HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Dezember 2008
9. Jahrgang
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Schrifttum

Detlef Burhoff (Hrsg.): Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, ZAP Verlag, 2. Auflage, 98,– EUR, Münster 2008

Nicht weniger als 53 Millionen Menschen haben in Deutschland einen Führerschein. 50 Millionen Kraftfahrzeuge sind zugelassen. 2,3 Millionen Verkehrsunfälle jährlich werden polizeilich erfasst. Alleine in Berlin werden jedes Jahr 3,2 Millionen Bußgeldbescheide erlassen bzw. Verwarnungsgelder verhängt. Dabei betreffen von den bei Amtsgerichten anhängigen Bußgeldverfahren rund 90% straßenverkehrsrechtliche Ordnungswidrigkeiten.

Schon angesichts dieser Zahlen nimmt es nicht Wunder, dass dem Ordnungswidrigkeitenrecht in der anwaltlichen und gerichtlichen Praxis ein hoher Stellenwert zukommt. Dass das von Burhoff herausgegebene Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren bereits recht kurz nach der Erstveröffentlichung in zweiter Auflage erscheint, ist gewiss nicht nur der Bedeutung des abgehandelten Themas geschuldet. Die Nachfrage nährt sich vor allem aus der unbedingten Praxistauglichkeit dieses Werks, das mit rund 1.500 Seiten gegenüber der Erstauflage nochmals um die Hälfte zugelegt hat. Mag es den Begriff des Handbuchs auch auf eine harte Probe stellen, so bürgt doch bereits das Autorenteam für unbedingte Praxisnähe. Es besteht neben dem nicht zuletzt wegen seiner Handbücher bekannten Burhoff, Richter am OLG Hamm a.D., aus vier Rechtsanwälten und zwei weiteren Richtern. Alle sind ausgewiesene Kenner der von ihnen bearbeiteten Teilgebiete.

Die bewährte Struktur der Erstauflage wurde beibehalten. Das gilt für die in anderen Burhoff-Handbüchern erprobte lexikalische Darstellung ebenso wie für die zahlreichen Praxishinweise, die Arbeits- und Formulierungshilfen und die Checklisten. Ein mit wenigen, knappen Sätzen gefülltes Fenster ("Das Wichtigste in Kürze") ist jedem abgehandelten Stichwort vorangestellt. Auf diese Weise erlangt der mit der Materie noch nicht vertraute Leser einen ersten, groben Überblick. Es folgen – wiederum zu jedem Stichwort – Literaturhinweise. Neben dem Icon eines erhobenen Zeigefingers folgen – anders als man bei einer Abhandlung zum Fehlverhalten im Straßenverkehr meinen könnte – weder wachtmeisterliche Schelte noch schulmeisterliche Belehrungen. Vielmehr enthält der folgende Fließtext in grau unterlegtem Feld wertvolle Tipps für den Verteidiger. Zentrale Themen werden häufig als Aufzählung dargestellt; so werden in übersichtlicher und einprägsamer Weise inhaltliche Strukturen herausgearbeitet und im wahrsten Sinne des Wortes veranschaulicht. Überhaupt: Insgesamt erinnert die Darstellung in ihrer konsequenten Orientierung am Bedarf des Lesers etwas an die Skripte juristischer Repetitorien. Dazu tragen auch die vielen Fallbeispiele bei. Die Darstellung der wichtigen Themen in ABC-Form wird flankiert von einem umfangreichen Stichwortregister, das ausschließlich auf Randnummern verweist und zwei weiteren Inhaltsverzeichnissen. Das eine, herkömmliche Verzeichnis enthält die nun-

mehr insgesamt 230 Themenstichwörter, das andere umfasst Hinweise auf Antragsmuster, Übersichten und Checklisten. Ein Gesetzesregister enthält allerdings auch die Neuauflage nicht. Hingegen enthält auch die zweite Auflage eine CD-ROM, auf der sich die im Buch genannten Muster als Word-Dateien sowie weitere Arbeitshilfen, zum Beispiel der Bußgeldkatalog, befinden. Gerade in kleineren Rechtsanwaltskanzleien wird dieses Hilfsmittel besondere Anerkennung finden. Alle diese Werkzeuge machen ebenso wie die unprätentiöse und schnörkellose Sprache deutlich, dass es den Autoren des Werks nicht vorrangig um die Teilnahme am wissenschaftlichen Diskurs geht, sondern darum, dem Praktiker schnell und präzise zu helfen.

