HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

September 2001
2. Jahrgang
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Hervorzuhebende Entscheidungen des BGH

I. Materielles Strafrecht

1. Schwerpunkt Allgemeiner Teil des StGB


Entscheidung

BGH 1 StR 171/01 - Beschluß v. 12. Juli 2001 (LG Landshut)

BGHR; Auslieferung; Stellvertretende Strafrechtspflege; Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts; Tatrichter; Arbeitsfähiges Justizsystem; Auslieferungsentscheidung (Entscheidungszuständigkeit und Begründungspflicht; Hinwirken); Vollständige Bescheidung eines Beweisantrages (Wahrunterstellung) und Obliegenheit des Verteidigers zur Klarstellung von Mißverständnissen

§ 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB; § 74 IRG; § 244 Abs. 6 StPO

1. Der Senat neigt dazu, daß in einem Fall der stellvertretenden Strafrechtspflege nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB das Revisionsgericht nach rechtsfehlerfreier Behandlung der Sache durch den Tatrichter nicht erneut prüfen muß, ob der Angeklagte (nunmehr) ausgeliefert werden kann. (BGHR)

2. Da eine Auslieferung auch auf der Grundlage außenpolitischer Ermessenserwägungen abgelehnt werden kann, obliegt es den Gerichten nicht auf eine nähere Begründung der Nichtauslieferungsentscheidung hinzuwirken. (Bearbeiter)

3. Die Wahrunterstellung muß den Beweisantrag erschöpfen; andernfalls ist er durch die Wahrunterstellung nicht erledigt. Dabei ist zu beachten, daß sich das Beweisthema auch aus der Antragsbegründung ergeben kann, jedoch ist nicht alles, was der Antragsteller in der Umschreibung der Beweisthematik aussagt, in jedem Fall auch Bestandteil der Beweisbehauptung. Wird in Beweisanträgen nicht klar zwischen Tatsachenbehauptung und Schlußfolgerungen getrennt, kann es Sache des Antragstellers sein, im Falle einer Antragszurückweisung mit einem erneuten Antrag auf eine (nun im Revisionsverfahren geltend gemachte) Verkürzung des Beweisthemas hinzuweisen. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 3 StR 45/01 - Beschluß v. 10. Mai 2001 (LG Hildesheim)

Fahrlässige Körperverletzung; Vorhersehbarkeit und Zumutbarkeit; Ausnahmen von der Erlaubnispflicht beim Besitz einer Schußwaffe

§ 229 StGB; § 28 Abs. 4 WaffG; § 15 StGB

Fahrlässig handelt, wer eine objektive Pflichtwidrigkeit begeht, sofern er diese nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten vermeiden konnte, und wenn gerade die Pflichtwidrigkeit objektiv und subjektiv vorhersehbar den Erfolg gezeitigt hat. Die Einzelheiten des durch das pflichtwidrige Verhalten in Gang gesetzten Kausalverlaufs brauchen dagegen nicht vorhersehbar sein. Tritt der Erfolg durch das Zusammenwirken mehrerer Umstände ein, müssen alle diese Umstände dem Täter erkennbar sein, weil nur dann der Erfolg für ihn voraussehbar ist (vgl. BGH NStZ 2001, 143, 145). Es kommt jedoch stets auf die konkrete Situation an. Die Vorwerfbarkeit entfällt, wenn dem Täter ein anderes Handeln nicht zugemutet werden kann, wobei sich die Zumutbarkeit auch nach der Größe der drohenden Gefahr richtet (vgl. BGHSt 4, 20, 23).


Entscheidung

BGH 4 StR 256/01 - Beschluß v. 24. Juli 2001 (LG Neubrandenburg)

Notwehr (Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung; Kampflage; Messereinsatz)

§ 32 StGB

Ob eine Verteidigungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB erforderlich ist, hängt im wesentlichen von Art und Maß des Angriffs ab. Grundsätzlich darf der Angegriffene das Abwehrmittel wählen, das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr erwarten läßt (vgl. BGHSt 25, 229, 230). Er muß sich nicht mit der Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel begnügen, wenn deren Abwehrwirkung zweifelhaft ist. Wann eine weniger gefährliche Abwehr geeignet ist, die Gefahr zweifelsfrei zu beseitigen, hängt von der jeweiligen "Kampflage" ab (BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 5). Demgemäß ist auch der Einsatz eines Messers oder einer Schußwaffe nicht von vornherein unzulässig. Er kann aber nur das letzte Mittel der Verteidigung sein. In der Regel ist der Angegriffene gehalten, den Gebrauch des Messers oder der Waffe zunächst anzudrohen oder, sofern dies nicht ausreicht, wenn möglich, vor dem tödlichen einen weniger gefährlichen Einsatz zu versuchen (BGHSt 26, 256, 258; BGH NStZ 1996, 29).


