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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 344

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1719/19, Beschluss v. 06.02.2020, HRRS 2020 Nr. 344


BVerfG 2 BvR 1719/19 (2. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 6. Februar 2020 (BayObLG / LG Regensburg)

Zuteilung eines ehrenamtlichen Besuchers im Strafvollzug (grundrechtlicher Anspruch auf Gleichbehandlung; willkürfreie Gestaltung der Vergabepraxis; Recht auf effektiven Rechtsschutz; Ablehnung einer Vermittlung wegen fehlender Kapazitäten als gerichtlich überprüfbare Maßnahme mit Regelungscharakter; Überspannung der Darlegungsanforderungen bei eingeschränkten Nachweismöglichkeiten des Gefangenen; Absehen von einer Entscheidungsbegründung durch das Rechtsbeschwerdegericht; offenkundiges Abweichen von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Art. 3 Abs. 1 GG; Art. 19 Abs. 4 GG; § 109 StVollzG; § 119 Abs. 3 StVollzG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Weist eine Justizvollzugsanstalt das Begehren eines Strafgefangenen auf Zuteilung eines ehrenamtlichen Besuchers unter Bezugnahme auf mangelnde Kapazitäten zurück, so verletzt die von dem Gefangenen angerufene Strafvollstreckungskammer dessen Recht auf effektiven Rechtsschutz, wenn sie die Mitteilung der Anstalt nicht als Maßnahme mit Regelungscharakter, sondern lediglich als Hinweis bewertet und dem Gefangenen damit faktisch jede Möglichkeit nimmt, das von ihm beanstandete Vergabeverfahren im Hinblick auf Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG fachgerichtlich überprüfen zu lassen.

2. Macht ein Gefangener geltend, er sei bei der Vermittlung eines ehrenamtlichen Besuchers gegenüber später Inhaftierten gleichheitswidrig übergangen worden, so überspannt die Strafvollstreckungskammer die Darlegungsanforderungen, wenn sie unter Verkennung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht nicht die eingeschränkten Nachweismöglichkeiten des Gefangenen berücksichtigt, der keinen Zugriff auf etwaige Gefangenenlisten mit Einlieferungs- und Antragstellungsdaten sowie Wartelisten und Zuteilungskriterien hat.

3. Der grundrechtliche Anspruch auf Gleichbehandlung verbietet es staatlichen Stellen, das Verfahren oder die Kriterien einer Vergabe willkürlich zu bestimmen. Die tatsächliche Vergabepraxis kann außerdem zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen, von der diese nicht ohne Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG abweichen kann.

4. Das subjektive Recht auf Gleichbehandlung ist im Rahmen des Justizgewährungsanspruchs gerichtlich verfolgbar und Teil der Garantie effektiven Rechtsschutzes.

5. Ein Gericht verletzt das Recht auf effektiven Rechtsschutz, wenn es durch unzumutbare Anforderungen an das prozesserhebliche Verhalten des Rechtsuchenden den Zugang zum Gericht unangemessen erschwert oder für den geltend gemachten Verfahrensgegenstand einen an sich eröffneten Rechtsweg für nicht gegeben hält und dabei verkennt, dass der Rechtsuchende ein Verhalten der öffentlichen Gewalt zum Verfahrensgegenstand macht, bei dem auf der Grundlage des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht ausgeschlossen werden kann, dass es ihn in Grundrechten verletzt.

6. Sieht das Rechtsbeschwerdegericht von einer Begründung seiner Entscheidung ab, so ist dies mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz bereits dann nicht vereinbar, wenn die angegriffene Entscheidung offenkundig von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abweicht, so dass erhebliche Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten bestehen.

Entscheidungstenor

Der Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 17. Juni 2019 - SR StVK 331/19 - sowie der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 28. August 2019 - 204 StObWs 1306/19 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Die Beschlüsse werden aufgehoben und die Sache wird an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen. Damit wird der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 15. Oktober 2019 - 204 StObWs 1306/19 - gegenstandslos.

Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

Mit seiner Verfassungsbeschwerde begehrt der strafgefangene Beschwerdeführer die Zuteilung eines ehrenamtlichen Besuchers.

I.

1. Der Beschwerdeführer verbüßt eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten in der Justizvollzugsanstalt Straubing. Das Strafende ist auf den 27. Februar 2021 notiert.

