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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 34

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 134/15, Urteil v. 12.10.2016, HRRS 2017 Nr. 34


BGH 5 StR 134/15 - Urteil vom 12. Oktober 2016 (LG Hamburg)

Untreue durch riskante Kapitalmarktgeschäfte („HSH-Nordbank“; gravierende Pflichtverletzung; Evidenz; Business Judgement Rule; Ermessensspielraum; Informationspflichten; Vorstand; Legalitätspflicht; Eigenkapitalentlastung; Nachteil; Vermögensdelikt; wirtschaftlicher Vermögensbegriff; bemakelte Kompensation; Geldwert; Kapitalmarkterfolg); unrichtige Angaben (Erheblichkeit; quantitative und qualitative Kriterien; Gesamtbetrachtung).

§ 266 StGB; § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG; § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG hat der Vorstand einer Aktiengesellschaft bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden, wobei ihm für unternehmerische Entscheidungen ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen ist (sog. „Business Judgment Rule“). Ist diese äußerste Grenze unternehmerischen Ermessens überschritten und ist damit eine Hauptpflicht gegenüber dem zu betreuenden Unternehmen verletzt worden, so liegt eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten vor, die (gleichsam „automatisch“) so gravierend ist, dass sie zugleich eine Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 266 StGB begründet.

2. § 266 StGB hat als Vermögensschädigungsdelikt nicht die Aufgabe, Recht und Moral in geschäftlichen Beziehungen zu garantieren, sondern das Individualvermögen vor Beeinträchtigungen zu schützen. Bei der Feststellung des Vermögensnachteils ist deshalb jeder Vorteil potenziell kompensatorisch zu berücksichtigen, der durch die pflichtwidrige Handlung erzielt worden ist, sofern dieser nur in Geldwert messbar ist. Eine riskante Investition kann daher auch durch einen positiven Effekt auf dem Kapitalmarkt kompensiert werden, selbst wenn das getätigte Geschäft aufsichtsrechtlich unzulässig war. Etwas anderes gilt erst dann, wenn die Vornahme des Geschäfts gegen die Legalitätspflicht der Unternehmensleitung verstößt.

3. Das abstrakte Gefährdungsdelikt des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG bedarf einer einschränkenden Auslegung bei Erklärungen, die bei abstrakter Betrachtungsweise für eine Entscheidung des geschützten Personenkreises, mit der Gesellschaft in rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen zu treten, nicht relevant sind. Die entsprechende Erheblichkeit von Falschangaben kann nicht allein quantitativ bestimmt werden. Vielmehr sind auch qualitative Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung zu berücksichtigen.

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Die Staatsanwaltschaft hat den Angeklagten, die im Dezember 2007 den Gesamtvorstand der H. (im Weiteren: H.) bildeten, vorgeworfen, sich einer Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB schuldig gemacht zu haben, indem sie im Dezember 2007 auf Grundlage unzureichender Informationen dem Abschluss eines der Verbesserung der bankaufsichtsrechtlichen Eigenkapitalquote dienenden Finanzgeschäfts mit der französischen B. (im Weiteren: B.), der „Omega 55“-Transaktion, zustimmten und dadurch der H. einen Vermögensnachteil zufügten.

Die Angeklagten N. und F. sind darüber hinaus angeklagt, gemeinschaftlich gemäß § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG die Verhältnisse des H. -Konzerns in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand unrichtig wiedergegeben zu haben, indem sie in dem Quartals-Zwischenbericht zum 31. März 2008 und in einer Pressemitteilung vom 20. Juni 2008 fehlerhaft einen Überschuss in Höhe von 81 Millionen Euro auswiesen, während tatsächlich ein Fehlbetrag in Höhe von 31 Millionen Euro vorlag.

Das Landgericht hat die Angeklagten freigesprochen. lm Hinblick auf den Vorwurf der Untreue habe die Hauptverhandlung zwar ergeben, dass die Angeklagten durch ihre Zustimmung ihre Vorstandspflichten aus § 93 Abs. 1 AktG verletzt und hierdurch einen Vermögensnachteil der H. herbeigeführt hätten. Die festgestellten Pflichtverletzungen seien jedoch nicht so „offensichtlich“ und „gravierend“, dass sie im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs den Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB erfüllten. Betreffend den Vorwurf nach § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG habe die Hauptverhandlung ergeben, dass in den genannten Darstellungen des Vermögensstandes der H. zwar fälschlich der bezeichnete Überschuss anstelle des genannten Fehlbetrages ausgewiesen worden sei; die Unrichtigkeit sei jedoch nicht erheblich. Deshalb fehle es bereits an der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes.

Gegen die Freisprüche richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung formellen und - insoweit vom Generalbundesanwalt vertreten - materiellen Rechts. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben mit der Sachrüge Erfolg.

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Zum Vorwurf der Untreue:

