns" in § 326 Abs. 1 StGB n.F. durch das 45. StrRÄndG (näher dazu unten).

Demgegenüber dürfte die in einem Beitrag kürzlich angemahnte richtlinienkonforme Auslegung des Begriffs der "Verbringung von Abfällen" auf jeden Transportvorgang (und nicht – wie bislang herrschend – auf den Zeitpunkt des Grenzübertritts bezogen) in § 326 Abs. 2 StGB[28] bereits ab dem Zeitpunkt des Verstreichens der Umsetzungsfrist zurückwirken. Mit Aufnahme der genannten Beförderungs-Alternative in § 326 Abs. 1 StGB n.F. hat sich der Anwendungsbereich einer verpflichtenden richtlinienkonformen Auslegung des § 326 Abs. 2 StGB genau genommen verändert. Angesichts des klaren Wortlauts von § 326 Abs. 2 StGB a.F. war zwischen dem 26.12.2010 und dem 13.12.2011 ein vollendetes Verbringen "in den, aus dem oder durch den Geltungsbereich" von Abfällen i. S. von § 326 Abs. 1 StGB in richtlinienkonformer Auslegung anzunehmen ab dem Beginn des jeweiligen Transportvorgangs. Das Bedürfnis für eine solche richtlinienkonformen Auslegung des nunmehr in § 326 Abs. 2 Nr. 2 StGB umnummerierten, sprachlich aber unveränderten Tatbestandes hat sich aber streng genommen mit Inkrafttreten des veränderten § 326 Abs. 1 StGB erledigt, weil dessen neue Beförderungsalternative mit Blick auf die in § 326 Abs. 1 genannten und in § 326 Abs. 2 Nr. 2 StGB in Bezug genommenen Abfälle bereits jeden innerstaatlichen Transportvorgang von Beginn an erfasst.

Freilich hat sich damit aber nicht jegliches Bedürfnis nach einer richtlinienkonformen Auslegung des § 326 Abs. 2 StGB n.F. erledigt, denn in dessen neuer Nr. 1 werden auch in § 326 Abs. 1 StGB nicht genannte, ungefährliche Abfälle strafrechtlich erfasst; deren "Verbringung in den, aus dem oder durch den Geltungsbereich des Gesetzes" kann also nicht zugleich i. S. von § 326 Abs. 1 StGB tatbestandlich als Beförderung aufgefasst werden. Weil auch der Gefahrgut-Tatbestand des § 328 Abs. 3 StGB insoweit nicht greift, ist zumindest die Tathandlung des Verbringens mit Blick auf § 326 Abs. 2 Nr. 1 StGB (nicht notwendig auch für Nr. 2) im Lichte der Vorgabe von Art. 3 lit. d der Umweltstrafrechts-Richtlinie richtlinienkonform auszulegen. Um zu verhindern, dass das "Verbringen" als Tatbestandshandlung innerhalb von § 326 Abs. 2 StGB n.F. – je nach seinem Gegenstand – unterschiedlich ausgelegt wird, ist natürlich auch mit Blick auf § 326 Abs. 2 Nr. 2 StGB aus systematischen Gründen und im Interesse des Bestimmtheitsgrundsatzes eine richtlinienkonforme Auslegung, wie sie ja bis vor wenigen Monaten hierfür sogar geboten war (s. o.), vorzugswürdig, auch wenn die Ausweitung von § 326 Abs. 1 StGB von Europarechtswegen dem Zwang zu dieser Auslegung den Boden entzogen hat.

3. Pflicht zur Vorlage an den EuGH

Wenn die Bestimmungen der Richtlinie bereits weitgehend in den § 324 ff. StGB sowie auch in einzelnen nebenstrafrechtlichen Bestimmungen (z. B. des Chemikalienstrafrechts) enthalten sind, folgt daraus, dass bei Zweifeln über eine im Lichte der Richtlinien-Vorgaben gebotene Auslegung dieser "Alttatbestände" nicht mehr allein die nationale Straf- und Verfassungsgerichtsbarkeit zuständig ist. Vielmehr statuiert Art. 267 AEUV jedenfalls für die letztinstanzlich zuständigen Strafgerichte – BGH oder die Oberlandesgerichte – eine Vorlagepflicht bei solchen Fragen. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) wird im Einzelfall eine Vorlagepflicht auch für die unteren Instanzen bejaht werden können;[29] berechtigt zu einer Richtervorlage nach Art. 267 AEUV sind sie in jedem Fall.

Durch ein solches Vorlageverfahren könnten Umweltstrafverfahren – sowie Zweifel an der von Europarechtswegen richtigen Auslegung der maßgeblichen Strafnormen aufkommen – erheblich in die Länge gezogen werden.[30] Nicht umsonst handelte es sich bei dem Paradefall eines i. S. von Art. 6 Abs. 1 EMRK überlangen Strafverfahrens vor dem EGMR – dem Fall "Metzger" aus dem Jahr 2001[31] – um ein Umweltstrafverfahren. Deshalb wird die Strafjustiz spätestens jetzt – nach der Europäisierung eines ganzen Abschnitts des deutschen Strafrechts – nicht nur die Vorlagevoraussetzungen genau

prüfen müssen, sondern zugleich auch bedenken, ob und ggf. wie eine zügige Bearbeitung durch den EuGH gewährleistet werden kann.[32]

IV. Zu den einzelnen Änderungen

Da die ausdrückliche Zielsetzung des 45. StrRÄndG ja nur dahin geht, die durch die EG-Richtlinien gebotenen Änderungen des deutschen Umweltstrafrechts vorzunehmen, bleiben folgerichtig alle diejenigen Normen unverändert, welche entweder – zumindest aus Sicht des Gesetzgebers – bereits den Richtlinien-Vorgaben vollumfänglich entsprechen (das gilt wohl für §§ 324, 324a StGB, aber auch für das Chemikalienstrafrecht) oder – wie z. B. § 325a StGB – durch die Richtlinien nicht betroffen sind.

1. Des Kernstrafrechts

a) § 311 Abs. 1 StGB

Während in Nr. 1 nur eine redaktionelle Anpassung an die Erweiterung des § 330d StGB erfolgt ist, ist Nr. 2 geringfügig tatbestandlich ausgeweitet worden. Dabei ging es dem Gesetzgeber ausnahmsweise nicht um eine Umsetzung von Richtlinien-Vorgaben, sondern um die Vorgaben des Übereinkommens vom 26. Oktober 1979 über den physischen Schutz von Kernmaterial in seiner am 8.7.2005 geänderten Fassung, welcher der Bundestag mit Gesetz vom 6.7.2008 zugestimmt hat. Von § 311 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F wurden Kernspaltungsvorgänge nur erfasst, wenn diese geeignet waren, Leib, Leben oder fremde Sache von bedeutendem Wert zu schädigen; die in Art. 7 des Übereinkommens vorgesehene Erfassung einer Eignung für bedeutende Umweltschäden sollte damit gerade nicht ausreichen können. Deshalb wurde der Kreis potenziell gefährdeter Objekte um die Umweltmedien und Umwelterscheinungsformen erweitert.[33] Damit wurde der – dem Standort im 28. BT-Abschnitt über "Gemeingefährliche Straftaten" entsprechende – Charakter von § 311 Abs. 1 StGB als gemeingefährliches Delikt in Richtung auf ein auch umweltschützendes Delikt erweitert.

b) § 325 StGB

Der Tatbestand der Luftverunreinigung in § 325 StGB, der bisher einen Immissions- (Abs. 1) und einen Emissionstatbestand (Abs. 2) sowie für beide geltende Regelungen zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit (Abs. 3 a.F.) und zu Definitionen (Abs. 4 a.F.) sowie schließlich eine Ausschlussklausel für den motorisierten Verkehr (Abs. 5 a.F.) enthalten hat, ist mit dem 45. StrRÄndG zwar seiner Grundstruktur unangetastet geblieben, inhaltlich und redaktionell aber nicht unerheblich umgebaut worden. Dies alles betrifft aber nur den Emissionstatbestand, der in Abs. 2 n.F. ausgeweitet und durch Abs. 3 n.F. ergänzt worden ist.[34]