Entscheidung

BGH 4 StR 144/01 - Urteil v. 19. Juli 2001 (LG Kaiserslautern)

Tötungsvorsatz (Lebensgefährliche Handlung; Bedingter Vorsatz; Hemmschwelle); Schwere Körperverletzung

§ 212 StGB; § 15 StGB; § 16 StGB; § 226 Abs. 2 StGB

1. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, daß der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner, daß er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles wegen mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 38, 39 m.w.N.).

2. Auch für das Willenselement stellt die Lebensbedrohlichkeit gefährlicher Gewalthandlungen ein gewichtiges Beweisanzeichen dar, jedoch ist angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung unter Berücksichtigung aller Tatumstände des Einzelfalles sorgfältig zu prüfen, ob der Täter. der sein gefährliches Handeln durchführt, obwohl er mit der Möglichkeit tödlicher Verletzungen rechnet, den Tod des Opfers billigend in Kauf nimmt (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3, 5, 33, 35 und 38 jeweils m.w.N.). in diese Prüfung sind vor allem die konkrete Angriffsweise, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation miteinzubeziehen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 39).

3. Liegt die Lebensgefährlichkeit der Handlung sehr nahe darf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten nicht dahin mißverstanden werden, daß durch sie die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensgefährlichkeit von Gewalthandlungen als einem gewichtigen, auf Tötungsvorsatz hinweisenden Beweisanzeichen in der praktischen Rechtsanwendung in Frage gestellt werden soll.


Entscheidung

BGH 2 StR 166/01 - Urteil v. 8. August 2001 (LG Darmstadt)

Tötungsvorsatz; dolus eventualis; Eventualvorsatz; Bewußte Fahrlässigkeit; Beweiswürdigung (Darlegungsmangel)

§ 212 StGB; § 16 StGB; § 15 StGB; § 261 StPO

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, daß der Täter auch mit der Möglichkeit rechnet, daß das Opfer dabei zu Tode kommen könne, und, wenn er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung ist allerdings immer auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten. Der Schluß auf bedingten Tötungsvorsatz ist daher nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter in seine Erwägungen alle Umstände einbezogen hat, die ein solches Ergebnis in Frage stellen (ständige Rechtsprechung).

2. Die Erfahrung zeigt, daß auch geringe Anlässe Ursache massivster Gewalthandlungen gegen Kinder sein können, bei denen der Täter aus Wut und Ärger die Beherrschung verliert und - zu diesem Zeitpunkt - sogar einen tödlichen Erfolg in Kauf nimmt. Auch der Umstand, daß im Nachhinein die Tat bedauert und versucht wird, sie, soweit wie möglich, ungeschehen zu machen, spricht schon für sich gesehen nur bedingt gegen eine billigende Inkaufnahme des tödlichen Erfolgs zum Zeitpunkt der Tathandlung.


Entscheidung

BGH 3 StR 244/01 - Beschluß v. 19. Juli 2001 (LG Hannover)

Sukzessive Mittäterschaft; Beihilfe zum Betrug

§ 25 Abs. 2 StGB; § 263 StGB; § 27 StGB

Tritt der Angeklagte erst nach Vollendung des Betruges durch den Haupttäter in das Gesamtgeschehen ein, so kommt sukzessive Mittäterschaft im Gegensatz zur Beihilfe zum Betrug nicht in Betracht.

2. Schwerpunkt Besonderer Teil des StGB


Entscheidung

BGH 1 StR 66/01 - Urteil v. 27. Juni 2001 (LG Würzburg)

BGHSt; Verbreiten und Zugänglichmachen im Internet (Körperlichkeitserfordernis); Verantwortlichkeit für eigene Inhalte; Datenspeicher; Upload; Download; Schwerer sexueller Mißbrauch eines Kindes; Pornographie; Begriff des Kindes (Altersangabe im Internet; Verständiger Betrachter; Fiktive Personen); Presserechtliche Verjährung; Verbreitung pornographischer Schriften; Elektronischer Arbeitsspeicher; Prüfungsumfang bei der staatsanwaltlichen Revision

§ 176a Abs. 2 StGB; § 184 Abs. 3 StGB; § 5 Abs. 1 TDG; § 11 Abs. 3 StGB; § 182 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt StGB

