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HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 236

Bearbeiter: Stephan Schlegel

Zitiervorschlag: BVerfG, 1 BvR 357/05, Urteil v. 15.02.2006, HRRS 2006 Nr. 236


BVerfG 1 BvR 357/05 (Erster Senat) - Urteil vom 15. Februar 2006

Luftsicherheitsgesetz; Menschenwürde und Recht auf Leben (Objektformel; keine mutmaßliche Einwilligung in den Abschuss; keine Verdinglichung des Menschen als Teil der Waffe; keine Einstandspflicht zugunsten des in seinem Bestand nicht gefährdeten Staates; Subjektstellung: Verantwortung und Zurechnung; Aufopferungspflicht: solidarische Einstandspflicht; Schutzpflichten des Staates); strafrechtliche Würdigung (Offenlassung; kein Recht des Staates zur Erlaubnis des Abschusses von auch mit Nichttätern besetzten Flugzeugen); Einsatz der Bundeswehr bei der Katastrophenhilfe (regionaler und überregionaler Katastrophennotstand; Einsatz als Polizeikräfte; kein Einsatz militärischer Kampfmittel); Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Unvereinbarkeit mit wehrverfassungsrechtlichen Vorgaben); Substantiierung der Verfassungsbeschwerde (Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes); Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz (Beschwer; selbst, gegenwärtig; unmittelbar).

Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG; Art. 35 Abs. 3 S. 1 GG; Art. 87 d Abs. 2 GG; § 14 Abs. 3 LuftSiG; § 92 BVerfGG; § 23 Abs. 1 S. 2 BVerfGG

Leitsätze

1. Der Bund hat unmittelbar aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GG das Recht zur Gesetzgebung für Regelungen, die das Nähere über den Einsatz der Streitkräfte bei der Bekämpfung von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen nach diesen Vorschriften und über das Zusammenwirken mit den beteiligten Ländern bestimmen. Der Begriff des besonders schweren Unglücksfalls umfasst auch Vorgänge, die den Eintritt einer Katastrophe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwarten lassen. (BVerfG)

2. Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GG erlaubt es dem Bund nicht, die Streitkräfte bei der Bekämpfung von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen mit spezifisch militärischen Waffen einzusetzen. (BVerfG)

3. Die Ermächtigung der Streitkräfte, gemäß § 14 Abs. 3 des Luftsicherheitsgesetzes durch unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ein Luftfahrzeug abzuschießen, das gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, ist mit dem Recht auf Leben nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar, soweit davon tatunbeteiligte Menschen an Bord des Luftfahrzeugs betroffen werden. (BVerfG)

4. Unter dem Begriff des Unglücksfalles nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG bzw. Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG fallen auch Ereignisse, die durch vorsätzliches menschliches Handeln hervorgerufen werden. (Bearbeiter)

5. Die Regelung des § 14 Abs. 3 LuftSiG begegnet auch insoweit verfassungsrechtlichen Bedenken als sie für den zulässigen Streitkräfteeinsatz gemäß § 13 Abs. 3 LuftSiG nicht durchweg eine vorherige Einsatzentscheidung der Bundesregierung voraussetzt. (Bearbeiter)

6. Das menschliche Leben ist die vitale Basis der Menschenwürde als tragendem Konstitutionsprinzip und oberstem Verfassungswert (vgl. BVerfGE 39, 1, 42; 109, 279, 311). Jeder Mensch besitzt als Person diese Würde, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seinen körperlichen oder geistigen Zustand, seine Leistungen und seinen sozialen Status (vgl. BVerfGE 87, 209, 228; 96, 375, 399). Sie kann keinem Menschen genommen werden. Verletzbar ist aber der Achtungsanspruch, der sich aus ihr ergibt (vgl. BVerfGE 87, 209, 228). Das gilt unabhängig auch von der voraussichtlichen Dauer des individuellen menschlichen Lebens (vgl. BVerfGE 30, 173, 194). (Bearbeiter)

7. Dem Staat ist es im Hinblick auf dieses Verhältnis von Lebensrecht und Menschenwürde einerseits untersagt, durch eigene Maßnahmen unter Verstoß gegen das Verbot der Missachtung der menschlichen Würde in das Grundrecht auf Leben einzugreifen. Andererseits ist er auch gehalten, jedes menschliche Leben zu schützen. (Bearbeiter)

