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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 619

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 108/17, Beschluss v. 31.05.2017, HRRS 2017 Nr. 619


BGH 5 StR 108/17 - Beschluss vom 31. Mai 2017 (LG Berlin)

Umgrenzungsfunktion der Anklage (Mindestanforderungen an die Identifizierung Tat).

§ 200 StPO

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Angeklagten S. G. und D. G. gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. August 2016 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Auf die Revision des Angeklagten D. wird das vorgenannte Urteil, soweit dieser Angeklagte betroffen ist aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen dieses Angeklagten.

Gründe

Während die Revisionen der Angeklagten S. und D. G. unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO sind, führt die auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision des wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen unter Strafaussetzung zur Bewährung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilten Angeklagten D. entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts zur Aufhebung des Urteils und zur Einstellung des Verfahrens.

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 21. März 2017 ausgeführt:

„Die gegen den Angeklagten erhobene Anklage leidet an einem funktionellen Mangel. Sie genügt nicht den sich aus der Umgrenzungsfunktion ergebenden Mindestanforderungen an die Identifizierung der ihm vorgeworfenen Tat (§ 200 Abs. 1 StPO). Die Anklageschrift wirft dem Angeklagten D. vor, ‚eine Tat wie zu I. 1. begangen zu haben‘ (Bd. VIII Bl. 60). Unter Ziffer I 1 bis 6 werden dem Mitangeklagten S. G. sechs selbständige Handlungen des unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt (Bd. VIII, Bl. 59 RS). Der Anklagesatz beschränkt sich hinsichtlich des Angeklagten D. auf die allgemeine Behauptung, er habe sich spätestens im Jahr 2014 mit den Mitangeklagten S., A., D. und F. G. zusammengeschlossen, um in der Folge gewinnbringend Betäubungsmittel zu vertreiben und den Erlös unter sich aufzuteilen (Bd. VIII Bl. 60 RS), er sei der Verkaufsebene der Bandenstruktur zuzurechnen und habe auch als Abwesenheitsvertreter fungiert (Bd. VIII Bl. 61 RS). An welcher konkreten (Banden-) Tat zu Ziffer I 1 bis 6 (Bd. VIII Bl. 62) der Angeklagte tatsächlich beteiligt gewesen sein soll, erschließt sich jedoch weder aus dem übrigen Anklagesatz noch aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen.

Da dieser Mangel im Eröffnungsbeschluss nicht behoben wurde (Bd. VIII Bl. 120), haftet er auch dem Beschluss selbst an (BGH, GA 80, 109). Die hieraus folgende Unwirksamkeit von Anklageschrift und Eröffnungsbeschluss muss zur Einstellung des Verfahrens führen (vgl. Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 200 Rn. 26).

Hinzu kommt, dass die abgeurteilten Taten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln am 7., 11. und 13. Juni 2015 (Bd. XI Bl. 52 RS) nicht Prozessgegenstand waren, weil sie weder Gegenstand der durch den Eröffnungsbeschluss zugelassenen Anklage noch einer Nachtragsanklage gegen den Angeklagten D. waren. Der vom Landgericht Berlin erteilte rechtliche Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO (Bd. X Bl. 106) steht der Anklageerhebung nicht gleich (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 260 Rn. 10).“

Dem tritt der Senat bei und bemerkt ergänzend, dass ein neu verhandelndes Tatgericht eine Annahme gewerbsmäßigen Handelns (§ 29 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 BtMG) sowie die Frage der Regelwirkung nach § 29 Abs. 3 Satz 1 BtMG sorgfältiger zu begründen haben wird, als dies im angefochtenen Urteil geschehen ist.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 619

Bearbeiter: Christian Becker