a) Nach einer erheblichen Ausweitung ihrer Geschäftstätigkeit in den Jahren davor hatte die H. insbesondere im Laufe des Jahres 2007 in großem Umfang Kredite vergeben. Dabei wurden bankintern festgelegte Obergrenzen für den Umfang der durch Eigenkapital abzusichernden gewichteten Risikoaktiva (sog. RWA-Grenzen, „Risk Weighted Assets“) teils deutlich überschritten; dies führte zu einer unterhalb der Planung liegenden Eigenkapitalquote. Auch wenn keine Gefahr bestand, feste aufsichtsrechtlich bedeutsame Eigenkapitalgrenzen zu unterschreiten oder auch nur in eine bedrohliche Nähe zu solchen Grenzen zu geraten, wurde der Absenkung der überplanmäßigen RWA-Belastungen zum Jahresende 2007 von den Angeklagten, aber auch vom Aufsichtsrat, überragende strategische Bedeutung beigemessen. Die Angeklagten gingen davon aus, dass es dem Auftreten der Bank am Kapitalmarkt erheblichen Schaden zufügen würde, wenn die selbst gesetzten und auch nach außen kommunizierten Eigenkapitalziele nicht eingehalten würden. Dieser Umstand wurde schon deshalb als besonders bedeutungsvoll eingeschätzt, weil die H. ohnehin über eine am Markt bekannte eher schwache Eigenkapitalausstattung verfügte. Als mögliche Folgen einer Nichterreichung der geplanten Eigenkapitalquoten wurden negative Auswirkungen auf die künftig zu erwartenden Kosten der Bank für die Geldaufnahme am Kapitalmarkt („Refinanzierungskosten“) und auf die Einstufung der H. durch die Ratingagenturen sowie eine Verminderung ihrer „Kapitalmarktfähigkeit“ im Hinblick auf einen geplanten Börsengang befürchtet. Insbesondere mit Blick auf die Refinanzierungskosten wurde bei einer Nichterreichung der angestrebten Eigenkapitalquote eine Gefährdung des bisherigen Geschäftsmodells erwartet. Denn erhöhte Refinanzierungskosten hätten unmittelbar die Marge aus Kosten und Erträgen der betriebenen (Kredit-) Geschäfte abgesenkt und insofern nicht nur den Ertrag geschmälert, sondern auch bestimmte Geschäfte mit ohnehin schon knappen Margen künftig sinnlos werden lassen. Eine weitere mittelfristige Gefahr einer geringen Eigenkapitalquote bestand darin, bei dem „DSGV-Monitoring“ (d.h. der Risikoüberwachung durch den Haftungsverbund des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, dem die H. angehörte) auf die Stufe „Gelb“ gesetzt zu werden, wobei ein Unterschreiten des Schwellenwerts nicht unmittelbar drohte. Diese Einstufung hätte zu erweiterten Berichtspflichten geführt und wäre voraussichtlich mit einer weiteren negativen Außenwirkung verbunden gewesen.

Aufgrund der im Jahr 2007 fortschreitenden Subprime-Krise und des steigenden Marktmisstrauens gegenüber vielen „herkömmlichen“ Möglichkeiten der Abgabe von Risiken im Kapitalmarkt (wie Syndizierungsgeschäften und Weiterverkäufen von Krediten) konnten Geschäfte, die der Eigenkapitalentlastung durch Weitergabe wirtschaftlicher Risiken dienten, nur noch schwer zu - aus Sicht der H. - ökonomisch vertretbaren Konditionen am Kapitalmarkt abgeschlossen werden. Da mit dem Zuschießen weiteren Eigenkapitals nicht zu rechnen war, sollte der Abbau der Risiken über „RWA-spezifische Entlastungstransaktionen“ erfolgen. Hierbei sollte durch Ausnutzung bestimmter Besonderheiten der aufsichtsrechtlichen Vorschriften ermöglicht werden, die Eigenkapitalquote zu erhöhen, ohne dabei den Umfang der wirtschaftlichen Risiken maßgeblich oder überhaupt zu verändern. Obwohl hierdurch die grundsätzliche Zielsetzung der aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalvorschriften - nämlich sicherzustellen, dass Finanzinstitute zur Absicherung der von ihnen übernommenen wirtschaftlichen Risiken ausreichend Eigenkapital vorhielten - offensichtlich unterlaufen wurde, war die Anerkennung der eigenkapitalentlastenden Wirkung solcher Geschäfte durch die Aufsichtsbehörden nicht generell ausgeschlossen.

Vor diesem Hintergrund wurden im zweiten Halbjahr 2007 umfangreich Angebote für RWA-Entlastungsmaßnahmen am Markt gesichtet. Nachdem eine andere annähernd bis zur Abschlussreife vorbereitete Transaktion, der die Vorstandsmitglieder der H. bereits zugestimmt hatten, nach einem Rückzug des Vertragspartners kurzfristig gescheitert war, entstand in der RWA-Entlastungsplanung eine Lücke, die durch die Transaktion „Omega 55“ mit der B. geschlossen werden sollte. Die hierüber seit Mitte November geführten Verhandlungen erfolgten unter Zeitdruck, da die RWA-Entlastung noch zum Jahresende 2007 wirksam werden sollte und daher ein vorheriger Geschäftsabschluss erforderlich war.

b) Die Gesamttransaktion „Omega 55“ bestand aus zwei Teilgeschäften („A-Teil“ und „B-Teil“), die durch eine Vielzahl vertraglicher Regelungen miteinander verbunden waren.

Gegenstand des A-Teils war im Wesentlichen, dass die H. unter Einschaltung einer Zweckgesellschaft die Risiken aus zu einem Portfolio zusammengestellten Kreditforderungen im Nominalwert von ca. zwei Milliarden Euro an die B. im Wege von CDS-Geschäften („credit default swap“, wirtschaftlich: Kreditausfallversicherung; vgl. zum Begriff LG Hamburg, Urteil vom 9. Juli 2014 - 608 KLs 12/11, juris Rn. 120 ff.) abgab. Im Ergebnis bewirkte das Vertragswerk zum A-Teil bei wirtschaftlicher Betrachtung, dass die H. das Risiko aus dem abgesicherten Kreditportfolio gegen Zahlung einer Prämie auf die B. übertrug. Damit waren die im A-Teil abgeschlossenen Geschäfte für sich genommen grundsätzlich geeignet, eine Verbesserung der aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalquote in Höhe von 128 Millionen Euro zu erreichen.

Im Wege einer komplexen vertraglichen Konstruktion und unter formeller Zwischenschaltung weiterer Zweckgesellschaften, u.a. der in Irland ansässigen O. (nachfolgend: O.), bewirkte demgegenüber der B-Teil der Transaktion in einem ersten Teil („B-Teil 1“) eine Rückübertragung des im A-Teil zunächst an die B. abgegebenen Kreditrisikos auf die H. : Die zuvor zu sogenannten CLNs („credit linked notes“) verbrieften CDS wurden auf die O. übertragen, die zur Finanzierung ihres Erwerbs mit der B. sogenannte Repo-Geschäfte („repurchase agreement“; vgl. zur Begriffserklärung LG Hamburg aaO, Rn. 153 ff.) abschloss. Tatsächlich diente der Abschluss der Repo-Vereinbarungen allerdings der Steuerung einer Weitergabe von in den CLNs liegenden Risiken auf die H. Als alternative „Finanzierungsmöglichkeit“ für die CLNs wurden der O. „Liquiditätsfazilitäten“ (wirtschaftlich: Einräumung von Kreditlinien; vgl. LG Hamburg aaO, Rn. 167) zur Verfügung gestellt, zu deren Gewährung sich die H. - formell anteilig neben der B. - unter bestimmten vertraglichen Voraussetzungen verpflichtete. Die B. verfügte indes über die Möglichkeit, gewillkürt die Voraussetzungen der Inanspruchnahme der „Liquiditätsfazilitäten“ durch die insolvenzfern ausgestaltete O. zu schaffen. Letztlich führte die Konstruktion im B-Teil 1 dazu, dass die B. in jedem Einzelfall, in dem sie für Ausfälle in dem im A-Teil abgesicherten Kreditportfolio hätte einstehen müssen, aus dem B-Teil 1 Gegenansprüche in gleicher Höhe erwarb, so dass sie im Ergebnis die Risiken aus dem H. -Kreditportfolio zu keiner Zeit wirtschaftlich zu tragen hatte.