Was nutzten diese Werkzeuge, würden sie nicht begleitet von einem überzeugenden Inhalt? Es ist das Verdienst von Herausgeber und Autoren, alle relevanten Themen des Verfahrensrechts und die zentralen Bereiche des materiellen Rechts abzuhandeln. Entsprechend der anwaltlichen Praxis bildet das Verfahrensrecht den Schwerpunkt des Handbuchs. Folgerichtig befasst sich das Buch auf mehr als 30 Seiten mit dem Bußgeldbescheid, wiederum alphabetisch gegliedert nach Allgemeines, Berichtigung, Erlass, Inhalt, Mängel (sehr wichtig!), Rücknahme und Zustellung. Die zahlenmäßig gar nicht so relevante, dafür umso schwierigere Rechtsbeschwerde erhält gar 90 Seiten. Es ist nur konsequent, dass die Autoren im Bereich des sachlichen Rechts Schwerpunkte setzen. Burhoff bekennt sich dazu, die Darstellung auf die Themenbereiche Geschwindigkeitsüberschreitung, Rotlichtverstoß, Abstandsunterschreitung und Verstöße nach § 24a StVG beschränkt zu haben. Das ist zwar nicht ganz richtig. Denn zum einen werden diese Themen nahezu ausschließlich unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten, nämlich der Zuverlässigkeit der Beweisverfahren, erörtert. Zum anderen werden auch die dem materiellen Recht zuzuordnenden Rechtsfolgen ausführlich behandelt, namentlich das Fahrverbot (130 Seiten). Tatsächlich enthält das Werk aber keine Ausführungen zu den schon als Unfallursachen statistisch überaus relevanten Verstößen nach §§ 8 (Vorfahrt), 9 Abs. 3 StVO (Abbiegen) sowie § 9 Abs. 5 StVO (Wenden, Rückwärtsfahren). Aber all das ist unter dem Gesichtspunkt der Praxisrelevanz folgerichtig. Denn Geschwindigkeitsüberschreitungen – sie schlagen nunmehr mit 200 Seiten zu Buche, die klarer und übersichtlicher kaum sein könnten – sind forensisch ausschließlich unter dem Aspekt der Nachweisbarkeit von Interesse. Das Gleiche gilt für die anderen Themenkomplexe. Und die tatsächlich außen vor bleibenden §§ 8, 9 Abs. 3 und Abs. 5 StVO erfordern vergleichsweise wenig anwaltliches (Vor-)Wissen. Neu aufgenommen wurden mehrere Stichwörter, u. a. "Ladungssicherung", "LKW-Maut" und – angesichts der nicht enden wollenden Rechtsprechungsveröffentlichungen unvermeidlich: "Mobil- oder Autotelefon".

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Neuauflage des Handbuchs für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren inhaltlich und "handwerklich" überzeugt. Es bietet dem Praktiker, was er braucht: Schnell zugängliche und kompakt, aber verständlich aufbereitete Informationen zu allen forensisch relevanten Themen. Den in diesem Bereich tätigen Rechtspraktikern – Anwälten und Richtern gleichermaßen – sei es empfohlen.

RiKG Urban Sandherr, Berlin

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Markus Löffelmann: Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren, 373 Seiten, Verlag De Gruyter Recht, 98,– EUR, Berlin 2008

Es ist ein Klassiker unter den strafprozessualen Streitfragen – und, etwa vor dem Hintergrund der zunehmenden Internationalisierung des Rechts und der Herausforderungen durch den internationalen Terrorismus, von ungebrochener Aktualität: Welche Folgen haben Rechtsverstöße bei der Erlangung von Beweismitteln? Zuletzt stand die Thematik im Mittelpunkt des 67. Deutschen Juristentages in Erfurt. Gerade rechtzeitig zu diesem Ereignis erschien mit dem Band "Die normativen Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren" von dem Staatsanwalt Dr. Markus Löffelmann ein Werk, welches nicht nur den bisherigen Verlauf der Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum zusammenfasst, sondern auch der sich zuletzt vielfach in bewährten Argumentationsmustern erschöpfenden Debatte neue Impulse verleihen könnte. Und das, obwohl – oder gerade weil – der Autor von vornherein darauf verzichtet, eine detaillierte und umfassende Gesamtlösung gleichsam wie das Kaninchen aus dem Hut ziehen oder eine geschlossene neue "Theorie" begründen zu wollen. Vielmehr geht es ihm erkennbar darum, aus einer Rückbesinnung auf erkenntnistheoretische Grundlagen Schwachpunkte bisher vertretener Beweisverbotslehren zu kennzeichnen, Hergebrachtes zu hinterfragen und neue Sichtweisen zu eröffnen, um so weitere Überlegungen anzustoßen – ein Anliegen, das es zweifellos rechtfertigt, der Fülle der Publikationen zu diesem Thema eine weitere hinzuzufügen.

Die (ohne die umfangreichen Anhänge) knapp 300 Seiten starke, gut lesbare Monographie gliedert sich in fünf Abschnitte, die wiederum in zweifacher Weise aufeinander bezogen sind: Einmal durch den Gegensatz von Problemanalyse in den ersten drei und Lösungsansätzen in den folgenden Teilen, zum anderen durch die Einrahmung der praxisbezogenen Ausführungen durch rechtsphilosophische und wissenschaftstheoretische Betrachtungen im ersten und letzten Abschnitt. Auch wenn dem abschließenden Ausgreifen auf wissenschaftstheoretische Aspekte im unmittelbaren Anschluss an die Erörterung sehr praktischer Fragen auf den ersten Blick etwas Abruptes anhaftet, erweist sich diese Konzeption vor dem Hintergrund der Intention, gerade die erkenntnistheoretischen Grundlagen fruchtbar zu machen, insgesamt als stimmig.

