HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

November 2012
13. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Verabschiedet sich der Gesetzgeber von der "Leichtfertigkeit" im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht?

Von Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin[*]

Die Bundesregierung hat den "Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2012/…/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. …/2012 über die Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRD IV-Umsetzungsgesetz)" vorgelegt. Er ist eine Reaktion auf die Finanzmarktkrise vom Herbst 2008 und zielt auf eine Stärkung der Widerstandskraft des Bankensystems ab. Hierzu sollen zahlreiche Regelungen im Kreditwesengesetz (KWG) erweitert und angepasst werden. Diese kapitalmarktbezogenen Themen stehen allerdings nicht im Fokus des vorliegenden Beitrages, sondern eine nahezu beiläufig geplante Reform der Sanktionssystematik in § 56 KWG (Bußgeldvorschriften). Die Streichung des Tatbestandsmerkmals der leichtfertigen Deliktsbegehung und vor allem deren Begründung wirft die Frage auf, ob daran anknüpfend nicht ganz allgemein eine sanktionsrechtliche Diskussion im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht zu führen ist: Ist das Tatbestandsmerkmal der "Leichtfertigkeit" noch sachgerecht und erforderlich?

1. Sanktionssystematik des § 56 KWG

§ 56 Kreditwesengesetz (KWG) sanktioniert gegenwärtig als Bußgeldtatbestand zahlreiche Fehlverhaltensweisen als Ordnungswidrigkeit und droht in der Rechtsfolge eine Geldbuße an. Die Norm richtet sich an individuelle Personen. Sie kann darüber hinaus Anknüpfungstat sein für Aufsichtspflichtverletzungen nach § 130 OWiG oder eine Unternehmensgeldbuße nach § 30 OWiG.

a) Objektive Struktur: § 56 KWG weist in der aktuellen Fassung zunächst eine recht klare Struktur auf, die sich an der subjektiven Tatseite orientiert: Absatz 1 erfasst vorsätzliche Fehlverhaltensweisen, Absatz 2 sanktioniert - in acht Ziffern - solche Handlungen, die nur vorsätzlich oder leichtfertig begangen werden können, und weitergehend erfassen Absatz 3 - in zwanzig Ziffern - und Absatz 4 - in sieben Ziffern - neben einem vorsätzlichen Fehlverhalten auch fahrlässiges Handeln.

Analysiert man den Bußgeldtatbestand im Detail[1] werden jedoch die Schwächen sichtbar, die sämtliche Normen der strafrechtlichen Nebengebiete haben: Sie ist durch ihre "nach vorne" gerichtete Verweisungstechnik kaum lesbar und sehr komplex, so dass sie an die Grenzen des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots stößt. Dies gilt umso mehr, als sich bestimmte Handlungspflichten nicht einmal aus dem KWG selbst, sondern erst aus konkretisierenden Rechtsverordnungen ergeben.

b) Individuelles Fehlverhalten: Nach § 10 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) setzen Ordnungswidrigkeitentatbestände ohne nähere gesetzliche Anordnung stets ein vorsätzliches Handeln voraus. Eine Ausdehnung auf fahrlässiges Handeln muss stets ausdrücklich gesetzlich bestimmt sein. Entsprechend enthält § 56 KWG - wie eingangs schon erwähnt - explizite Hinweise (Abs. 2: "vorsätzlich oder leichtfertig"; Abs. 3 und 4: "vorsätzlich oder fahrlässig"); dem Gebot des § 10 OWiG ist damit Genüge getan.

aa) Vorsatz: Der Vorsatz wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Es geht sowohl um die Unterscheidung zwischen einem intellektuellen und einem voluntativen Element als auch deren Bestimmung im Einzelnen. Nach dem vorherrschenden Verständnis kann der in § 10 OWiG gemeinte Tatbestandsvorsatz in drei Erscheinungsformen auftreten: Absicht - direkter Vorsatz - Eventualvorsatz.[2] Durch das Willenselement beherrscht wird die Absicht. Sie ist gegeben, wenn der Täter die Realisierung des Handlungsziels als sicher oder als möglich voraussieht und es ihm darauf ankommt, einen tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen oder die tatbestandliche Handlung zu verwirklichen.[3] Demgegenüber wird der direkte Vorsatz geprägt durch die Wissentlichkeit. Die Voraussetzungen sind gegeben, wenn der Täter sicher weiß, dass ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal vorliegt, bzw. wenn er die Verwirklichung der Tatbestandshandlung oder den Eintritt eines tatbestandlich vorausgesetzten Erfolges als gewiss voraussieht;[4] nicht erforderlich ist, dass es darauf im Sinne des Vorstehenden ankäme. Eventualvorsatz liegt vor, wenn der Täter die Verwirklichung des Tatbestandes als möglich erkennt und sie billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit ihr abfindet.[5]