Im zweiten Teil des am 24. Januar 2008 unterzeichneten B-Teils des Vertragswerkes („B-Teil 2“) übernahm die H. darüber hinaus ein neues Risiko in Form einer weiteren Liquiditätsfazilität im Nominalwert von 400 Millionen Euro für einen STCDO („Single Tranche Collateralised Debt Obligation” = Variante des CDO-Geschäftes, das seinerseits der Weitergabe von Kredit- oder sonstigen Risiken gegen Zahlung entsprechender Prämien dient; vgl. LG Hamburg aaO, Rn. 189 ff., 203 f.). Aufgrund dessen konnte sie ständig für aktuelle Marktwertverluste dieses Finanzprodukts in Anspruch genommen werden. Dieses Teilgeschäft stellte sich im Gesamtzusammenhang als Teil der von der H. an die B. zu gewährenden Vergütung dar.

c) Den Angeklagten waren zur Information und Entscheidung über den Abschluss der Transaktion in der Woche ab dem 17. Dezember 2007 vier Dokumente („Kreditvorlage“ vom 13. Dezember 2007, eine weitere „Kreditvorlage“ vom 14. Dezember 2007, ein dieser Kreditvorlage beigefügtes „Zweitvotum“ vom 17. Dezember 2007 sowie ein „NPNM-Votum“ [Neue Produkte, Neue Märkte] vom 14. Dezember 2007, wiedergegeben im Urteil des LG Hamburg aaO, Rn. 708 ff.) mit der Bitte um alsbaldige Entscheidung vorgelegt worden. Das konkrete Vertragswerk als solches war den Angeklagten hingegen nicht bekannt. Der Vorgang war als Eilvorlage gekennzeichnet, da es eines Vertragsschlusses noch vor Jahresende 2007 bedurfte, um die mit der Transaktion bezweckten aufsichtsrechtlichen Vorteile im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss 2007 gegenüber der (Kapitalmarkt-)Öffentlichkeit darstellen zu können. Die Angeklagten stimmten dem Geschäftsabschluss jeweils durch Unterzeichnung der Vorlagen in der Zeit vom 17. bis 20. Dezember 2007 zu. Die Entscheidung wurde im schriftlichen Umlaufverfahren getroffen, eine mündliche Vorstandsberatung fand nicht statt.

Nach den Wertungen des Landgerichts enthielten die den Angeklagten vorgelegten Unterlagen in der Darstellung der Transaktion verschiedene Lücken und Unklarheiten. So war nicht ausreichend ersichtlich, in welchem Umfang eine Rechtsprüfung unter aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten stattgefunden hatte. Entgegen den bankinternen Regularien war eine Gesamtprüfung der Transaktion durch die Rechtsabteilung der H. tatsächlich nicht erfolgt; insbesondere war von ihr nicht die Frage geprüft worden, ob das Geschäft in seiner konkreten Ausgestaltung unter Berücksichtigung der im B-TeiI 1 bewirkten Rückübernahme des im A-Teil abgesicherten Kreditrisikos die bezweckte Entlastung der risikogewichteten Aktiva der H. erzielen konnte. Aus den Voten war auch nicht erkennbar, aufgrund welcher rechtlicher Erwägungen die Transaktion zu einer aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalentlastung führen sollte, obwohl sich durch sie das wirtschaftliche Risiko nicht minderte und ihr Zweck damit in offensichtlichem Widerspruch zu aufsichtsrechtlichen Grundprinzipien stand (Ermöglichung einer „Plausibilitätsprüfung“). Auch die Ertrags- und Kostensituation der Transaktion war nur unzureichend dargestellt. Dem NPNM-Votum vom 14. Dezember 2007 ließ sich zudem nicht eindeutig entnehmen, ob die aufgrund aufsichtsrechtlicher Vorgaben erforderliche Überprüfung von für das Institut neuen Finanzprodukten nur für den A-Teil der Transaktion oder für die Gesamttransaktion durchgeführt worden war.

d) Entgegen der mit ihr verfolgten (aufsichts-)rechtlichen Zielsetzung führte die Gesamttransaktion „Omega 55“ bei zutreffender Anwendung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften nicht zu einer RWA-Entlastung und damit auch nicht zu Vorteilen bei der aufsichtsrechtlichen Bestimmung der Eigenkapitalquote. Denn bei den von der H. mit einer Ursprungslaufzeit von 364 Tagen übernommenen und damit an sich RWA-neutralen „Liquiditätsfazilitäten“ handelte es sich tatsächlich nicht um Kreditzusagen. Vielmehr haftete die H. - wie oben ausgeführt - aufgrund der besonderen vertraglichen Gestaltung der Transaktion im B-Teil 1 über die Gewährung der „Liquiditätsfazilitäten“ unmittelbar und endgültig für Wertverluste, die in dem auf die B. übertragenen Kreditportfolio eintraten (siehe LG Hamburg aaO, Rn. 488 ff.).