Der gewählte Ansatz bedingt zunächst einige Begriffsklärungen, die Aufdeckung von "Vor"-Urteilen, um den weiteren Gang der Betrachtung nachvollziehbar zu machen. Da ist zunächst der Topos "Grenzen", unter dem der Autor in Anlehnung an den kritischen Rationalismus und die moderne Hermeneutik die Bedeutung der Sprache für die Definition und Beschreibung von Sachverhalten betont (Begriffe sind Grenzen); zugleich hebt er die notwendige Einwirkung subjektiver Einschätzungen und Vorprägungen des Beurteilenden (also des Richters) hervor. Als zweites behandelt Löffelmann den Terminus der "Normativität", wobei er Parallelen zwischen dem Erkennen normativer und empirischer Sachverhalte zieht. Der dritte Begriff – zentral für die weitere Untersuchung – ist "Wahrheit", vom Autor als "geurteilte Wahrscheinlichkeit des Wahrsein eines Urteils" definiert, ehe "Verfahren" diesen Teil beschließt.

Hiervon ausgehend analysiert der Autor sodann die einfachgesetzlich, richterrechtlich, verfassungsrechtlich und menschenrechtlich in Praxis und Lehre entwickelten Begrenzungen der Wahrheitserforschung im Strafverfahren. In diesem – weitgehend deskriptiven – Teil fasst er die wesentlichen Problemstellungen und die wichtigsten Lösungsvorschläge, wenn auch zwangsläufig etwas kursorisch, zusammen. Dabei kann er auf eine reichhaltige, in zahlreichen Fußnoten und Anlagen niedergelegte Sammlung von Judikaten und Publikationen zurückgreifen. Sein Ergebnis, letztlich könne keine der in Praxis oder Schrifttum vertretenen Lösungsversuche befriedigen, vermag nicht wirklich zu überraschen, zumal es dieses Buches wohl sonst auch nicht bedurft hätte.

Im Rahmen der darauf aufbauenden "Fundamentalanalyse" gelingt es dem Autor, seine vor allem auf Beweisverbotslehren bezogene Kritik an einigen besonders augenfälligen Unstimmigkeiten festzumachen. Dabei überzeugt, dass er die Erforschung der Wahrheit – verstanden als Versuch der Ergründung des Geschehens, wie es sich tatsächlich zugetragen hat – nicht nur zum Ausgangspunkt seiner weiteren Überlegungen macht, sondern auch deren überragende Bedeutung herausstellt, weil ohne sie die wesentlichen Zwecke des Strafverfahrens nicht erreicht werden können. Dies begründet er auch mit den legitimen Interessen der Opfer von Straftaten an einer möglichst exakten Feststellung der Tat, so dass Einschränkungen der Wahrheitserforschung auch unter diesem Aspekt der Rechtfertigung bedürfen. In der Folge setzt Löffelmann Beweisverbotslehren und damit auch der von der Rechtsprechung praktizierten Abwägungslösung zwei wesentliche methodische Einwände entgegen: Zum einen sei die Abschichtung erlaubten von verbotenen Wissens im Laufe eines Verfahrens – auch für einen Richter – nicht möglich; zum anderen leide die Abwägungslö-

sung an einem Legitimationsdefizit und beruhe letztlich auf einer Fiktion, weil öffentliche und private Interessen hier untrennbar ineinander verwoben seien. Beide Kritikpunkte sind schwerlich von der Hand zu weisen. So wie das "Ausblenden" verbotenen Wissens eine Fiktion darstellt, so begünstigt das Abwägungsmodell wenig vorhersehbare und von Grundeinstellungen des Richters beeinflusste Ergebnisse, auch wenn dieser Effekt etwa durch die Herausbildung von Fallgruppen gemildert werden kann. Als weiteren Schwachpunkt benennt der Autor die kaum lösbare Problematik bemakelter Beweismittel mit (teilweise) entlastender Wirkung, wobei er auch das Spannungsverhältnis zwischen Dispositionsbefugnis einerseits und gesetzlich vorgesehenen Löschungsverpflichtungen andererseits herausarbeitet. Ferner kritisiert er die generelle Unschärfe der gemeinhin verwendeten Terminologie, wie etwa bei der Verwischung von Datenerhebung und Datenverwendung oder der mangelnden Unterscheidung zwischen Fernwirkung und der Nutzung als Spurenansatz.

Nun bleibt Löffelmann dankenswerterweise aber nicht bei diesem Befund stehen, sondern setzt den benannten Schwächen der Beweisverbotslehre eigene Lösungsansätze entgegen. Seinem eigenen Anspruch folgend widmet er sich zunächst der Präzisierung von Begrifflichkeiten, aus denen er Konsequenzen abzuleiten sucht. Dabei geht es ihm vor allem um die Entkoppelung des "Automatismus", wonach als Folge eines Verstoßes bei der Beweiserhebung auch ein Beweisverbot in Betracht zu ziehen ist. Die Erhebung eines Beweismittels und dessen anschließende Verwertung seien getrennt voneinander zu beurteilende Eingriffe von unterschiedlicher Schwere und Qualität. Ein Verwertungsverbot sei daher nicht von vornherein besser zu legitimieren als andere denkbare Sanktionen. Leider verzichtet der Autor dann allerdings auf eine nähere Erörterung der naheliegenden Frage, ob denkbare Alternativen – von (relativen) Verfahrenshindernissen über eine Übertragung der sog. Vollstreckungslösung oder Entschädigungen in Geld bis hin zur bloßen Feststellung der Rechtswidrigkeit und disziplinarrechtlichen Maßnahmen – den dargestellten erkenntnistheoretischen Maßstäben und den Erfordernissen der Praxis besser entsprächen oder ob das Abwägungsmodell als vergleichsweise "kleineres Übel" letztlich nicht doch den Vorzug verdiente. Dabei hätte auch die Einbeziehung rechtsvergleichender Aspekte lohnenswert sein können.

