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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 465

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 284/23, Beschluss v. 23.02.2024, HRRS 2024 Nr. 465


BGH 5 StR 284/23 - Beschluss vom 23. Februar 2024 (LG Kiel)

Einziehung von Taterträgen (drohende doppelte Inanspruchnahme; zivilrechtliche Ansprüche; Vergleich; Erlass; Privatautonomie; Individualrechtsgüter; Universalrechtsgüter).

§ 73 StGB; § 73e StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Zweck der gesetzlichen Regelung des § 73e Abs. 1 StGB ist es, eine infolge der Streichung von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF drohende doppelte Inanspruchnahme des Täters durch den - zwingend vorgeschriebenen - staatlichen Einziehungsanspruch einerseits und zivilrechtliche Ansprüche der Geschädigten andererseits zu vermeiden. Auch ein (Teil-)Erlass nach § 397 Abs. 1 BGB führt zum Erlöschen der zivilrechtlichen Ansprüche und damit nach dem Wortlaut des § 73e Abs. 1 StGB grundsätzlich auch zum Ausschluss der Einziehung. Denn die Regelung ist mit Blick auf den Grundsatz der Privatautonomie „vergleichsfreundlich“ ausgestaltet, soll also demjenigen, bei dem die strafrechtswidrige Vermögensmehrung eingetreten ist, einen Anreiz zu einer zügigen (freiwilligen) Schadenswiedergutmachung etwa im Wege eines Vergleichs mit teilweiser Erfüllung und Teilverzicht geben.

2. Andererseits bezweckt § 73e Abs. 1 StGB nicht, dass sich ein Einziehungsadressat durch die zivilrechtliche Vereinbarung eines Erlasses mit dem in seinen Individualrechtsgütern verletzten Geschädigten zu Lasten der durch die Tat ebenfalls geschädigten Allgemeinheit schadlos halten kann. § 73e Abs. 1 StGB ist deshalb dahin auszulegen, dass der staatliche Anspruch auf (Wertersatz-)Einziehung bei Normen mit doppeltem Schutzzweck oder bei tateinheitlicher Verletzung von Straftatbeständen, die einerseits Individual- und andererseits Universalrechtsgüter schützen, nur insoweit erlischt, als der Verletzte das Erlangte oder dessen Wert erhält. Denn nur insoweit kommt auch eine doppelte Inanspruchnahme des Einziehungsadressaten in Betracht.

3. Ob dieser Grundsatz auch gelten kann, wenn der Vergleich zwischen dem Einziehungsadressaten und staatlichen Stellen geschlossen wird, die auch die Interessen der Allgemeinheit vertreten, muss der Senat hier nicht entscheiden.

Entscheidungstenor

Der Einziehungsbeteiligten wird auf ihre Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 15. Dezember 2022 gewährt.

Auf die Revision der Einziehungsbeteiligten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 15. Dezember 2022, soweit es sie betrifft, im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zur Höhe des aus den rechtswidrigen Taten erlangten Betrages aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat im Tenor seines Urteils festgestellt, dass die Einziehungsbeteiligte im Wert von 81.831,89 Euro etwas für die Taten erlangt habe und insoweit die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Dagegen wendet sich die Einziehungsbeteiligte mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.

1. Der Einziehungsbeteiligten ist auf ihren Antrag und auf ihre Kosten Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Revision zu gewähren. Ihr Prozessbevollmächtigter hat - wie vom Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt - vorgetragen und hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Frist ohne Verschulden der Einziehungsbeteiligten und ohne ihr zurechenbares Anwaltsverschulden (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2023 - 5 StR 145/23, NJW 2023, 3304) versäumt worden ist.