bb) Fahrlässigkeit: Der Unrechtskern der Fahrlässigkeit besteht nach allgemeinem Verständnis darin, dass der Täter die für einen besonnenen und gewissenhaften Angehörigen seines Verkehrskreises erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt und so trotz genereller Vorhersehbarkeit einen Tatbestand verwirklicht. Nach der inneren Beziehung des Täters zu der konkreten Tatbestandsverwirklichung wird zwischen bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit unterschieden. Die individuelle Zurechenbarkeit (Vorwerfbarkeit) der Fahrlässigkeit erfordert, dass der Täter nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen imstande war, die Tatbestandsverwirklichung als möglich vorauszusehen und die generell erforderliche Sorgfalt anzuwenden. Details sind hoch umstritten.[6]

cc) Leichtfertigkeit: Leichtfertigkeit ist enger als die bloße Fahrlässigkeit; die Rechtsprechung erachtet eine besondere Gleichgültigkeit oder grobe Unachtsamkeit für erforderlich.[7] Sie bedeutet einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, aber im Gegensatz hierzu auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt.[8] Ein derartiges Verschulden soll vorliegen, wenn ein Betroffener nach den Gegebenheiten des Einzelfalles und seinen individuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen wäre, den aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen sich im konkreten Fall ergebenden Sorgfaltspflichten zu genügen. Hierzu ist eine Gesamtwertung seines Verhaltens erforderlich.

2. CRD IV-Umsetzungsgesetz

Mit dem CRD IV-Umsetzungsgesetz[9] soll nach den Plänen der Bundesregierung diese gewachsene Struktur der Bußgeldnorm im KWG geändert werden. Neben die Vorsatzstruktur in § 56 Abs. 1 KWG-E sollen künftig alle - sehr zahlreichen und nochmals erweiterten - Tatbestandsalternativen "vorsätzlich oder fahrlässig" begangen werden können, d.h. auf das Merkmal der "Leichtfertigkeit" soll nach den Plänen der Bundesregierung vollständig verzichtet werden. Dies würde angesichts der vorstehend aufgezeigten Definitionen zu einer erheblichen Ausweitung der sanktionsrechtlichen Risiken führen, ohne dass dies im Entwurf näher dargelegt wird. Vielmehr wird die Abschaffung des die Ahndbarkeit begrenzenden Merkmals der "Leichtfertigkeit" und deren Ersetzung durch die "Fahrlässigkeit" wie folgt begründet:

"Mit den Änderungen zu § 56 erfolgt zum einen eine Neuordnung der bestehenden Bußgeldtatbestände im Kreditwesengesetz (KWG). Damit erfolgt künftig die Beurteilung, ob ein schuldhaftes Handeln vorlag im Rahmen der Klärung, ob dieses Handeln vorsätzlich oder fahrlässig erfolgte. Es wird daher künftig nur noch auf Vorsatz und Fahrlässigkeit abgestellt. Die überholte Differenzierung zwischen Leichtfertigkeit und Fahrlässigkeit wird aufgegeben, da eine Abgrenzung zwischen Leichtfertigkeit (= grober Fahrlässigkeit) und (einfacher) Fahrlässigkeit bei den betroffenen Tatbeständen des KWG nicht möglich ist." [10]

3. "Leichtfertigkeit" im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht

Die Feststellung von einer "überholten Differenzierung" wird im Regierungsentwurf nicht nur nicht näher begründet, sondern es fehlen auch jedwede empirischen Belege. Anknüpfend an die Begründung zu § 56 KWG-E

muss jedoch unabhängig von diesen Begründungsdefiziten die Frage gestattet sein, ob dann nicht auch andernorts im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, weil ebenfalls dort die Komplexität des Regelwerks es den Strafverfolgungsbehörden "nicht möglich" macht, zwischen "Fahrlässigkeit" und "Leichtfertigkeit" zu differenzieren.[11] Welches Bild bietet sich insoweit gegenwärtig bzw. welche Normen müssten in die allgemein zu führende Diskussion mit einbezogen werden?

aa) §§ 38, 39 WpHG: Auf jeden Fall wären die ebenfalls kapitalmarktbezogenen Straf- und Bußgeldvorschriften im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) zu beachten. Hier sanktioniert § 38 (Strafvorschriften) in zahlreichen Alternativen in den Absätzen 1, 2 und 2a vorsätzliche Fehlverhaltensweisen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe. § 38 Abs. 4 WpHG ordnet sodann an: "Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 oder des Absatzes 2a Nummer 1 leichtfertig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe." Rein einfach-fahrlässige Verstöße werden (bislang) nicht als Straftat erfasst. Das von der Bundesregierung im Rahmen von § 56 KWG konstatierte Abgrenzungsproblem könnte sich also auch hier stellen.

