HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Aug./Sept. 2008
9. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Kirchensteuerbetrug und Steuerhinterziehung durch Ehegatten bei Zusammenveranlagung

Anmerkung zu BGH HRRS 2008 Nr. 572

Regierungsdirektor Stefan Rolletschke, Alfter/Köln

Der BGH hat einmal mehr die Gelegenheit genutzt, "anlässlich" eines konkreten Streitfalls (5 StR 547/07 = BGH HRRS 2008 Nr. 572) in Theorie und/oder Praxis umstrittene Rechtsfragen zu erörtern.

I. Kirchensteuerhinterziehung / Kirchensteuerbetrug

Die Landeskirchensteuergesetze verweisen in Bezug auf das anzuwendende Verfahrensrecht auf die Abgabenordnung. Regelmäßig wird in dieser Verweisung aber ausdrücklich die Anwendbarkeit des dortigen Achten Teils (Straf- und Bußgeldvorschriften, Straf- und Bußgeldverfahren) ausgenommen (vgl. z.B. § 8 Abs. 2 KiStG NRW). Eine Ausnahme hierzu bildet das Land Niedersachsen, das in § 6 Abs. 1 KiStRG Nds. lediglich die Anwendbarkeit der verfahrensrechtlichen Vorschriften (§§ 385 bis 412 AO) ausschließt. Die Hinterziehung von Kirchensteuer ist dort also als "Kirchensteuerhinterziehung" (§ 370 AO) strafbar. Aus dem in den übrigen Bundesländern erfolgten Ausschluss der Strafbarkeit der "Kirchensteuerhinterziehung" folgert ein Großteil der Literatur [1] auch die Straflosigkeit des "Kirchensteuerbetrugs" (§ 263 StGB).

Der 5. Senat konnte diese Frage im Streitfall zwar dahin stehen lassen, da der Vorwurf der Kirchensteuerhinterziehung (das LG hatte im Land NRW wegen Kirchensteuerhinterziehung verurteilt!) mit Zustimmung des Generalbundesanwalts von der Strafverfolgung ausgenommen worden war (§ 154a Abs. 2 StPO). Gleichwohl wies der Senat darauf hin, dass neben dem Wortlaut

des § 386 Abs. 2 Nr. 2 AO die Gesetzesmaterialien[2] für die Anwendbarkeit des Betrugstatbestandes sprächen . Da ein Ausschluss der Anwendbarkeit des Betrugstatbestandes durch den Landesgesetzgeber[3] grundsätzlich nicht mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, Art. 72 Abs. 1 GG vereinbar sei, lasse sich eine "dogmatisch saubere" Lösung nur über die Annahme einer strafrechtlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder gewissermaßen als Annex zu ihrer Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Kirchensteuer finden. Dies lasse sich mit einer vom Wortlaut abweichenden modifizierenden Auslegung des Art. 4 Abs. 3 EGStGB (als Ausnahme von der verfassungsrechtlich vorgegebenen Kompetenzabgrenzung) begründen.[4]

II. Körperschaftsteuerhinterziehung / Gewerbesteuerhinterziehung

Die Ausführungen des 5. Senats zur Berechnung der Körperschaftsteuerverkürzung sowie der Gewerbesteuerverkürzung wegen verschwiegener verdeckter Gewinnausschüttung werfen einmal mehr ein Schlaglicht auf gelegentlich anzutreffende Strafurteile. Bei der sich nach altem Recht (Anrechnungsverfahren) zu beurteilenden Körperschaftsteuerhinterziehung wäre – neben dem Betriebsabgabenabzug der zusätzlich geschuldeten Gewerbesteuer – die Herstellung der 30 %-igen Ausschüttungsbelastung zu berücksichtigen gewesen. Ebenso wäre bei der Berechnung der Gewerbesteuerverkürzung zu beachten gewesen, dass die zusätzlich anfallende Gewerbesteuerschuld als weitere Betriebsausgabe ihre eigene Bemessungsgrundlage mindert.[5]

III. Einkommensteuerhinterziehung

Ob eine kleine "Randbemerkung" des 5. Senats die ihr zukommende Beachtung finden wird, bleibt freilich abzuwarten. In Bezug auf die mittäterschaftliche Verurteilung der Ehegattin führt der Senat aus, die bloße Mitunterzeichnung der Steuererklärung bei gemeinsamer Veranlagung (§ 26b EStG) durch den Ehegatten führe nicht bereits für sich genommen zu dessen Strafbarkeit (vgl. BFHE 198, 66). Vielmehr seien die allgemeinen Regeln über die mittäter- oder gehilfenschaftliche Beteiligung anzuwenden. Eine Zurechnung an die Angeklagte hätte die Feststellung erfordert, dass das Verschweigen dieses Betrages dem gemeinsamen Tatplan entsprach.