2. Die mithin zulässige Revision der Einziehungsbeteiligten hat in der Sache zumindest vorläufigen Erfolg. Es kann nach den getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden, dass der Anspruch des Verletzten - hier der F. AG - auf Ersatz des Wertes des Erlangten nach § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB erloschen ist.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Mitangeklagte S. Mitarbeiter in der Werbeabteilung der F. AG in der Unterabteilung „Niederlassungs-PR“. Dort war er unter anderem für Werbemaßnahmen zuständig, mit denen zur Bewerbung lokaler Filialen in Artikeln in Lokalzeitungen sogenannte Trikotaktionen dargestellt werden sollten, bei denen Sportvereinen für die Kinder- und Jugendmannschaften Trikots und Zubehör mit dem F. -Schriftzug zur Verfügung gestellt wurden. Ab dem Jahr 2012 wurden diese Trikotaktionen von der A. GmbH & Co. KG (im Folgenden: A.) durchgeführt, deren Geschäftsführer der weitere, nicht revidierende Mitangeklagte B. war.

Jedenfalls ab dem Jahr 2014 wurden die von der A. erbrachten Leistungen auf Weisung des Vorgesetzten des Mitangeklagten S. dergestalt abgerechnet, dass die Berichterstattung über die Aktion belegt werden musste und diese vergütet wurde. Mit jeder Rechnung musste auch ein Zeitungsartikel eingereicht werden; die Höhe der Vergütung war von der Gestaltung des jeweiligen Zeitungsberichts abhängig, insbesondere sollte ein Bild mit sichtbarem F. -Logo enthalten sein und der Name der F. AG im Text genannt werden. Ein Vergütungsanspruch entstand erst ab einem mindestens halbseitigen Artikel. Der Mitangeklagte S. und sein Vorgesetzter gingen davon aus, dass nicht alle Trikotaktionen zu entsprechenden Artikeln mit Bildberichterstattung führen würden; um der A. gleichwohl auch für solche Fälle eine Vergütung für erbrachte Dienstleistungen bezahlen zu können und um intern als erfolgreicher Unternehmensteil zu gelten, gab S. mit Billigung seines Vorgesetzten dem Mitangeklagten B. vor, dass in solchen Fällen auch eine fingierte Berichterstattung der Rechnung beigelegt werden konnte. Beide waren sich einig, dass in allen Fällen, in denen die Abrechnung auf der Basis der tatsächlichen Berichterstattung die wegen erbrachter Leistungen eigentlich entstandenen Ansprüche der A. nicht deckte, diese die Berichterstattung fälschen sollte; S. wusste, dass B. die Artikel nicht selbst herstellen konnte und sich dafür eingeweihter Dritter bedienen musste.

Der Mitangeklagte S., der jederzeit auch eine andere Firma mit den Werbemaßnahmen hätte beauftragen können, wollte von der fortwährenden Beauftragung der A. zudem auch persönlich profitieren und sich aus den von der F. AG an sie geleisteten Zahlungen Vermögensvorteile - entweder für sich oder von ihm benannte Dritte - verschaffen. B. verwendete die Zahlungen der F. AG deshalb auch dafür, S. oder den von ihm benannten Dritten solche Vermögensvorteile - etwa Dienstleistungen oder Schmuck und andere Luxusgüter - zukommen zu lassen. Er wollte ihn so an den bisherigen Einnahmen teilhaben lassen und durch das auf diese Weise bei ihm erzeugte Wohlwollen die weitere Beauftragung der A. sichern. Der Mitangeklagte S. wurde deshalb nicht nur wegen Untreue, sondern auch wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr verurteilt, der Mitangeklagte B. wegen Beihilfe zur Untreue und Bestechung im geschäftlichen Verkehr.