2. Mit Antrag vom 24. März 2019 begehrte der Beschwerdeführer die Zuteilung eines ehrenamtlichen Besuchers ab dem 30. April 2019. Das diene seiner Resozialisierung. Ein Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt teilte dem Beschwerdeführer am 5. April 2019 mündlich mit, dass dies aus Kapazitätsgründen derzeit nicht möglich sei. Die Vermittlung eines Besuchers könne erfolgen, sobald ein für den Beschwerdeführer geeigneter Besucher gefunden werde.

3. Unter dem 23. April 2019 beantragte der Beschwerdeführer beim Landgericht Regensburg - auswärtige Strafvollstreckungskammer bei dem Amtsgericht Straubing -, die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, ihm bis zum 31. Mai 2019 einen ehrenamtlichen Besucher zuzuteilen. Er sei seit nunmehr fünf Jahren in der Justizvollzugsanstalt Straubing inhaftiert. Aufgrund der großen Entfernung erhalte er seitdem keinen Besuch mehr von Familienangehörigen oder Freunden, so wie dies vor seiner Verlegung aus der Justizvollzugsanstalt Kempten der Fall gewesen sei. Er könne nur alle zwei Monate mit seinen Eltern telefonieren. Sonst bleibe nur der schriftliche Kontakt mit seinen Freunden. Dieser Mangel an persönlichen Kontakten belaste ihn zunehmend. Es sei in einem Gutachten im Jahr 2018 festgestellt worden, dass durch die langjährige Inhaftierung ohne persönliche Besuche bei ihm von einem hohen therapeutischen Bedarf ausgegangen werden müsse. Schon in seinem Vollzugsplan von 2014 sei vermerkt, dass er ehrenamtlichen Besuch wünsche und dies auch gefördert werden solle. Seitdem habe er immer wieder Anträge auf ehrenamtlichen Besuch gestellt. Auf seinen letzten Antrag hin habe ihm die Justizvollzugsanstalt im April 2019 eröffnet, dass im Moment kein ehrenamtlicher Besucher frei sei. Zwischenzeitlich habe er jedoch erfahren, dass andere Inhaftierte, die nach ihm in die Justizvollzugsanstalt gekommen seien, bereits einen ehrenamtlichen Besucher zugeteilt bekommen hätten. Er sei übergangen worden. Die Justizvollzugsanstalt sei gegenüber langjährig Inhaftierten wie ihm verpflichtet, schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken und die Lebenstüchtigkeit zu erhalten.

4. Mit Stellungnahme vom 4. Juni 2019 führte die Justizvollzugsanstalt aus, dass der Antrag unzulässig sei. Dem Beschwerdeführer sei mitgeteilt worden, dass die Vermittlung eines ehrenamtlichen Besuchers möglich sei, sobald ein für ihn geeigneter Besucher gefunden werde. Ein Rechtsanspruch auf ehrenamtlichen Besuch bestehe nicht. Es fehle bereits an einer angreifbaren Maßnahme der Justizvollzugsanstalt mit Regelungscharakter, die im Klagewege angegriffen werden könne.

5. Unter dem 6. Juni 2019 machte der Beschwerdeführer darauf aufmerksam, dass er nie behauptet habe, dass sein Antrag durch die Justizvollzugsanstalt abgelehnt worden sei. Ihm sei seit 2014 immer wieder mitgeteilt worden, dass es eine Warteliste gebe, die der Reihe nach abgearbeitet werde. So sei ihm auch im April 2019 mündlich eröffnet worden, dass eine Zuteilung aus Kapazitätsgründen derzeit nicht möglich sei. Da andere Gefangene, die nach ihm in die Justizvollzugsanstalt gekommen seien, vor ihm einen ehrenamtlichen Besucher zugeteilt bekommen hätten, sei er in seinen Rechten aus Art. 3 GG und dem Bayerischen Strafvollzugsgesetz verletzt. Durch die unterlassene Zuteilung sei er benachteiligt. Auch ein Unterlassen der Justizvollzugsanstalt könne eine Verletzung seiner Rechte darstellen.

