HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Dezember 2001
2. Jahrgang
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Hervorzuhebende Entscheidungen des BGH

I. Materielles Strafrecht

1. Schwerpunkt Allgemeiner Teil des StGB


Entscheidung

BGH 1 StR 435/01 - Beschluss vom 25. Oktober 2001 (LG Mannheim)

Notwehr; Erforderlichkeit (Einsatz eines lebensgefährlichen Mittels)

§ 32 StGB

Ob die Verteidigungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB erforderlich ist, hängt im wesentlichen von Art und Maß des Angriffs ab. Dabei darf sich der Angegriffene grundsätzlich des Abwehrmittels bedienen, das er zur Hand hat und das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr erwarten läßt. Das schließt auch den Einsatz lebensgefährlicher Mittel ein. Zwar kann dieser nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen und darf auch nur das letzte Mittel der Verteidigung sein; doch ist der Angegriffene nicht genötigt, auf die Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel zurückzugreifen, wenn deren Wirkung für die Abwehr zweifelhaft ist. Auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang braucht er sich nicht einzulassen (st.Rspr., vgl. nur BGH NStZ 1998, 508; NStZ-RR 1999, 40; StV 2001, 566).


Entscheidung

BGH 5 StR 367/01 - Urteil vom 9. Oktober 2001 (LG Berlin)

Verfolgungsverjährung; 3. Verjährungsgesetz; Beitrittsgebiet (Delikte allgemeiner Kriminalität, Gleichheitssatz)

Art. 315a Abs. 2 EGStGB; Art 3 Abs. 1 GG

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht, Delikte allgemeiner Kriminalität vom Anwendungsbereich des Art. 315a Abs. 2 EGStGB auszunehmen. Das entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJ 2001, 493 m.w.N.), von der abzugehen kein Anlaß besteht. Für in Berlin begangene und verfolgte Taten gilt insoweit nichts Besonderes.


Entscheidung

BGH 2 StR 315/01 - Urteil vom 31. Oktober 2001 (LG Erfurt)

Mittäterschaft und Beihilfe (Abgrenzungskriterien, Beurteilungsspielraum des Tatgerichts); Verabredung zu einem Verbrechen (schwere räuberische Erpressung)

§ 25 Abs. 2 StGB; § 27 StGB; § 30 Abs. 2 StGB; § 255 StGB

1. Eine Verurteilung nach § 30 Abs. 2 StGB (Verabredung zu einem Verbrechen) kommt nur in Betracht, wenn der in Aussicht genommene Tatbeitrag des Angeklagten täterschaftliche Qualität erreichen sollte (vgl. u. a. BGH NStZ 1993, 137, 138).

2. Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Täter begeht, ist in wertender Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (BGHSt 37, 289, 291; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13, 14 und 18). Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend auch eine Mitwirkung am Kerngeschehen. Für eine Tatbeteiligung als Mittäter reicht ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag aus, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken kann (vgl. BGHSt 40, 299, 301; BGH NStZ 1995, 120; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26 und Tatinteresse 2).

3. Für die Frage, ob ein Tatbeitrag nur untergeordnete Bedeutung hat, ist nicht allein vom Verhältnis des Tatbeitrages des Angeklagten gegenüber dem der anderen Beteiligten auszugehen. Entscheidend ist die Gewichtigkeit des Tatbeitrages für die gesamte Tat.

2. Schwerpunkt Besonderer Teil des StGB


Entscheidung

BGH 1 StR 321/01 - Beschluss vom 26. September 2001 (LG Mannheim)

Mord aus niedrigen Beweggründen (Fehlende moralische Rechtfertigung und verständliche Motive, Verhinderung eines Selbstmordes, Eigensucht)

§ 211 Abs. 2 StGB

Die Niedrigkeit der Beweggründe ergibt sich nicht schon aus der fehlenden moralischen Rechtfertigung der Tat. Motive, denen "jedermann je nach Anlaß mehr oder weniger stark erliegen kann, tragen nicht von vorneherein den Stempel der Niedrigkeit" (BGH NJW 1996, 471, 472 m. w. Nachw.). Dies gilt auch, wenn die Tat aus Angst vor der Zukunft begangen wurde. Eine Bewertung derartiger Motive als niedrig setzt vielmehr eine umfassende Gesamtabwägung aller Umstände voraus (BGH aaO).