aa) Einschränkung der Privilegierung des motorisierten Verkehrs

Politisch brisant im Gesetzgebungsverfahren war vor allem der auf diese beiden neuen Emissionstatbestände bezogene Verzicht auf die tradierte Privilegierungsklausel zugunsten des motorisierten Verkehrs, so dass heutzutage auch Emissionen von Kraftfahrzeugen etc., soweit sie im Übrigen die Tatbestandsvoraussetzungen der § 325 Abs. 2 und 3 StGB n.F. erfüllen, nicht mehr per se vom Anwendungsbereich ausgeklammert sind. Der Gesetzgeber war offenkundig der Auffassung, dass die – inhaltlich m. E. durchaus zweifelhaften und auch schon früher immer wieder kritisierte[35] – Privilegierung des motorisierten Verkehrs in § 325 StGB mit den Vorgaben der Richtlinie nicht vereinbar sei, weil diese eine Strafbewehrungspflicht allgemein an die Emission von Schadstoffen in die Luft anknüpfe.[36] Für sich betrachtet ist diese Lesart sicherlich nicht zu beanstanden; gleichwohl erscheint mir diese Auffassung nicht zwingend, denn nach Art. 2 lit. a der Richtlinie müsste die emittierte Menge von Stoffen zu einer erheblichen Schädigung bestimmter Güter geeignet sein, was man für die Abgase eines Pkw verneinen muss,[37] während die beim Betrieb ausgestoßenen Abgase eines Schiffes oder Flugzeugs regelmäßig durch dessen Betriebsgenehmigung erfasst und damit nicht rechtswidrig sein dürften. Boden- und Wasserverunreinigungen durch die Abgabe von Stoffen waren ohnehin bereits durch §§ 324, 324a StGB, die beide keine entsprechende Privilegierung kennen, erfasst.[38] Das soll – wie gesagt – nicht heißen, dass der deutsche Strafgesetzgeber nicht die – heute vielleicht wirklich unzeitgemäße – Privilegierung des motorisierten Verkehrs auf den Gesetzesprüfstand hätte stellen können; allein: aus EU-Perspektive war er dazu m. E. nicht verpflichtet. Festzuhalten ist aber noch, dass diese Streichung der Privilegierung nur für die Emissionstatbestände, nicht auch für den inhaltlich unverändert belassenen Immissionstatbestand (Abs. 1) Geltung beansprucht. Teilt man – entgegen der Einschätzung des Gesetzgebers – die hier vertretene Position, dass die Aufgabe der Privilegierung des motorisierten Verkehrs letztlich zwar europarechtlich motiviert, nicht aber durch das Europarecht erzwungen gewesen ist, stellt sich natürlich die Frage, warum der Gesetzgeber bei den Tatbeständen, die durch angesichts der Richtlinien-Vorgaben keiner Änderung unterzogen werden mussten – wie §§ 325 Abs. 1, 325a StGB – die dort weiterhin enthaltene Privilegierung (§§ 325 Abs. 7 n.F., 325a Abs. 4 StGB) nicht überprüft.

bb) Erweiterung der Emissionstatbestände

Ausgeweitet worden ist § 325 Abs. 2 StGB weiterhin durch einen kurzen Federstrich, der das Wort "grober" vor der "Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten" aus dem Gesetzeswortlaut getilgt hat, so dass nunmehr tat-

bestandsmäßig jede Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten sein kann. Auch wenn vielleicht bereits die bisherige Fassung mit den Richtlinien-Vorgaben vereinbar gewesen sein mag,[39] ist diese Änderung jedenfalls aus Klarstellungsgründen nicht zu beanstanden.

Unbestreitbar zu einer Umsetzung verpflichtet war der Gesetzgeber mit Blick auf die bisherige Beschränkung auch des Emissionstatbestands auf "beim Betrieb einer Anlage" entstandene Emissionen, denn eine solche Beschränkung ist der Richtlinie fremd.[40] Daher ist im Zuge des 45. StrRÄndG mit Absatz 3 n.F. in § 325 StGB ein subsidiärer neuer, zweiter Emissionstatbestand aufgenommen worden, der z. B. bereits das einmalige Freisetzen von Schadstoffen in die Luft in bedeutendem Umfang unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten erfasst; geschieht dies beim Betrieb einer Anlage i. S. von § 325 Abs. 2 StGB n.F., geht diese Strafbarkeit aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Subsidiaritätsanordnung freilich vor. Vor dem Hintergrund dieser – europarechtlich gebotenen – Neukriminalisierung ist freilich die Streichung des "groben" in Abs. 2 n.F. insofern fragwürdig, als dass der neue § 325 Abs. 3 StGB jedenfalls alle davon erfassten Emissionen beim Betrieb einer Anlage ebenfalls erfassen würde (jetzt aber insoweit im Wege ausdrücklicher Subsidiarität zurücktreten muss). So gesehen hätte es der Gesetzgeber von Europarechtswegen bei der Einfügung des neuen Abs. 3 bewenden lassen und auf die Ausweitung des Abs. 2 – samt der damit verbundenen höheren Strafrahmenobergrenze und der weitergehenden Fahrlässigkeitsstrafbarkeit verzichten können.

Mit der Einfügung von § 325 Abs. 3 StGB n.F. als Vorsatzstrafnorm (vgl. § 15 StGB) einher gehen musste angesichts der Pönalisierungsverpflichtung aus Art. 3 der Richtlinie eine Erstreckung der Strafbarkeit wegen Freisetzung von Schadstoffen auf Fälle bloß grober Fahrlässigkeit. Dies hat der Gesetzgeber in § 325 Abs. 5 StGB n.F. umgesetzt, wobei er hier – im Unterschied zu allen bisherigen Fahrlässigkeitsstrafnormen im Umweltstrafrecht (vgl. etwa § 325 Abs. 4 StGB n.F.), aber im Einklang mit § 329 Abs. 6 StGB n.F. – eine Beschränkung auf "Leichtfertigkeit" – dem im deutschen Strafrecht gebräuchlichen Synonym (vgl. nur § 251 StGB) für die europarechtlich geforderte grobe Fahrlässigkeit – vorgenommen hat. Die erwähnte, europarechtlich motivierte Ausdehnung des § 325 Abs. 2 StGB bewirkt allerdings – wie angesprochen – über § 325 Abs. 4 StGB n.F. eine europarechtlich nicht gebotene Ausweitung der Strafbarkeit auch bei bloß einfacher Fahrlässigkeit.

c) § 326 StGB
aa) Legalüberschrift

Der Abfall-Tatbestand des § 326 StGB ist nicht nur seit längerem das "populärste" Umweltdelikt, sondern bereits seit den 1990er Jahren insoweit einer Internationalisierung unterzogen worden,[41] als parallel zum 2. UKG mit § 326 Abs. 2 StGB eine Strafvorschrift gegen den sog. "Mülltourismus" geschaffen worden ist.[42] Daraus zog der Gesetzgeber im 6. StrRG – vier Jahre später – eine erste terminologische Konsequenz, indem er die Legalüberschrift von "Umweltgefährdender Abfallbeseitigung" in "Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen" abänderte.[43] Hieran nun setzt die erste Änderung des § 326 StGB durch das 45. StrRÄndG an, streicht doch der Gesetzgeber nunmehr das Wort "gefährlichen" vor Abfällen, so dass in Zukunft strafbar schon der "Unerlaubte Umgang mit Abfällen" sein soll. Auch diese aus der sprachlichen Verkürzung resultierende inhaltliche Erweiterung der Legalüberschrift ist einer Reformierung des Abs. 2 geschuldet, dessen Anwendungsbereich der Gesetzgeber nunmehr über die in Abs. 1 genannten gefährlichen Abfälle (jetzt in § 326 Abs. 2 Nr. 2 StGB erfasst) auch auf andere, in einer EG-Verordnung genannte Abfälle erstreckt;[44] da für diese Abfälle die Erfassung durch die EG-Verordnung ohne Rücksicht auf ein tatsächliches Gefährlichkeitspotenzial ausreichend sein soll,[45] ist es nur konsequent, die Bezeichnung der Straftat insoweit dem Umfang der Strafbarkeit anzupassen.[46]

bb) Modifikationen des Abfallbegriffs

§ 326 Abs. 1 StGB ist einerseits redaktionell überarbeitet worden. Nachdem 1994 eine im Zuge des 2. UKG eigentlich intendierte Angleichung von § 326 Abs. 1 StGB durch die Aufnahme "fruchtschädigender Abfälle" an § 3a ChemG letztlich daran scheitern sollte, dass zeitgleich darin statt "fruchtschädigender" Stoffe die Rede war von "fortpflanzungsgefährdenden" Stoffen, wird mit dem 45. StrRÄndG nunmehr der ursprünglich intendierte Gleichklang realisiert. Auf den ersten Blick klingt zwar "fortpflanzungsgefährdend" weiter als "fruchtschädigend"; weil aber ein Stoff bereits dann fruchtschädigend i. S. von § 326 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. sein sollte, wenn er durch Einatmen, Schlucken oder Aufnahme über die Haut "nichtvererbbare Schäden der Nachkommenschaft hervorrufen oder deren Häufigkeit erhöhen kann",[47] dürfte sich inhaltlich kein Unterschied ergeben.