Stattdessen wendet sich der Verfasser wieder der gegenwärtigen Praxis zu und schlägt zur Lösung des Problems der Nutzung "verbotenen Wissens" eine strikte funktionelle Trennung der Zuständigkeit vor, um die notwendige hermeneutische Geschlossenheit des Systems sicherzustellen. Danach darf das erkennende Gericht erst dann Kenntnis von dem Beweismittel erhalten, wenn der Ermittlungsrichter dessen Verwertbarkeit festgestellt hat. Als Folge gesteht er dem – ggf. mit einem Pflichtverteidiger zu versehenden – Beschuldigten das Recht zu, seinerseits die Zulassung von Beweismitteln mit potentiell (auch) entlastendem Charakter zu erwirken. Dabei unterliegen die Chancen auf die umfassende Umsetzung eines solchen Verfahrens und dessen Praktikabilität jedoch einer gewissen Skepsis. Auf der Basis einer klaren begrifflichen und dogmatischen Trennung zwischen "Beweiserhebung", "Beweisverwertung" und "Beweisverwendung" skizziert Löffelmann schließlich weitere Ideen, wie auf der Ebene der Gesetzgebung unter Rückgriff auf anerkannte Rechtsprinzipien, vor allem der Unverletzlichkeit der Menschenwürde, Grundlinien einer normativen Begrenzung der Wahrheitserforschung aussehen könnten.

Auch wenn man diesen Lösungsansätzen nicht an allen Stellen vorbehaltlos folgen muss, ist es das bleibende Verdienst des Werks, nicht nur den Blick für bestehende methodische Defizite der gängigen Modelle geschärft, sondern auch über eine konsequente Anknüpfung an Grundlagen des Rechts und eine präzise Begrifflichkeit neue Perspektiven erschlossen zu haben. Dem Praktiker bietet das Buch sowohl eine gehaltvolle Analyse (einschließlich einer ergiebigen Sammlung und Einordnung von Leitentscheidungen im Anhang) als auch wertvolle Anstöße, einmal über die Standardargumente hinauszudenken. Es erweist sich damit als Bereicherung sowohl für diejenigen, die sich erstmals vertieft mit der Thematik befassen (müssen), als auch für jene, die von ihr eigentlich nichts mehr hören können.

Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Kai Lohse, Karlsruhe

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Hoyer/H. Müller/Pawlik/Wolter (Hrsg.), Festschrift für Friedrich-Christian Schroeder zum 70. Geburtstag, C. F. Müller Verlag, 922 Seiten, 258,– EUR, Heidelberg 2006

I. Im Vorwort versprechen die Herausgeber dem Jubilar einen "bunten wissenschaftlichen Blumenstrauß" von Beiträgen. Sehr ungewöhnlich scheint das nicht, trifft es doch auf einige Festschriften zu, die zu Ehren verdienter Hochschullehrer von Freunden, Mitarbeitern und Kollegen aus Anlass runder Geburtstage aufgelegt werden; und dennoch besteht hier eine bemerkenswerte Besonderheit. Friedrich-Christian Schroeder forderte nämlich vor beinahe 20 Jahren eine gewisse Selbstbeschränkung mitwirkender Autoren: "Bei Festschriften sollte die spezielle Ausrichtung auf den Jubilar den Vorrang vor dem Umfang haben" (Schroeder, in: FS Tröndle [1989], S. 77 ff.). Das wissenschaftliche Wirken des Jubilars war und ist indessen so weit gestreut, dass ein "bunter Blumenstrauß" wissenschaftlicher Themen und gezielte Ausrichtung auf den Geehrten keinen Widerspruch bilden. So schrieben denn 59 Autoren mit, die auf beinahe 1000 Seiten ganz überwiegend Hochwertiges zu Papier brachten. In sechs Kapiteln finden sich Beiträge zur "Kriminalpolitik" (S. 3 ff.), zu den "Grundlagen des Strafrechts" (S. 11 ff.), zum Allgemeinen und Besonderen Teil des StGB (S. 147 ff. und S. 449 ff.), zum "Strafprozessrecht" (S. 663 ff.) sowie zum "Europäischen und Internationalen Straf- und Strafprozessrecht" (S. 751 ff.). Es ist hier nicht möglich, alle Beiträge zu besprechen. Die daher notwendige Auswahl ist notgedrungen subjektiv und sicher vom Interesse der Rezensenten mitbestimmt. Daneben sind Themenbereiche herausgegriffen worden, die aktuell von besonderem Interesse sind, was sich daran zeigt, dass sie von mehreren Autoren beleuchtet wurden.

