HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Januar 2011
12. Jahrgang
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Schrifttum

Tido Park: Kapitalmarktstrafrecht – Handkommentar; 2. Auflage, 885 Seiten, 158 €, Nomos Verlag, Baden-Baden 2008.

Unter den vielen Teilbereichen des weit gefächterten Wirtschaftsstrafrechts ist das Kapitalmarktstrafrecht ein besonders dynamischer. Die internationale Finanzkrise und die Schieflagen europäischer Staaten bestätigen, welch beträchtliche Bedeutung einem verlässlichen Kapitalmarkt und systemrelevanten Banken insbesondere zukommt. Dass auch das Strafrecht bei der Sicherung des Kapitalmarkts nicht vollständig außen vor bleiben kann, ist trotz der grundsätzlichen Problematik des hier zum Teil betriebenen Institutionen- bzw. Vertrauensschutzes kaum mehr zu bestreiten. Gleichwohl ist es für ein rationales Strafrecht zugleich eine entscheidende Frage, ob die heute allen klare "Undenkbarkeit" eines expansiven und kurzfristig refinanzierten Engagements in Subprime-Derivaten nicht alte Fehler durch einen neuen, nämlich den Rückschaufehler ersetzt. Nicht wenige Stimmen fordern heute, den Schutz des Kapitalmarkts und mittelbar der (deutschen) Steuerzahler in Zukunft durch neue, spezifischere Tatbestände zu verstärken.

Wer wissen will, wie die momentane Antwort des deutschen Strafrechts auf fragwürdige Phänomene des Kapitalmarktes aussieht, ohne von den genannten aktuellen Fällen bereits (ergebnisorientiert?) geprägt zu sein, wird in dem hier vorgestellten "Handkommentar Kapitalmarktstrafrecht" fündig. Dieser Kommentar wird von Rechtsanwalt Prof. Dr. Tido Park herausgegeben. Er vereint in sich Kommentierungen derjenigen Straftatbestände, die auf dem Kapitalmarkt oder gegen diesen verwirklicht werden können:

Nach einer Einleitung zum Phänomen Kapitalmarktstrafrecht (Park), erläutert der Kommentar eingangs hilfreich Rechtsgrundlagen und Praxis der BaFin (Schäfer). Es folgt ein großer Hauptabschnitt zu den "Betrugsdelikten". Darunter versteht der Park: § 263 StGB (Zieschang) und die Vorfelddelikte § 264a StGB (Park) und § 265b StGB (Heinz). Zieschang erläutert die "Untreuedelikte" § 266 StGB und § 34 DepotG. Es folgen die von Hilgendorf besprochenen "Insiderdelikte" des WpHG sowie die hauptsächlich von Sorgenfrei behandelten "Börsendelikte" (§§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1-2, II Nr. 11, IV WpHG; zu §§ 26, 29 BörsG vgl. aber Park). Im Anschluss werden auch die Insolvenzdelikte (§§ 283b, 283 I Nr. 2, 5-7 StGB) in ihren Bezügen zum Kapitalmarktstrafrecht von Sorgenfrei erörtert. Von Südbeck stammen Kommentierungen zu Delikten, die durch "falsche Angaben" geprägt sind (konkret: §§ 399, 400 I Nr. 1, 1. Alt., II AktG; § 82 I, II Nr. 1 GmbHG; § 331 Nr. 4, 1. Alt. HGB; § 313 I Nr. 2, 1. Alt., II UmwG; § 17 Nr. 4, 1. Alt. PublG; § 147 I, II Nr. 2, 1. Alt. GenG; § 35 DepotG). Es folgen aus seiner Feder auch die parallelen Delikte zur "unrichtigen Darstellung" wie z.B. § 331 HGB. Janssen behandelt die Verletzung der Berichtspflicht (§ 332 HGB; § 403 AktG; § 18 PublG; § 314 UmwG; § 150 GenG). Er hat ebenfalls die "Verletzung von Geheimhaltungspflichten" kommentiert (§ 333 HGB; § 404 AktG; § 85 GmbHG; § 19 PublG; § 315 UmwG). Die Straftaten nach dem KWG werden abermals von Janssen erörtert (§§ 54, 55, 55a, 55b KWG). Sehr positiv ist zu bewerten, dass sich ergänzend auch wesentliche Ordnungswidrigkeiten nach dem WpHG durch Süßmann/Schäfer erläutert finden. Den Kommentar schließt – ebenfalls sehr erfreulich und nützlich – mit einem Abdruck der einschlägigen EU-Richtlinien zu Insiderhandel und Marktmissbrauch.

Was kann beispielhaft hervorgehoben werden? Sehr hilfreich ist der Standard aller Kommentierungen, typische Anwendungsfälle darzustellen, die anschaulich machen, worin die Praxis der "Kapitalmarktdelikte" bestehen kann und welche Denk- und Handlungsmuster auf dem Kapitalmarkt bisweilen vorherrschen. Die Kommentierung zum Betrug weiß insoweit besonders zu überzeugen, weil Zieschang seinen vorherigen systematischen Darlegungen ein Kapitel folgen lässt, in dem er alphabetisch geordnet die speziellen Praktiken am Kapitalmarkt hinsichtlich § 263 StGB erläutert. So werden z.B. zum "Churning", über die jüngst besonders in Verruf geratenen "Leerverkäufe" (dazu aber Trüg, FS Mehle, 2009, S. 637 ff.) hinweg bis hin zu den "Warentermingeschäften" verschiedene spezielle Fallgestaltungen gezielt behandelt. Mit Recht wendet sich Zieschang gegen eine Entgrenzung der konkludenten Täuschung bei Kapitalmarktgeschäften (Kap 1, T1 Rn. 151), wie sie dem 1. Strafsenat des BGH bei Phänomenen wie dem Scalping vorschwebt (dazu auch mwN Gaede, AnwaltKommentar StGB, hrsg. von Leipold/Tsambikakis/Zöller, 2011, § 263 Rn. 26 ff., 32). Einen weiteren "Schatz" im Rahmen der Kommentierung stellt z.B. die Abhandlung Sorgenfreis zur Marktmanipulation dar. Sie führt souverän und mit der erforderlichen Kritik durch das hier vorhandene Dickicht aus deutschem Kapitalmarkt[straf]recht, Verfassungsrecht und europäischen Vorgaben. Auf 125 Seiten werden aktuelle und grundlegende Fragen dieses besonders spannenden Tatbestandes nicht nur erörtert; sie werden material- und erkenntnisreich beantwortet. Zum Beispiel für das Verfahren gegen Ortseifen dürfte der Blick auf die Ausführungen zum Zentralproblem, wie der Taterfolg der tatsächlichen Preiseinwirkung zu beweisen ist, eine zutreffende Beurteilung fördern (mit Kritik an BGHSt 48, 373, 384 vgl. Kap. 4, T 1 Rn. 220 ff.).

Der Kommentar weiß nach alledem zu überzeugen. Von einer angenehm überschaubaren Anzahl von Autoren wurden gut 900 Seiten instruktiver Darstellungen erarbeitet. Der Rechtsstoff wird sehr übersichtlich und anschaulich präsentiert. Wer aktuell im Kapitalmarktstrafrecht tätig ist, muss dieses Werk – mindestens eine sicher folgende Neuauflage – in seine Bibliothek einreihen. Man darf den Park für das Kapitalmarktstrafrecht mit Fug bereits als Standardwerk bezeichnen.

Prof. Dr. Karsten Gaede, Bucerius Law School, Hamburg.