cc) Erfassung innerstaatlicher Transportvorgänge

Weil das deutsche Strafrecht bis zum 45. StrRÄndG den bloß innerstaatlichen Transport von Abfällen im Unterschied zu den europäischen Vorgaben – von Ausnahmefällen abgesehen – nicht erfasst hat, soweit der Transportvorgang nicht als Teilakt der Beseitigung der Abfälle i. S. von § 326 Abs. 1 StGB a.F. oder eine Grenze über-

schreiten sollte (dann § 326 Abs. 2 StGB),[48] wurde bereits im Zuge der Diskussion um die Umsetzung des – später für nichtig erklärten – Rahmenbeschlusses 2003/80/JI eine Aufnahme dieser Transportvariante – und zwar zunächst in § 326 Abs. 2 StGB – vorgeschlagen. Von diesem Standort, nicht aber naturgemäß von der Umsetzungspflicht als solcher nimmt der Gesetzgeber nunmehr Abstand, weil mit der Erweiterung des Abfallbegriffs von § 326 Abs. 2 StGB die Aufnahme einer weiteren Tathandlung in diesen Tatbestand letztlich zu einer noch weitergehenden Kriminalisierung geführt hätte.[49] Um eine Beschränkung der Tarnsportvariante auf gefährliche Abfälle i. S. von § 326 Abs. 1 StGB zu erreichen, wird daher der Kreis der Tathandlungen in diesem Tatbestand ausgeweitet; nunmehr ist strafbar, wer die genannten Abfälle "sammelt, befördert, behandelt, verwertet, lagert, ablagert, ablässt, beseitigt, handelt, makelt oder sonst bewirtschaftet". Neben der innerstaatlichen Beförderung sind damit – wie in Art. 3 lit. b der Richtlinie vorgegeben[50] – auch alle anderen Bewirtschaftungsvorgänge in Bezug auf gefährliche Abfälle strafrechtlich erfasst.[51]

Soweit es um den Transport von Abfällen i. S. von § 326 Abs. 1 StGB – und nicht gem. § 326 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. um Abfälle i. S. der darin genannten EG-Verordnungen – geht, sind bei grenzüberschreitenden Transportvorgängen auch durch Teile des Bundesgebiets beide Tatbestände nebeneinander verwirklicht; dann wird man § 326 Abs. 2 StGB – angesichts identischer Strafrahmen – als lex specialis für grenzüberschreitende Mülltransporte vorgehen lassen müssen.[52] Handelt es sich nur um eine Beförderung innerhalb oder ausschließlich um eine Beförderung außerhalb des Bundesgebietes ist mangels des für § 326 Abs. 2 StGB immer noch erforderlichen Grenzübertritts lediglich § 326 Abs. 1 StGB einschlägig.

d) § 327 Abs. 2 StGB

In § 327 StGB ist der unerlaubte Betrieb von Anlagen unter Strafe gestellt. Während von Abs. 1 der unerlaubte Betrieb jeder kerntechnischen Anlage erfasst ist (und damit jedenfalls begrifflich keine Beschränkung auf in Deutschland belegene Anlagen besteht), beschränkte bislang Abs. 2 die Strafbarkeit des Betriebs anderer Anlagen auf solche, die nach deutschem Umweltverwaltungsrecht genehmigt werden müssten, und damit tatbestandlich auf inländische Anlagen.[53] Diese tatbestandliche Beschränkung ist in Art. 3 lit. d der Richtlinie nicht intendiert, weshalb der Gesetzgeber in Abs. 2 einen letzten Satz eingefügt hat, wonach die für deutsche Anlagen geltende Strafbarkeit auch für Anlagen in anderen EU-Staaten gelten soll. Da für den verbotenen Anlagenbetrieb im EU-Ausland aber auch deutsches Strafrecht anwendbar sein müsste, wird es hierbei regelmäßig um Taten eines Deutschen i. S. von § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB gehen.

e) § 328 StGB

In § 328 StGB sind die Absätze 1 und 3 geändert worden.

aa) § 328 Abs. 1 StGB

Die Tathandlungen von § 328 Abs. 1 StGB sind dadurch – eher geringfügig – ausgeweitet worden, dass auch die bislang noch nicht erfasste (Erst-)Herstellung radioaktiver Stoffe[54] aufgenommen worden ist.[55] Darüber hinaus ist der Anwendungsbereich von § 328 Abs. 1 Nr. 2 StGB dadurch ausgeweitet worden, dass in Bezug auf eine der genannten Tathandlungen mit Blick auf deren ungenehmigte Vornahme an sonstigen radioaktiven Stoffen (d. h. nicht an Kernbrennstoffen i. S. von Nr. 1) es nicht mehr darauf ankommt, dass der Täter dabei "grob pflichtwidrig" handelt. Auch wenn man vielleicht streiten kann, ob dieser Verzicht von Europarechtswegen tatsächlich geboten gewesen ist,[56] führt er immerhin zu einer gewissen Glättung dieser relativ kompliziert formulierten Tatbestandsvariante. Schließlich ist der Kreis sonstiger radioaktiver Stoffe in § 328 Abs. 1 Nr. 2 StGB dadurch weiter gezogen worden, dass neben einer Gefährlichkeit dieser Stoffe für Leib oder Leben nunmehr auch genügt, wenn solche Stoffe geeignet sind, erhebliche Schäden an Tieren oder Pflanzen, Gewässern, der Luft oder dem Boden herbeizuführen; das unterstreicht die umweltschützende Zielrichtung dieses Tatbestandes.

bb) § 328 Abs. 3 StGB

In ähnlicher Weise wird § 328 Abs. 3 StGB behutsam erweitert; so entfällt auch hier das Erfordernis einer groben Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten, so dass jede Pflichtwidrigkeit genügt. In Nr. 1 wird der bislang an das deutsche Chemikaliengesetz angelehnte Gefahrstoff-Begriff[57] dadurch europäisiert, dass nunmehr auf die einschlägigen EG-Verordnungen verweisen wird; damit soll der Tatbestand auch auf Taten im Ausland angewandt werden können.[58] Angemerkt sei insoweit freilich, dass der bisherige Verweis allgemein auf das Chemikaliengesetz und damit dynamisch war, so dass Änderungen des Chemikalienrechts kein Tätigwerden des Strafgesetzgebers notwendig gemacht hätten.[59] Indem der deutsche Gesetzgeber nunmehr – durchaus im Interesse der Bestimmtheit – im Wege einer statischen Verweisung auf ganz genau bestimmte einzelne Verordnungen rekurriert, könnte ihm der EU-Gesetzgeber durch deren Ersetzung schlicht den Boden unter den Füßen wegziehen und nötigt damit zu einer ständigen Beobachtung Brüsseler Aktivitäten wie auch einer unver-

züglichen eigenen Gesetzesanpassung, schon um zu verhindern, dass möglicherweise nach Wegfall der in Bezug genommenen Verordnungen die Strafnorm zwischenzeitlich (bis zu einer Anpassung an das neue EU-Recht) leer laufen könnte und damit i. V. m. § 2 Abs. 3 StGB der zeitweilige Zustand der Straflosigkeit der lex mitior sogar Rückwirkung auf zuvor begangene (und zur Tatzeit fraglos strafbare) Verhaltensweisen haben könnte.[60] Schließlich wird auch für § 328 Abs. 3 StGB der Kreis – hier: konkret – gefährdeter Güter um ökologische Güter ausgeweitet.

f) § 329 StGB

Die drei bisherigen Tatbestände des § 329 StGB bleiben vom 45. StrRÄndG unberührt; die darauf Bezug nehmende Fahrlässigkeitsstrafnorm des § 329 Abs. 4 StGB a.F. wird lediglich aus systematischen Gründen und ohne inhaltliche Änderung zum neuen Absatz 5 umnummeriert.[61] Grund für diese Verschiebung ist die Aufnahme des neuen Straftatbestandes der erheblichen Schädigung bestimmter Lebensräume in sog. "Natura 2000-Gebieten";[62] die einzelnen Lebensräume werden unter Verweis auf verschiedene EG-Richtlinien näher bestimmt, so dass sich hier das zu § 328 Abs. 3 StGB n.F. bereits angesprochene Problem statischer Verweisungen auf europäische Sekundärrechtsakte ebenfalls stellen könnte. Angesichts der Verpflichtung aus Art. 3 der Richtlinie zu einer Strafbewehrung bereits bei grober Fahrlässigkeit, hat auch hier der Gesetzgeber – m. E. überzeugend – davon abgesehen, den neuen Tatbestand der "Natura 2000"-Gefährdung schlicht in die bisherige Fahrlässigkeitsnorm des § 329 Abs. 4 StGB a.F. (jetzt Abs. 5 n.F.) aufzunehmen, sondern – wie auch in § 325 Abs. 5 StGB n.F. – den Weg über eine eigene Leichtfertigkeitsnorm gewählt. Damit wird mit Blick auf die Umsetzung des EG-Rechts eine nationale Überkriminalisierung ausgeschlossen; vielleicht wäre es aber gerade mit Blick auf § 329 StGB nicht schlecht gewesen, die darin enthaltene Fahrlässigkeitsnorm generell auf bloß leichtfertiges Handeln zu beschränken.

