HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

März 2007
8. Jahrgang
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Schrifttum

Detlef Burhoff: Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren; 4. Auflage, ZAP-Verlag für die Rechts- u. Anwaltspraxis, ISBN- 13:978-3-89655-211-X, ZAP-Verlag, Münster 2006, 1466 Seiten, 98,00 €.

Eine Rezension für die 4. Auflage des bereits bekannten und gut eingeführten Handbuchs für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren von Burhoff zu schreiben ist keine leichte Aufgabe, wenn man die Vielzahl derer, die die Vorauflagen bereits zu schätzen gelernt haben, nicht durch Wiederholungen langweilen möchte.

Gleichwohl seien für diejenigen, denen die von Burhoff verfassten bzw. herausgegebenen Handbücher (noch) nicht bekannt sind, einige Anmerkungen zum Aufbau und zur Darstellungsweise gestattet. Alle anderen mögen diese einführenden Worte überspringen und direkt zum Abschnitt "Neuerungen der 4. Auflage" vorrücken.

Aufbau und Darstellungsweise

Burhoff erhebt, wie er es selbst formuliert, mit seinem Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht den Anspruch auf einen (weiteren) Kommentar zur StPO. Vielmehr soll es allen Benutzern - in erster Linie dem Strafverteidiger, aber auch dem Staatsanwalt und dem Richter - eine praktische Arbeitshilfe sein und bei der Lösung der in der täglichen Praxis auftretenden Probleme helfen.

Diesem Ansatz folgend hat Burhoff auf einen "klassischen" thematischen bzw. systematischen Aufbau verzichtet. Vielmehr nutzt Burhoff für sein Handbuch eine Darstellung der einzelnen Probleme bzw. Themen in ABC-Form. Hierbei werden alle wichtigen Fragestellungen unter eingängigen Stichwörtern von A wie "Ablehnung eines Richters" über D wie "Dinglicher Arrest im Ermittlungsverfahren" und P wie "Pflichtverteidiger" bis hin zu Z wie "Zuziehung eines Dolmetschers" abgehandelt. Bei den wichtigsten oder sehr umfangreichen Fragenkomplexen hat Burhoff zur besseren Übersicht sog. "Verteilerstichwörter" gebildet, unter denen dann auch die zu dem jeweiligen Komplex gebildeten (Unter-) Stichwörter zusammengestellt sind. Beispielhaft sei dies am Stichwort "Akteneinsicht" erläutert. Hier wird unter insgesamt 25 Punkten dieses grundlegende Instrument der Verteidigung wirklich erschöpfend abgehandelt, von "Akteneinsicht, Allgemeines" und "Akteneinsicht, Beschränkung" bis zu "Akteneinsicht, Umfang". Dieser Aufbau bietet nicht nur den Vorteil eines sehr schnellen Zugriffs auf die umfassenden Informationen zum jeweiligen Stichwort, Burhoff gelingt es darüber hinaus durch die Angabe interner Querverweise auch systematische und praktische Zusammenhänge zu verdeutlichen, so dass nahezu alle sich ergebenden Fragen unmittelbar beantwortet werden.

Dieser das Handbuch auszeichnende schnelle Zugriff auf die wesentlichen Informationen wird weiter erleichtert durch die bei vielen Stichwörtern eingearbeiteten "Leitsätze", Checklisten und tabellarischen Übersichten. Diese fassen auch optisch rasch erfassbar und nachvollziehbar den jeweiligen Stoff zusammen und erläutern ihn an prägnanten und praxisnahen Beispielen.

Weiter hervorzuheben sind vor allem jedoch die wie immer mit sehr viel Akribie eingearbeiteten Rechtsprechungshinweise, die an Aktualität (Stand August 2006!) kaum zu überbieten sein dürften.

Sollte darüber hinaus noch der Wunsch bestehen, sich weiter in eine Fragestellung einzuarbeiten, so ist auch für diesen Fall mehr als ausreichend vorgesorgt. So finden sich zu jedem Stichwort eingangs umfassende und zum Teil ergänzende Literaturhinweise, die eine sehr gute Ausgangsbasis zur weiteren Vertiefung der jeweiligen Thematik bieten.

Ergänzt wird diese an der schnellen Informationsvermittlung orientierte Darstellung weiter durch praxisnahe Hinweise für den Verteidiger. Das Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wirft daher nicht nur "theoretische" Probleme auf, es liefert vielmehr auch wertvolle Hilfe bei der Frage, wie die jeweilige Thematik im Verfahren richtig umgesetzt werden kann und was es dabei zu beachten gilt.

Abgerundet wird das gelungene Paket durch eine beigefügte CD-ROM. Diese muss - erfreulicherweise - nicht installiert werden und beinhaltet neben anderem Lesenswerten die im Buch enthaltenen Muster und Checklisten.