II. 1. Im ersten, "Kriminalpolitik" genannten Abschnitt, spricht sich StoiberSchroeders erster Doktorand in Regensburg und zu dem Zeitpunkt, als er seinen Beitrag schrieb, noch amtierender bayrischer Ministerpräsident – für eine "Renaissance der Sicherungsverwahrung" aus, denn es sei Pflicht des Gesetzgebers, auf Besorgnis erregende Entwicklungen zu reagieren. Abstrakt betrachtet ist das sicher richtig. Im Konkreten fehlt dem Beitrag aber leider jede Auseinandersetzung mit kritischen Stimmen, wie sie in jüngster Zeit von Fachleuten vermehrt erhoben wurden (etwa: Laubenthal ZStW 116[2004], 703, 708; Mushoff FoR 2003, 131 ff.; Waterkamp StV 2004, 267 ff.; Amelung/Funcke-Auffermann StraFo 2004, 114, 121; Hörnle StV 2006, 188, 190; Albrecht, in: FS Schwind, 2006, S. 191 ff.; Streng StV 2006, 92, 98). Wissenschaftliche Reflektion, auf die auch Kriminalpolitik weder verzichten kann noch darf, muss man dem Beitrag Stoibers leider absprechen; er gipfelt in dem Bekenntnis "generell nach dem Motto "in dubio pro libertate" zu verfahren (sei) wenig überzeugend" (S. 8).

2. Das zweite Kapitel ist den "Grundlagen des Strafrechts" gewidmet. Mehrere Beiträge befassen sich mit dem Phänomen des sog. Feindstrafrechts. Diese rechtstheoretische Ansatz will denjenigen "weit im Vorfeld abfangen und ihn wegen seiner Gefährlichkeit bekämpfen" (so Jakobs HRRS 2004, 88, 92), der sich vermutlich "dauerhaft und entschieden vom Recht abgewandt hat, insoweit die kognitive Mindestsicherheit personellen Verhaltens nicht garantiert und dieses Defizit durch sein Verhalten demonstriert" (Jakobs, a.a.O.). Kindhäuser kommt in seinem Beitrag "Schuld und Strafe" (S. 81 ff.) zu dem überzeugenden Ergebnis, dass dieses "zur Herstellung erträglicher Umweltbedingungen" entwickelte Modell, welches den Täter nicht als Bürger, sondern als Unperson behandelt, mit Blick auf das geltende materielle wie formelle Strafrecht "jeder Berechtigung entbehre" (S. 97) und vor allem mit dem Schuldprinzip kollidiere: Das Subjekt der Zurechnung sei nämlich, wie Kindhäuser erklärt, nach der Theorie vom Feindstrafrecht inhaltlich nicht festgelegt (S. 88). Gössel macht in seiner "Widerrede zum Feindstrafrecht" (S. 33 ff.) klar, dass die Position, wer sich dauernd "wie der Satan" aufführe, den könne man nur noch als Feind betrachten, nicht aber als Rechtsperson, unvereinbar ist mit dem Menschenbild des Grundgesetzes (S. 43). Hassemer untersucht die Bedeutung von Vergeltung und Prävention im heutigen Strafrecht (S. 51 ff.). Während Strafe, verstanden und gehandhabt als Antwort und Vergeltung ihr Maß in sich trage (S. 55), bestehe das zentrale Problem des Präventionsparadigmas in seiner Maßlosigkeit (S. 59). Vor allem habe es keinen Sensor für unverfügbare, abwägungsfeste Positionen wie etwa den Schutz der Menschenwürde oder das Verbot zu foltern (S. 60). Das Präventionsparadigma tauge daher, wie Hassemer richtig darlegt, als strafrechtliche Zielbestimmung nur dann, wenn es nicht unmittelbar, sondern vermittelt über strafrechtliche Vergeltung angesteuert werde: Prävention sei als Rechtfertigung strafrechtlicher Eingriffe der Aufgabe des Strafrechts, Straftaten angemessen zu beantworten, temporal und normativ nachgeschaltet (S. 63). Sein Fazit: "Rechtstreue, das ist unsere Hoffnung, stellt sich her im Rücken gerechter, gleichmäßiger und stetiger Strafrechtspflege" (S. 65). Weitere Beiträge, wie der von Frisch ("Gewissenstaten und Strafrecht"; S. 11 ff.) oder T. Walter ("Hirnforschung und Schuldbegriff – Rückschau und Zwischenbilanz"; S. 131 ff.) reflektieren ebenfalls grundlegende Fragestellungen des Strafrechts.

