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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2004
5. Jahrgang
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1. Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit, spricht dies in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB, wenn sich aufgrund der persönlichen oder situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten vorhersehbar signifikant infolge der Alkoholisierung erhöht hat. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter in wertender Betrachtung zu bestimmen; seine Entscheidung unterliegt nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung. (BGHSt)
2. Die Minderung der Tatschuld durch Einschränkung der Schuldfähigkeit kann im Rahmen des § 49 Abs. 1 StPO durch schulderhöhende Umstände kompensiert werden, die jedoch als Mindestschuldform Fahrlässigkeit und damit mindestens Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit in objektiver und subjektiver Hinsicht voraussetzen. (Bearbeiter)
3. In Fällen, in denen die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe in Frage steht, wird der Tatrichter besonders darauf Bedacht zu nehmen haben, dass der schuldmindernde Umstand einer erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit angesichts der Absolutheit der Strafdro-
hung ohne Strafrahmenverschiebung bei der konkreten Strafzumessung nicht berücksichtigt werden kann; die Frage der Strafrahmenverschiebung gewinnt im Vergleich zur Prüfung bei zeitigen Freiheitsstrafen deshalb ungleich mehr an Gewicht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 4 StR 54/04). Dies wird zu besonders sorgfältiger Prüfung aller schulderhöhenden und schuldmindernden Umstände sowie zu einer im Zweifel eher zurückhaltenden Gewichtung zu Lasten des Täters Anlass geben müssen (vgl. BGH StV 2003, 499). (Bearbeiter)
1. Nach Auffassung des 4. Strafsenats ergibt sich die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann aus "der Tat" (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB), wenn aus dieser konkrete Anhaltspunkte dafür zu erkennen sind, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen; somit ist ein spezifischer Zusammenhang zwischen Anlasstat und Verkehrssicherheit erforderlich.
2. Die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB ist nach geltendem Recht keine Maßnahme zur allgemeinen Verbrechensbekämpfung, sondern dient lediglich dem Schutz der Verkehrssicherheit.
1. An die Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB sind bei (vorwerfbar) alkoholisierten Tätern höhere Anforderungen zu stellen sind. Auf die konkrete Tatbegehung bezogene schulderhöhende Momente können im Rahmen der bei § 21 StGB erforderlichen Gesamtabwägung die durch Einschränkung der Steuerungsfähigkeit bewirkte Schuldminderung ausgleichen, so dass von der fakultativen Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgesehen werden kann.
2. Was für Alkohol gilt, kann jedoch nicht ohne weiteres auf andere Genuss- und Betäubungsmittel (hier: Kokain) übertragen werden. Wie bei Alkohol gilt allerdings auch beim (vorwerfbaren) Konsum von Betäubungsmitteln, dass eine Strafmilderung regelmäßig dann ausscheidet, wenn der Täter bereits zuvor unter vergleichbarem Drogeneinfluss gewalttätig geworden ist.
3. An die Versagung einer gemäß § 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich möglichen Strafrahmenverschiebung sind bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe besondere Anforderungen zu stellen.
4. Mittäterschaft liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn ein Tatbeteiligter nicht bloß fremdes Tun fördern will, sondern seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils will. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung erfaßt sind, in wertender Betrachtung zu entscheiden. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (vgl. BGHSt 37, 289, 291; BGH StV 1998, 540 m.w.N.). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Lässt das angefochtene Urteil erkennen, dass der Tatrichter die genannten Maßstäbe gesehen und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (BGH StV 1998, 540 m.w.N.).
1. Auch bei der Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe muss das erkennende Gericht für eine im Ausland erlittene Freiheitsentziehung einen Anrechnungsmaßstab festsetzen. (BGHR)
2. Die Vorschriften über die Anrechnung im Ausland erlittener Freiheitsentziehungen, die unmittelbar für die zeitige Freiheitsstrafe gelten, sind auf die Mindestverbüßungszeit der lebenslangen Freiheitsstrafe entsprechend anzuwenden (vgl. § 57 a Abs. 2 StGB). (Bearbeiter)
1. Die rechtsfehlerfreie Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB verlangt eine Gesamtschau, die neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei insbesondere die versuchsbezogenen Gesichtspunkte einbezieht wie Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie (vgl. BGHSt 16, 351, 353; 35, 347, 355 f.). Eine sorgfältige Abwägung dieser Umstände, auch soweit sie für den Täter sprechen, ist namentlich dann geboten, wenn von der Entschließung über die versuchsbedingte Milderung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe abhängt (BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 8 und § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 21).
2. Auch bezüglich der Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB nimmt das Revisionsgericht die Strafzumessung des Tatrichters bis an die Grenze des Vertretbaren hin (vgl. BGHSt 27, 2, 3; 29, 319, 320; jeweils m. w. Nachw.).
Voraussetzung für eine Anordnung des Verfalls nach §§ 73, 73 a StGB ist, dass eine von der Anklage erfasste und vom Tatrichter festgestellte Tat vorliegt (vgl. BGHR StGB § 73 Anwendungsbereich 1, Vorteil 5); demgegenüber genügt nicht die allgemeine Feststellung, dass die Gegenstände durch eine - nicht abgeurteilte - andere Straftat erlangt seien.