g) § 330 StGB

Dieser erfährt nur eine redaktionelle Anpassung an § 7 Abs. 2 Nr. 14 BNatSchG, weshalb in § 330 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht mehr von vom Aussterben bedrohten, sondern nunmehr von streng geschützten Arten die Rede ist.[63]

h) § 330c StGB

§ 330c Satz 1 StGB wird redaktionell an die Erweiterung von § 329 StGB angepasst.[64]

i) § 330d StGB
aa) Verwaltungsakzessorietät bei Auslandstaten

Der bisherige Inhalt von § 330d StGB wird völlig unverändert zu dessen neuem Absatz 1; in Absatz 2 folgt dann eine Ausweitung der Straftatbestände, welche auch der Umsetzung der EG-Richtlinien dienen (also nicht § 325a StGB) und die zugleich in ihrem gesetzlichen Tatbestand einen ausdrücklichen Verweis z. B. auf die Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten etc. haben (also nicht § 324 StGB) dahingehend, dass dem Fehlen einer Genehmigung nach deutschem Umweltverwaltungsrecht das Fehlen einer ausländischen Genehmigung etc. gleichstehen soll. Damit ist sichergestellt, dass die Anwendbarkeit verwaltungsakzessorischer Straftatbestände auf Sachverhalte im EU-Ausland nicht schon deswegen ausscheiden muss, weil der dortige Verwaltungsrechtsverstoß den hiesigen Straftatbestand begrifflich nicht erfüllt und einer Strafbarkeit damit die Wortlautschranke entgegenstünde. § 330d Abs. 2 StGB schränkt die Wirkung ausländischer Genehmigungen etc. allerdings in zweifacher Weise ein: Erstens muss die Genehmigung etc. im Umsetzung eines EU- oder Euratom-Rechtsaktes erfolgt sein und zweitens muss sie umweltschützend sein; da freilich das Gros der Umweltrechtsakte heutzutage bereits auf Europarecht beruht, werden nahezu alle im EU-Ausland ergangenen umweltrechtlichen Genehmigungen etc. von § 330d Abs. 2 StGB erfasst sein. Auch wenn sich die Kategorisierungen des deutschen Verwaltungsrechts nicht ohne weiteres auf Verwaltungsakte im Ausland übertragen lassen, ist doch wohl klar, dass nur rechtswirksame Verwaltungsakte eine solche Genehmigungswirkung etc. entfalten können. Diese Rechtswirksamkeit lässt sich freilich nicht an den Nichtigkeitsgründen des § 43 VwVfG messen, sondern richtet sich allein nach dem Verwaltungsrecht des betroffenen Staates. Damit stellt sich die aus der deutschen Rechtspraxis bekannte Frage, ob auch offensichtlich fehlerhafte, aber in Ermangelung ihrer Aufhebung gleichwohl rechtswirksame Verwaltungsakte die in § 330d Abs. 2 StGB genannte Tatbestände ausschließen können. Für inländische Verwaltungsakte gilt insoweit seit 1994 § 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB, so dass bei Vorliegen eines der darin genannten Mängel auch ein wirksamer Verwaltungsakt in strafrechtlicher Hinsicht unbeachtlich, dessen bewusste Ausnutzung mithin strafbar ist.

§ 330d Abs. 2 StGB enthält keinen ausdrücklichen Verweis auf § 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB n.F., mittels welchem im Zuge des 2. UKG der Rechtsmissbrauchsgedanke als Grenze zulässiger Genehmigungswirkung etc. in wesentlichen Teilen kodifiziert worden ist. Nimmt man daher allein den Wortlaut von § 330d Abs. 2 StGB, gelten im Rahmen der darin genannten Tatbestände alle wirksamen ausländische Genehmigungen etc., so dass im EU-Ausland auch durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkte Genehmigungen etc. einer Strafbarkeit wegen §§ 324 ff. StGB in Deutschland den Boden entziehen könnten. Da allerdings unter Geltung des 1. UKG (1980 bis 1994) der Rechtsmissbrauchsgedanke in §§ 324 ff. StGB noch nicht kodifiziert war, gleichwohl aber als Schranke im Rahmen der Verwaltungsaktakzessorietät des deutschen Umweltstrafrechts angesehen wurde,

könnte man erwägen, nunmehr ausländische Genehmigungen etc. an dem gleichen Maßstab zu messen. Die Gesetzesbegründung schweigt sich dazu aus; allerdings spricht gegen eine Übertragung des allgemeinen Rechtsmissbrauchsgedankens, der obendrein über den in § 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB explizierten Bereich hinausreichend auch andere als die darin explizierten Missbrauchsfälle (z. B. das Ausnutzen einer alten und inhaltlich überholten Genehmigung) erfassen könnte, nicht nur die Nichtinbezugnahme von § 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB in § 330d Nr. 2 StGB, sondern auch der Gedanke gegenseitiger Anerkennung von staatlichen Rechts- und Verwaltungsakten innerhalb der EU. So hat die deutsche Strafrechtsprechung zu § 266a StGB anerkannt, dass sozialversicherungsrechtliche Bescheinigungen anderer EU-Staaten selbst bei eindeutiger Fehlerhaftigkeit von deutschen Gerichten nicht überprüft werden können.[65]

bb) Anwendbarkeit des deutschen Umweltstrafrechts auf Auslandstaten

Mit der Einfügung des genannten Abs. 2 in § 330d StGB hat der Gesetzgeber von Anfang an die Idee verbunden, im Lichte des 10. Erwägungsgrundes der Umweltstrafrechts-Richtlinie, wonach die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet sind, "in ihren nationalen Rechtsvorschriften strafrechtliche Sanktionen für schwere Verstöße gegen das gemeinschaftliche Umweltstrafrecht vorzusehen" die Tatbestände des deutschen Umweltstrafrechts so zu öffnen, dass auch gleichartige Taten im EU-Ausland erfasst werden können.[66] Ein erster Schritt in diese Richtung war bereits mit dem 2. UKG unternommen worden, als der bis dahin geltende räumliche Bezug von Gewässern auf das Bundesgebiet gestrichen worden ist, um auch solche Umweltschädigungen erfassen zu können, bei denen letztlich nur im Ausland eine Gefährdung oder Schädigung von Umweltmedien drohte. Zur Rechtslage bis 1994 hatte der BGH im "Falisan"-Fall nämlich eine Strafbarkeit wegen § 326 Abs. 1 StGB trotz einer Tatbegehung i. S. von § 9 Abs. 1 StGB auch im Inland verneint, wenn und weil Umweltschäden im Inland nicht zu befürchten gewesen waren.[67] Solange allerdings die Tathandlung im Ausland gelegen hat und damit nur dortige Genehmigungen etc. einschlägig waren, war zumindest zweifelhaft, ob ein verwaltungsakzessorisch auf das deutsche Umweltrecht aufbauender Straftatbestand auch im Ausland verwirklicht werden konnte.

Mit § 330d Abs. 2 StGB werden nunmehr Genehmigungen etc. im EU-Ausland für die darin genannten Tatbestände – wenngleich mit gewissen Einschränkungen – deutschen Genehmigungen etc. gleichgestellt, so dass in Hinsicht auf die Tatbestandsmäßigkeit eines umweltschädigenden Verhaltens innerhalb der EU grundsätzlich keinen Unterscheid mehr macht, wo der Täter gehandelt und welche verwaltungsrechtlichen Pflichten etc. er verletzt hat. Wenn die Voraussetzungen der §§ 5 – 7 StGB erfüllt sind, d. h. insbesondere wenn der Täter gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB Deutscher ist, können solche im Ausland begangenen Umweltstraftaten auch im Inland verfolgt werden.[68] Das gilt auch für den in § 330d Abs. 2 StGB nicht genannten Tatbestand der Gewässerverunreinigung gem. § 324 StGB, bei dem das Vorliegen einer Genehmigung nur rechtfertigend wirkt,[69] so dass die Verunreinigung eines ausländischen Gewässers durch einen Deutschen diesen Tatbestand erfüllt; liegt für dieses Verhalten eine Genehmigung des Tatortstaates vor, würde diese auch in einem deutschen Strafverfahren als Rechtfertigungsgrund wirken,[70] doch wird es darauf schon deshalb regelmäßig nicht ankommen, weil das durch ausländisches Recht gerechtfertigte Verhalten keine Tatortstrafbarkeit begründen dürfte.[71]