Neuerungen der 4. Auflage

Im Vergleich zur 3. Auflage wurden die Stichwörter

insgesamt aktualisiert und teilweise erheblich erweitert, was sich auch in dem um ca. 250 Seiten gewachsenen Umfang niederschlägt. So wurden die durch das Opferrechtsreformgesetz und die durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz im Ermittlungsverfahren eingetretenen Änderungen ebenso eingearbeitet wie rund 700 (!) Entscheidungen mit Stand bis August 2006. Hierbei sind aus Verteidigersicht insbesondere die Entscheidungen des BVerfG zum Haftrecht, zur Akteneinsicht im Arrestverfahren und zum Thema "Gefahr in Verzug" hervorzuheben, die zu einer zum Teil weitgehenden Überarbeitung der damit zusammenhängenden Stichwörter geführt haben.

Neu aufgenommen wurden in der 4. Auflage die Stichwörter "Dinglicher Arrest im Ermittlungsverfahren" und "Vorermittlungen". Auch hier bewegt sich Burhoff auf der Höhe der Zeit. Insbesondere der dingliche Arrest als Instrument zur Vermögensabschöpfung hat in der Praxis zugenommen und wird auch noch weiter an Bedeutung gewinnen. Auf Grund der hohen Gefahr, dass aus dieser "vorläufigen" Maßnahme bereits ein endgültiger Schaden erwächst, muss sich vor allem der Verteidiger rechtzeitig um fundierte Kenntnisse der Materie bemühen.

Nahezu überflüssig ist es zu erwähnen, dass selbstverständlich auch die Einführung des RVG zu einer entsprechenden Überarbeitung und Erweiterung der vergütungsrechtlichen Hinweise geführt hat.

Wie die Vorauflage enthält das Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wiederum eine CD-ROM. Außer den bereits bekannten Checklisten und Musterschriftsätzen, die in der Praxis einen ersten Anhalt bieten, enthält diese neben den Aufsätzen, die zitiert aber nicht veröffentlicht sind, auch Lesenswertes abseits der täglichen Praxis. So findet sich dort z.B. der Rahmenbeschluss der Europäischen Union zum Europäischen Haftbefehl, der ansonsten nicht zugänglich ist.

Fazit

Auch in der 4. Auflage bietet das Handbuch in seiner gewohnt kompakten Form eine umfassende und ausgewogene Zusammenstellung des Verfahrensstoffes. Es stellt dabei sowohl für den "alten Hasen" als auch für den Berufsanfänger eine übersichtliche Fundgrube an aktuellem Wissen zur Verfügung, die es ermöglicht, sowohl fundiertes Wissen aufzubauen als auch vermeintlich sicheres Wissen und altgeübte Praxis zu überprüfen und gegebenenfalls der veränderten Rechtslage anzupassen. Burhoff sollte mit der neuen Auflage seines Handbuches für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren nun endgültig den Sprung vom "Strafverteidigerhandbuch" zu einem für alle am Strafverfahren Beteiligten lesenswerten Ratgeber geschafft haben.

Georg Strittmatter , Rechtsanwalt, Fachanwalt für Strafrecht, Düsseldorf

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Herbert Tröndle/Thomas Fischer: Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen, 54. Aufl., C.H. Beck, München, 2007, LII, 2471 Seiten, geb., ISBN 3-406-55477-6, EUR 70,00.

I. Erneut im Turnus von nur rund einem Jahr hat Fischer die 54. Auflage des StGB-Klassikers und Praktikerkommentars aus dem Hause Beck vorgelegt. Es handelt sich damit bereits um die sechste von Fischer (davon in einem Fall zusammen mit Tröndle) verantwortete Auflage, der damit bereits die Hälfte der von Tröndle bearbeiteten Auflagenzahl (38.-49. Aufl.) erreicht hat. Fischer hat dabei die dem Kommentar von ihm verliehene Linie konsequent fortgeführt, d.h. die Systematisierung der Darstellung, aber auch die mitunter kritische Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung weiter ausgebaut. Es fehlt dabei nicht an ebenso klaren wie wortgewaltigen (und damit ganz unabhängig vom eigenen Standpunkt beeindruckenden) Stellungnahmen. Diese betreffen etwa die Rettungsfolterdiskussion (vgl. § 32 Rn. 7b ff.), die Überzeugungskraft der strafrechtlichen Konzeption der Geldwäschebekämpfung (§ 261 Rn. 46 ff.) oder die zunehmende Ausdehnung des Konzepts eines Präventionsstrafrechts, hinter dem nach Fischer "grundlegende, in ihrer Bedeutung noch unterschätzte Veränderungen der Lebenswirklichkeit, tief greifende Auflösungen sozialer Strukturen und dramatische Änderungen der sozialen Kommunikation" stehen (Einleitung Rn. 12 einschließlich eines engagierten Statements gegen das Konzept des sog. Feinstrafrechts, Rn. 12a ff.). Exemplarisch für die in der 54. Auflage insoweit neu bearbeiteten Abschnitte sei die ganz zutreffenden Kritik an der ausufernden und mit dem Wortlaut des Gesetzes kaum zu vereinbarenden Handhabung des § 354 Ia StPO durch die Rechtsprechung des BGH (§ 46 Rn. 120b) genannt.