8. Ausgehend von der Vorstellung des Grundgesetzgebers, dass es zum Wesen des Menschen gehört, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich frei zu entfalten, und dass der Einzelne verlangen kann, in der Gemeinschaft grundsätzlich als gleichberechtigtes Glied mit Eigenwert anerkannt zu werden (vgl. BVerfGE 45, 187, 227 f. ), schließt es die Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde vielmehr generell aus, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen (vgl. BVerfGE 27, 1 6); 96, 375, 399). (Bearbeiter)

9. Der Staat, der zur Abwehrmaßnahme des § 14 Abs. 3 LuftSiG greift, missachtet die entführten Betroffenen als Subjekte mit Würde und unveräußerlichen Rechten. Sie werden dadurch, dass ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer benutzt wird, verdinglicht und zugleich entrechtlicht; indem über ihr Leben von Staats wegen einseitig verfügt wird, wird den als Opfern selbst schutzbedürftigen Flugzeuginsassen der Wert abgesprochen, der dem Menschen um seiner selbst willen zukommt. (Bearbeiter)

10. Auch wenn sich im Bereich der Gefahrenabwehr Prognoseunsicherheiten vielfach nicht gänzlich vermeiden lassen, ist es unter der Geltung des Art. 1 Abs. 1 GG schlechterdings unvorstellbar, auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich wie die Besatzung und die Passagiere eines entführten Luftfahrzeugs in einer für sie hoffnungslosen Lage befinden, gegebenenfalls sogar unter Inkaufnahme solcher Unwägbarkeiten vorsätzlich zu töten. Dabei ist hier nicht zu entscheiden, wie ein gleichwohl vorgenommener Abschuss und eine auf ihn bezogene Anordnung strafrechtlich zu beurteilen wären. Für die verfassungsrechtliche Beurteilung ist allein entscheidend, dass der Gesetzgeber nicht durch Schaffung einer gesetzlichen Eingriffsbefugnis zu Maßnahmen der in § 14 Abs. 3 LuftSiG geregelten Art gegenüber unbeteiligten, unschuldigen Menschen ermächtigen, solche Maßnahmen nicht auf diese Weise als rechtmäßig qualifizieren und damit erlauben darf. (Bearbeiter)

11. § 14 Abs. 3 LuftSiG ist dagegen mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG insoweit vereinbar, als sich die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt gegen ein unbemanntes Luftfahrzeug oder ausschließlich gegen Personen richtet, die das Luftfahrzeug als Tatwaffe gegen das Leben von Menschen auf der Erde einsetzen wollen. (Bearbeiter)

12. Es entspricht gerade der Subjektstellung des Angreifers, wenn ihm die Folgen seines selbstbestimmten Verhaltens persönlich zugerechnet werden und er für das von ihm in Gang gesetzte Geschehen in Verantwortung genommen wird. Er wird daher in seinem Recht auf Achtung der auch ihm eigenen menschlichen Würde nicht beeinträchtigt. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

1. § 14 Absatz 3 des Luftsicherheitsgesetzes vom 11. Januar 2005 (Bundesgesetzblatt I Seite 78) ist mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 87 a Absatz 2 und Artikel 35 Absatz 2 und 3 sowie in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Ermächtigung der Streitkräfte durch das Luftsicherheitsgesetz, Luftfahrzeuge, die als Tatwaffe gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden sollen, durch unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt abzuschießen.

I.

1. Am 11. September 2001 wurden in den Vereinigten Staaten von Amerika vier Passagierflugzeuge amerikanischer Fluggesellschaften von einer internationalen Terrororganisation entführt und zum Absturz gebracht. Zwei der Flugzeuge schlugen in das World Trade Center in New York ein, eines stürzte in das Pentagon, das Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten von Amerika. Die vierte Maschine kam, nachdem möglicherweise das Eingreifen von Passagieren an Bord zu einer Kursänderung geführt hatte, südöstlich von Pittsburgh im Bundesstaat Pennsylvania zum Absturz. Bei den Anschlägen starben mehr als 3.000 Menschen in den Flugzeugen, im Bereich des World Trade Center und im Pentagon.