Ab Juni 2014 beteiligte sich der Geschäftsführer der - mittlerweile umfirmierten - Einziehungsbeteiligten, der Angeklagte L., an diesen Handlungen, indem er die Einziehungsbeteiligte als Subunternehmer der A. gefälschte Berichte über Trikotaktionen erstellen ließ, die die A. der F. AG in Rechnung stellte. S. gab die Rechnungen in Kenntnis von der Fälschung der vermeintlichen Presseberichte gleichwohl als sachlich richtig frei; sein Vorgesetzter wusste und billigte dies und zeichnete die Rechnungen gleichwohl gegen. Insgesamt wurden von Anfang des Jahres 2014 bis Mitte 2015 über 340 Rechnungen mit einem Gesamtvolumen von über drei Millionen Euro von der A. bei der F. AG eingereicht und bezahlt. Im Gegenzug erbrachte die A. zum Teil auch werthaltige Dienstleistungen zugunsten der F. AG; diese wurden indes nicht einzelnen Rechnungen zugeordnet, vielmehr gab es weder bei der A. noch bei der F. AG eine Buchführung über die Höhe der A. tatsächlich zustehenden Vergütungsansprüche.

Die Einziehungsbeteiligte stellte als Subunternehmer der A. dieser 41 Rechnungen über insgesamt 109.000 Euro, von denen 81.831,89 Euro auf Rechnungen mit gefälschten Berichten entfielen.

Nach Aufdeckung der Taten schloss die F. AG mit der A. und dem Mitangeklagten B. im Juli 2016 einen Vergleich, nach dem die A. der F. AG zur Abgeltung etwaiger Ansprüche aus den verfahrensgegenständlichen Taten knapp 590.000 Euro schuldete, die durch Zahlung und Verrechnung mit offenen Forderungen beglichen werden sollten. Mit Erfüllung des Vergleichs sollten alle wechselseitigen Forderungen ausgeglichen sein („Generalquittung“). Der Vergleich wurde durch Zahlungen der A. erfüllt.

b) Die Strafkammer hat hinsichtlich der für gefälschte Berichte in Rechnung gestellten 81.831,89 Euro die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt:

In dieser Höhe habe die Einziehungsbeteiligte etwas durch die Taten erlangt. Allerdings könnten die Rechnungen der Einziehungsbeteiligten an die A. wegen der darin verwendeten Sammelbezeichnung der Leistungsgegenstände nicht den konkreten Untreuetaten zugeordnet werden, weshalb die erweiterte Einziehung nach § 73a StGB anzuordnen sei. Diese sei gegenüber der Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB nicht nachrangig, weil die Zuordnung zu konkreten Untreuetaten dauerhaft unmöglich sei.

Der Einziehung gegenüber der Einziehungsbeteiligten stehe der zwischen der F. AG einerseits und dem Nichtrevidenten und der A. andererseits geschlossenen Vergleich nicht entgegen. Denn dadurch seien keine Ansprüche der F. AG gegenüber der Einziehungsbeteiligten erloschen, weil solche zu keiner Zeit bestanden hätten. Die Einziehungsbeteiligte könne sich nicht auf Entreicherung berufen, weil ihr Geschäftsführer, der Angeklagte L., die Tatumstände kannte und deshalb bösgläubig war.

c) Die Einziehungsentscheidung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

aa) Es ist bereits im Ansatz unzutreffend, dass das Landgericht von der Anwendbarkeit des § 73a StGB ausgegangen ist. Denn es kommt für die Frage, ob die erlangten Beträge aus den verfahrensgegenständlichen Untreuetaten stammten, nicht darauf an, ob die von der Einziehungsbeteiligten der A. in Rechnung gestellten Beträge jeweils einzelnen Untreuetaten des Angeklagten S. zugeordnet werden konnten. Die erweiterte Einziehung nach § 73a StGB ist vielmehr anzuordnen, wenn Erträge aus anderen als den verfahrensgegenständlichen Taten zu (weiteren) Erträgen geführt haben. Von solchen anderen Straftaten, aus denen die Erträge stammen könnten, ist indes in dem angefochtenen Urteil keine Rede. Wie die Strafkammer selbst zutreffend ausgeführt hat, sind der Einziehungsbeteiligten die Rechnungsbeträge aus den verfahrensgegenständlichen Untreuetaten des Angeklagten S. über die A. aus dem Vermögen der F. AG zugeflossen.