6. Mit angegriffenem Beschluss vom 17. Juni 2019 verwarf das Landgericht Regensburg den Antrag als unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Soweit der Beschwerdeführer die mündliche Information vom 5. April 2019 angreife, handele es sich nicht um eine konkrete, ihn belastende Maßnahme und damit nicht um einen statthaften Antragsgegenstand. Es liege keine Ablehnung vor, sondern lediglich ein Verweis auf mangelnde Kapazitäten. Die Zuteilung eines ehrenamtlichen Betreuers sei nicht gesetzlich geregelt. Weder aus den Gestaltungs- noch aus den Resozialisierungsgrundsätzen des Strafvollzugs lasse sich eine subjektive Anspruchsgrundlage auf Zuteilung begründen. Der Justizvollzugsanstalt stehe ein Ermessensspielraum zu. Das Zurückgreifen auf eine Warteliste sei nicht zu beanstanden. Es stehe nur eine begrenzte Anzahl an Betreuern zur Verfügung; es handele sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit, für die geeignete Personen nicht verpflichtet werden könnten. Anhaltspunkte für Ermessensfehler seien nicht ersichtlich und der Beschwerdeführer behaupte lediglich pauschal, dass es eine nicht näher bezeichnete Zahl anderer Inhaftierter gebe, die nach dem Beschwerdeführer in die Justizvollzugsanstalt gekommen seien, aber bereits einen ehrenamtlichen Besucher zugeteilt bekommen hätten. Dies genüge der dem Beschwerdeführer obliegenden Darlegungslast nicht. Zwar treffe ihn aufgrund seiner eingeschränkten Nachweismöglichkeiten nur eine eingeschränkte Beweislast. Zu seinen Gunsten zu berücksichtigende Umstände habe er aber hinreichend darzulegen. Es sei nach den Angaben des Beschwerdeführers völlig offen, welche und wie viele Gefangene wann einen ehrenamtlichen Betreuer erhalten hätten und wann die entsprechenden Anträge gestellt worden seien. Diesem pauschalen Vortrag könne das Gericht in keiner Weise nachgehen und ihn seiner Entscheidung zugrunde legen.

7. Mit Rechtsbeschwerde vom 24. Juni 2019 führte der Beschwerdeführer aus, dass das Landgericht Regensburg es unterlassen habe, den Sachverhalt aufzuklären. Das Landgericht hätte von der Justizvollzugsanstalt problemlos eine Auflistung der ehrenamtlichen Betreuer und der betreuten Gefangenen anfordern können. Anhand der Gefangenenbuchnummer sei das Einlieferungsdatum jedes Betreuten ersichtlich. Aufgrund der für ihn eingeschränkten Datenlage sei es ihm nicht möglich, eine solche Auflistung beizubringen. Beispielhaft könne er einen Gefangenen namentlich benennen. Dieser sei drei Jahre nach dem Beschwerdeführer in die Justizvollzugsanstalt gekommen, er habe jedoch bereits eine ehrenamtliche Betreuerin, die ihn besuche. Art. 3 GG sei verletzt, da er bei der Zuordnung von Betreuern übergangen und benachteiligt worden sei. Der Justizvollzugsanstalt sei auch bekannt gewesen, dass bei ihm aufgrund des mangelnden Besuchs Therapiebedarf bestehe. Trotzdem habe sie es unterlassen, ihm einen Besucher zuzuordnen, obwohl das möglich gewesen sei.

8. Mit Stellungnahme vom 2. Juli 2019 führte die Generalstaatsanwaltschaft München aus, die Rechtsbeschwerde sei als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingelegt worden sei.

9. Unter dem 13. Juli 2019 teilte der Beschwerdeführer mit, die Rechtsbeschwerde sei nur vorab zugesandt worden. Er werde das formgerechte Einlegen noch bei einer Rechtspflegerin zur Niederschrift nachholen. Dies erfolgte am 24. Juli 2019 mit wortgleichem Schreiben vom 24. Juni 2019. Der Beschwerdeführer beantragte zudem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

10. Mit Stellungnahme vom 2. August 2019 trug die Generalstaatsanwaltschaft München weiter vor, dass eine Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht geboten sei. Es handele sich um eine Einzelfallentscheidung, die nicht geeignet sei, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung in Frage zu stellen. Die angegriffene Entscheidung lasse außerdem keine Rechtsfehler erkennen. Das Landgericht Regensburg habe die Ablehnung der Zuteilung eines Betreuers zu Recht als ermessensfehlerfrei beurteilt. Der Beschwerdeführer könne sich im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes (nur) darauf berufen, dass die Zuteilung der ehrenamtlichen Betreuer durch die Justizvollzugsanstalt ermessensfehlerfrei nach nachvollziehbaren Kriterien erfolge. Dies sei hier der Fall. Eine Zuteilung könne nur erfolgen, wenn Kapazitäten vorhanden seien. Die Zuteilung über eine Warteliste sei nicht zu beanstanden, auch eine Überprüfung der Geeignetheit des jeweiligen Betreuers für den konkreten Gefangenen werde zu Recht als Auswahlkriterium herangezogen.