Am 5. Januar 2003 kaperte ein bewaffneter Mann ein Sportflugzeug, kreiste damit über dem Bankenviertel von Frankfurt am Main und drohte, das Flugzeug in das Hochhaus der Europäischen Zentralbank zu stürzen, wenn ihm nicht ein Telefonat in die Vereinigten Staaten von Amerika ermöglicht werde. Ein Polizeihubschrauber und zwei Düsenjäger der Luftwaffe stiegen auf und umkreisten den Motorsegler. Die Polizei löste Großalarm aus, die Innenstadt Frankfurts wurde geräumt, Hochhäuser wurden evakuiert. Gut eine halbe Stunde nach der Kaperung war klar, dass es sich bei dem Entführer um einen verwirrten Einzeltäter handelte. Nachdem seine Forderung erfüllt worden war, landete er auf dem Rhein-Main-Flughafen und ließ sich widerstandslos festnehmen.

2. Beide Vorfälle lösten eine Vielzahl von Maßnahmen aus mit dem Ziel, unrechtmäßige Eingriffe in die zivile Luftfahrt zu verhindern, die Sicherheit der Zivilluftfahrt insgesamt zu verbessern und dabei auch gegen Gefahren zu schützen, die drohen, wenn Luftfahrzeuge (zum Begriff des Luftfahrzeugs vgl. § 1 Abs. 2 des Luftverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. März 1999,BGBl I S. 550) in die Gewalt von Menschen gelangen, die sie für luftverkehrsfremde Zwecke missbrauchen wollen.

a) Unter dem 16. Dezember 2002 erließen das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die - durch Verordnung (EG) 849/2004 vom 29. April 2004 (ABlEG Nr. L 158 vom 30. April 2004, S. 1) geänderte - Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt (ABlEG Nr. L 355 vom 30. Dezember 2002, S. 1). Sie sieht für die Flughäfen in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft die Einführung umfangreicher Sicherheitsmaßnahmen für den Luftverkehr vor. Dazu gehören die Festlegung von Anforderungen an die nationale Flughafenplanung, Regelungen über die Überwachung aller der Öffentlichkeit zugänglichen Flughafenbereiche, Vorschriften über Durchsuchungen von Flugzeugen, Personal und mitgeführten Gegenständen, Bestimmungen über die Kontrolle von Fluggästen und deren Gepäck sowie Vorgaben für ein nationales Programm über die Einstellung und Schulung von Flug- und Bodenpersonal.

b) In der Bundesrepublik Deutschland sind sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht Maßnahmen getroffen worden, die der Stärkung der Sicherheit des Luftverkehrs und dem Schutz vor Angriffen auf diesen Verkehr dienen sollen.

aa) Seit dem 1. Oktober 2003 ist ein in Kalkar am Niederrhein eingerichtetes Nationales Lage- und Führungszentrum "Sicherheit im Luftraum" einsatzbereit. Es soll als zentraler Informationsknotenpunkt zur Gewährleistung der Sicherheit im deutschen Luftraum ein koordiniertes, rasches Zusammenwirken aller mit Fragen der Luftsicherheit befassten Stellen von Bund und Ländern sicherstellen. In ihm kontrollieren Angehörige der Bundeswehr, der Bundespolizei und der Deutschen Flugsicherung den Luftraum. Aufgabe des Zentrums ist es vor allem, Gefahren abzuwehren, die von so genannten Renegade-Flugzeugen drohen; das sind zivile Luftfahrzeuge, die in die Gewalt von Menschen gelangt sind, die sie als Waffe für einen gezielten Absturz missbrauchen wollen. Nach der Klassifizierung eines Luftfahrzeugs als Renegade - sei es von Seiten der NATO, sei es durch das Nationale Lage- und Führungszentrum selbst - liegt die Verantwortung für die erforderlichen Abwehrmaßnahmen im deutschen Luftraum bei den zuständigen Stellen der Bundesrepublik Deutschland.