3. Das dritte Kapitel beleuchtet diverse Probleme aus dem Allgemeinen Teil des StGB. Otto (S. 339 ff.), Roxin (S. 387 ff.), Schünemann (S. 401 ff.) und Gerhard Wolf (S. 415 ff.) greifen das Thema des "Täters hinter dem Täter" auf und erweisen so dem Umstand Referenz, dass die 1963 erschienene Dissertation des Jubilars diesen heute beinahe sprichwörtlichen Titel trug. Schroeder erkannte darin die Möglichkeit an, dass für die von einem volldeliktisch handelnden Vorsatztäter begangenen Straftaten auch dessen kausal wirkende Hintermänner täterschaftlich haften, nämlich als mittelbare Täter. Indem der Bundesgerichtshof die Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates der DDR als mittelbare Täter hinter den "Mauerschützen" statt nur als deren Anstifter einstufte, ist dem "Täter hinter dem Täter" der Sprung aus der Theorie in die Praxis gelungen. Duttge (S. 179 ff.) und Gropp (S. 197 ff.) spüren der Frage nach, ob die hypothetische Einwilligung als Strafausschließungsgrund eine wegweisende Innovation oder einen Irrweg darstellt: Fragen, die im Zusammenhang mit der Sterbehilfe von überragender Bedeutung sind, zumal das "Sterbehilferecht" in Deutschland lediglich als Querschnittsmaterie existiert, deren fragmentarische Orientierungslinien sich aus straf-, zivil-, arzt- und verfassungsrechtlichen Regelungen ergeben, wobei das "Zusammenspiel" der einschlägigen Vorschriften mit Ausnahme der Vorrangigkeit des Grundgesetzes unsicher ist (vgl. Höfling/Schäfer, Leben und Sterben in Richterhand?, 2006[Rez. Neuhaus HRRS 2008, 98]). "Aktive Sterbehilfe" nennt Reinhard Merkel seinen Aufsatz (S. 297 ff.). Er untersucht darin die Frage, ob die Tötung auf Verlangen im Falle direkter Sterbehilfe gerechtfertigt sein kann. Er bejaht dies am Ende seiner ausführlichen, keinen unbequemen Fragen ausweichenden Analyse. Vor allem erteilt er der ganz herrschenden Lehre insoweit eine Absage, als sie verlangt und betont, für die Zulässigkeit der (indirekten) Sterbehilfe dürfe der handelnde Arzt die von ihm vorausgesehene Nebenfolge "Tod" keinesfalls "beabsichtigen" (vgl. etwa Münchener Kommentar[2003]- Schneider, vor § 211 ff., Rdnr. 95; BGHSt 42, 301, 305; a. A.: Herzberg NJW 1986, 1640; NJW 1996, 3049). Merkels überzeugende Begründung: Was in Situationen extremer Not eines Sterbenden das für den Arzt Erlaubte vom Verbotenen trenne, seien niemals die Absichten des Arztes; es sei allein das zur Abhilfe gegen unerträgliches Leid objektiv Erforderliche. In der Regel gehöre die Vornahme einer Handlung, die äußerlich nur noch als Tötungs-, nicht aber mehr als Leidminderungshandlung gedeutet werden könne, nicht dazu. Dann sei und bleibe sie rechtswidrig und strafbar. Denn sie tangiere die soziale Geltung des Tötungsverbotes in einem deutlich höheren Grad, als eine Handlung, die objektiv und eindeutig vorrangig den Typus einer medizinischen Maßnahme zur Schmerzlinderung zuzuordnen sei. Doch gebe es seltene Extremfälle, in denen das ausweglose Leiden eines Sterbenden für die palliativen Möglichkeiten der Medizin so unerreichbar wird wie im berühmten Beispiel des verbrennenden Autofahrers. Dann ende nämlich die Rechtfertigung einer Strafdrohung, die allein noch dem Schutz der Normgeltung für die Gesellschaft, nicht aber mehr dem gequälten Leben des Sterbenden dienen könne. Dort beginne er-

neut die Möglichkeit einer Rechtfertigung der Tat, die nun auch eine gezielte aktive Tötung sein dürfe.

Die weiteren Beiträge in diesem Kapitel erörtern die Anstiftung als korrumpierende Aufforderung zu strafbedrohtem Handeln (Amelung, S. 147 ff.), Handlungsentschluss und –beginn als Grenzkriterium tatbestandsmäßigen Verhaltens beim fahrlässigen Erfolgsdelikt (Hettinger, S. 209 ff.), Fragen des Erlaubnistatbestandsirrtums, den Hirsch in seinem Aufsatz (S. 223 ff.) wissenschaftlich neutraler "Erlaubnissachverhaltsirrtum" nennt, die objektive Zurechnung der Gefahr als Voraussetzung der Eingriffsbefugnis im Defensivnotstand (Köhler, S. 257 ff.) und etwa das Problem der Notwehr gegen Drohungen (H. E. Müller, S. 323 ff.).

