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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 445/95, Urteil v. 14.02.1996, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 445/95 - Urteil vom 14. Februar 1996 (LG Duisburg)

BGHSt 42, 43; Strafzumessung beim strafbefreienden Rücktritt des Täters vom Versuch und der Verurteilung wegen eines zugleich verwirklichten vollendeten Delikts (Berücksichtigung der sorgfältigen Planung); gefährliche Körperverletzung; Tötungsversuch.

§ 24 Abs. 1 S. 1 StGB; § 46 StGB; § 211 StGB; § 224 StGB

Leitsätze

1. Ist der Täter vom Versuch einer Straftat strafbefreiend zurückgetreten, gleichwohl aber wegen eines zugleich verwirklichten vollendeten Delikts zu bestrafen, so dürfen der auf die versuchte Straftat gerichtete Vorsatz sowie ausschließlich darauf bezogene Tatbestandsverwirklichungen nicht strafschärfend berücksichtigt werden. Umstände, die sich auf das Tatgeschehen insgesamt beziehen und den Unrechts- und Schuldgehalt auch des vollendeten Delikts charakterisieren, dürfen dagegen strafschärfend berücksichtigt werden. (BGHSt)

2. Danach können beispielsweise die sorgfältige Planung und vor der Tat unternommene Verschleierungshandlungen bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten gewertet werden. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 21. April 1995 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die der Nebenklägerin dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat angenommen, daß der Angeklagte vom Mordversuch an seiner Ehefrau strafbefreiend zurückgetreten ist, ihn aber wegen zugleich an ihr begangener schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloß sich der Angeklagte, seine Ehefrau zu töten, um ohne Scheidung eine Beziehung zu einer anderen Frau fortsetzen zu können. Er hob zur Vorbereitung der Tat eine Erdgrube aus, in der er den Leichnam der Ehefrau verbergen wollte. Unter einem Vorwand veranlaßte er seine Ehefrau, einen Abschiedsbrief zu schreiben, um mit ihm später das Verschwinden des Opfers erklären zu können. Am Vorabend der Tat begab er sich zu seiner Freundin und entfernte sich sodann nachts heimlich unter Hinterlassung einer schriftlichen Nachricht, um die Möglichkeit zu haben, bei einem Erwachen der Freundin seine zeitweilige Abwesenheit zu erklären.

Plangemäß betrat der Angeklagte in den Morgenstunden die Ehewohnung und versetzte seiner schlafenden Ehefrau in Tötungsabsicht mit einem stumpfen Gegenstand mindestens zwei Schläge auf den Kopf oberhalb der rechten Augenhöhle. Jeder der Schläge war geeignet, zu einem sofortigen Bewußtseinsverlust beim Opfer und zum Tod durch hirnorganische Schäden zu führen. Als die Ehefrau wider Erwarten zu Bewußtsein kam, gab der Angeklagte seinen Vorsatz auf und holte Hilfe herbei. Trotz sofortigen ärztlichen Eingreifens erblindete sie infolge der durch die Schläge erlittenen Schädelfrakturen auf beiden Augen.

2. Die Revision des Angeklagten ist, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet, aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Daß sich das Landgericht bei festgestelltem direktem Tötungsvorsatz nicht mit den naheliegenden (vgl. BGHR StGB § 225 Konkurrenzen 1) Voraussetzungen des § 225 StGB auseinandergesetzt, sondern sich mit der Feststellung, diese Folgen hätten von dem Angeklagten erkannt werden können (UA S. 15), begnügt hat, beschwert den Angeklagten nicht.

3. Der Strafausspruch weist keinen Rechtsfehler aus.

a) Die Rüge der Verletzung von § 267 Abs. 3 StPO bleibt ohne Erfolg. Es kann mit der Revision nicht geltend gemacht werden, daß die schriftlichen Urteilsgründe nicht mit den mündlich verkündeten Urteilsgründen übereinstimmen. Für das Revisionsgericht sind allein die schriftlichen Urteilsgründe maßgebend (KK-Engelhardt 3. Aufl. § 267 StPO Rdn. 47 m.w.N.). Was im Urteilsentwurf gestanden haben mag, ist unerheblich.

b) Entgegen der Auffassung der Revision ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Landgericht einen minder schweren Fall der schweren Körperverletzung (§ 224 Abs. 2 StGB) u.a. deswegen abgelehnt hat, weil der Angeklagte seine Tat "planmäßig vorbereitet" hatte (UA S. 63), und diesen Umstand auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu Ungunsten des Angeklagten gewertet hat. Ist der Täter vom Versuch einer Straftat strafbefreiend zurückgetreten, gleichwohl aber wegen eines zugleich verwirklichten vollendeten Delikts zu bestrafen, so dürfen zwar der auf die versuchte Straftat gerichtete Vorsatz sowie ausschließlich darauf bezogene Tatbestandsverwirklichungen nicht strafschärfend berücksichtigt werden; dies hindert aber nicht, solche Umstände strafschärfend zu berücksichtigen, die sich auf das Tatgeschehen insgesamt beziehen und den Unrechts- und Schuldgehalt auch des vollendeten Delikts charakterisieren.

Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB ist die Schuld des Täters wesentliche Grundlage für die Zumessung der Strafe. Aus § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB folgt das Gebot einer umfassenden Würdigung aller für und gegen den Täter sprechenden Umstände. Der bei der Tat aufgewendete Wille und die Art der Tatausführung sind in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB beispielhaft benannte Umstände zur Bemessung der Schuld. Sie kennzeichnen ggf. die große kriminelle Intensität, mit der ein Täter sein Ziel verfolgt; sie können aber auch die Tat als bloße Spontantat oder als aus einer Verführungssituation heraus begangen kennzeichnen. Diese der Tat regelmäßig vorgelagerten oder sie begleitenden Umstände können die Schuld des Täters auch dann noch charakterisieren, wenn dieser vom Versuch einer schwereren Straftat strafbefreiend zurückgetreten, jedoch wegen einer zugleich vollendeten Straftat gleichwohl zu bestrafen ist. § 24 StGB gebietet nicht, die sich ursprünglich auf die schwerere Straftat beziehenden Umstände bei der von § 46 StGB geforderten Gesamtwürdigung ausnahmslos auszublenden. Ein der Regelung des § 51 BZRG vergleichbares Verwertungsverbot zum Nachteil des Täters besteht nicht. Das Rücktrittsprivileg bewirkt nur, daß der Täter wegen des Versuchs der schwereren Straftat nicht bestraft werden darf, d.h. daß die Strafe nicht aus dem Tatbestand des versuchten Delikts entnommen und dem Täter nicht der Entschluß zur Begehung dieses Delikts und ausschließlich hierauf bezogene Tatbestandsverwirklichungen strafschärfend vorgehalten werden dürfen.

Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht dieser Auffassung nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, daß der ursprüngliche, weitergehende Vorsatz des Täters (BGH MDR 1965 mit abl. Anm. Dreher; MDR (bei Holtz) 1980, 813; Urteil vom 11. Juni 1987 - 4 StR 31/87; Urteil vom 12. November 1987 - 4 StR 541/87 - insoweit in BGHSt 35, 90 nicht abgedruckt; Urteil vom 3. August 1989 - 4 StR 380/89 - zitiert bei Detter NStZ 1990, 173, 177; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 15; NStZ 1990, 490; Beschluß vom 23. November 1995 - 1 StR 626/95), die Merkmale der ausscheidenden Gesetzesverletzung (BGH MDR (bei Dallinger) 1966, 726; Beschluß vom 9. März 1967 - 5 StR 38/67, insoweit in BGHSt 21, 216 nicht abgedruckt) und die Tatumstände, von deren Verwirklichung Abstand genommen wurde (BGH, Urteil vom 19. Juli 1989 - 2 StR 182/89 - zitiert bei Detter NStZ 1990, 173, 177), nicht strafschärfend berücksichtigt werden dürfen. Es hat deshalb außer Betracht zu bleiben, daß der Angeklagte ursprünglich seine Ehefrau töten wollte. Hiergegen hat der Tatrichter nicht verstoßen. Ein generelles Verbot, nicht tatbestandsmäßige erschwerende Tatmodalitäten zu Lasten des Angeklagten zu verwerten, hat der Bundesgerichtshof hingegen in diesen Entscheidungen nicht ausgesprochen.

Danach konnte die planmäßige Tatvorbereitung schulderhöhend gewertet werden. Auch die vom Angeklagten begangene schwere Körperverletzung wird geprägt davon, daß sich der Angeklagte nicht in einer spontanen Gemütsbewegung zu einer Mißhandlung hat hinreißen lassen, sondern sich nach langen Überlegungen zu einer Aggressionshandlung gegen seine Ehefrau entschloß und die Tat sorgfältig vorbereitete. Hieran hat der Rücktritt vom Mordversuch nichts geändert. Die planerische Sorgfalt ist Teil des Gesamtverhaltens des Angeklagten, an dessen Würdigung der Tatrichter nicht gehindert ist (vgl. BGH, Beschluß vom 23. November 1995 - 1 StR 626/95; Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 2. Aufl. Rdn. 248 a.E.).

c) Sorgfältige Planung und vor der Tat unternommene Verschleierungshandlungen konnten entgegen den Bedenken der Revision bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten gewertet werden (vgl. Dreher/Tröndle 47. Aufl. § 46 StGB Rdn. 20, 22 m.w.N.). Spurenbeseitigung als Nachtatverhalten, das in der Regel keinen Anlaß zu Schlüssen auf den Unrechtsgehalt der Tat oder die Einstellung des Täters gibt (vgl. Dreher/Tröndle aaO Rdn. 28 m.w.N.), ist dem Angeklagten nicht strafschärfend vorgeworfen worden.

d) Die pauschale Bezugnahme bei der Strafzumessung im engeren Sinne auf die bei der Strafrahmenwahl angeführten Umstände gibt hier keinen Anlaß zu Bedenken. Sie erlaubt angesichts des Tatbilds und der Tatfolgen dem Senat in ausreichendem Maße die Prüfung, ob das Landgericht sich von rechtsfehlerfreien Erwägungen hat leiten lassen.

Externe Fundstellen: BGHSt 42, 43; NJW 1996, 2044; NStZ 1996, 491; StV 1996, 478

Bearbeiter: Rocco Beck