Schlichtweg nicht mehr lesbar, geschweige denn verständig, ist die Bußgeldnorm im WpHG, die - vergleichbar § 56 KWG - zunächst nur anhand der subjektiven Kriterien eine gewisse Ordnung bietet: Absatz 1 ahndet - sechs - vorsätzliche Fehlverhaltensweisen; Absatz 2 ahndet ca. sechzig (!) Tatbestandsalternativen, die "vorsätzlich oder leichtfertig" begangen werden können; Absatz 2a erfasst ebenfalls verschiedene vorsätzliche oder leichtfertige Verstöße, während in Absatz 3 ca. fünfzehn "vorsätzlich oder fahrlässig" zu begehende Delikte beschrieben sind. Warum die Abgrenzung zwischen Leichtfertigkeit und Fahrlässigkeit angesichts dieser Normstruktur hier nicht ebenso "überholt" sein soll, wie dies die Bundesregierung zu § 56 KWG konstatiert, bzw. aus welchen Gründen hier eine Abgrenzung zwischen "Leichtfertigkeit" (= grober Fahrlässigkeit) und (einfacher) "Fahrlässigkeit" bei den betroffenen Tatbeständen ebenso (un-)möglich ist, wäre durch den Gesetzgeber - im Vorgriff dazu aber sicherlich auch durch die Wissenschaft - einmal aufzubereiten.

bb) §§ 33, 34 AWG: Komplexe sanktionsrechtliche Regelungen enthält auch das Außenwirtschaftsgesetz (AWG). § 33 Abs. 1 bis 3 AWG bestrafen in zahlreichen Tatbestandsalternativen vorsätzlich begangene Fehlverhaltensweisen. Absatz 4 ordnet erweiternd an: "Handelt der Täter in den Fällen der Absätze 1, 2 oder 4 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe." Eine Abstufung auf die "Leichtfertigkeit" erfolgt hier nicht. Gleiches gilt auch für die Bußgeldnorm des § 33 AWG, die ebenfalls nur auf vorsätzliche und fahrlässige Verstöße abstellt, so dass hier - bei einem vergleichbar komplexen Regelungsgehalt wie im KWG? - kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf zu bestehen scheint.

Empirisch wäre allerdings von Interesse, welche Bedeutung das Merkmal der "Fahrlässigkeit" in der Praxis der Strafverfolgungsbehörden hat. Ist also z.B. eine Steuerungswirkung der Norm zu erkennen gegenüber den Sachverhalten, in denen keine einfach-fahrlässige Ahndung erfolgt, sondern lediglich leichtfertige Fehlverhaltensweise sanktioniert werden können?

cc) § 264 StGB: Ein wiederum anderes Bild bietet sich beim Subventionsbetrug (§ 264 StGB). In den Absätzen 1 bis 3 werden vorsätzliche Fehlverhaltensweisen beschrieben. Daran anknüpfend formuliert Absatz 4 erweiternd: "Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 leichtfertig handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."[12] Einfach-fahrlässige Fehler bleiben straflos und werden auch nicht als Ordnungswidrigkeit erfasst.

dd) § 378 AO: Parallelen zum Subventionsbetrug zeigen sich insoweit zu § 378 Abgabenordnung (AO). Auch hier werden (nur) leichtfertig[13] begangene Angriffe auf die Vermögensinteressen des Staates geahndet, nicht aber einfach-fahrlässige Verstöße, ohne dass bislang mit erkennbarem Gewicht eine Diskussion geführt zu werden scheint, auch hier zu einer Ausweitung auf einfach-fahrlässige Fehlverhaltensweisen zu gelangen. Gesetzessystematisch fällt allerdings auf, dass es sich bei der leichtfertigen Steuerverkürzung nur um eine Ordnungswidrigkeit handelt, während der leichtfertig begangene Subventionsbetrug eine Straftat darstellt, obgleich als zu schützendes Rechtsgut jeweils die Vermögensinteressen des Staates angesehen werden.[14] Dass sich dem steuerlichen Delinquenten darüber hinaus auch noch nach Tatbeendigung die Möglichkeit einer straf- bzw. bußgeldbefreienden Selbstanzeige offen steht (§§ 371, 378 Abs. 3 AO), hinter der § 264 Abs. 5 StGB zurückbleibt, rundet die tatbestandlichen Ungleichheiten ab.