bb) Die rechtlichen Grundlagen für diese Maßnahmen sind in dem Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 11. Januar 2005 (BGBl I S. 78) enthalten.

aaa) Mit diesem Gesetz, das der Bundesrat für zustimmungsbedürftig gehalten, dem er aber nicht zugestimmt hat (vgl. BRDrucks 716/04 [Beschluss], zu BRDrucks 716/04 [Beschluss]), sind Bestimmungen zur Abwehr äußerer Gefahren für die Luftsicherheit, die bisher im Luftverkehrsgesetz enthalten und mit fremden Regelungsmaterien verbunden waren, zusammengefasst und Anpassungen an die Verordnung (EG) Nr. 2320/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 vorgenommen worden (vgl. BTDrucks 15/2361, S. 14). Artikel 1 des Gesetzes enthält als Herzstück der Neuregelung das Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG).

(1) Dieses dient nach seinem § 1 dem Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen. Gemäß § 2 LuftSiG hat die Luftsicherheitsbehörde die Aufgabe, Angriffe auf die Sicherheit des Luftverkehrs abzuwehren. Sie trifft nach § 3 LuftSiG die notwendigen Maßnahmen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs abzuwehren, soweit nicht § 5 LuftSiG ihre Befugnisse besonders regelt.

Dieser räumt den Luftsicherheitsbehörden zur Sicherung der nicht allgemein zugänglichen Bereiche von Flugplätzen umfassende Kontroll- und Durchsuchungsbefugnisse gegenüber Personen und Gegenständen ein. § 7 LuftSiG überträgt den Luftsicherheitsbehörden die Befugnis zur Zuverlässigkeitsüberprüfung von Personen, die aus beruflichen Gründen mit dem Flug- und Flughafenbetrieb in Berührung kommen. Die §§ 8 und 9 LuftSiG begründen für Flugplatzbetreiber und Luftfahrtunternehmen besondere Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs. § 11 LuftSiG verbietet das Mitführen bestimmter Gegenstände in Luftfahrzeugen. § 12 LuftSiG schließlich regelt die Beleihung der verantwortlichen Luftfahrzeugführer mit Aufgaben und Befugnissen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung an Bord der von ihnen gesteuerten Luftfahrzeuge.

Die Aufgaben der Luftsicherheitsbehörden werden nach § 16 Abs. 2 LuftSiG grundsätzlich von den Ländern im Auftrage des Bundes ausgeführt. Der Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs gemäß § 5 LuftSiG obliegt dagegen nach § 4 des Bundespolizeigesetzes der Bundespolizei, soweit die Voraussetzungen von § 16 Abs. 3 Satz 2 und 3 LuftSiG vorliegen. Nach den zuletzt genannten Vorschriften können die Aufgaben der Luftsicherheitsbehörden, abgesehen von denen nach § 9 Abs. 1 LuftSiG, durch die vom Bundesministerium des Innern bestimmte Bundesbehörde in bundeseigener Verwaltung ausgeführt werden, wenn dies zur Gewährleistung der bundeseinheitlichen Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen erforderlich ist.

(2) Einen besonderen Abschnitt 3 des Gesetzes bilden unter der Überschrift "Unterstützung und Amtshilfe durch die Streitkräfte" die §§ 13 bis 15 LuftSiG. Gemäß § 13 Abs. 1 LuftSiG können, wenn auf Grund eines erheblichen Luftzwischenfalls Tatsachen vorliegen, die im Rahmen der Gefahrenabwehr die Annahme begründen, dass ein besonders schwerer Unglücksfall nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 oder Abs. 3 GG bevorsteht, die Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte der Länder im Luftraum zur Verhinderung dieses Unglücksfalls eingesetzt werden, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist. Über den Einsatz entscheidet im Fall des so genannten regionalen Katastrophennotstands nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG auf Anforderung des betroffenen Landes der Bundesminister der Verteidigung oder im Vertretungsfall das zu seiner Vertretung berechtigte Mitglied der Bundesregierung (§ 13 Abs. 2 LuftSiG), im Fall des überregionalen Katastrophennotstands nach Art. 35 Abs. 3 GG die Bundesregierung im Benehmen mit den betroffenen Ländern (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LuftSiG). Ist eine rechtzeitige Entscheidung der Bundesregierung nicht möglich, entscheidet der Bundesminister der Verteidigung oder im Vertretungsfall das zu seiner Vertretung berechtigte Mitglied der Bundesregierung im Benehmen mit dem Bundesminister des Innern (§ 13 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG). Gemäß § 13 Abs. 4 Satz 2 LuftSiG richtet sich die Unterstützung durch die Streitkräfte im Rahmen des Einsatzes nach den Vorschriften des Luftsicherheitsgesetzes.