4. Auch bei den im vierten Kapitel versammelten Beiträgen sticht die Aktualität der behandelten Fragen ins Auge: Kühne geht in seinen "Bemerkungen zu Fragen des Glücksspiels bei Sportwetten" (S. 545 ff.) vor allem der Frage nach, ob Sportwetten unter den Begriff des Glücksspiels fallen. Er tritt der verbreiteten Ansicht, dass dies so sei, überzeugend entgegen. Er arbeitet nämlich treffend heraus, dass von Glücksspiel nur dann die Rede sein darf, wenn der Erfolg allein vom Zufall abhängt, nicht aber auch dann, wenn er – wie es die h. M. annimmt – "wesentlich" vom Zufall bestimmt sei. Denn der Mindestanteil der Beeinflussbarkeit eines Ergebnisses sei unbestimmbar (S. 551 f.), und damit führe der Ansatz, Glücksspiel von (teil)kontrollierten Entscheidungen, also vom Geschicklichkeitsspiel, durch quantitative Ansätze abzugrenzen, zu keinem Ergebnis. Bestenfalls seien Anmutungen von Evidenz möglich. Diese aber würden dem Bestimmtheitsanspruch des Strafrechts nicht genügen. Alldem kann man nur uneingeschränkt beipflichten.

Jakobs und Kühl wenden sich in ihren Aufsätzen der lange Zeit praktisch eher unwichtigen Vorschrift des § 228 StGB zu, nachdem sie innerhalb weniger Monate durch die Entscheidungen BGHSt 49, 34 (3. Senat) und BGHSt 49, 166 (2. Senat) in den Fokus des Interesses rückte. Im Vordergrund beider Beiträge stellt der in § 228 StGB geforderte "Verstoß gegen die guten Sitten". Während der 2. Senat den Begriff der "guten Sitten" auf seinen "rechtlichen Kern" zu reduzieren versucht (BGHSt 49, 166, 169), was Kühl für einen unzulässigen Eingriff in die Entscheidung des Gesetzgebers (S. 530) mit zudem unsinnigen Folgen (S. 531) hält, knüpft der 3. Senat an "außerrechtliche, ethisch-moralische Kategorien" an (BGHSt 49, 34, 40). Unabhängig von den mit dieser Betrachtungsweise verbundenen Problemen, etwa: "Wie lässt sich das Anstaltsgefühl der billig und gerecht Denkenden willkürfrei und sozialwissenschaftlich solide feststellen?", kommen beide Entscheidungen zu dem Ergebnis, dass bestimmte Verhaltensweisen wie sado-masochistische Sexualpraktiken und gemeinsamer Heroinkonsum jedenfalls dann sittenwidrig sein sollen, wenn sie das Opfer in konkrete Lebensgefahr bringen. Da der Zusammenhang von Sittenwidrigkeit und Verursachung einer konkreten Lebensgefahr jedoch nicht eindeutig ist, schlägt Kühl vor, die Vorschrift des § 228 StGB zu reformieren. Er meint, die Klausel über die guten Sitten solle gestrichen und vielmehr gleich auf die (fahrlässige) Verursachung einer konkreten Todesgefahr abgestellt werden (S. 534). Diese Lösung ist allerdings auch kein Allheilmittel, denn die Aussage, in ein lebensgefährliches Verhalten könne nicht wirksam eingewilligt werden, kann in dieser Absolutheit nicht richtig sein. Denn etwa bei medizinischen Maßnahmen zur Rettung vor dem ansonsten sicheren Tod ist es geradezu trivial, dass auch in ein solches Verhalten eingewilligt werden kann. Deshalb muss die Größe der Gefahr zur Bedeutung des Anlasses, aus dem sie eingegangen wird, stets in Beziehung gesetzt werden. An der Festsetzung, was der Anlass wert ist, gibt es daher, wie Jakobs richtig erkennt (S. 515) kein Vorbeikommen (S. 515). Er favorisiert daher eine Strafzumessungslösung, weil eine Einwilligung in eine – traditionell verstanden – sittenwidrige Tat eine Körperverletzung als Delikt gegen eine konkrete Person ausschließt: Es sei nicht möglich, sie gegen ihren verantwortlich gebildeten Willen zu vergewaltigen. Deshalb führe die Einwilligung zu einer Reduktion der Unrechtsqualität (S. 520).

Das Kapitel enthält zudem eine Vielzahl von Aufsätzen zu wirtschaftsstrafrechtlichen Themen. Kuhlen macht sich in seinem Aufsatz für eine Restriktion der §§ 331 I, 333 I StGB stark, um etwa der strafrechtlichen Problematik der Einwerbung von Drittmitteln für Forschung und Lehre besser gerecht werden zu können (S.542). Sein Vorschlag: Die Annahme bzw. Gewährung von Zuwendungen, die für rechtlich erwünschte Zwecke an Dritte erfolgt, nur dann als Vorteilsannahme bzw. –gewährung zu betrachten, wenn die Zuwendung die Gegenleistung für eine bestimmte Diensthandlung bilden, nicht dagegen, wenn sie lediglich für eine nicht näher konkretisierte Dienstausübung gewährt werden (S. 541). Vormbaum setzt sich mit Problemen der Korruption im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) auseinander (S. 649 ff.), Tiedemann erläutert die Gesetzgebungstechnik im Wirtschaftsstrafrecht (S. 641 ff.). Lüderssen befasst sich mit der Konkretisierung der Vermögensbetreuungspflicht in § 266 StGB durch § 87 Abs. 1 S. 1 AktG, ein Thema, das nicht zuletzt durch den sog. Mannesmann-Prozess (BGHSt 50, 331) virulent wurde. Lüderssen untersucht das Problem akzessorischer Bindung strafrechtlicher Normen an kontrovers interpretierte Normen anderer Rechtsgebiete. Ausgehend von der Überlegung, dass es bei einer so elementaren Frage wie der nach der Bestimmtheit eines Straftatbestandes nicht auf den technischen Standort der Normen ankommen dürfe (S. 569), gelte der Bestimmtheitsgrundsatz auch bei einer "Normspaltung", also der Konstellation, dass durch strafrechtliche Bestimmungen außerstrafrechtliche Normen in Bezug genommen werden (S. 574). Deshalb müsse z. B. die Vorschrift des § 87 I AktG in strafrechtlichem Zusammenhang eng ausgelegt werden. Dies könne dazu führen, dass die nur auf aktienrechtliche Folgen bezogene Auslegung zwar zu einem Verstoß gelange, gleichwohl aber eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht im Sinne von § 266 StGB nicht anzunehmen sei (S. 577).