II. Aus dem Bereich wichtiger Leitentscheidungen im Zeitraum seit der Vorauflage nimmt Fischer die Ablehnung des § 11 II Nr. 2c StGB durch den BGH im Fall des "Kölner Müllskandals" ebenso neutral bis zustimmend zur Kenntnis (vgl. § 11 Rn. 22b mit Hinweis auf das Argument einer Sperrminorität des privaten Beteiligten) wie die Annahme einer untreuerelevanten Pflichtverletzung durch den Aufsichtsrat im Fall Mannesmann (§ 266 Rn. 54a). Dezidiertere und engagiertere Zustimmung finden das BVerfG für sein Urteil zum Luftsicherheitsgesetz, in dem Fischer eine "dem Kriegsrecht entnommene Regelung" sieht, "die das Verbot einer die Menschenwürde verletzenden Instrumentalisierung von Personen zu bloßen Objekten staatlicher Aufgabenerfüllung außer Acht ließ" (vgl. § 34 Rn. 16a), sowie die einschränkende Auslegung der sexuellen Nötigung bei Ausnutzung einer schutzlosen Lage in § 177 I Nr. 3 StGB auf Fälle einer kausalen Verbindung zwischen der eine spezifische Zwangslage begründenden schutzlosen Lage und dem Verhalten des Opfers (§ 177 Rn. 37 ff., insb. Rn. 48). Gerade das letztgenannte Beispiel verdeutlicht auch die Nöte, in denen sich ein Kommentartor befinden kann, wenn er sich kritisch mit der Rechtsprechung des eigenen Strafsenats auseinanderzusetzen hat (vgl. die Nachweise auf Entscheidungen des 2. Strafsenats in § 177 Rn. 37, welcher in BGHSt 50, 359 wohl nicht zuletzt unter dem

Eindruck der Kritik in der Kommentierung Fischers seine Rechtsauffassung modifiziert hat). Zur in dieser Auflage nicht mehr berücksichtigbaren Entscheidung des BGH im Fall Hoyzer (sog. Bundesliga-Wettskandal) lässt sich eine Zustimmung Fischers prognostizieren, da - auch im Zusammenhang mit der instanzgerichtlichen Entscheidung des LG Berlin - in § 263 Rn. 18 "im Angebot des Vertragsabschlusses (sc.: zu einer Sportwette)" die konkludente Erklärung gesehen wird, "die Geschäftsgrundlage nicht selbst rechtswidrig manipuliert zu haben". Selbstverständlich sind zahlreiche weitere Entscheidungen und teilweise auch Fundstellen aus der Literatur auf aktuellem Stand eingearbeitet; weitere Abschnitte wurden mehr oder weniger umfangreich überarbeitet.

III. Die Vorzüge und die Bedeutung von Fischers Kommentierung für die Praxis müssen an dieser Stelle nicht mehr erwähnt werden. Wenn man sie aber wenigstens angemessen würdigen, zugleich jedoch auch ein realistisches Bild zeichnen will, so lässt sich vielleicht sagen: Das Format eines kompakten, aber gleichzeitig nicht zu knappen Kommentars für die Praxis, in dem auch immer wieder Platz auch für rechtspolitische Anstöße zur Verfügung steht, ist gewiss attraktiv. Dabei kann jedoch der Blick nicht davor verstellt werden, dass ein organisches Wachsen eines solchen Kommentars über viele Jahre und Auflagen hin - gerade wenn auch eine gewisse Vollständigkeit in den Details angestrebt wird - die Lesbarkeit nicht immer erhöht und dass ein einzelner Autor angesichts der stets zunehmenden und sich immer weiter beschleunigenden Informationsflut zwangsläufig größte Mühe hat, sämtliche Vorschriften des StGB in all ihren wesentlichen Facetten zu behandeln. Indes sind diese Befunde systembedingt beim vorliegenden (um es noch einmal zu wiederholen: ebenso attraktiven wie wichtigen) Kommentarformat und keine Kritik, die an Fischer geäußert werden könnte - im Gegenteil: seiner Kommentierungskunst und seiner kaum beinahe unglaublichen Arbeitskraft ist es zu verdanken, dass es an diesen gleichsam systembedingten "Sollbruchstellen" im "Tröndle/Fischer" noch keinen Bruch gegeben hat.

Prof. Dr. Hans Kudlich, Universität Erlangen-Nürnberg

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