Dementsprechend handelt es sich um Erträge, die die Einziehungsbeteiligte im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB „durch“ die Taten erlangte. Die Zahlungen leistete die A. an die Einziehungsbeteiligte als nachgeordneten Subunternehmer aus den von ihr erlangten Taterträgen; sie stellten mithin die Aufteilung der Tatbeute unter Mittätern dar, wobei die Rechnungsbeträge anstatt an den Mittäter, den Angeklagten L., an die Einziehungsbeteiligte als von ihm beherrschte Drittbegünstigte geleistet wurden.

bb) Unbeschadet dessen geht die Auffassung der Strafkammer fehl, § 73e Abs. 1 StGB stehe der Einziehung schon deshalb nicht entgegen, weil der F. AG kein Anspruch gegen die Einziehungsbeteiligte zugestanden habe, der infolge der Erfüllung des zwischen der F. AG und der A. geschlossenen Vergleichs erloschen sein könnte:

(1) Der F. AG standen gegen den Mitangeklagten S. und seine Mittäter und Gehilfen (§ 840 BGB), also unter anderem gegen den nichtrevidierenden Mitangeklagten B. und gegen den Angeklagten L. als Geschäftsführer der Einziehungsbeteiligten Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB jedenfalls iVm § 266 Abs. 1 StGB zu (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 10. Juli 2011 - VI ZR 341/10, NJW 2012, 3439 Rn. 32). Die A. und die Einziehungsbeteiligte hafteten insoweit in analoger Anwendung des § 31 BGB (vgl. MüKoBGB/Leuschner, 9. Aufl., § 31 Rn. 3 mwN) für das schuldhafte organschaftliche Handeln ihrer Geschäftsführer wiederum nach § 840 Abs. 1 BGB mit diesen und untereinander gesamtschuldnerisch (vgl. MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl., § 823 Rn. 171 mwN). Da die Taten, für die die Einziehungsbeteiligte danach einzustehen hatte, sämtlich solche waren, in denen ihr Geschäftsführer, der Angeklagte L., im Auftrag und im Zusammenwirken mit B. als Geschäftsführer der A. tätig wurde und die gefälschten Presseberichte durch die Einziehungsbeteiligte erstellen ließ, waren die gegen sie bestehenden Ansprüche der F. AG Teil der Schadensersatzforderungen gegenüber der A. und B. .

(2) Diese könnten aber infolge vollständiger Bezahlung der Forderungen durch die A. auf den Vergleich nach § 362 Abs. 1 BGB erfüllt und im Sinne von § 73e Abs. 1 StGB erloschen sein, womit die Einziehung - auch gegenüber der drittbegünstigten Einziehungsbeteiligten - ausgeschlossen wäre. Dass die Einziehungsbeteiligte an dem Abschluss und der Erfüllung des Vergleichs nicht beteiligt war, stünde dem Erlöschen der Forderung durch Zahlung auch ihr gegenüber nicht entgegen, denn durch die Zahlung der A. wäre der - wie dargelegt einheitliche - Schadensersatzanspruch der F. AG insgesamt und gegenüber allen Gesamtschuldnern erloschen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Januar 2020 - 2 StR 528/18, wistra 2020, 201, 202; vom 5. April 2023 - 1 StR 379/22 Rn. 9); soweit das Landgericht damit argumentiert hat, dass eine doppelte Inanspruchnahme nicht drohe, hat es außer Acht gelassen, dass sich die Einziehungsbeteiligte jedenfalls dem Ausgleichsanspruch der A. als leistendem Gesamtschuldner aus § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgesetzt sähe.