ee) § 265b StGB: Rein vorsätzliche Fehlverhaltensweisen erfasst im StGB der Kreditbetrug (§ 265b StGB), obgleich auch diese Norm als Vorfeldtatbestand ausgestaltet ist und damit Parallelen zu § 264 StGB aufweist, der - wie vorstehend aufgezeigt - auch leichtfertige Fehlverhaltensweisen ahndet. Eine einheitliche Fachlässigkeit-Leichtfertigkeit-Struktur ist auch hier nicht zu erkennen.

ff) §§ 19 ff. KWKG: Keine einheitliche Linie ist auch den Straftatbestände im Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) zu entnehmen. Während § 19 ( Strafvorschriften gegen biologische und chemische Waffen), § 20 (Strafvorschriften gegen biologische und chemische Waffen) und § 20a ( 20a Strafvorschriften gegen Antipersonenminen und

Streumunition) neben den Vorsatzalternativen auch - im Einzelnen abgestuft und ausdifferenziert - fahrlässige und leichtfertige Verstöße erfassen, differenziert § 22a ( 22a Sonstige Strafvorschriften ) nur zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit.

gg) § 283 StGB: Eine "Kreuzung" von Vorsatz- sowie Fahrlässigkeit-Fahrlässigkeit und Fahrlässigkeit-Leichtfertigkeit-Alternativen weist auch § 283 StGB (Bankrott) auf (vgl. Abs. 7). Es handelt sich hierbei ausschließlich um strafrechtliche Rechtsfolgen.

hh) § 81 GWB: Auf das Merkmal der "Leichtfertigkeit" verzichtet hingegen das Kartellbußgeldrecht. § 81 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWG) ahndet nur vorsätzlich begangene Verstöße (Abs. 3) oder "vorsätzlich oder fahrlässig" begangene Fehlverhaltensweisen (Abs. 1 und 2).

ii) §§ 106 ff. UrhG / §§ 16 ff. UWG: Ausschließlich vorsätzliche Verstöße werden durch die Straf- und Bußgeldvorschriften des Urhebergesetzes (UrhG) erfasst. Gleiches gilt für die Sanktionsvorschriften im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

jj) §§ 95 ff. AMG: Ein gänzlich unterschiedliches Bild bietet demgegenüber das Arzneimittelgesetz (AMG). § 95 Abs. 1 AMG erfasst eine Vielzahl vorsätzlicher Tatbestandsalternativen. Erweiternd ordnet § 95 Abs. 4 AMG an: "Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe." Demgegenüber erfasst § 96 AMG nur vorsätzliche Fehlverhaltensweisen als Straftat; ihre fahrlässige Begehung wird durch § 97 Abs. 1 AMG (nur) als Ordnungswidrigkeit geahndet. Auf das Merkmal der "Leichtfertigkeit" wird im AMG vollständig verzichtet.

kk) §§ 58 ff. LFGB: In ihrer (Un-)Lesbarkeit vergleichbar den Regelungen im KWG und WpHG sind die Sanktionsvorschriften im Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB). Auch diese verzichten allerdings vollständig auf die Ahndung leichtfertiger Fehlverhaltensweisen.

ll) §§ 31, 32 ZAG: Und um im Rahmen der vorliegenden Kurzanalyse den Kreis der Betrachtung wieder beim Kapitalmarktrecht zu schließen: § 31 Abs. 1 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) bestraft vorsätzliche Fehlverhaltensweisen. § 31 Abs. 2 ZAG sieht darüber hinaus für fahrlässige Verstöße ein milderes Strafmaß vor. Demgegenüber differenziert § 32 ZAG als Bußgeldnorm zwischen vorsätzlichen (Abs. 1), vorsätzlichen oder leichtfertigen (Abs. 2) sowie vorsätzlichen oder fahrlässigen (Abs. 3) Verstößen. Ordnungswidrigkeitenrechtlich bestehen also Parallelen zur aktuellen Rechtslage in § 56 KWG.

mm) §§ 143, 144 InvG: Ein vergleichbares Bild bietet sich im Investmentgesetz (InvG). § 143 InvG differenziert als Bußgeldnorm zwischen vorsätzlichen (Abs. 1), vorsätzlichen oder leichtfertigen (Abs. 2) sowie vorsätzlichen oder fahrlässigen (Abs. 3) Verstößen. Der Straftatbestand des § 144 InvG ahndet nur vorsätzliche Fehlverhaltensweisen.

