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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 1035

Bearbeiter: Karsten-Gaede und Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 100/16, Beschluss v. 10.10.2016, HRRS 2016 Nr. 1035


BGH 4 StR 100/16 - Beschluss vom 10. Oktober 2016 (LG Essen)

Verwerfung der Revision als unbegründet.

§ 349 Abs. 2 StPO

Entscheidungstenor

1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 31. Juli 2015 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen, unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Essen Borbeck vom 21. März 2011 und 11. Mai 2011 und unter Auflösung der Gesamtstrafe aus dem Beschluss des Amtsgerichts Essen Borbeck vom 24. April 2012 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt ist.

2. Die Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe

Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts vom 10. März 2016 ist die Urteilsformel jedoch zu berichtigen, weil das Landgericht nicht nur - wie geboten - die im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Taten, sondern auch die Schuldsprüche der früheren Urteile, deren Einzelstrafen zur Bildung der Gesamtstrafe herangezogen worden sind, in den Urteilstenor aufgenommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Februar 1999 - 4 StR 626/98, wistra 1999, 185, 186). Bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB werden zudem - im Unterschied zu § 31 Abs. 2 JGG - nur Strafen, nicht aber Urteile einbezogen.

Ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts ist hinsichtlich der Verfahrensrügen anzumerken:

Die im Zusammenhang mit der Beschaffenheit des Hochbettes erhobenen Verfahrensrügen sind nicht ordnungsgemäß ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die in den Beweisanträgen jeweils in Bezug genommene und als Anlage beigefügte Abbildung von der Revision nicht vorgelegt wird. Des Weiteren teilt die Revisionsbegründung den Inhalt des Beweisantrags vom 2. Juli 2015, auf den in dem Beweisantrag auf Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens verwiesen worden ist, nicht mit. Der zu dem Beweisantrag vom 2. Juli 2015 ergangene Beschluss der Strafkammer vom 10. Juli 2015 ist in der am letzten Tag der Revisionsbegründungsfrist per Telefax übermittelten Fassung der Revisionsbegründung wegen der vom Absender vorgenommenen Verkleinerung von zehn Seiten auf eine Telefaxseite nicht lesbar. Eine Verfahrensrüge bezüglich des sich auf den Zeitpunkt des Umzugs beziehenden Beweisantrags auf Vernehmung der Zeugin F. ist der Revisionsbegründung nicht zu entnehmen.

Die einen Belehrungsmangel im Zusammenhang mit der Untersuchung des Nebenklägers im Rahmen der aussagepsychologischen Begutachtung geltend machende Verfahrensbeanstandung dringt nicht durch. Soweit die unterbliebene Einholung des Einverständnisses des gesetzlichen Vertreters beanstandet wird, ist die Rüge mangels Vorbringens zur Verstandesreife des Nebenklägers bereits unzulässig. Soweit geltend gemacht wird, dass die für die Verwertbarkeit des Gutachtens erforderliche Belehrung des Nebenklägers über sein Recht, die Mitwirkung an der Begutachtung verweigern zu können, nicht durch die hierfür zuständige Staatsanwaltschaft erfolgt ist, ist die Verfahrensbeschwerde unbegründet. Denn der Senat kann nach Aktenlage sicher ausschließen, dass der Nebenkläger bei einer formell ordnungsgemäß erfolgten Belehrung entsprechend § 81c Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO von seinem Untersuchungsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hätte (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 1994 - 1 StR 461/94, BGHSt 40, 336, 339; Beschlüsse vom 18. Januar 1995 - 3 StR 596/94; vom 23. September 2003 - 1 StR 323/03, BGHR StPO § 52 Abs. 3 Satz 1 Verletzung 7). Der Nebenkläger, dessen Strafanzeige dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegt, war jeweils nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht sowohl bei der Polizei als auch in der Hauptverhandlung uneingeschränkt aussagebereit. Vor seiner Mitwirkung bei der Untersuchung durch den Sachverständigen wurde er vom Sachverständigen auf sein Zeugnisverweigerungsrecht bezüglich seiner Mutter und auf die Freiwilligkeit einer Teilnahme an der Begutachtung hingewiesen, so dass der Nebenkläger in der Sache in vollem Umfang über seine Rechte informiert war.

Eine Auslagenentscheidung zugunsten des Nebenklägers kommt nicht in Betracht, da die Anschlusserklärung des minderjährigen Nebenklägers wegen dessen Prozessunfähigkeit unwirksam ist (vgl. KG, NStZRR 2011, 22 ff. mwN; Senge in KKStPO, 7. Aufl., vor § 395 Rn. 2).

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 1035

Externe Fundstellen: NJW 2016, 3673; NStZ-RR 2016, 377

Bearbeiter: Karsten-Gaede und Marc-Philipp Bittner