e) Da die Transaktion allein dem - nicht erreichten - Zweck der Entlastung der aufsichtsrechtlich zu bestimmenden Eigenkapitalerfordernisse diente und darüber hinaus Kosten verursachte, war sie für die H. insgesamt sinnlos; sie führte zu Vermögensverlusten, denen weder ein aufsichtsrechtlicher noch ein sonstiger Nutzen gegenüberstand. Der Transaktion wohnten bereits mit Abschluss der beiden Teilgeschäfte am 21. Dezember 2007 und am 24. Januar 2008 Vermögensnachteile für die H. in Höhe von mehr als 40 Millionen Euro inne.

f) In der Folge wurde die Transaktion bereits im April 2008 hinsichtlich des A-Teils sowie des B-Teils 1 beendet. Die H. hatte schon zum 21. April 2008 die Kündigung veranlasst. Aus der im B-Teil 2 vereinbarten Risikoübernahme für einen STCDO erlitt die Bank in der Folgezeit erhebliche Verluste. Diese waren maßgeblich auf das für die Angeklagten nicht vorhersehbare Ausmaß der Subprime- bzw. Finanzkrise im Jahr 2008 und danach zurückzuführen. Die Marktwertverluste dieses STCDO erreichten in den Jahren 2008/2009 zeitweise mehr als drei Viertel des ursprünglichen Nominalwerts von 400 Millionen Euro. Nach einer Erholung der Verhältnisse am Kapitalmarkt, die auch eine teilweise Werterholung des STCDO bewirkt hatte, machte die H. im Frühjahr 2010 von der Möglichkeit Gebrauch, sich zu Marktkonditionen von diesem letzten Teil der Transaktion „Omega 55“ zu trennen. Sie erzielte in diesem Zusammenhang einen Erlös in Höhe von ca. 254 Millionen Euro, entsprechend einem Verlust in Höhe von knapp 146 Millionen Euro des ursprünglichen Gesamtinvestments von 400 Millionen Euro.

Zum Vorwurf der unrichtigen Darstellung (§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG):

Die H. veröffentlichte am 20. Juni 2008 den Quartals-Zwischenbericht für den H. -Konzern zum 31. März 2008 und eine hierauf bezogene Pressemitteilung. In beiden Dokumenten wurde zum Stichtag 31. März 2008 ein Konzernüberschuss bzw. „Konzernbilanzgewinn“ von 81 Millionen Euro bei einer Bilanzsumme von 203,9 Milliarden Euro und einem Geschäftsvolumen des Konzerns von 252,1 Milliarden Euro ausgewiesen. Beide Publikationen hatten im Hinblick auf den darin ausgewiesenen Überschuss einen falschen Inhalt; fehlerhaft blieben Verluste unberücksichtigt, die sich bei zutreffender Bewertung aus der auf den STCDO bezogenen Liquiditätsfazilität aus der Transaktion „Omega 55“ ergaben. Dies beruhte wiederum auf einer fehlerhaften Anwendung der einschlägigen internationalen Rechnungslegungsvorschriften und einer daraus folgenden unzutreffenden Bilanzierung der Liquiditätsfazilität. Bei richtiger Bewertung hätte die Liquiditätsfazilität zum genannten Stichtag aufgrund der zwischenzeitlichen Marktwertverluste des STCDO und entsprechender Ziehungen der Liquiditätsfazilität mit einem Verlust von rund 112 Millionen Euro bewertet werden müssen. Anstelle eines Konzernüberschusses hätte dementsprechend im Quartals-Zwischenbericht zum 31. März 2008 und der begleitenden Pressemitteilung für den Konzern ein Verlust in Höhe von ca. 31 Millionen Euro anstelle eines Überschusses von ca. 81 Millionen Euro ausgewiesen werden müssen.

2. a) Das Landgericht ist zu dem Schluss gekommen, dass die Angeklagten durch ihre aufgrund nicht hinreichender Informationsgrundlage erteilte Zustimmung zum Abschluss der Transaktion „Omega 55“ zumindest bedingt vorsätzlich in mehrfacher Hinsicht gegen ihre Pflichten aus § 93 Abs. 1 AktG verstoßen hätten. Gleichwohl liege keine Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB vor, da sich die Pflichtverletzungen der Angeklagten weder einzeln noch bei einer Gesamtbetrachtung als „offensichtlich“ oder „gravierend“ darstellten.

b) Im Hinblick auf den gegen die Angeklagten F. und N. erhobenen Vorwurf der unrichtigen Darstellung gemäß § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG fehle es an der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes, da die Abweichung der im Quartalsbericht zum 31. März 2008 und der zugehörigen Pressemitteilung dargestellten Ertragslage von der sich bei richtiger Verbuchung der auf den STCDO bezogenen Liquiditätsfazilität aus der Transaktion „Omega 55“ ergebenden Ertragslage nicht erheblich gewesen sei. Bezogen auf die Bilanzsumme mache die Abweichung einen Anteil von lediglich ca. 0,0549 % und bezogen auf das Geschäftsvolumen einen Anteil von 0,0444 % aus. Vor diesem Hintergrund sei die Unrichtigkeit der Darstellung aus der unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm maßgeblichen Perspektive eines vernünftigen Beobachters bei seiner Entscheidung über das Eingehen rechtlicher oder wirtschaftlicher Beziehungen zur H. nicht von Bedeutung und daher nicht „erheblich“ oder „wesentlich“.

II.

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg, so dass es auf die erhobene Verfahrensbeanstandung nicht mehr ankommt.

1. Der Freispruch der Angeklagten vom Vorwurf der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat, nachdem es einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 93 Abs. 1 AktG bejaht hat, zu Unrecht in einem zweiten Schritt geprüft, ob sich die Pflichtverletzungen der Angeklagten als „gravierend“ bzw. „evident“ darstellen (siehe nachfolgend a bis c). Als durchgreifender Rechtsfehler erweist sich, dass die Begründung, mit der das Landgericht einerseits eine Pflichtverletzung nach § 93 Abs. 1 AktG bejaht, die es andererseits als nicht gravierend einstuft, Darstellungs- und Erörterungsmängel enthält (siehe nachfolgend d).

a) Im Ausgangspunkt hat das Landgericht zutreffend bedacht, dass die Anwendung des Untreuetatbestands auf „klare und deutliche“ Fälle pflichtwidrigen Handelns zu beschränken ist; gravierende Pflichtverletzungen lassen sich nur dann bejahen, wenn die Pflichtverletzung evident ist (BVerfGE 126, 170 Rn. 110 f.; BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - 5 StR 551/11, NStZ 2013, 715). Allerdings liegt bei einem Verstoß gegen § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG stets eine „gravierende“ bzw. „evidente“ Pflichtverletzung im Sinne der oben genannten Rechtsprechung vor.