1. Die Vorschrift des § 176a Abs. 2 StGB erfaßt sämtliche Varianten der in Bezug genommenen Absätze 3 und 4 des § 184 StGB. (BGHSt)

2. Ein Verbreiten (§ 184 Abs. 3 Nr. 1 StGB) im Internet liegt vor, wenn die Datei auf dem Rechner des Internetnutzers angekommen ist. Dabei ist es unerheblich, ob dieser die Möglichkeit des Zugriffs auf die Daten genutzt, oder ob der Anbieter die Daten übermittelt hat. Ein Zugänglichmachen (§ 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB) im Internet liegt vor, wenn eine Datei zum Lesezugriff ins Internet gestellt und dem Internetnutzer so die Möglichkeit des Zugriffs auf die Datei eröffnet wird. (BGHSt) Nicht erforderlich ist, daß auch ein Zugriff das Internetnutzers erfolgt. (Bearbeiter)

3. Das Tatbestandsmerkmal des § 184 Abs. 3 StGB "sexuellen Mißbrauch von Kindern zum Gegenstand haben" liegt stets vor, wenn die Person des tatsächlichen sexuellen Mißbrauchs ein Kind ist. In den übrigen Fällen kommt es auf die Sicht eines verständigen Betrachters an. (BGHSt) Entsprechendes gilt für bloß fiktive Personen. (Bearbeiter)

4. Der Senat läßt offen, ob presserechtlichen Verjährungsvorschriften auf Fälle der vorliegenden Art überhaupt anwendbar sind. (Bearbeiter)

5. Wegen der vom Gesetzgeber vorgenommenen Gleichstellung des Datenspeichers mit Schriften kann die Rechtsprechung, wonach ein Verbreiten von Schriften nur dann vorliege, wenn die Schrift ihrer Substanz nach - und damit körperlich - einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht wird (BGHSt 18, 63, 64), auf Publikationen im Internet nicht übertragen werden. Darauf, ob die übertragene Datei auf einem (permanenten) Speichermedium gespeichert wird, kommt es nicht an. (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 1 StR 576/00 - Urteil v. 11. Juli 2001 (LG München I)

BGHSt; Ausschreibungsbetrug; Täuschungshandlung (Konkludenter Inhalt der Angebotseinreichung bei freihändigen Auftragsvergaben); Wettbewerbswidrige Preisabsprachen; Vermögensschaden (absprachebedingte Preisaufschläge); Irrtum (Zweifel, Vermutungen); Verbot der Unterkostenpreise

§ 263 StGB; § 298 StGB

1. Auch bei einer freihändigen Vergabe mit Angebotsanfragen durch öffentliche oder private Auftraggeber an zumindest zwei Unternehmer enthält die Angebotsabgabe regelmäßig die schlüssige (konkludente) Erklärung, daß dieses Angebot ohne eine vorherige Preisabsprache zwischen den Bietern zustande gekommen ist. (BGHSt)

2. Bei wettbewerbswidrigen Preisabsprachen umfaßt der Betrugsschaden die absprachebedingten Preisaufschläge. (BGHSt)

3. Ein Irrtum im Sinne des § 263 StGB ist nicht nur gegeben, wenn der Getäuschte von der Gewißheit der behaupteten Tatsache ausgeht, sondern auch dann, wenn er trotz gewisser Zweifel die Vermögensverfügung trifft, wenn er also die Möglichkeit der Unwahrheit für geringer hält (BGH wistra 1990, 305). Reine Vermutungen bezüglich einer möglichen Absprache schließen einen Irrtum nicht aus. (Bearbeiter)

4. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht beim Eingehungsbetrug in Form des sog. Ausschreibungs- oder Submissionsbetrugs der Vermögensschaden in der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Auftragssumme und dem Preis, der bei Beachtung der für das Auftragsvergabeverfahren geltenden Vorschriften erzielbar gewesen wäre (BGHSt 38, 186, 190 ff.), der erzielbare Preis ist der erzielte Preis abzüglich der absprachegemäß bedingten Preisaufschläge. Dabei sind Schmiergeldzahlungen und Ausgleichszahlungen (an die anderen an der Absprache beteiligten Unternehmer gezahlte Abstandssummen) nahezu zwingende Beweisanzeichen dafür, daß der ohne Preisabsprache erzielbare Preis den tatsächlich vereinbarten Preis unterschritten hätte. Nichts anderes gilt in den Fällen freihändiger Vergabe mit Angebotsanfragen. (Bearbeiter)