4. Ausblick

Nimmt man die Bundesregierung mit ihrem Entwurf zum CRD IV-Umsetzungsgesetz beim Wort, so können die geplanten Änderungen in § 56 KWG nur der Einstieg sein in einer sehr viel weitergehenden Diskussion. Denn ist die Differenzierung zwischen "Leichtfertigkeit" und "Fahrlässigkeit" tatsächlich "überholt", weil - so scheint der Entwurf zu verstehen zu sein - eine Abgrenzung zwischen Leichtfertigkeit (= grober Fahrlässigkeit) und (einfacher) Fahrlässigkeit bei komplexen Tatbeständen und den dahinter stehenden Regelwerken "nicht möglich ist", so wird man auch andere wirtschafts- und steuerstrafrechtliche Normen untersuchen müssen. Im Rahmen dieser Analyse wird man dann aufgrund praktischer Erfahrungen und empirischer Daten auch aufzubereiten und zu bewerten haben, ob eine Ausweitung der sanktionsrechtlichen Risiken zwingend ist oder ob es bei einer vorsätzlichen Begehungsweise verbleibt, so wie dies heute schon in einzelnen Bereichen der Fall ist. Gleichzeitig müsste aufbereitet werden, ob die gegenwärtige Gesetzgebungssystematik, wie sie vorstehend skizziert worden ist, in sich immer schlüssig ist und wie ein sachgerechtes Nebeneinander von Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht gefunden werden kann. Ohne diese Analysen ist auch die eingangs gestellte Frage nicht zu beantworten, ob das Tatbestandsmerkmal der "Leichtfertigkeit" noch sachgerecht und erforderlich ist.


* Der Autor ist Partner der Kanzlei Krause & Kollegen in Berlin und Honorarprofessor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

[1] Siehe dazu die Kommentierung von Wegner in Beck/Samm/Kokemoor, KWG (Loseblattwerk - Stand: 160. ErgLfg.).

[2] Allgemein hierzu: BGHSt 36, 1, 9 f.

[3] Gürtler in Göhler, OWiG, 16. Aufl. 2012, § 10 Rdnr. 3.

[4] Gürtler in Göhler (Fn. 3), § 10 Rdnr. 4.

[5] Gürtler in Göhler (Fn. 3), 10 Rdnr. 5.

[6] Hierzu im Einzelnen siehe Rengier in Karlsruher Kommentar, OWiG, 3. Aufl. 2006, § 10 Rdnr. 15 ff.

[7] BGHSt 43, 158, 167; siehe auch BFH/NV 1998, 8.

[8] BGH NStZ 2012, 160 = HRRS 2011 Nr. 1139.

[9] BT-Drucks. 17/10974.

[10] A.a.O., S. 119 - Unterstreichungen nicht im Original.

[11] Interessant wäre auch eine Diskussion, ob angesichts der vorliegenden Regierungsbegründung gegenwärtig eine Sanktionierung " leichtfertigen " Fehlverhaltens bereits konstruktiv ausgeschlossen ist, da im Einzelfall aufgrund der gesetzlich dokumentierten Abgrenzungsschwierigkeiten nicht möglich ist festzustellen, ob der Täter (Strafrecht) oder Betroffene (Ordnungswidrigkeitenrecht) "nur" " fahrlässig " gehandelt hat und es insoweit aber an den Ahndungsvoraussetzungen fehlt, wenn nur leichtfertiges Fehlverhalten geahndet werden kann.

[12] Näher zur Leichtfertigkeit im beim Subventionsbetrug BGH NStZ- RR 2010, 311 = HRRS 2011 Nr. 182.

[13] Näher zur Leichtfertigkeit im Steuerstrafrecht BGH NStZ 2012, 160 = HRRS 2011 Nr. 1139; HRRS 2010 Nr. 137.

[14] Fischer, StGB, 59. Aufl. (2012), § 264 Rdnr. 2 ff; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. (2009), § 370 AO Rdnr. 16 m.w.N.