Als Vorstandsmitglieder unterlagen die Angeklagten gesellschaftsrechtlich den in §§ 76, 82, 93 AktG umschriebenen Pflichten. Danach hat der Vorstand gemäß § 76 Abs. 1 AktG die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten, wobei die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden haben (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG). Trotz der Weisungsunabhängigkeit unterliegt das Leitungsermessen rechtlichen Grenzen. So sind nach § 82 Abs. 2 AktG der durch die Satzung festgelegte Unternehmensgegenstand, die Geschäftsordnung sowie die Zuständigkeiten anderer Organe zu beachten. Über diese Regelungen hinaus wird den Geschäftsleitern bei unternehmerischen Entscheidungen ein weiter wirtschaftlicher Entscheidungsspielraum eingeräumt, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist.

Sind jedoch - wie vom Landgericht angenommen - diese in § 93 Abs. 1 AktG normierten äußersten Grenzen unternehmerischen Ermessens überschritten und ist damit eine Hauptpflicht gegenüber dem zu betreuenden Unternehmen verletzt worden, so liegt eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten vor, die (gleichsam „automatisch“) so gravierend ist, dass sie zugleich eine Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 266 StGB begründet (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2005 - 1 StR 571/04, NStZ 2006, 221). Angesichts des durch § 93 Abs. 1 AktG eingeräumten weiten unternehmerischen Entscheidungsspielraums ist für eine gesonderte Prüfung der Pflichtverletzung als „gravierend“ bzw. „evident“ kein Raum (vgl. auch LK-StGB/Schünemann, 12. Aufl., § 266 Rn. 100; Schönke/Schröder/Perron, StGB, 29. Aufl., § 266 Rn. 19b mwN).

b) Allerdings sind die vom Landgericht in seinem „zweiten Prüfungsschritt“ herangezogenen Gesichtspunkte bereits im Rahmen der Prüfung, ob überhaupt ein Verstoß gegen § 93 Abs. 1 AktG gegeben ist, zu würdigen. Ein solcher liegt nur bei einer Überschreitung des dem Vorstand eingeräumten weiten unternehmerischen Ermessens vor. Zu diesem gehört neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Inkaufnahme der Gefahr, bei der wirtschaftlichen Betätigung Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen zu unterliegen; denn derartige Entscheidungen müssen regelmäßig aufgrund einer zukunftsbezogenen Gesamtabwägung von Chancen und Risiken getroffen werden, die die Gefahr erst nachträglich erkennbarer Fehlbeurteilungen enthält (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331).

Eine Pflichtverletzung nach § 93 Abs. 1 AktG liegt vor, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt wird oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss (BGH, Urteile vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 Rn. 22, und vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, aaO). Diese mittlerweile als sogenannte Business Judgement Rule in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifizierten Grundsätze (vgl. RegE zu § 93 Abs. 1 AktG in BR-Drucks. 3/05, S. 20 f.) sind auch Maßstab für das Vorliegen einer Pflichtverletzung im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04, BGHSt 50, 331, 336; Beschluss vom 26. November 2015 - 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585 Rn. 57).

c) Allein aus der vom Landgericht bejahten Verletzung einer Informationspflicht folgt nicht ohne weiteres auch ein Pflichtenverstoß im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG.

Paragraph 93 Abs. 1 Satz 2 AktG definiert einen „sicheren Hafen“; d.h., die Einhaltung seiner Voraussetzungen schließt eine Pflichtverletzung aus. Umgekehrt begründet die Überschreitung seiner Grenzen durch einen Verstoß gegen Informationspflichten allein noch keine Pflichtverletzung. Vielmehr ist auch dann pflichtgemäßes Handeln nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG möglich; allerdings indiziert der Verstoß gegen § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG eine Pflichtverletzung (hM; vgl. Krieger/Sailer-Coceani in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 93 Rn. 14; Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 93 Rn. 12; MüKo-AktG/Spindler, 4. Aufl., AktG § 93 Rn. 40 mit zahlreichen wN; aA Scholz AG 2015, 222, 227). Letztlich ist eine Verletzung der Sorgfaltspflichten aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG immer nur dann zu bejahen, wenn ein schlechthin unvertretbares Vorstandshandeln vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1997, aaO; Hüffer/Koch aaO, Rn. 8); der Leitungsfehler muss sich auch einem Außenstehenden förmlich aufdrängen (vgl. MüKo-AktG/Spindler aaO, Rn. 56 mwN).

d) Der von der Wirtschaftsstrafkammer gewählte fehlerhafte Prüfungsansatz würde demnach allein nicht zur Aufhebung des Urteils nötigen, wenn zum einen eine Informationspflichtverletzung zu verneinen gewesen wäre; dies vermag der Senat auf der Grundlage der Feststellungen allerdings nicht zu beurteilen (siehe nachfolgend aa). Der Freispruch der Angeklagten könnte zum anderen auch bestehen bleiben, wenn das Landgericht in seinem „zweiten Prüfungsschritt“ hinreichend alle bei der Prüfung einer Sorgfaltspflichtverletzung nach § 93 Abs. 1 AktG zu beachtenden tatsächlichen Gesichtspunkte erörtert hätte; dies ist indes nicht der Fall (siehe nachfolgend bb).

aa) Das Landgericht hat es unterlassen, das Maß der Informationspflichten der Angeklagten hinreichend zu bestimmen, um ausgehend hiervon die tatsächlichen Anforderungen zu klären, denen die Vorstandsvorlagen hätten genügen müssen.