Wegen des in § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB enthaltenen Erfordernisses der Tatortstrafbarkeit wirkt sich die EU-weite Harmonisierung des Umweltstrafrechts ebenfalls mittelbar auf die Anwendbarkeit des deutschen Umweltstrafrechts aus; galt bis zu der EG-Richtlinie das deutsche Umweltstrafrecht gegenüber natürlichen Personen als das unionsweit schärfste, sind nunmehr alle EU-Staaten zur Strafbewehrung des darin genannten Mindeststandards gehalten, so dass in Zukunft nicht mehr anzunehmen sein dürfte, dass im EU-Ausland begangene Umweltstraftaten i. S. des Art. 3 der EG-Richtlinie am Tatort nicht mit Strafe bedroht sind.[72]

Auch wenn es grundsätzlich zu begrüßen ist, dass damit Umweltstraftaten innerhalb des Binnenraums der EU endgültig nicht mehr an den nationalen Grenzen halt machen, so steckt doch auch hier der sprichwörtliche "Teufel im Detail". Maßgeblich ist ein Verbot oder eine Genehmigung etc. eines anderen EU-Staates, wenn die Tat in diesem begangen worden ist. Dafür genügt nach dem in § 9 Abs. 1 StGB kodifizierten Ubiquitätsprinzip, dass ein Teil der Handlung oder ein zum Tatbestand gehörender Erfolg in diesem ausländischen EU-Mitgliedstaat eingetreten ist. Damit stellt sich die Frage, ob etwa bei einem Mülltransport aus Deutschland nach Polen das "aus dem Geltungsbereich des Gesetzes" Bringen der Abfälle in beiden Ländern "begangen" i. S. von § 9 i. V. m. § 330d Abs. 2 StGB n.F. ist. Weil die "Tat" in einem anderen EU-Mitgliedstaat begangen sein muss, genügt es immerhin nicht, wenn dort bloße Teilnahmehandlungen i. S. von § 9 Abs. 2 StGB vorgenommen worden sind.

Das damit denkbare Nebeneinander in- und ausländischer Genehmigungen etc. könnte allerdings auch zu einem strafrechtlich schwer aufzulösenden Gegeneinander führen. Verbietet etwa Deutschland den Export von Abfällen, während der als Empfänger vorgesehene Nachbarstaat deren Einfuhr genehmigt, wäre ebenso eine Straftat nach § 326 Abs. 2 StGB gegeben wie in der umgekehrten Situation einer deutschen Ausfuhrgenehmigung mit gleichzeitigem Einfuhrverbot.[73] Im ersteren

Falle erfolgte die Ausfuhr entgegen einem Verbot, im zweiten ohne die in Polen erforderliche Genehmigung. Natürlich könnte man daran denken, die Handlung räumlich auf die Verbringung der Abfälle bis zur Staatsgrenze zu beschränken, so dass dann nur die erste Konstellation i. S. von § 326 Abs. 2 StGB tatbestandsmäßig wäre; im zweiten Falle bliebe dann allerdings eine Strafbarkeit in Polen gem. § 326 Abs. 1 StGB n.F., soweit in der Weiterbeförderung nach Grenzübertritt zugleich ein "Befördern gefährlicher Abfälle unter wesentlicher Abweichung von einem vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren" liegt.

Denkbar ist in solchen Fällen schließlich auch, dass der Täter darüber irrt, dass er sich im Besitz aller erforderlichen Genehmigungen befindet bzw. sein Verhalten allein wegen einer Genehmigung eines der beteiligten Staaten für rechtmäßig hält. Diese Situation verkompliziert sich, wenn eigentlich aufgrund EU-Umweltrechts das Verhalten entweder insgesamt erlaubt oder verboten ist, die beteiligten Staaten aber aufgrund divergierender Rechtsansichten unterschiedlich entscheiden. Kann man dann dem Täter, der entgegen dem Verbot eines beteiligten EU-Staates und letztlich – nach einer Entscheidung des EuGH – auch dem EU-Umweltrecht, aber im Vertrauen auf die Genehmigung eines anderen EU-Mitgliedstaat z. B. eine Abfallbeförderung quer durch Europa vorgenommen hat und nunmehr im erstgenannten Staat vor Gericht steht einen entschuldigenden Verbotsirrtum i. S. von § 17 StGB zubilligen?[74] Auf solche Fragen ist der Gesetzgeber allerdings nicht eingegangen.

Soweit im EU-Ausland ein Ausländer eine Umweltstraftat begangen hat, ist diese zwar nunmehr vielfach tatbestandsmäßig i. S. der §§ 324 ff. StGB, doch ist hier regelmäßig kein Anknüpfungspunkt i. S. der §§ 3 ff. StGB erkennbar, so dass dieser nicht in Deutschland verfolgt werden könnte. Bedenkt man allerdings, dass angesichts der (Mindest-)Harmonisierung des Umweltstrafrechts auch im Tatortstaat eine vergleichbare Strafbarkeit gegeben sein dürfte und überdies nach Art. 2 Abs. 2, 12. Spiegelstrich des EU-Rahmenbeschlusses 2002/584/JI über den Europäischen Haftbefehl[75] wegen "Umweltkriminalität" hier ohne weiteres ein Europäischer Haftbefehl zur Strafverfolgung erlassen werden könnte, zeigt sich, dass unabhängig von der Nationalität des Straftäters nunmehr EU-weit eine effektive Strafverfolgung wegen den europäisierten Umweltdelikten möglich ist.

In der Strafrechtspraxis ist überdies zu bedenken, dass ein grenzüberschreitender Abfall- oder Gefahrstoff-Transport innerhalb der EU nach der Rspr. des EuGH zu Art. 54 SDÜ als eine Tat in diesem Sinne angesehen wird,[76] so dass die Aburteilung in einem der beteiligten Staaten in allen anderen EU-Staaten Strafklageverbrauch gem. Art. 54 SDÜ und Art. 50 GRCh bewirken kann.

2. Des Nebenstrafrechts

a) Des BNatSchG

§ 7 BNatSchG wird an die europäische Vogelschutzrichtlinie in ihrer seit November 2009 geltenden Fassung angepasst. Die bislang nur in § 71 BNatSchG enthaltenen Straftatbestände werden durch Hinzunahme eines neuen § 71a BNatSchG in zwei Strafvorschriften aufgeteilt.

aa) § 71 BNatSchG

§ 71 BNatSchG wird in mehrerlei Hinsicht ausgeweitet. Die in Abs. 1 bislang nur bei Gewerbs- oder Gewohnheitsmäßigkeit begründete Strafbarkeit wird davon losgelöst und auf Tiere oder Pflanzen einer streng geschützten Art beschränkt, so dass Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit – wie schon bisher für Straftaten nach Abs. 2 – in § 71 Abs. 3 BNatSchG nunmehr auch für Abs. 1 als Qualifikationsmerkmale vorgesehen sind. § 71 Abs. 2 BNatSchG ist neu gefasst worden; im Lichte der Vorgaben von Art. 3 lit. g i.V.m. Art. 2 lit. b Nr. ii der Richtlinie werden nunmehr alle Formen des Handels mit geschützten wildlebenden Tier- und Pflanzenarten in der Strafnorm (und nicht mehr nur unter Verweis auf die Bußgeldnorm des § 69 BNatSchG) explizit unter Strafe gestellt. Das mag man im Lichte des Bestimmtheitsgebots begrüßen.

Die Fahrlässigkeitsstrafnorm des § 71 Abs. 4 BNatSchG erstreckt sich nunmehr auf alle Tathandlungen, auch die des neuen Absatz 1. Angesichts von Art. 3 der Richtlinie wäre eine Beschränkung auf Leichtfertigkeit denkbar gewesen, doch gilt hier weiterhin die Einschränkung, dass dem Täter zwar hinsichtlich der Qualifizierung des Tieres oder der Pflanz als in einem der EU-Rechtakte genannten Art Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann, sein Handeln aber – z. B. das Töten oder Verkaufen des Tieres – vom Vorsatz getragen sein muss.[77] Damit bleibt das Problem, dass das grob fahrlässige (bzw. leichtfertige) Töten eines artgeschützten Tieres – entgegen der Richtlinien-Vorgaben – nur Ordnungswidrigkeit ist.[78]

Die in Art. 3 f und g der Richtlinie möglich gemachte und zunächst als § 71 Abs. 5 vorgeschlagene Aufnahme einer Minima-Klausel[79] ist letztlich nicht Gesetz geworden. Das ist schon deshalb bedauerlich, weil solche Minima-Klauseln im deutschen Umweltstrafrecht keinen Fremdkörper darstellen (vgl. § 326 Abs. 6 StGB und neuestens § 71a Abs. 4 BNatSchG) und angesichts der doch teilweise recht weitgehenden Pönalisierungsverpflichtungen europäischer Rechtsakte eine der letzten Möglichkeiten zur europarechtskonformen Eingrenzung der Strafbarkeit in objektiver Hinsicht darstellen.