Die danach zulässigen Einsatzmaßnahmen und die Grundsätze, die für ihre Auswahl gelten, werden in den §§ 14 und 15 LuftSiG bestimmt. Nach § 15 Abs. 1 LuftSiG dürfen Einsatzmaßnahmen zur Verhinderung des Eintritts eines besonders schweren Unglücksfalls im Sinne von § 14 Abs. 1 und 3 LuftSiG erst getroffen werden, wenn das Luftfahrzeug, von dem die Gefahr eines solchen Unglücksfalls ausgeht, von den Streitkräften zuvor im Luftraum überprüft und sodann erfolglos versucht worden ist, es zu warnen und umzuleiten. Ist diese Voraussetzung erfüllt, dürfen die Streitkräfte gemäß § 14 Abs. 1 LuftSiG das Luftfahrzeug im Luftraum abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt androhen oder Warnschüsse abgeben. Für die Auswahl unter diesen Maßnahmen gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 14 Abs. 2 LuftSiG). Erst wenn auch durch sie der Eintritt eines besonders schweren Unglücksfalls nicht verhindert werden kann, ist nach § 14 Abs. 3 LuftSiG die unmittelbare Einwirkung auf das Luftfahrzeug mit Waffengewalt zulässig. Dies gilt jedoch nur, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, und die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt das einzige Mittel zur Abwehr dieser gegenwärtigen Gefahr ist. Ausschließlich zuständig für die Anordnung dieser Maßnahme ist nach § 14 Abs. 4 Satz 1 LuftSiG der Bundesminister der Verteidigung oder im Vertretungsfall das zu seiner Vertretung berechtigte Mitglied der Bundesregierung.

bbb) Während des Gesetzgebungsverfahrens war - abgesehen von Bedenken, die im Hinblick auf die materielle Verfassungsmäßigkeit von § 14 Abs. 3 LuftSiG geäußert wurden - vor allem streitig, ob sich die §§ 13 bis 15 LuftSiG in dem durch Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmen halten. Das wurde im Bundestag von der Bundesregierung und den Abgeordneten der Regierungsparteien bejaht (vgl. BTPlenarprotokoll 15/89, S. 7882 f., 7886 <A>, 7900 <C>), von den Vertretern der Oppositionsparteien dagegen verneint (vgl. BTPlenarprotokoll 15/89, S. 7884, 7890 f.). Auch in der vom Bundestagsinnenausschuss durchgeführten Sachverständigenanhörung waren die zu dieser Frage geäußerten Auffassungen kontrovers (vgl. das Ausschussprotokoll Nr. 15/35 über die Sitzung am 26. April 2004). Das Gleiche gilt für die Beratungen des Bundesrates (zur Auffassung der Ausschussmehrheiten vgl. die Empfehlungen in BRDrucks 827/1/03, S. 1 ff., und BRDrucks 509/1/04, S. 13 f.).

Die unterschiedliche Einschätzung der verfassungsrechtlichen Lage kam auch darin zum Ausdruck, dass von Seiten der Länder (vgl. vor allem BRDrucks 181/04) und von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (vgl. BTDrucks 15/2649; 15/4658) wiederholt Gesetzentwürfe vorgelegt wurden, die eine Änderung von Art. 35 und Art. 87 a GG vorsahen. Zu einer Änderung des Grundgesetzes ist es jedoch nicht gekommen (vgl. BTPlenarprotokoll 15/115, S. 10545).

ccc) Die Regelungen über die Unterstützung und Amtshilfe durch die Streitkräfte in den §§ 13 bis 15 LuftSiG haben folgenden Wortlaut:

§ 13

Entscheidung der Bundesregierung

(1) Liegen auf Grund eines erheblichen Luftzwischenfalls Tatsachen vor, die im Rahmen der Gefahrenabwehr die Annahme begründen, dass ein besonders schwerer Unglücksfall nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 oder Abs. 3 des Grundgesetzes bevorsteht, können die Streitkräfte, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, zur Unterstützung der Polizeikräfte der Länder im Luftraum zur Verhinderung dieses Unglücksfalles eingesetzt werden.