(1) Hinsichtlich des Maßes der Informationspflichten gilt: Um Informationspflichten zu genügen, müssen grundsätzlich in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausgeschöpft werden, um auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abzuschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2008 - II ZR 202/07, NJW 2008, 3361). Die konkrete Entscheidungssituation ist danach der Bezugsrahmen des Ausmaßes der Informationspflichten. Dementsprechend ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass sich der Vorstand eine unter Berücksichtigung des Faktors Zeit und unter Abwägung der Kosten und Nutzen weiterer Informationsgewinnung „angemessene“ Tatsachenbasis verschafft (Krieger/Sailer-Coceani aaO, Rn. 17); je nach Bedeutung der Entscheidung ist eine breitere Informationsbasis rechtlich zu fordern (MüKo-AktG/Spindler aaO, Rn. 50). Dem Vorstand steht danach letztlich ein dem konkreten Einzelfall angepasster Spielraum zu, den Informationsbedarf zur Vorbereitung seiner unternehmerischen Entscheidung selbst abzuwägen (vgl. auch BR-Drucks. 3/05 aaO). Ausschlaggebend ist dabei nicht, ob die Entscheidung tatsächlich auf der Basis angemessener Informationen erfolgte und dem Wohle der Gesellschaft diente, sondern es reicht aus, dass der Vorstand dies vernünftigerweise annehmen durfte (Henssler/Strohn/Dauner-Lieb, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., AktG § 93 Rn. 22 mwN; MüKo-AktG/Spindler aaO, Rn. 48; Krieger/Sailer-Coceani aaO). Die Beurteilung des Vorstands im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung muss aus der Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters vertretbar erscheinen („vernünftigerweise“).

(2) Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben hätte das Landgericht - gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen - zunächst bestimmen müssen, welchen tatsächlichen Anforderungen eine die Angeklagten hinreichend informierende Vorlage hätte genügen müssen. So hätte insbesondere geklärt werden müssen, in welcher Form eine Beteiligung der Rechtsabteilung mitzuteilen gewesen wäre, um als hinreichend zuverlässige Information zu gelten, und welche Informationen zu fordern waren, um den Angeklagten eine Plausibilitätsprüfung im Hinblick auf die Erreichung der aufsichtsrechtlichen Ziele und einen ausreichenden Eindruck von der Ertrags- und Kostensituation sowie der Risiken der Transaktion zu ermöglichen. Die bisherigen Feststellungen reichen deshalb nicht aus, um dem Senat die Beurteilung zu ermöglichen, dass die Angeklagten - entgegen der Bewertung des Landgerichts - ihren Informationspflichten genügt haben.

bb) Bei der Abwägung des Maßes der Pflichtverletzung (LG Hamburg aaO, Rn. 1521 ff.) erörtert das Landgericht nicht alle wesentlichen tatsächlichen Gesichtspunkte, die im Rahmen der Prüfung einer Sorgfaltspflichtverletzung nach § 93 Abs. 1 AktG zu beachten gewesen wären.

(1) Nach den Erwägungen des Landgerichts spricht für eine gravierende Pflichtverletzung zwar, dass die Angeklagten sich vor ihrer Zustimmung in mehrfacher Hinsicht unvollständig informiert und für eine „nicht sicher erfolgversprechende“ Transaktion erhebliche Kosten in Kauf genommen hätten. Jedoch hätten sie uneigennützig und in Verfolgung wichtiger strategischer Ziele gehandelt und bei der Entscheidung ihre Befugnisse nicht überschritten. Unrichtige oder unvollständige Angaben gegenüber Mitverantwortlichen oder zur Aufsicht befugten oder berechtigten Personen seien nicht gemacht worden. Auch eine Überschreitung von Kredit- oder Risikoobergrenzen habe nicht vorgelegen. Das Maß der Verletzung der Informationspflicht sei zudem nicht „sehr schwerwiegend“ gewesen. In der Kreditvorlage vom 14. Dezember 2007 sei die - tatsächlich jedoch nicht erfolgte - aufsichtsrechtliche Prüfung und Freigabe der Transaktion durch die Rechtsabteilung behauptet worden. Diese Angabe sei nur deshalb als nicht hinreichend zuverlässig anzusehen, weil es insoweit an „entsprechend eindeutigen“ Informationen aus den Voten des (kontrollierenden) Marktfolgebereichs (Zweitvotum und NPNM-Votum) sowie an einer Erläuterung gefehlt habe, auf welchem rechtlichen Wege die RWA-Entlastung trotz fehlender Abgabe wirtschaftlicher Risiken erreicht werde. Auch in den Marktfolgevoten sei eine Befassung der Rechtsabteilung mit der Transaktion - wenn auch nicht deren abschließende Prüfung und Freigabe - bekundet worden, so dass die Angeklagten das Risiko der Nichterreichung der aufsichtsrechtlichen Transaktionsziele für gering hätten halten können. Hinsichtlich des mit der Transaktion eingegangenen erheblichen finanziellen Risikos sei zu berücksichtigen, dass den Angeklagten zwar keine verwertbaren Informationen über den Wert der auf den STCDO bezogenen Liquiditätsfazilität zur Verfügung gestanden hätten. Angesichts der in der Kreditvorlage vom 14. Dezember 2007 ausgewiesenen „AAA“-Bewertung des STCDO sowie der projizierten Ratingszenarien unter Berücksichtigung von Ausfällen im Referenzportfolio sei aber eine Aussage über die (geringe) Ausfallwahrscheinlichkeit der Tranche getroffen worden. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass in sämtlichen den Angeklagten zur Verfügung gestellten Voten - trotz der darin enthaltenen unzureichenden Informationen - im Ergebnis der Abschluss der Transaktion empfohlen worden sei. Nach umfassender Abwägung sämtlicher Umstände sei daher das Maß einer „gravierenden“ und „evidenten“ Pflichtverletzung nicht erreicht.