11. Mit angegriffenem Beschluss vom 28. August 2019 gewährte das Bayerische Oberste Landesgericht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verwarf die Rechtsbeschwerde als unzulässig. Die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sei nicht geboten. Die Justizvollzugsanstalt habe im Übrigen angegeben, bereits auf der Suche nach einem geeigneten Betreuer für den Beschwerdeführer zu sein.

12. Am 5. September 2019 legte der Beschwerdeführer Gehörsrüge ein. Er rügte unter Wiederholung seines bisherigen Vortrags die Verletzung rechtlichen Gehörs und mangelnde Sachaufklärung durch beide Gerichte. Diese verwarf das Bayerische Oberste Landesgericht mit Beschluss vom 15. Oktober 2019 als unbegründet. Der Senat habe bei seiner Entscheidung weder Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Beschwerdeführer nicht gehört worden sei, noch habe er relevantes Vorbringen übergangen.

II.

1. Mit am 21. September 2019 fristgemäß eingegangener Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Landgerichts Regensburg vom 17. Juni 2019 und des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 28. August 2019 und rügt Verletzungen seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3, Art. 19 und Art. 20 Abs. 3 GG. Er habe ein Recht auf Resozialisierung. Diese werde durch den Mangel an Kontakt sehr erschwert. Er leide unter den mangelnden Besuchen. Andere Gefangene, die nach ihm in die Justizvollzugsanstalt Straubing gekommen seien, hätten noch vor ihm einen Betreuer erhalten. Dies verletze Art. 3 und Art. 20 GG. Das Gericht habe keine Sachverhaltsaufklärung betrieben. Er sei deshalb in Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Er habe einen konkreten Vorschlag unterbreitet, den Sachverhalt aufzuklären, und auch ein Beispiel genannt. Das Vorgehen der Justizvollzugsanstalt mache seine Resozialisierung unmöglich, weshalb er auch keine Vollzugslockerungen erhalte.

2. In seinem am 16. November 2019 eingegangenen Nachtragsschreiben hat der Beschwerdeführer den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 15. Oktober 2019 übersandt. Er hat ergänzend ausgeführt, dass das Gericht wiederum nicht auf die Aufklärung des Sachverhalts eingegangen sei. Er habe erfahren, dass zwischenzeitlich ein weiterer Gefangener eine ehrenamtliche Besuchsbetreuung zugeteilt bekommen habe. Erneut sei er übergangen worden. Er stehe zwölf Monate vor seiner Entlassung; ohne ehrenamtliche Betreuung seien keine begleiteten Ausgänge möglich und damit auch keine Resozialisierung.

3. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat mit Schreiben vom 23. Dezember 2019 auf eine Stellungnahme verzichtet.

4. Die Akten des fachgerichtlichen Verfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

III.

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung im Sinne des § 93c Abs. 1 BVerfGG liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Nach diesen Grundsätzen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig und in einem die Zuständigkeit der Kammer begründenden Sinn offensichtlich begründet.

1. Der angegriffene Beschluss des Landgerichts Regensburg verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG, weil er einer im Raume stehenden Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht nachgegangen ist.

a) Der grundrechtliche Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG beinhaltet, dass jede staatliche Stelle bei ihrem Handeln, unabhängig von der Handlungsform und dem betroffenen Lebensbereich, die in dem Gleichheitssatz niedergelegte Gerechtigkeitsvorstellung zu beachten hat. Der staatlichen Stelle ist es daher verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien einer Vergabe willkürlich zu bestimmen. Darüber hinaus kann die tatsächliche Vergabepraxis zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen. Eine Abweichung von solchen Vorgaben kann eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG bedeuten (vgl. BVerfGE 73, 280 <299>; 116, 135 <153 f. m.w.N.>). Das subjektive Recht auf Gleichbehandlung ist im Rahmen des Justizgewährungsanspruchs gerichtlich verfolgbar und Teil der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfGE 116, 135 <153 f. m.w.N.>).

Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Die Gerichte sind verpflichtet, bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>) und den Zugang zu den eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BVerfGE 44, 302 <305>; 69, 381 <385>; 77, 275 <284>; 134, 106 <117 Rn. 34>). Art. 19 Abs. 4 GG ist verletzt, wenn das Gericht durch unzumutbare Anforderungen an das prozesserhebliche Verhalten des Rechtsuchenden den Zugang zum Gericht unangemessen erschwert oder für den geltend gemachten Verfahrensgegenstand keinen der an sich eröffneten Rechtswege für gegeben hält und dabei verkennt, dass der Rechtsuchende ein Verhalten der öffentlichen Gewalt zum Verfahrensgegenstand macht, bei dem auf der Grundlage des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht ausgeschlossen werden kann, dass es ihn in Grundrechten verletzt (vgl. BVerfGE 57, 9 <21 f.>). Die Fachgerichte sind verpflichtet, auslegungsfähige Anträge nicht daran scheitern zu lassen, dass die Rechtslage unübersichtlich ist, und die Anträge sachdienlich auszulegen (vgl. BVerfGE 96, 44 <50>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. August 1992 - 2 BvR 89/92 -, Rn. 18 ff.; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. August 2008 - 2 BvR 1198/08 -, Rn. 18).

Der fachgerichtliche Spielraum ist überschritten, wenn das Gericht bei der Gesetzesauslegung und -anwendung in offensichtlich nicht zu rechtfertigender Weise den vom Gesetzgeber gewollten und im Gesetzestext ausgedrückten Sinn des Gesetzes verfehlt (vgl. BVerfGE 86, 59 <64 f.>; stRspr) oder das zu berücksichtigende Grundrecht völlig unbeachtet gelassen hat (vgl. BVerfGE 59, 231 <268 f.>; 77, 240 <255 f.>). Die fachgerichtliche Überprüfung kann die rechtsstaatlich gebotene Beachtung des geltenden Rechts und den effektiven Schutz der berührten materiellen Rechte zudem nur gewährleisten, wenn sie auf zureichender Aufklärung des jeweiligen Sachverhalts beruht. Das Gericht hat im Rahmen der Amtsermittlungspflicht von sich aus die zur Aufklärung des Sachverhalts notwendigen Maßnahmen zu treffen (vgl. BVerfGE 101, 275 <294 f.>; BVerfGK 4, 119 <129>; 9, 390 <395>; 9, 460 <463>; 13, 472 <476>; 13, 487 <493>; 17, 429 <430 f.>; 19, 157 <164>; 20, 107 <112>). Um dem Gebot effektiven Rechtsschutzes zu genügen, darf ein Gericht auf die Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten daher nur verzichten, wenn Beweismittel unzulässig, schlechterdings untauglich, unerreichbar oder für die Entscheidung unerheblich sind. Dagegen darf es von einer Beweisaufnahme nicht schon dann absehen, wenn die Aufklärung besonders arbeits- oder zeitaufwendig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23. Januar 2017 - 2 BvR 2584/12 -, Rn. 18; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Dezember 2019 - 2 BvR 1258/19, 2 BvR 1497/19 -, Rn. 51).

b) Diesen Maßstäben wird der angegriffene Beschluss des Landgerichts Regensburg nicht gerecht. Soweit es die Mitteilung der Justizvollzugsanstalt, die Vermittlung einer ehrenamtlichen Besuchsbetreuung sei derzeit aus Kapazitätsgründen nicht möglich, nicht als Ablehnung des Antrags des Beschwerdeführers und damit als gerichtlich überprüfbare, hoheitliche Maßnahme, sondern als bloßen Verweis auf mangelnde Kapazitäten bewertet, nimmt es ihm faktisch jede Möglichkeit, das von ihm beanstandete Vergabeverfahren der Justizvollzugsanstalt im Hinblick auf Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG fachgerichtlich überprüfen zu lassen. Dies gilt umso mehr, als der Beschwerdeführer vorgetragen hat, seinem Begehr und seinen wiederholt gestellten Anträgen werde mit dieser Begründung schon seit Jahren nicht entsprochen.

