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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2005
6. Jahrgang
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1. Scheitert der Versuch, mit einem von der Beschuldigten genannten auswärtigen Verteidiger Kontakt aufzunehmen, sind die Polizeibeamten nicht verpflichtet, die nunmehr auf den Verteidigerbeistand verzichtende Beschuldigte auf einen bestehenden Anwaltsnotdienst hinzuweisen (vgl. BGHSt 47, 233, 234 f.).
2. Die rechtmäßige Inanspruchnahme der Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft setzt voraus, dass die richterliche Anordnung nicht eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet wird (vgl. BGH JZ 1962, 609, 610). Solches liegt auch vor, wenn die Ermittlungsrichterin meint, ohne Aktenkenntnis nicht, auch nicht mündlich (vgl. BGH NJW 2005, 1060) entscheiden zu können, und der Verlust der Betäubungsmittel als Beweismittel zeitnah droht. Bei dieser Sachlage fehlt es an einer eigenverantwortlichen Prüfung und Entscheidung durch die Ermittlungsrichterin, was es der Staatsanwaltschaft verwehren würde, anstelle des Gerichts die Durchsuchung anzuordnen (vgl. BGH NStZ 2001, 604, 606).
3. Einer Verhinderung von Beweismittelverlusten durch Wahrnehmung der Eilkompetenz stehen verfassungsrechtliche Einwände nicht entgegen. Ein solches Vorgehen entspricht der verfassungsrechtlichen Gewährleistung einer rechtsstaatlich geordneten Rechtspflege, die sich, bei nachhaltiger Sicherung der Rechte des Beschuldigten, auch auf eine wirksame Strafverfolgung erstreckt. Etwas anderes könnte sich allerdings dann ergeben, falls die Ermittlungsrichterin, was die Revisionen behaupten, von der Staatsanwältin unvollständig unterrichtet worden ist, um eine Ablehnung eines richterlichen Beschlusses zu provozieren und dadurch für sich die Eilkompetenz zu begründen.
Es ist unbedenklich, wenn das Gericht dem - zulässigerweise - während einer Zeugenvernehmung aus dem Saal entfernten Angeklagten die Gelegenheit gibt, in einem anderen Raum die dorthin in Bild und Ton übertragene Aussage der Nebenklägerin zu verfolgen. Eine solche
von der Strafprozessordnung nicht vorgesehene Vorgehensweise lässt die Voraussetzungen, die Bedingungen und die Wirkungen des § 247 StPO jedoch unberührt, entbindet also insbesondere den Vorsitzenden nicht von der Verpflichtung, den Angeklagten vom wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.
Wird ein Urteil aufgehoben, weil eine möglicherweise gebotene Verurteilung wegen einer Tat unterblieben ist, die gegebenenfalls mit einer abgeurteilten Tat in Tateinheit stehen kann, kann das Urteil auch hinsichtlich der abgeurteilten Tat keinen Bestand haben.
Der Begriff der Sache i.S. des § 22 Nr. 5 StPO ist weit auszulegen. Sachgleichheit setzt nicht Verfahrensidentität voraus (BGHSt 9, 193). Sachgleichheit ist auch dann gegeben, wenn ein Richter in einem anderen Verfahren als Zeuge zu demselben Tatgeschehen vernommen worden ist, das er jetzt abzuurteilen hätte (BGHSt 31, 358). Vernehmung zum Tatgeschehen ist dabei nicht nur die Wiedergabe eigener Wahrnehmung zum Tatgeschehen, sondern vielmehr jede Äußerung als Zeuge zu solchen Fragen, die im Hinblick auf Schuld- und Straffrage später als Richter in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bewertet werden müssen (vgl. BGHSt 31, 358, 359).
Das Fehlen der erforderlichen qualifizierten Belehrung hat lediglich die Wirkung, dass der erklärte Rechtsmittelverzicht unwirksam ist, so dass dem Angeklagten die einwöchige Frist zur Einlegung der Revision (§ 341 Abs. 1 StPO) zur Verfügung gestanden hätte. Das Unterlassen der qualifizierten Belehrung zieht nicht die Vermutung des § 44 Satz 2 StPO nach sich. Dies gilt auch bei bedenklichen Verfahrensweisen im Zusammenhang mit einer nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelverzicht getroffenen Haftentscheidung.
1. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Wahrung der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nach Aktenlage nicht offensichtlich ist, gehört zur formgerechten Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags, dass der Antragsteller mitteilt, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist.
2. Die eigene eidesstattliche Versicherung des Verurteilten ist kein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung (BGHR StPO § 45 Abs. 2 Glaubhaftmachung 1).