(2) Das Landgericht hätte indes darüber hinaus Folgendes berücksichtigen müssen:

(a) Insbesondere aus dem Zweitvotum vom 17. Dezember 2007 und dem NPNM-Votum vom 14. Dezember 2007 ließ sich ablesen, dass die Bewertungen der zuständigen Mitarbeiter auf unzureichender Tatsachengrundlage beruhten und ausdrücklich vorläufigen Charakter hatten. So wies das NPNM-Votum darauf hin, dass die Würdigung „vorbehaltlich einer abschließenden Prüfung und Verifizierung der getroffenen Aussagen im Nachgang auf Basis sämtlicher finaler Unterlagen“ erfolgt sei (LG Hamburg aaO, Rn. 711, S. 1 des NPNM-Votums). Beide Voten machten unmissverständlich klar, dass sie unter erheblichem Zeitdruck angefertigt wurden („Der Zeitrahmen der zweiten Risikobewertung war außerordentlich eng und in Anbetracht der Komplexität sowie der zugrundeliegenden Beträge unangemessen knapp bemessen“, LG Hamburg aaO, Rn. 710, S. 5 des Zweitvotums). Sie enthielten damit „Warnsignale“, die Anlass zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit der jeweils vorgenommenen Gesamtbewertung hätten geben müssen. Selbst dem Erstvotum des mit der Entwicklung der Transaktion befassten Marktbereichs vom 14. Dezember 2007, mit der das Geschäft vorgestellt und befürwortet wurde, ließen sich derartige Warnhinweise entnehmen (LG Hamburg aaO, Rn. 708 unter 5.8.2: „Zeichnungen [in zutreffender Übersetzung des englischen Originaltextes: Ziehungen] 38 39 gemäß der BLF hängen weitgehend von intransparenten Repo-Preisen ab, die durch die B. gestellt werden.“). Es wäre deshalb zu erörtern gewesen, inwieweit diese Umstände die Angeklagten - wiederum unter Berücksichtigung des Zeitfaktors (vgl. Krieger/Sailer-Coceani aaO) - zunächst zu weiteren Nachfragen hätten bewegen müssen und einer Entscheidung im Umlaufverfahren entgegengestanden hätten. Gegebenenfalls hätte das Landgericht zu prüfen gehabt, ob die Angeklagten unter Würdigung der Risiken des Unterlassens der Transaktion „Omega 55“ sogar von deren Genehmigung hätten absehen müssen.

(b) Als weitere Gesichtspunkte, die zugunsten der Angeklagten, aber auch zu ihren Lasten hätten sprechen können, wären mögliche Vorinformationen über RWA-Entlastungstransaktionen der Art von „Omega 55“ zu würdigen gewesen. So hatte die H. im Dezember 2007 noch weitere, teils ebenfalls komplex gestaltete RWA-Entlastungsmaßnahmen vorbereitet (LG Hamburg aaO, Rn. 31). Der Transaktion „Ruby“ hatte der Vorstand zudem bereits zugestimmt, bevor das Geschäft unerwartet scheiterte, wodurch die Lücke in der RWA-Entlastungsplanung entstand, die durch die Transaktion „Omega 55“ geschlossen werden sollte (LG Hamburg aaO, Rn. 31, 579 f.). Tragfähige Vorinformationen aus diesen Transaktionen hätten einerseits das Informationsbedürfnis der Angeklagten mindern können; andererseits hätten die Angeklagten aus ihnen aber auch Kenntnisse über aufsichtsrechtliche Probleme und Risiken des Geschäfts erlangt haben können.

(c) Soweit das Landgericht auf die „Uneigennützigkeit“ des Handelns der Angeklagten abstellt, hätte es sein Augenmerk auch darauf richten müssen, ob diese sich von der Einhaltung der bankinternen RWA-Grenzen finanzielle Vorteile (z.B. „Boni“) versprechen konnten oder bei Verfehlung dieser Ziele entsprechende Nachteile zu erwarten gehabt hätten.

2. Auch der Freispruch der Angeklagten F. und N. vom Vorwurf eines Verstoßes gegen § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat angenommen, dass die Veröffentlichung des Quartals-Zwischenberichts für den H. -Konzern zum 31. März 2008 und die hierauf bezogene Pressemitteilung am 20. Juni 2008 nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG sei, weil die Abweichung in der Mitteilung über die Ertragslage nicht als erheblich anzusehen sei; dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das abstrakte Gefährdungsdelikt des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG einer einschränkenden Auslegung bedarf. Die Vorschrift dient dem Schutz von Aktionären und dritten Personen, die zu der Aktiengesellschaft in rechtlicher oder wirtschaftlicher Beziehung stehen oder in eine solche Beziehung treten wollen und deshalb an dem Vermögensstand, den Verhältnissen und der Vertrauenswürdigkeit der Gesellschaft interessiert sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2004 - 1 StR 420/03, BGHSt 49, 381; Schaal in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Ergänzungslieferung September 2016, AktG § 400 Rn. 2). Angesichts dieses Schutzzwecks sind Erklärungen aus dem Tatbestand auszuschließen, die bei abstrakter Betrachtungsweise für eine Entscheidung der geschützten Personen, mit der Gesellschaft in rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen zu treten, nicht relevant sind (OLG Frankfurt, NStZ-RR 2002, 275).

b) Zu Recht weisen die Revisionen jedoch darauf hin, dass dem Verhältnis der fehlerhaft dargestellten Ertragslage von insgesamt rund 112 Millionen Euro (Gewinn in Höhe von 81 Millionen Euro statt Verlust in Höhe von 31 Millionen Euro) zur Bilanzsumme und zum Gesamtgeschäftsvolumen im vorliegenden Fall keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen kann. Dieser Bezugsrahmen ist für Banken wenig geeignet, da diese aufgrund ihres Geschäftszwecks - Entgegennahme von Fremdgeldern zwecks Ausreichung von Darlehen im Aktivgeschäft - regelmäßig über besonders hohe Bilanzsummen verfügen, mithin sich die Relation in den meisten Fällen als geringfügig darstellen wird.

c) Ohnehin können quantitative Grenzen, wie sie in der Literatur diskutiert werden (vgl. Beck Bil-Komm/Schellhorn/Winkeljohann HGB, § 264 Rn. 56), nur Anhaltspunkte für die Erheblichkeit liefern. Sie stellen lediglich Indikatoren dar und sind durch qualitative Beurteilungskriterien zu ergänzen. Insbesondere in Zweifelsfällen ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände unverzichtbar (vgl. Dannecker in Staub, Großkommentar HGB, 5. Aufl., § 331 Rn. 64 mwN).