Dem Beschwerdeführer obliegt nach § 109 Abs. 2 StVollzG zwar eine Darlegungslast dahingehend, dass sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung eine Rechtsverletzung als möglich erscheinen lässt, wobei die Anforderungen aber nicht überspannt werden dürfen und der Antrag sachdienlich auszulegen ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. August 1992 - 2 BvR 89/92 -, Rn. 20; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. August 2008 - 2 BvR 1198/08 -, Rn. 18). Der Sache nach hat der Beschwerdeführer sein Anliegen wie auch den aus seiner Sicht gegebenen Sachverhalt plausibel dargestellt und dem Gericht Anhaltspunkte, die es für weitere Sachermittlungen von Amts wegen brauchte, mitgeteilt. Einen Hinweis auf eine aus Sicht des Gerichts mangelnde Substantiierung, die der Beschwerdeführer durch Nachtrag konkreter, von ihm im Rechtsbeschwerdeverfahren auch vertieft vorgetragener Angaben (etwa zu einem namentlich benannten Mitgefangenen) hätte ausräumen können, hat das Landgericht Regensburg erkennbar weder gegeben noch erwogen. Die Einschätzung des nach § 120 Abs. 1 Satz 2 StVollzG in Verbindung mit § 244 Abs. 2 StPO zur Amtsermittlung verpflichteten Gerichts, der Vortrag des Beschwerdeführers sei „nicht belegbar“, „pauschal“ und es könne diesem „in keiner Weise nachgehen“, vermag nicht zu überzeugen. Es liegt in der Natur der vom Landgericht Regensburg selbst angeführten eingeschränkten Nachweismöglichkeiten des strafgefangenen Beschwerdeführers, dass er keinen Zugriff auf etwaige Gefangenenlisten mit Einlieferungs- und Antragstellungsdaten sowie Wartelisten und Zuteilungskriterien hat. Es wäre bei dem gegebenen Sachvortrag und dem erkennbaren Begehr des Beschwerdeführers im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG geboten gewesen, die Justizvollzugsanstalt um Darlegung der Vergabekriterien, Übersendung der Warteliste und ergänzende Stellungnahme zum Vorbringen des Beschwerdeführers zu ersuchen.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch im Hinblick auf den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 28. August 2019 begründet. Der Beschluss verletzt den Beschwerdeführer ebenfalls in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG. Die fachgerichtliche Auslegung des § 116 Abs. 1 StVollzG wird der Bedeutung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht gerecht.

Art. 19 Abs. 4 GG fordert keinen Instanzenzug. Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger auch insoweit eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 122, 248 <271>; stRspr). Die Rechtsmittelgerichte dürfen ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch die Art und Weise, in der sie die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu einer Sachentscheidung auslegen und anwenden, ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen; der Zugang zu den in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanzen darf nicht von unerfüllbaren oder unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht oder in einer durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 117, 244 <268>; 122, 248 <271>; stRspr).

§ 119 Abs. 3 StVollzG erlaubt, von einer Begründung der Rechtsbeschwerdeentscheidung abzusehen, wenn das Oberlandesgericht die Beschwerde für unzulässig oder offensichtlich unbegründet erachtet, was der Senat vorliegend auch getan hat. Dies ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 50, 287 <289 f.>; 71, 122 <135>; 81, 97 <106>). Daraus folgt jedoch nicht, dass sich der Beschluss selbst verfassungsrechtlicher Prüfung entzöge oder die Maßstäbe der Prüfung zu lockern wären. Vielmehr ist in einem solchen Fall die Entscheidung bereits dann aufzuheben, wenn an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten des Beschwerdeführers erhebliche Zweifel bestehen (vgl. nur BVerfGK 19, 306 <317 f. m.w.N.>). Dies ist angesichts der aufgezeigten inhaltlichen Abweichung der Entscheidungsgründe des Landgerichts Regensburg von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hier der Fall.

3. Da die Entscheidungen des Landgerichts und des Bayerischen Obersten Landesgerichts schon wegen des Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG keinen Bestand haben, kann offen bleiben, ob die Beschlüsse weitere Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte des Beschwerdeführers verletzen (vgl. BVerfGE 128, 226 <268>).

IV.

Die Entscheidungen des Landgerichts Regensburg und des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 28. August 2019 sind daher aufzuheben. Der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 15. Oktober 2019 wird damit gegenstandslos. Die Sache ist an das Landgericht Regensburg zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

V.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 344

Bearbeiter: Holger Mann