Soweit das Landgericht zur Begründung seiner Auffassung, der F. AG habe gegenüber der Einziehungsbeteiligten kein Anspruch zugestanden, auf Rechtsprechung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 6. April 2022 - 1 StR 466/21, NZWiSt 2022, 408) rekurriert hat, ist diese nicht einschlägig: Das folgt schon daraus, dass der dort von der Einziehung betroffene Angeklagte als Mitarbeiter einer Bank Zahlungen als Tatlohn und damit als Taterträge „für“ die Tat erlangt hatte und nicht wie hier „durch“ die Tat; deren Einziehung blieb von Steuernachzahlungen der Bank unberührt, weil jene zum Erlöschen der Steuerschuld führten, den strafrechtlichen, auf Abschöpfung des vom Angeklagten erlangten Tatlohns gerichteten Einziehungsanspruch des Staates aus § 73 Abs. 1 StGB indes unberührt ließen (BGH aaO). Diese von steuerrechtlichen Besonderheiten geprägte Fallkonstellation ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar.

(3) Anderes könnte nur insoweit gelten, als in dem Vergleich mit „Generalquittung“ zugleich zumindest teilweise ein Erlass nach § 397 Abs. 1 BGB zu erblicken wäre.

(a) Dies gilt bereits aufgrund der in vergleichbaren Fällen regelmäßig auf die Parteien einer solchen Vereinbarung beschränkten Wirkung eines Erlassvertrages. Denn ein zwischen einem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarter Erlass wirkt für die übrigen Schuldner nur dann, wenn die Vertragschließenden das ganze Schuldverhältnis aufheben wollten (§ 423 BGB). Ein entsprechender übereinstimmender Parteiwille muss sich aus dem Inhalt der Willenserklärungen durch Auslegung feststellen lassen. Im Zweifel hat der Erlass nur Einzelwirkung (vgl. BGH, Urteile vom 21. März 2000 - IX ZR 39/99, NJW 2000, 1942, 19 20 21 1943; vom 22. März 2012 - VII ZR 129/11 Rn. 13 f.; jeweils mwN; Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 674).

Der Senat kann mangels Feststellung des Inhalts des Vergleichs weder beurteilen, ob - und gegebenenfalls in welchem Umfang - hier von der F. AG Forderungen gegenüber der A. erlassen wurden noch, ob ein etwaiger Erlass nach den vertraglichen Vereinbarungen auch für die Einziehungsbeteiligte hätte wirken sollen.

(b) Hinzu kommt Folgendes: Da die Mitangeklagten S. und B. auch wegen Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr strafbar sind, haben sie - neben dem das Vermögen der F. AG schützenden Untreuetatbestand (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 StR 668/98, NJW 2000, 154, 155; BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a., NJW 2010, 3209, 3212; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 266 Rn. 23 mwN) - mit § 299 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB einen Straftatbestand erfüllt, der zwar auch die Geschäftsinteressen des Geschäftsherrn schützt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 2017 - 3 StR 103/17, NJW 2017, 2565 Rn. 22 mwN; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 299 Rn. 3; MüKoStGB/Krick, 4. Aufl., § 299 Rn. 20 mwN; aA jedenfalls mit Blick auf Vermögensinteressen NK-StGB/Dannecker/Schröder, 6. Aufl., § 299 Rn. 22) und deshalb ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB darstellt (vgl. Staudinger/Hager, BGB, 2021, § 823 Rn. G 42; MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl., § 823 Rn. 690). Zugleich schützt die Strafvorschrift aber auch den freien Wettbewerb und damit ein die Allgemeinheit schützendes Universalrechtsgut (vgl. BT-Drucks. 18/4350 S. 21; BGH aaO; Schönke/Schröder/Eisele aaO; MüKoStGB/Krick, aaO Rn. 18 mwN). In diesen Fällen gilt:

Zweck der gesetzlichen Regelung des § 73e Abs. 1 StGB ist es, eine infolge der Streichung von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aF drohende doppelte Inanspruchnahme des Täters durch den - zwingend vorgeschriebenen - staatlichen Einziehungsanspruch einerseits und zivilrechtliche Ansprüche der Geschädigten andererseits zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 54; LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 73e Rn. 1; MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 73e Rn. 1). Auch ein (Teil-)Erlass nach § 397 Abs. 1 BGB führt zum Erlöschen der zivilrechtlichen Ansprüche und damit nach dem Wortlaut des § 73e Abs. 1 StGB grundsätzlich auch zum Ausschluss der Einziehung. Denn die Regelung ist mit Blick auf den Grundsatz der Privatautonomie „vergleichsfreundlich“ ausgestaltet, soll also demjenigen, bei dem die strafrechtswidrige Vermögensmehrung eingetreten ist, einen Anreiz zu einer zügigen (freiwilligen) Schadenswiedergutmachung etwa im Wege eines Vergleichs mit teilweiser Erfüllung und Teilverzicht geben (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 69; MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 73e Rn. 9).

Andererseits bezweckt § 73e Abs. 1 StGB nicht, dass sich ein Einziehungsadressat durch die zivilrechtliche Vereinbarung eines Erlasses mit dem in seinen Individualrechtsgütern verletzten Geschädigten zu Lasten der durch die Tat ebenfalls geschädigten Allgemeinheit schadlos halten kann (vgl. LG Stuttgart, Beschluss vom 19. Februar 2019 - 6 Qs 1/19 Rn. 22; Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 673 f.; so auch KG, wistra 2023, 301, 302 zu einem sozialgerichtlichen Vergleich in Fällen des § 266a StGB). Mit Blick auf den gesetzgeberischen Willen, einerseits eine wirksame Abschöpfung strafrechtswidrig erlangter Vermögenswerte zu gewährleisten (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 45), andererseits aber den Grundsatz der Privatautonomie zu berücksichtigen, sowie unter Beachtung von Sinn und Zweck der Vorschrift, eine doppelte Inanspruchnahme des Einziehungsadressaten zu vermeiden, ist § 73e Abs. 1 StGB deshalb dahin auszulegen, dass der staatliche Anspruch auf (Wertersatz-)Einziehung bei Normen mit doppeltem Schutzzweck oder bei tateinheitlicher Verletzung von Straftatbeständen, die einerseits Individual- und andererseits Universalrechtsgüter schützen, nur insoweit erlischt, als der Verletzte das Erlangte oder dessen Wert erhält. Denn nur insoweit kommt auch eine doppelte Inanspruchnahme des Einziehungsadressaten in Betracht (vgl. LG Stuttgart, Beschluss vom 19. Februar 2019 - 6 Qs 1/19 Rn. 23; Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 674).

Ob dieser Grundsatz auch gelten kann, wenn der Vergleich zwischen dem Einziehungsadressaten und staatlichen Stellen geschlossen wird, die auch die Interessen der Allgemeinheit vertreten (vgl. insoweit wohl KG, wistra 2023, 301, 302: sozialgerichtlicher Vergleich zwischen den Sozialversicherungsträgern und dem Einziehungsadressaten), braucht der Senat nicht zu entscheiden, weil hier der Vergleich nur zwischen der ausschließlich in ihren individuellen Vermögensinteressen verletzten F. AG und dem Mitangeklagten geschlossen wurde.

Da mangels konkreter Angaben zum Inhalt und zur Erfüllung des Vergleichs unklar ist, in welchem Maße Forderungen der F. AG durch die A. erfüllt wurden und in welchem Maße (weitere) Forderungen erlassen wurden, kann der Senat auch insoweit nicht beurteilen, ob gegebenenfalls noch ein gegen die Einziehungsbeteiligte bestehender staatlicher Einziehungsanspruch besteht.

3. Nach alledem ist über die Einziehung gegenüber der Einziehungsbeteiligten umfassend neu zu verhandeln und zu entscheiden. Die Feststellungen zu den Beträgen, die die Einziehungsbeteiligte durch rechtswidrige Taten erlangt hat und deren Höhe sind von den Rechtsfehlern nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. Im Übrigen sind neue Feststellungen, die den bestehenbleibenden nicht widersprechen, möglich und insbesondere zu den Vergleichsmodalitäten und den Umständen seiner Erfüllung auch geboten.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 465

Bearbeiter: Christian Becker