Mit diesen Ausführungen verwirft der 5. Senat zunächst die Überlegungen, der eine Steuererklärung mitunterzeichnende Ehegatte begehe auch dann eine eigenhändige Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn die den anderen Ehegatten betreffenden Angaben unzutreffend sind, weil sich seine Erklärungspflicht auch auf die Besteuerungsgrundlagen des anderen Ehegatten erstrecke.[6]

Umgekehrt betont der Senat jedoch die Anwendbarkeit der allgemein-strafrechtlichen Grundsätze zu Täterschaft und Teilnahme. [7] Dies hatte seinerzeit zwar auch der BFH, dessen Urteil vom 16.4.2002 [8] der 5. Senat in Bezug nimmt. Die Frage, ob das bloße Mitunterzeichnen geeignete Beteiligungshandlung ist, umschiffte der BFH dort jedoch durch Bezugnahme auf ein im Original weder argumentativ unterlegtes noch anderweitig untermauertes Postulat aus Klein, AO, 7. Aufl. 2000, § 370 Rn. 121: "Gehen die Beiträge über das Mitunterzeichnenden der gemeinsamen Steuererklärung hinaus, unterstützt er z.B. den anderen Ehegatten aktiv bei seiner Tat, falsche Angaben zu machen, so nimmt er an dem Delikt teil." Bei der Beantwortung dieser Frage ist indes zu berücksichtigen, dass an eine geeignete Beihilfehandlung i.S.d. § 27 StGB bzw. an eine mittäterschaftsbegründende Tatherrschaft i.S.d. § 25 Abs. 2 StGB keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Die Unterschriftsleistung ist äquivalent kausal für den konkreten Taterfolg i.S. einer geeigneten Beihilfehandlung. Selbst wenn man für die Wahl der Zusammenveranlagung die Unterschriften beider Ehegatten für entbehrlich halten sollte, [9] ist jede der beiden Unterschriften jedenfalls alternativ kausal. Sie können zwar alternativ, nicht aber kumulativ hinweg gedacht werden, ohne dass der konkrete Erfolg (sprich die Steuerfestsetzung unter Zugrundelegung des Ehegatten-Splitting-Tarifs) entfällt. Die Mitunterzeichnung ist auch tatherrschaftsbegründend, da die mit den Unterschriften beider Ehegatten versehene Steuererklärung jedenfalls insoweit ohne Beanstandungen im Finanzamt durchläuft. Würde die Steuererklärung nur die Unterschrift eines Ehegatten tragen, würde zumindest ein Restrisiko finanzbehördlicher Nachforschungen oder Nachfragen bestehen (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 2 EStG: eine Zusammenveranlagung setzt die Wahl der Veranlagungsform durch beide Ehegatten voraus). [10] [11] Erforderlich bleibt freilich – worauf der Senat ausdrücklich hinweist – die Feststellung der jeweiligen subjektiven Tatseite. [12]

Der in der Literatur erhobene Einwand, man bringe den Ehegatten bei einer Strafbewehrung der bloßen Mit-

unterzeichnung in große Konfliktlagen, [13] ist zwar vordergründig nachvollziehbar. Er lässt sich jedoch nicht unter die gängigen Rechtfertigungsgründe (Nottand, Pflichtenkollision) oder Entschuldigungsgründe (Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens, Notstand) fassen. [14]


[1] Vgl. statt aller Kohlmann, Steuerstrafrecht, Loseblattsammlung, § 386 Rn. 16; Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, Loseblattsammlung, § 386 Rn. 19.

[2] Vgl. BT-Drucks. IV/2476 S. 18; BT-Drucks. V/1812 S. 29.

[3] Wie etwa von Kohlmann, Steuerstrafrecht, Loseblattsammlung, § 386 Rn. 16, angenommen.

[4] So bereits Randt in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 6. Aufl., § 386 Rn. 21a.

[5] Vgl. Muhler, wistra 2001, 89.

[6] So BFH, Urt. v. 24.07.1997 – I R 62/95, BStBl. II 1997, 155, sowie unter Bezugnahme auf diese Entscheidung Reichle, wistra 1998, 61, und Rolletschke, DStZ 1999, 216.

[7] In diesem Sinne auch BFH, Urt. v. 16.04.2002 – IX R 40/00, BFHE 198, 66 = wistra 2002, 353; LG Lübeck, Urt. v. 02.03.2004 – 6 KLs (5104) 720 Js 57331/03, n.v.

[8] IX 40/00, BFHE 198, 66 = wistra 2002, 353.

[9] Vgl. BFH, Urt. v. 26.03.1985 – VIII 225/83, BStBl II 1985, 603.

[10] Vgl. dazu im Einzelnen von der Aa, Die steuerstrafrechtliche Behandlung des einkommenslosen Ehegatten bei der Zusammenveranlagung, Diss. Münster (2001), S. 79 ff, 88 f.

[11] Vgl. Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, Loseblattsammlung, § 370 Rn. 35.

[12] Vgl. Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, Loseblattsammlung, § 370 Rn. 37, 39.

[13] S o etwa Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 6. Aufl. (2005), § 370 Rn. 249a; Burkhard, PStR 1998, 120, DStZ 1998, 829, StB 2001, 47, StraFo 2002, 345; Tormöhlen, wistra 2000, 406; Müller, AO-StB 2005, 14 .

[14] Vgl. dazu im Einzelnen Rolletschke, DStZ 1999, 216.