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HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 556

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 2 StE 9/03, Beschluss v. 18.01.2005, HRRS 2005 Nr. 556


BGH 2 StE 9/03 - 3 StB 6/04 - Beschluss vom 18. Januar 2005 (OLG Düsseldorf)

Postverkehr mit Untersuchungshäftling (Anhalten von Sendungen; Mitteilung an den Absender); Verweigerung der Akteneinsicht (Rechtsmittel des Absenders).

Art. 8 EMRK; Art. 13 EMRK; § 147 Abs. 7 StPO; § 475 StPO; Art. 5 Abs. 1 GG; Art. 10 GG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ein Dritter, der wegen der Begründung für vermutetes Anhalten von ihm abgesandter Sendungen an einen Untersuchungsgefangenen gem. § 147 Abs. 7 StPO Akteneinsicht begehrt, ist gegen die Ablehnung dieses Antrags beschwerdebefugt. Zwar ist er in dem Strafverfahren nicht Verfahrensbeteiligter. Er ist jedoch eine andere Person im Sinne des § 304 Abs. 2 StPO, die durch die angefochtene Verfügung betroffen wird. Denn die Weigerung, ihm die Gründe für das Anhalten der Schriftstücke mitzuteilen, berührt unmittelbar sein Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (vgl. BVerfG, Beschl. vom 15. Dezember 2004 - 2 BvR 2219/01).

2. Die Beschwerde gegen die Verweigerung der Akteneinsicht gem. § 147 Abs. 7 StPO ist jedoch nicht statthaft. Denn das Auskunftsbegehren fällt nicht unter § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO Nr. 4 (Beschlüsse und Verfügungen, welche die Akteneinsicht betreffen), die allein in Betracht kommt. Eine Beschwerde wegen einer verweigerten Auskunft aus den Akten ist nur für die unmittelbar an dem betreffenden Strafverfahren Beteiligten statthaft. Die Aufnahme von Entscheidungen über die Gewährung von Akteneinsicht in den Katalog des § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO rechtfertigt sich aus der besonderen Bedeutung, welche die Akteneinsicht für die Verfahrensbeteiligten im Gegensatz zu Dritten hat.

Entscheidungstenor

Die Beschwerde des M. gegen die Verfügung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. November 2004 - III-VI 13/03 - wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 22. November 2004 vom Oberlandesgericht verlangt, ihm "unverzüglich mitzuteilen", ob und aus welchem sachlichen Grund Druckschriften, Briefe und/oder Briefteile, die er an den in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten A. gerichtet hat, angehalten wurden, um ggf. Verfassungsbeschwerde erheben zu können. Der Vorsitzende hat dem Antragsteller daraufhin mit Verfügung vom 29. November 2004 mitgeteilt, daß an den Angeklagten A. gerichtete Schreiben und/oder beigefügte Druckschriften, die angehalten werden mußten, zu dessen Habe genommen wurden und bei dieser Verfahrensweise eine Unterrichtung des Absenders nicht vorgesehen ist. Des weiteren hat der Vorsitzende abgelehnt, dem Antragsteller nach Maßgabe des § 475 Abs. 4 StPO als Privatperson Auskünfte aus den Akten zu erteilen.

II.

Die gegen die Versagung von Auskünften aus den Akten gerichtete Beschwerde erweist sich als unzulässig.

1. Soweit der Beschwerdeführer sein Auskunftsverlangen auf § 147 Abs. 7 StPO stützt, ist die Beschwerde nicht statthaft.

Seine Beschwerdebefugnis ist allerdings zu bejahen. Zwar ist er in dem Strafverfahren gegen A. nicht Verfahrensbeteiligter. Er ist jedoch eine andere Person im Sinne des § 304 Abs. 2 StPO, die durch die angefochtene Verfügung betroffen wird (vgl. Engelhardt in KK 5. Aufl. § 304 Rdn. 26 - 29; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 304 Rdn. 6, 7), weil die Weigerung des Vorsitzenden, dem Beschwerdeführer die Gründe für das Anhalten der Schriftstücke mitzuteilen, unmittelbar dessen Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes berührt (vgl. BVerfG, Beschl. vom 15. Dezember 2004 - 2 BvR 2219/01).

Gemäß § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO ist gegen Beschlüsse und Verfügungen des Oberlandesgerichts im ersten Rechtszug, die grundsätzlich unanfechtbar sind, eine Beschwerde ausnahmsweise dann zulässig, wenn die Entscheidung in einem der dort benannten Fälle getroffen worden ist. Das Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers fällt nicht unter Nr. 4 dieser Vorschrift (Beschlüsse und Verfügungen, welche die Akteneinsicht betreffen), die allein in Betracht kommt. Eine Beschwerde wegen einer verweigerten Auskunft aus den Akten ist nur für die unmittelbar an dem betreffenden Strafverfahren Beteiligten statthaft. Die Aufnahme von Entscheidungen über die Gewährung von Akteneinsicht in den Katalog des § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO rechtfertigt sich aus der besonderen Bedeutung, welche die Akteneinsicht für die Verfahrensbeteiligten hat. Bei der notwendigen restriktiven Auslegung der Vorschrift verbietet es dieser Bezug des Akteneinsichtsrechts auf das anhängige Strafverfahren, die Beschwerde auch in solchen Fällen als statthaft anzusehen, bei denen die sachgerechte Verteidigung oder Mitwirkung im anhängigen Verfahren nicht in Frage steht (vgl. BGHSt 36, 338).

2. Soweit dem Beschwerdeführer nach Maßgabe des § 475 Abs. 4 StPO Auskünfte aus den Akten versagt worden sind, ist die Entscheidung des Vorsitzenden gemäß § 478 Abs. 3 Satz 2 StPO unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 556

Bearbeiter: Ulf Buermeyer