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HRR-Strafrecht
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2001
2. Jahrgang
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1. Eine zulässige Aufklärungsrüge setzt voraus, daß das Ergebnis konkret bezeichnet wird, das von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre.
2. Ein Erfahrungssatz, daß innerhalb einer Sekunde ein Körperverletzungsvorsatz nicht gefaßt werden kann, besteht nicht; vielmehr ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß (im Straßenverkehr) Reaktionszeiten von unter einer Sekunde in Betracht kommen.
3. Zur Vorsatzprüfung bei besonders gefährlichen Handlung (erforderliche Gesamtbetrachtung, voluntatives Element).
1. Die Beweisgewinnung unter Verwendung des satellitengestützten Navigationssystems "Global Positioning System" ("GPS") ist von § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO gedeckt. Diese Vorschrift gestattet den Strafverfolgungsbehörden im Wege der Annexkompetenz unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch die Vornahme der für den Einsatz des technischen Mittels notwendigen Begleitmaßnahmen. (BGHSt)
2. Trifft der Einsatz des "GPS" mit anderen je für sich zulässigen Eingriffsmaßnahmen zusammen und führt dies zu einer umfassenden Überwachung der Person, so kann das gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Bei der insoweit erforderlichen Abwägung kommt dem Gewicht der aufzuklärenden Straftat besondere Bedeutung zu. (BGHSt)
3. Werden für längerfristige Observationen technische Mittel im Sinne des § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO verwendet, so sind zusätzlich die Anordnungsvoraussetzungen des § 163 f StPO zu beachten. Bis zum Inkrafttreten dieser Vorschrift (1. November 2000) bestand keine richterliche Anordnungskompetenz. (BGHSt)
4. Der Einsatz der "GPS"-Technik greift nicht in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) ein. Der unantastbare Kernbereich des durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutzes der Privatsphäre (vgl. BVerfGE 34, 238, 245 ff.; 80, 367, 373 ff.) und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE 65, 1, 41 ff.;) werden durch die Verwendung des "GPS" nicht berührt. Angesichts des erheblichen, verfassungsrechtlich anerkannten Interesses an der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten (BVerfGE 51, 324, 343) handelt es sich um eine vom Gesetzesvorbehalt gedeckte und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragende Grundrechtsbeschränkung. (Bearbeiter)
5. Von § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StPO wird im Wege der Annexkompetenz unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch die kurzzeitige Verbringung eines Fahrzeugs in eine Werkstatt gedeckt. (Bearbeiter)
6. Der Einsatz des "GPS" ist eine weniger grundrechtsintensive Überwachungsmethode, deren erforderliche richterliche Kontrolle im Strafverfahren erfolgt. (Bearbeiter)
7. Da § 163 f StPO ausschließlich auf die Dauer der Observation abstellt und keine Unterscheidung nach der Art der Überwachungsmethode trifft, gilt § 163 f StPO für jede längerfristige Observation unabhängig davon, ob sie mit oder ohne technische Mittel durchgeführt wird (Bearbeiter)
1. Einzelfall der zulässigen Beschwerde gegen die Rechtmäßigkeit einer Durchsuchungsanordnung obwohl die Durchsuchung bereits abgeschlossen ist (mit der Wohnungsdurchsuchung verbundene tiefgreifende Grundrechtseingriffe und Notwendigkeit eines effektiven Rechtsschutzes, BGH NJW 2000, 84, 85).
2. Rügen gegen die Art und Weise der vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs angeordneten Durchsuchung können lediglich durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO vorgebracht werden, in den der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den unzulässigen Teil der Beschwerde umdeuten will.
3. Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, daß eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt (BGH NJW 2000, 84, 85 m.w.Nachw.) aus.
Auch die Verkündung eines Einstellungsbeschlusses kann im Einzelfall ein Wiedereintreten in die Verhandlung sein mit der Folge, daß erneut das letzte Wort zu erteilen ist.
1. Nicht jeder Tatverdacht begründet bereits die Beschuldigteneigenschaft mit entsprechender Belehrungspflicht, es kommt vielmehr auf die Stärke des Tatverdachts an.
2. Nach pflichtgemäßer Beurteilung der Strafverfolgungsbehörde ist dann von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung überzugehen, wenn sich der Verdacht so verdichtet hat, daß die vernommene Person ernstlich als Täter der untersuchten Straftat in Betracht kommt.
1. Auch unter dem Gesichtspunkt fairer Verfahrensgestaltung ist in der Hauptverhandlung ein Zwischenverfahren, in dem sich das Gericht zu Inhalt und Ergebnis einzelner Beweiserhebungen erklären müßte, nicht vorgesehen (vgl. im einzelnen BGHSt 43, 212 ff.).
2. Erteilt das Gericht über seine Hinweispflicht hinaus vor der Urteilsberatung einen spezifizierten Hinweis, muß es die mit ihm verbundene Zusage einhalten.
1. Der Strafzumessungsregel des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG kommt gegenüber dem Tatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG keine eigenständige Bedeutung zu (BGH NStZ 1994, 39).
2. Der Verfahrensverstoß der Nichterteilung des letzten Wortes des Angeklagten stellt keinen absoluten Revisionsgrund dar, jedoch kann die Möglichkeit, daß das Urteil auf ihm beruht, nur in besonderen Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (vgl. BGHSt 22, 278, 280).