5. Die Annahme eines Tatrichters, ein Vermögensschaden sei mindestens in Höhe der Schmiergeldbeträge und Ausgleichszahlungen entstanden, begegnet danach keinen rechtlichen Bedenken. Es kommt ausschließlich darauf an, ob der Auftraggeber einen höheren Preis versprochen hat, als ohne die Preisabsprache zustande gekommen wäre; es ist auch unerheblich, ob der vereinbarte Preis den Wertvorstellungen des Marktes entsprach (vgl. BGHSt 38, 186, 193 = NJW 1992, 921). (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 1 StR 182/01 - Beschluß v. 31. Mai 2001 (LG Mosbach)

BGHR; Geiselnahme; Sich bemächtigen; Strafrahmenmilderung; Lebensbereich

§ 239 b Abs. 2 StGB; § 239 a Abs. 4 StGB

Hat der Täter einer Geiselnahme sich des Opfers in dessen Lebensbereich bemächtigt, kommt die Anwendung des § 239 b Abs. 2 i.V.m. § 239 a Abs. 4 StGB bereits dann in Betracht, wenn der Täter sein Opfer am Tatort frei gibt und dieses die Möglichkeit hat, seinen Aufenthaltsort wieder frei zu bestimmen. (BGHR)


Entscheidung

BGH 3 StR 62/01 - Urteil v. 23. Mai 2001 (LG Itzehoe)

Waffeneigenschaft eines Gummiknüppels; Verwenden einer Waffe beim Tatbestand der sexuellen Nötigung

§ 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB

1. Ein Gummiknüppel ist eine Hiebwaffe nach § 1 Abs. 7 WaffG und damit eine Waffe im technischen Sinne.

2. Der Einsatz eines Schlagstocks zur Vornahme sexueller Handlungen stellt ein Verwenden der Waffe dar und erfüllt damit die Voraussetzung der schwereren Qualifikationsnorm des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB.


Entscheidung

BGH 4 StR 402/01 - Beschluß v. 12. Juni 2001 (LG Dortmund)

Betrug; Vermögensschaden; Konkret schadensgleiche Vermögensgefährdung (Zug um Zug Leistung; Nachweis im Urteil); Wirtschaftlicher Vermögensgefährdung; Leistungsverweigerungsrecht; Darlehensvertrag; Vermögensvergleich (Ansprüche gegen Dritte / Gesellschafter); Begriff der Inlandstat (Vorbereitungshandlungen); Schädigungsvorsatz

§ 263 StGB; § 3 StGB; § 15 StGB; § 16 StGB

1. Der Abschluß eines Vertrages erfüllt die Voraussetzungen eines Eingehungsbetruges noch nicht, wenn der durch Täuschung zustande gekommene Vertrag nur zur Zug-um-Zug-Leistung verpflichtet. In solchen Fällen liegt in dem Vertragsschluß regelmäßig noch keine schadensgleiche Vermögensgefährdung (vgl. BGHR § 263 StGB Vermögensschaden 46; BGH StV 1999, 24). Das Leistungsverweigerungsrecht sichert den in seiner Bonität beeinträchtigten Gegenanspruch.

2. Ob die Hingabe eines Darlehens einen Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB bewirkt, hängt davon ab, ob nach und infolge der Darlehensgewährung das Gesamtvermögen des Darlehensgebers einen geringeren Wert hat als vorher. Entscheidend hierfür ist ein - für den Zeitpunkt der Darlehenshingabe anzustellender - Wertvergleich zwischen dem Gegenstand des Darlehens und dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensgläubigers. Es kommt darauf an, ob der Rückzahlungsanspruch dem überlassenen Darlehensbetrag gleichwertig ist. Minderwertig ist er unter Umständen dann, wenn es an einer Sicherheit fehlt, aus der sich der Gläubiger bei ausbleibender Rückzahlung ohne Schwierigkeiten, namentlich ohne Mitwirkung des Schuldners, befriedigen kann. In der Täuschung über das Bestehen, den Wert oder die Verwertbarkeit einer vertraglich ausbedungenen Sicherheit kann eine vermögensschädigende Betrugshandlung liegen. Trotz Vorspiegelung einer solchen Sicherheit entsteht aber kein Betrugsschaden, wenn der Rückzahlungsanspruch auch ohne die Sicherheit aufgrund der Vermögenslage des Darlehensnehmers oder sonstiger Umstände, die den Gläubiger vor einem Verlust seines Geldes schützen, wirtschaftlich sicher ist (vgl. BGH StV 1985, 186 f., 1986, 203).