5. Im strafprozessualen Kapitel der Festschrift werden behandelt: Der Umfang der Beweiskraft rechtskräftiger Strafurteile im Zivilverfahren (Beulke, S. 663 ff.), die Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Strafverfahren bei Personen der Zeitgeschichte (Rolinski, S. 719 ff.); Wohlers kritisiert die Konzeption einer weisungsunabhängigen Staatsanwaltschaft (S. 735 ff.) und Rogall stellt die "endlose Geschichte" der DNA-Analyse

im Strafverfahren dar (S. 691 ff.). In Bezug auf das nunmehr geltende Recht spart er nicht mit (freilich: konstruktiver) Kritik. Die Regelung in § 81f I S. 2 StPO, wonach der in die molekulargenetische Untersuchung Einwilligende darüber zu belehren ist, für welchen Zweck die zu erhebenden Daten verwendet werden, hält Rogall für völlig übertrieben, stehe die Regelung doch in Widerspruch zur Rechtslage bei der Entnahme der Körperzellen. Außerdem sei die Belehrung ohnehin sinnlos, weil der Betroffene nicht im Zweifel darüber sein könne, welcher Zweck sich mit der Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters verbindet. § 81h StPO verdiene sich das Prädikat der Absurdität schon dadurch, dass er die Zulässigkeit der Maßnahme von der doppelten, in sich widersprüchlichen Voraussetzung einer Einwilligung des Betroffenen und einer richterlichen Anordnung abhängig macht (S. 711). Bemerkenswert ist, dass Rogall den Begriff der "Zeugnisverweigerung" in § 81c III S. 1 StPO auch im Sinne eines Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 versteht (S. 715). Dem ist beizupflichten, wie Beatrix Suffa in ihrer im Jahr 2003 erschienenen Dissertation zum Untersuchungsverweigerungsrecht des § 81c III StPO als Beweiserhebungsverbot herausgearbeitet hat (S. 101 f.; in diesem Sinne auch OLG Braunschweig NJW 1954, 1052, 1053; Neuhaus, in: Dölling/Duttge/Rössner [Hrsg.], Nomos-Kommentar zum Gesamten Strafrecht[2008], § 81c Rdnr. 12 m. w. Nws.). Rogall schließt seine Betrachtung mit Vorschlägen an den Gesetzgeber (S. 716 f.). Es bleibt zu hoffen, dass er sie zur Kenntnis nimmt.

6. "Europäisches und Internationales Strafrecht und Strafprozessrecht" lautet die Überschrift des sechsten Kapitels. Der Bogen der hier behandelten Themen ist ebenfalls weit gespannt. Zum Beispiel befasst sich Böse mit der Europäisierung der Strafvorschriften gegen Kinderpornographie (S. 751 ff.), während von Heintschel-Heinegg Ideen zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des Vereinigungsbegriffs in den §§ 129 ff. StGB entwickelt (S. 799 ff.). Lilie spürt in seinem Aufsatz der im Zusammenhang mit der sog. Gewinnabschöpfung akut gewordenen Frage nach, ob und ggf. inwieweit Beweiserleichterungen für den Staat (bis hin zur Beweislastumkehr zum Nachteil des Beschuldigten) mit der Unschuldsvermutung kollidieren (S. 829 ff.). Bei seinem Blick über den nationalen Horizont stellt er die Regelungen in der Schweiz, in Österreich, den USA, Großbritannien und Frankreich dar. Letztlich schließt er sich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an und bejaht die Verfassungsmäßigkeit des § 73d StGB (S. 840). Vogel wendet sich dem Thema des Strafklageverbrauchs durch ausländische Entscheidungen zu (S. 877 ff.); ein Beitrag, der sich hervorragend als Kompendium für die zurzeit geltende Rechtslage eignet.

III. Die Festschrift für Friedrich-Christian Schroeder bietet, wie die vorstehenden Ausführungen beispielhaft belegen mögen, hochaktuelle und spannende Lektüre. In der Bibliothek des Wissenschaftlers darf sie nicht fehlen, in der Bibliothek des Praktikers sollte sie es nicht.

Dr. Ralf Neuhaus, Rechtsanwalt & Fachanwalt für Strafrecht, Dortmund

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