bb) § 71a BNatSchG

Mit gegenüber § 71 Abs. 1 und 2 BNatSchG auf drei Jahre reduzierter Strafrahmenobergrenze enthalten § 71a Abs. 1 und 2 BNatSchG weitere neue Straftatbestände, welche zuvor nur als Ordnungswidrigkeiten geregelt waren, wegen Art. 3 lit. f der Richtlinie nunmehr aber Straftaten darstellen müssen. Im Unterschied zu § 71 Abs. 4 BNatSchG beschränkt § 71a BNatSchG die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit auf Fälle leichtfertiger Unkenntnis der Klassifizierung der jeweils genannten Tier- und Pflanzenarten. Eine § 71 Abs. 3 BNatSchG entsprechende Qualifikation bei Gewerbs- oder Gewohnheitsmäßigkeit findet sich hier nicht, doch fordert § 71a Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG dies bereits auf Tatbestandsebene; dies ist nur folgerichtig, handelt es sich dabei doch um eine bloße Verschiebung des bisherigen § 71 Abs. 1 BNatSchG. Auf Konkurrenzebene tritt § 71a Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG hinter § 71 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 BNatSchG zurück.

In § 71a Abs. 4 BNatSchG findet sich schließlich auch eine Minima-Klausel für alle in § 71a BNatSchG geregelten Tatbestände außer § 71a Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG (weil diese gewerbs- oder gewohnheitsmäßiges Verhalten voraussetzen)[80], welche einen materiellen Strafausschluss begründet, wenn die Handlung eine unerhebliche Menge der Exemplare betrifft und unerhebliche Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art hat; beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, so dass – je nach Gefährdungsgrad – bereits ein Exemplar "eine unerhebliche Menge" darstellen kann.[81]

b) Des BJagdG

Bemerkenswert ist bereits die Tatsache, dass ein Gesetz zur Ergänzung des bestehenden Umweltstrafrechts auch das Jagdrecht erfasst;[82] damit findet die in den letzten Jahrzehnten anklingende Einbeziehung etwa des Tierschutzrechts in das Umweltstrafrecht[83] eine weitere Ausdehnung. Das 45. StrRÄndG sieht zunächst einige Anpassungen der Regelungen der Jagd vor, um dann die bereits bestehende Strafvorschrift des § 38 BJagdG im Lichte der Richtlinien-Vorgaben zum Umweltstrafrechts geschärft und – wie im BNatSchG – mittels § 38a BJagdG durch eine zweite Strafvorschrift ergänzt.

a a ) § 38 BJagdG

Hier beschränkt sich die Änderung auf eine, allerdings Anhebung der Strafrahmenobergrenze in § 38 Abs. 2 BJagdG von bisher sechs Monaten auf nunmehr ein Jahr für eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit. Im Regierungsentwurf war sogar eine Strafrahmenobergrenze von drei Jahre Freiheitsstrafe vorgesehen.[84] Dies wurde einerseits mit der Verpflichtung aus Art. 3 lit. g und Art. 5 begründet, wonach wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen auch bei grob fahrlässigen Verstößen – hier bei der Tötung bestimmter geschützter Tiere während der Jagd – vorgesehen sein sollen, daneben aber – m. E. durchaus bemerkenswert – ausdrücklich auch unabhängig von der Richtlinie mit dem in § 47 StGB niedergelegten kriminalpolitischen Ziel, kurze Freiheitsstrafen zu vermeiden.[85]

Beides kann bei näherem Hinsehen allerdings nicht überzeugen. So erscheint mir zweifelhaft, ob die EU-Vorgaben jedenfalls – auch bei bloß grob fahrlässiger Begehung – den nationalen Gesetzgeber zu einer Mindesthöchststrafe von drei Jahren Gefängnis zwingen, solange eine solche nicht – wie in manchen EU-Rahmenbeschlüssen – von Europarechtswegen vorgeschrieben ist. Der EuGH hatte ja gerade in seinem Meeresverschmutzungs-Urteil die Auffassung vertreten, innerhalb der damaligen ersten Säule der EU – d. h. dem supranationalen Gemeinschaftsrecht – seien im Unterschied zur dritten Säule (der Polizeilichen und Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen) gerade keine Mindesthöchststrafvorgaben zulässig;[86] daraufhin hatte die EG-Kommission die zunächst im Richtlinienentwurf von 2007 vorgesehenen Mindesthöchststrafvorgaben wieder gestrichen, weshalb es fragwürdig erscheint, wollte der deutsche Gesetzgeber nunmehr in die Richtlinienvorgaben zur groben Fahrlässigkeit (!) relativ weitgehende Mindesthöchststrafvorgaben hineinlesen. Aber auch die Erwägung zu § 47 StGB ist letztlich fragwürdig, müssten doch vor diesem Hintergrund streng genommen zahlreiche deutsche Tatbestände des Kernstrafrechts wegen einer unter drei Jahren liegenden Strafrahmenobergrenze auf den Prüfstand (z. B. §§ 123, 185, 303 StGB); soll hier wirklich der Strafrahmen zur Vermeidung kurzer Freiheitsstrafen angehoben werden? Deshalb ist die nunmehr erfolgte Orientierung an der naturschutzrechtlichen Fahrlässigkeitsstrafdrohung in § 71 Abs. 4 BNatSchG nur zu begrüßen.

b b) § 38a BJagdG

Da Art. 3 lit. g der Richtlinie eine Strafbewehrung auch für den Besitz und Handel solcher streng und besonders geschützter Wildarten, welche dem Jagdrecht unterliegen, verlangt, hat der Gesetzgeber in § 38a BJagdG hierfür zwei eigenständige Tatbestände geschaffen, die ihren Inhalt aber jeweils erst durch Verweisung auf eine nach § 36 BJagdG ergangene Rechtsverordnung erhalten. Differenziert wird dabei nach der Tathandlung; während § 38a Abs. 1 BJagdG den Handel mit streng oder besonders geschütztem Wild mit einer Strafrahmenobergrenze von fünf Jahren versieht, sieht Abs. 2 für den bloßen Besitz solchen Wildes eine Höchststrafe von drei Jahren vor. Diese – fraglos sachgerechte – Differenzierung orientiert sich an der vergleichbaren Regelung im BNatSchG.[87] In den Absätzen 3 und 4 finden sich dann jeweils darauf bezogene, wiederum abgestufte Strafdrohungen für ein leichtfertiges Verkennen der Klassifizierung des fraglichen Wildes; wie auch bei §§ 71 Abs. 4, 71a Abs. 3 BNatSchG muss die Tathandlung – d. h. Handel oder Besitz des Wildes – aber in jedem Fall vorsätzlich erfolgt sein. § 38a Abs. 5 BJagdG sieht schließlich die bereits aus § 71a Abs. 4 BNatSchG bekannte Minima-Klausel vor.

Der Gesetzgeber ist sichtlich bemüht, die Regelungen des § 38a BJagdG als Umsetzung der Richtlinie "1:1" darzustellen,[88] wohl um mögliche Widerstände aus den Kreisen der Jägerschaft und des für das Jagdrecht zuständigen Ministeriums für Landwirtschaft unter Hinweis auf bindendes supranationales Recht bereits im Keim zu ersticken. Bezogen auf diese Norm trifft dies auch zu, doch lässt dies die zuvor kritisierte, ursprünglich geplante Strafrahmenanhebung in § 38 Abs. 2 BJagdG umso fragwürdiger erscheinen, bedenkt man, dass der von Europarechts wegen ebenfalls einer wirksamen, angemessenen und abschreckenden Strafdrohung zu unterwerfende Besitz von streng geschütztem Wild, dessen Schutzstatus der Täter grob fahrlässig verkannt hat, mit einer Höchststrafe von einem Jahr belegt werden kann, während für die einfach fahrlässige Bejagung eines Tieres während der Schonzeit (§ 38 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 BJagdG) die dreifache Strafrahmenobergrenze hätte gelten sollen.