3. Reine Vorbereitungshandlungen rechtfertigen die eine Einordnung als Inlandstat nach § 3 StGB nicht.

4. Der Schädigungsvorsatz entfällt beim Darlehensbetrug nicht schon deshalb, weil der Täter beabsichtigt, hofft oder glaubt, den endgültigen Schaden abwenden zu können. Davon unberührt bleibt jedoch das Erfordernis, daß der Täter im Zeitpunkt der Kreditgewährung die Minderwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs im Vergleich zu dem erhaltenen Geldbetrag gekannt hat. Dazu genügt freilich bereits seine Kenntnis der die Vermögensgefährdung begründenden Umstände (BGH wistra 1988, 188, 190; 1991, 307 f.) und das Wissen, daß die Forderung nach allgemeinen Bewertungsmaßstäben nicht als gleichwertig angesehen wird, mag er selbst sie auch anders bewerten (BGH bei Dallinger MDR 1972, 197 f.).


Entscheidung

BGH 3 StR 135/01 - Beschluß v. 20. Juni 2001 (LG Hannover)

Schwerer Menschenhandel (Vollendung); Tateinheit; Tatmehrheit; Vergewaltigung; Bestimmen zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution; Sexuelle Nötigung; Eröffnungsbeschluß; Begriff der Tat im prozessualen Sinne (Fehlerhafte Annahme eines verknüpfenden Dauerdeliktes); Kognitionspflicht

§ 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB; § 52 StGB; § 53 StGB; § 177 StGB; § 203 StPO; § 260 Abs. 3 StPO; § 264 StPO

1. Die Prostitution übt aus, wer auf gewisse, nicht unbedingt längere Dauer wiederholt mit wechselnden Partnern sexuelle Handlungen gegen Entgelt vornimmt (BGH NStZ 2000, 86; 2000, 368, 369), wobei es ohne Belang ist, wo und wie die Partner geworben werden und wer das Entgelt kassiert. Aufgenommen wird die Prostitutionsausübung mit der ersten Handlung des Tatopfers, die unmittelbar auf eine derartige entgeltliche sexuelle Handlung abzielt (BGH NStZ 2000, 86, 87; BGHR StGB § 181a Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 3).

2. Wird das Tatopfer durch eine der in § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB genannten Nötigungsmittel zur Aufnahme der Prostitution bestimmt, ist bereits mit der ersten derartigen Handlung das Verbrechen des schweren Menschenhandels vollendet und abgeschlossen; denn bei § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB handelt es sich nicht um ein Dauerdelikt, das sich über den gesamten Zeitraum der erzwungenen Prostitutionsausübung erstreckt und bei dem wiederholte Nötigungshandlungen gegen das Tatopfer als unselbständige Einzelakte einer einheitlichen Tat gewertet werden könnten. Setzt der Täter daher zur Erzwingung weiterer sexueller Handlungen des Tatopfers wiederum Gewalt oder Drohungen ein, macht er sich erneut nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Tatvariante des Bestimmens zur Fortsetzung der Prostitution strafbar, wenn die Weigerung des Opfers zur Vornahme der sexuellen Handlungen darauf beruht, daß es die Prostitutionsausübung aufgeben will (vgl. BGHR StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 3).

3. Es erscheint äußerst zweifelhaft, ob das mit einer geringeren Strafandrohung versehene Verbrechen nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB für sich selbständige Taten nach § 177 StGB überhaupt zu Tateinheit verklammern kann.

4. Allein eine Zahlung für sexuelle Handlungen belegt noch nicht zwingend die Aufnahme der Prostitution, soweit weder festgestellt ist, daß die handelnde Person Kenntnis von der Zahlung erlangte, noch, daß sie davon ausging, in der Folge werde es zumindest für eine gewisse Dauer zu gleichen oder anderen entgeltlichen sexuellen Handlungen mit anderen Personen kommen.


Entscheidung

BGH 3 StR 199/01 - Beschluß v. 20. Juni 2001 (LG Hannover)

Prostitution; Schwerer Menschenhandel (Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung); Gewalt; Drohung; Einverständnis; Qualitativ andere oder intensivere Prostitution

§ 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB

Schutzgut des § 181 StGB ist nicht das Recht einer freiwillig der Prostitution nachgehenden Person, über eigene Einnahmen nach Belieben verfügen zu können, sondern lediglich die sexuelle Selbstbestimmung. Diese Vorschrift schützt eine Person, die der Prostitution bereits nachgeht, davor, daß sie nicht zu einer andersartigen, von ihr nicht gewollten Form der Prostitutionsausübung genötigt wird (vgl. BGHR StGB § 181 Abs. 1 Nr. 1 Prostitution 19).