Eine solche Gesamtbetrachtung hätte das Landgericht hier vornehmen müssen. Dabei hätte etwa eingestellt werden müssen, dass die Ertragslage der H. für die Kapitalmarktöffentlichkeit unter dem Eindruck der Subprime-Krise und des durch sie hervorgerufenen allgemeinen Misstrauens gegenüber Finanzinstituten von großer Bedeutung war. Soweit das Landgericht ergänzend ausführt, dass es für die Erheblichkeit keinen Unterschied mache, ob die unrichtige Darstellung der Ertragslage zu einem Wechsel vom Verlust- in den Gewinnbereich führe, vermag dies im vorliegenden Fall nicht zu überzeugen. Vor dem Hintergrund der Subprime-Krise war es - worauf die Revision ebenfalls zu Recht hinweist - vielmehr von nicht geringem Belang, ob die H. trotz angespannter Kapitalmarktlage einen (kleinen) Quartalsgewinn erreichen konnte oder ob sie - von dieser getroffen - einen Verlust hinzunehmen hatte. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund des (ursprünglich) geplanten Börsengangs.

Insoweit hätte das Landgericht auch näher darlegen müssen, ob dieser zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Quartalsberichtes und der Pressemitteilung am 20. Juni 2008 noch beabsichtigt war. Gerade für (potentielle) Anleger war die Frage bedeutsam, ob trotz angespannter Kapitalmarktlage ein Gewinn erzielt werden konnte.

3. Der Senat hebt die an sich rechtsfehlerfreien Feststellungen des Urteils auf, da die freigesprochenen Angeklagten keine rechtliche Möglichkeit hatten, diese anzugreifen.

4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Für die Prüfung einer Strafbarkeit der Angeklagten nach § 266 StGB (zusätzlich zu den Hinweisen unter oben II.1.):

Das Landgericht hat mit nachvollziehbaren Erwägungen angenommen, dass durch die Transaktion „Omega 55“ aufsichtsrechtlich keine RWA-entlastende Wirkung erzielt wurde (LG Hamburg aaO, Rn. 482 ff.). Soweit es jedoch davon ausgegangen ist, dass die Transaktion angesichts des Ziels einer RWA-Entlastung insgesamt sinnlos gewesen und deshalb ein Vermögensnachteil in Höhe der Gesamtkosten der Transaktion eingetreten sei (LG Hamburg aaO, Rn. 991 ff.), wird das neue Tatgericht auch den „Kapitalmarkterfolg“ als möglichen Gegenwert des Vermögensverlusts in Betracht zu ziehen haben. Die Urteilsbegründung spricht bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Transaktion für das Bestehen nicht geringer Chancen, dass das Geschäft aufsichtsrechtlich nicht beanstandet worden wäre, deshalb das verfolgte Ziel, die RWA-Entlastung gegenüber der Kapitalmarktöffentlichkeit geltend zu machen, hätte erreicht werden können und Nachteile für die H. am Kapitalmarkt vermieden worden wären (siehe insbesondere LG Hamburg aaO, Rn. 1211, 1418).

Die Transaktion stellte sich wegen ihres (aufsichts-)rechtlich nicht garantierten, sondern nur faktisch erzielbaren wirtschaftlichen Erfolgs als ein „Risikogeschäft“ dar, bei dem unter besonderen Umständen die Erwartung künftiger Vorteile einen Nachteil schon bei seiner Entstehung ausgleichen und wirtschaftlich aufheben kann (BGH, Urteile vom 19. Januar 1954 - 1 StR 579/53, und vom 6. Oktober 1959 - 1 StR 203/59; so bereits RG JW 1934, 2923, Nr. 29; 1936, 882, Nr. 27).

Dem steht nicht entgegen, dass das Geschäft - bei nicht gegebener aufsichtsrechtlicher Anerkennungsfähigkeit - zumindest objektiv auf eine moralisch bemakelte Irreführung des Kapitalmarkts hinausgelaufen wäre. § 266 StGB hat als Vermögensschädigungsdelikt nicht die Aufgabe, Recht und Moral in geschäftlichen Beziehungen zu garantieren, sondern das Individualvermögen vor Beeinträchtigungen zu schützen (Rönnau, ZStW 2006, 887, 921). Bei der Untreue ist die Nachteilszufügung nur durch einen Vergleich des Vermögens, das der Betreute ohne die Pflichtverletzung des Täters hätte, mit dem Vermögen, über das er infolge der Pflichtverletzung verfügt, festzustellen. Dabei ist jeder Vorteil zu berücksichtigen, der durch die pflichtwidrige Handlung erzielt worden ist. Zum Vermögen gehört nach der maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise alles, was in Geldwert messbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1975 - 4 StR 571/74, NJW 1975, 1234 mwN). Dementsprechend sind die Chancen eines „Kapitalmarkterfolges“ des Geschäfts als möglicher Ausgleich des Vermögensverlusts in Betracht zu ziehen. Dies gilt erst dann nicht mehr, wenn die Angeklagten mit der Genehmigung des Geschäfts gegen ihre Legalitätspflicht (§ 93 Abs. 1 AktG) verstoßen hätten, wofür sich aus den Feststellungen aber keine hinreichenden Anhaltspunkte ergeben (vgl. zur Legalitätspflicht BGH, Urteil vom 27. August 2010 - 2 StR 111/09 mwN; MüKo-AktG/Spindler aaO, Rn. 73 ff. mwN).

b) Für die Prüfung einer Strafbarkeit der Angeklagten F. und N. nach § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG gilt:

Im angefochtenen Urteil fehlt es zum einen an einer nachvollziehbaren Darlegung der bilanziellen Falschverbuchung, die dem Quartalzwischenbericht und der hierzu ergangenen Pressemitteilung zugrunde lag. Diese wird das neue Tatgericht zu leisten haben. Im Rahmen der Prüfung des subjektiven Tatbestandes wird es sein Augenmerk darauf zu richten haben, dass nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des angefochtenen Urteils die fehlerhafte Bilanzierung erst im November 2008 „entdeckt“ wurde (LG Hamburg aaO, Rn. 686 ff.).

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 34

Externe Fundstellen: NJW 2017, 578 ; NStZ 2017, 227; StV 2017, 388

Bearbeiter: Christian Becker