3. Des Bußgeldrechts

Im Gesetzgebungsverfahren war zunächst die Streichung des Bußgeldtatbestandes in § 69 Abs. 3 Nr. 6 BNatSchG betreffend den Schutz von Natura 2000-Gebieten vorgesehen gewesen, weil angesichts der durch Art. 3 lit. h der Richtlinie mit § 329 Abs. 4 und 6 StGB n.F. Strafnormen hierfür vorgesehen sind, so dass daneben für einen Bußgeldtatbestand keine Regelungsgehalt mehr bleibe.[89] In das 45. StrRÄndG wurde dieser Vorschlag indes nicht übernommen, wohl weil angesichts der Beschränkung von § 329 Abs. 6 StGB n.F. auf Leichtfertigkeit bloß einfach fahrlässige Eingriffe in solche Gebiete nicht mehr sanktioniert würden.[90]

Eine bloß redaktionelle Anpassung erfährt der Bußgeldtatbestand in § 39 BJagdG. Da die bislang in § 1 Abs. 1 AbfVerbrBußV weitgehend in die Strafnorm des § 326 Abs. 2 StGB übernommen worden sind, wird dieser Bußgeldtatbestand gestrichen; die übrigen Vorschriften dieses § 1 AbfVerbrBußV werden redaktionell angepasst; soweit es zwischen diesen bzw. den Bußgeldvorschriften des § 18 Abfallverbringungsgesetz zu Überschneidungen mit § 326 Abs. 2 StGB kommt, findet § 21 OWiG Anwendung.[91]

V. Bewertung

Mit dem 45. StrRÄndG hat der deutsche Gesetzgeber – wenngleich mit einem Jahr Verspätung – seine europarechtlichen Pflichten zur Umsetzung der Vorgaben der EG-Richtlinien zum Umweltstrafrecht und zur Meeresverschmutzung im Grundsatz erfüllt. Einzelne bestehen gebliebene Lücken können (und müssen) – wie mit Blick auf das Abfallverbringungsstrafrecht bereits gefordert – im Einzelfall von der Rechtsprechung mittels richtlinienkonformer Auslegung geschlossen werden. Zugleich hat er an der Grundstruktur des deutschen Umweltstrafrechts so wenig wie möglich verändert und deshalb etwa bestehende Fahrlässigkeitsstrafbewehrungen auch dann unverändert gelassen, wenn der zugrunde liegende (Vorsatz-) Straftatbestand aufgrund der EU-Vorgaben ausgeweitet worden ist, so dass faktisch auch der Anwendungsbereich einfacher Fahrlässigkeitstatbestände gleichsam "unter der Hand" erweitert worden ist. Bei der Schaffung gänzlich neuer Tatbestände im Kern- wie Nebenstrafrecht hat er hingegen im Lichte der Vorgaben der Richtlinie sich darauf beschränkt, erst bei Leichtfertigkeit eine Strafbarkeit vorzusehen.

Allerdings sind auch einzelne Umsetzungsverpflichtungen nicht erfüllt worden. Das gilt vor allem für den Tatbestand der Gewässerverunreinigung; § 324 StGB blieb als auf eine nachweisbare negative Veränderung der biologischen Zusammensetzung als tatbestandlichen Erfolg aufbauende Strafnorm gänzlich unverändert. Das wäre freilich nicht zu beanstanden, wenn bereits der status quo – und sei es im Wege richtlinienkonformer extensiver Auslegung – alle von der zugrunde liegenden Richtlinien-Vorgabe (Art. 3 lit. a) vorgegebenen Verhaltensweisen in Bezug auf Gewässer unter Strafe stellen würde. Das ist aber wegen der Struktur von § 324 StGB als einem Erfolgsdelikt nicht der Fall, denn aus EU-Sicht müsste bereits eine bloß potenziell für die Wasserqualität gefährliche Immission von Schadstoffen in das Gewässer strafbewehrt sein, so dass einer Strafe nicht entgegen gehalten werden können dürfte, es sei – trotz erwiesener gefährlicher Immission – nachweislich zu keiner Veränderung der Wasserqualität gekommen bzw. –angesichts von in dubio pro reo natürlich realistischer – eine solche Veränderung sei im Strafverfahren nicht zu beweisen, z. B. weil vor der Immission keine Messung der Wasserqualität stattgefunden habe. Die in diesen Fällen denkbare Versuchsstrafbarkeit (§ 324 Abs. 2 StGB) kann jedenfalls im Einzelfall daran scheitern, dass dem Täter Vorsatz bezüglich der Änderung der Wasserqualität als kausaler Folge seiner Tathandlung nicht nachgewiesen werden kann; dazu kommt noch die schon mehrfach angesprochene Pönalisierungspflicht bereits bei bloß grob fahrlässiger bzw. leichtfertiger Tatbegehung, die einer Versuchsstrafnorm ohnehin nicht zugänglich wäre.[92]

Im Lichte der umzusetzende EG-Richtlinien wäre daher m. E. – neben vielen der Detailänderungen, die im 45. StrRÄndG umgesetzt worden sind – einerseits eine strukturelle Änderung des § 324 Abs. 1 StGB angezeigt gewesen. Die Richtlinien-Vorgaben machen aber andererseits deutlich, dass dies nicht nur einseitig in Richtung auf eine noch über das Umsetzungsgesetz hinausgehende Strafbewehrung nach deutschem Recht hätte führen müssen. So hätte als Korrelat zu dem Verzicht auf die bisherige Erfolgs-Struktur dieses Tatbestandes eine Eignungsklausel aufgenommen werden können, die gerade auch nachweisbare, aber letztlich nicht sehr gefährliche negative Veränderungen der Wasserqualität hätte ausklammern können.[93] Darüber hinaus war der deutsche Gesetzgeber frei darin, ob er die Versuchsstrafandrohungen beibehalten will oder nicht, denn dazu gab es in den EG-Richtlinien – anders als in manchen Rahmenbe-

schlüssen – keine Vorgaben.[94] Daher hätte auch europarechtskonform eine Einschränkung der Strafbarkeit durch Streichung von § 324 Abs. 2 StGB erfolgen können (das gilt auch für die anderen Versuchsstrafdrohungen, die manches mal mittelbar – durch die Ausweitung der zugrunde liegenden Tatbestände wie in § 326 Abs. 1 und 2 – erweitert worden sind). Auch hätte noch vermehrt – wie zunächst als § 71 Abs. 5 BNatSchG vorgeschlagen – auf Minima-Klauseln gesetzt werden können.

Schließlich hätte – es ist schon angeklungen – der Gesetzgeber nicht nur bei den neu geschaffenen Fahrlässigkeitsdelikten einschränkend Leichtfertigkeit fordern können, sondern am besten gleich bei allen Umweltstraftaten;[95] im Gegenteil hat er – wiederum durch Ausweitung der zugrunde liegenden Vorsatztatbestände – auch hier immer wieder den Anwendungsbereich einfacher Fahrlässigkeit en passant ausgeweitet. Hier wäre m. E. weniger mehr gewesen; die Forderung nach einer Beschränkung von Strafnormen auf Leichtfertigkeit (statt jeder Fahrlässigkeit) findet sich im Übrigen nicht nur für das Umweltstrafrecht; sie wurde etwa kürzlich auch im Rahmen einer Reform der Aussagetatbestände de lege ferenda für § 161 StGB erhoben.[96]


[1] ABl.EU 2008, L 328, S. 28. Dazu Zimmermann ZRP 2009, 74 ff., und Hecker, in: Sieber/Brüner/Satzger/v. Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht (2011), § 28. Zu den Vorschlägen ausführlich Heger, Die Europäisierung des deutschen Umweltstrafrechts (2009), S. 275 ff. – Zu den Auswirkungen der Lissabon-Entscheidung des BVerfG auf die Europäisierung des Umweltstrafrechts vgl. Reiling/Reschke wistra 2010, 47 ff.

[2] Zum Gesetzgebungsverfahren Möhrenschlager wistra 12/2011, S. V sowie bereits zu den Inhalten ausführlicher in wistra 3/2011, S. V ff. und wistra 4/2011, S. V ff.

[3] BGBl. 2011 I, S. 2557.

[4] Vgl. nur Heger (Fn. 1), S. 167 ff.

[5] Vgl. nur Heger (Fn. 1), S. 169 ff.

[6] Zur Zielsetzung der Umweltstrafrechtsreformen von 1980 und 1994 vgl. nur Klopefer/Vierhaus, Umweltstrafrecht, 2. Aufl. (2002), Rn. 7 ff.

[7] ETS Nr. 172. Dazu Knaut, Die Europäisierung des Umweltstrafrechts (2005), S. 270 ff.

[8] ABl.EG 1999, Nr. C 19, S. 1.

[9] Vgl. Heger (Fn. 1), S. 143 f.

[10] ABl.EG 2001, C 180, S. 238; dazu Schmalenberg, 2003.

[11] ABl.EU 2003, L 29, S. 55; dazu Knaut (Fn. 7), S. 340 ff., und Mansdörfer Jura 2004, 297 ff.

[12] EuGH, Slg. 2005, I-7879.

[13] Vgl. nur die Aufzählung bei Hecker, Europäisches Strafrecht, 3. Aufl. (2010), § 11 Rn. 11 ff.

[14] ABl.EU 2009, L 280, S. 52.

[15] BR-Drs. 58/11, S. 18.

[16] Dazu allgemein Knaut (Fn. 7); Heger (Fn. 1); Ruhs ZJS 2011, 13 ff.; Mansdörfer Jura 2004, 297 ff.

[17] BR-Drs. 58/11, S. 10 f.

[18] BR-Drs. 58/11, S. 11 ff.

[19] Dazu ausführlich Heger ZIS 2009, 406, 413 ff.

[20] Zu den Auswirkungen des Vertrags von Lissabon auf das Umweltstrafrecht vgl. Reiling/Reschke wistra 2010, 47 ff.

[21] Vgl. dazu nur Heger (Fn. 1), S. 204 ff.

[22] Allgemein zum Begriff der Europäisierung des nationalen Strafrechts Satzger, in: Sieber/Brüner/Satzger/v. Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht (2011), § 9.

[23] Zur Harmonisierung als strafrechtlichem Europäisierungsfaktor vgl. Hecker (Fn. 13), § 11 und in: Sieber/Brüner/Satzger/v. Heintschel-Heinegg, Europäisches Strafrecht (2011), § 10.

[24] Dazu allgem. Hecker (Fn. 13), § 10. – Eine Pflicht zur Konform-Auslegung von strafrechtlichen Vorgaben der EU hat – wenngleich mit Blick auf einen Rahmenbeschluss – der EuGH in seinem bekannten "Pupino"-Urteil statuiert (EuGH, Slg. 2005, I-5285); grundlegend zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des deutschen Abfallstrafrechts bereits BGHSt 37, 21, 23 ff.

[25] BGHSt 37, 89.

[26] Knaut (Fn. 7), S. 360; Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. (2010), § 326 Rn. 12c.

[27] Dazu Heine (Fn. 26), § 326 Rn. 10 f.

[28] Dazu Kropp NStZ 2011, 674 ff.

[29] BVerfG NJW 1989, 2464.

[30] Vgl. Heger (Fn. 1), S. 44 ff.

[31] EGMR NJW 2002, 2856; vgl. dazu auch Waßmer ZStW 118 (2006), 159 ff.

[32] Dazu ausführlich Wolter, Vorabentscheidungsverfahren und Beschleunigungsgebot in Strafsachen (2011).

[33] Vgl. BR-Drs. 58/11, S. 20.

[34] Dazu BR-drs. 58/11, S. 20 f.

[35] Vgl. nur Heine/Meinberg GA 1990, 1, 22.

[36] BR-Drs. 58/11, S. 21; so auch schon zu der inhaltsgleichen Vorgabe des Rahmenbeschlusses 2003/80/JI Knaut (Fn. 7), S. 367; Änderungsbedarf bejaht auch Heine (Fn. 26), Vorbem. §§ 324 ff. Rn. 7e.

[37] Vgl. zum 1. UKG Laufhütte/Möhrenschlager ZStW 92 (1980), 912, 939 f.

[38] Dazu Heger (Fn. 1), S. 307.

[39] Vgl. Heger (Fn. 1), S. 309; dagegen BR-Drs. 58/11, S. 20.

[40] Vgl. Heger (Fn. 1), S. 304 ff.; BR-Drs. 58/11, S. 21.

[41] Vgl. Heger (Fn. 1), S. 38 ff.

[42] Vgl. dazu nur B. Breuer, Der Im- und Export von Abfällen innerhalb der Europäischen Union aus umweltstrafrechtlicher Sicht (1998).

[43] Vgl. Heger (Fn. 1), S. 170.

[44] Krit. zu dieser statischen Verweisung Möhrenschlager wistra 3/2011, S. V, VI.

[45] BR-Drs. 58/11, S. 23 f.

[46] Missverständlich ist es daher, wenn der Gesetzgeber betont, mit der Änderung der Überschrift sei eine materielle Änderung nicht verbunden (BR-Drs. 58/11); das trifft nur dahingehend zu, dass durch die Änderung der Überschrift nicht die Ausweitung von § 326 StGB in tatbestandlicher Hinsicht bewirkt worden ist.

[47] Heine (Fn. 26), § 326 Rn. 4a; Alt, in: MüKo-StGB, Bd. 4 (2006), § 326 Rn. 31.

[48] Heine (Fn. 26), § 326 Rn. 12c.

[49] Vgl. BR-Drs. 58/11, S. 23.

[50] Vgl. Heger (Fn. 1), S. 310.

[51] Die im ursprünglichen Entwurf wegen Entbehrlichkeit vorgesehene Streichung der Tathandlung das Lagerns der Abfälle (vgl. BR-Drs. 58/11, S. 23) wurde letztlich nicht ins 45. StrRÄndG übernommen (Möhrenschlager wistra 12/2011, S. V).

[52] Allgem. zur Spezialität als Form der Gesetzeskonkurrenz Kühl, Strafrecht AT, 6. Aufl. (2008), § 21 Rn. 52.

[53] BR-Drs. 58/11, S. 24.

[54] Vgl. Heger (Fn. 1), S. 315.

[55] BR-Drs. 58/11, S. 25.

[56] Dagegen Heger (Fn. 1), S. 315.

[57] Kritisch zu dieser Verweisung zu § 328 StGB a.F. Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB (2009), § 328 Rn. 10.

[58] BR-Drs. 58/11, S. 25.

[59] Zu Verweisen auf EU-Recht in nationalen Strafgesetzen allgem. Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 5. Aufl. (2011), § 9 Rn. 20 ff.

[60] Zu ähnlichen Problemen bei der Änderung einer im Naturschutzstrafrecht in Bezug genommenen EG-Artenschutzverordnung Heger (Fn. 1), S. 268 f.

[61] Vgl. BR-Drs. 58/11, S. 27.

[62] Vgl. BR-Drs. 58/11, S. 25 ff.

[63] Vgl. BR-Drs. 58/11, S. 27.

[64] Vgl. BR-Drs. 58/11, S. 27.

[65] BGHSt 51, 124.

[66] Dazu allgemein Günther-Nicolay, Die Erfassung von Umweltstraftaten mit Auslandsbezug durch das deutsche Umweltstrafrecht gemäß §§ 324 ff. StGB (2003); Hecker ZStW 115 (2003), 880 ff.; Heger (Fn. 1), S. 249 ff.

[67] BGHSt 40, 79.

[68] BR-Drs. 58/11, S. 28.

[69] Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl. (2011), § 324 Rn. 8.

[70] Möhrenschlager wistra 4/2011, S. V, VII.

[71] Vgl. nur Satzger (Fn. 59), § 5 Rn. 90 ff.

[72] Zur Europäisierung des österreichischen Umweltstrafrechts Möhrenschlager wistra 1/2012, S. XI f.

[73] Vgl. zu einer ähnlichen Konstellation Heger (Fn. 1), S. 52 f.

[74] Dazu näher Heger (Fn. 1), S. 54 f.

[75] ABl.EU 2002, L 190, S. 1.

[76] EuGH, Slg. 2006, I-2333 – "van Esbroeck" und I-9327 – "van Straaten”; Slg. 2007, I-6441 – "Kretzinger".

[77] BR-Drs. 58/11. Zu der vergleichbaren Vorgängernorm BGHSt 42, 200; OLG Hamburg NStZ 1993, 346. Krit. zu dieser Beschränkung auf den Artenirrtum Möhrenschlager wistra 4/2011, S. V, VII.

[78] Vgl. Heger (Fn. 1), S. 317.

[79] BR-Drs. 58/11, S. 29; dafür schon Heger (Fn. 1), S. 317.

[80] BR-Drs. 58/11, S. 30.

[81] So zu dem nicht Gesetz gewordenen Entwurf eines § 71 Abs. 5 BR-Drs. 58/11, S. 29.

[82] So auch schon Heger (Fn. 1), S. 248.

[83] Vgl. nur Kloepfer/Vierhaus (Fn. 5), Rn. 5.

[84] Vgl. BT-Drs. 17/5391, S. 26; Möhrenschlager wistra 12/2011, S. V.

[85] BR-Drs. 58/11, S. 31.

[86] EuGH, Slg. 2007, I-9097.

[87] BR-Drs. 58/11, S. 31.

[88] BR-Drs. 58/11, S. 31.

[89] BR-Drs. 58/11, S. 28.

[90] BT-Drs. 17/5391 u. 7674, S. 18; Möhrenschlager wistra 12/2011, S. V.

[91] BR-Drs. 58/11, S. 32.

[92] Heger (Fn. 1), S. 301 f.

[93] Heger (Fn. 1), S. 334 ff.

[94] Heger (Fn. 1), S. 322 f.

[95] Heger (Fn. 1), S. 288.

[96] Vormbaum, Reform der Aussagetatbestände (§§ 153 – 162), 2. Aufl. (2012), S. 59 f.