(2) Die Entscheidung über einen Einsatz nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes trifft auf Anforderung des betroffenen Landes der Bundesminister der Verteidigung oder im Vertretungsfall das zu seiner Vertretung berechtigte Mitglied der Bundesregierung im Benehmen mit dem Bundesminister des Innern. Ist sofortiges Handeln geboten, ist das Bundesministerium des Innern unverzüglich zu unterrichten.

(3) Die Entscheidung über einen Einsatz nach Artikel 35 Abs. 3 des Grundgesetzes trifft die Bundesregierung im Benehmen mit den betroffenen Ländern. Ist eine rechtzeitige Entscheidung der Bundesregierung nicht möglich, so entscheidet der Bundesminister der Verteidigung oder im Vertretungsfall das zu seiner Vertretung berechtigte Mitglied der Bundesregierung im Benehmen mit dem Bundesminister des Innern. Die Entscheidung der Bundesregierung ist unverzüglich herbeizuführen. Ist sofortiges Handeln geboten, sind die betroffenen Länder und das Bundesministerium des Innern unverzüglich zu unterrichten.

(4) Das Nähere wird zwischen Bund und Ländern geregelt. Die Unterstützung durch die Streitkräfte richtet sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes.

§ 14

Einsatzmaßnahmen, Anordnungsbefugnis

(1) Zur Verhinderung des Eintritts eines besonders schweren Unglücksfalles dürfen die Streitkräfte im Luftraum Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt androhen oder Warnschüsse abgeben.

(2) Von mehreren möglichen Maßnahmen ist diejenige auszuwählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Die Maßnahme darf nur so lange und so weit durchgeführt werden, wie ihr Zweck es erfordert. Sie darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.

(3) Die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ist nur zulässig, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, und sie das einzige Mittel zur Abwehr dieser gegenwärtigen Gefahr ist.

(4) Die Maßnahme nach Absatz 3 kann nur der Bundesminister der Verteidigung oder im Vertretungsfall das zu seiner Vertretung berechtigte Mitglied der Bundesregierung anordnen...

§ 15

Sonstige Maßnahmen

(1) Die Maßnahmen nach § 14 Abs. 1 und 3 dürfen erst nach Überprüfung sowie erfolglosen Versuchen zur Warnung und Umleitung getroffen werden. Zu diesem Zweck können die Streitkräfte auf Ersuchen der für die Flugsicherung zuständigen Stelle im Luftraum Luftfahrzeuge überprüfen, umleiten oder warnen...

(2) Der ... Inspekteur der Luftwaffe hat den Bundesminister der Verteidigung unverzüglich über Situationen zu informieren, die zu Maßnahmen nach § 14 Abs. 1 und 3 führen könnten.

(3) Die sonstigen Vorschriften und Grundsätze der Amtshilfe bleiben unberührt.

II.

Die Beschwerdeführer wenden sich mit der Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Luftsicherheitsgesetz, weil es dem Staat erlaube, vorsätzlich Menschen zu töten, die nicht Täter, sondern Opfer eines Verbrechens geworden seien. § 14 Abs. 3 LuftSiG, der unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen zum Abschuss von Luftfahrzeugen ermächtige, verletze ihre Rechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 GG.

1. Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Die Beschwerdeführer würden durch die angegriffene Regelung unmittelbar in ihren Grundrechten beeinträchtigt. Da sie aus privaten und beruflichen Gründen häufig Flugzeuge benutzten, sei es nicht eine nur theoretische Möglichkeit, dass sie von einer Maßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG betroffen sein könnten.

2. Die Verfassungsbeschwerde sei auch begründet. Das Luftsicherheitsgesetz verstoße gegen die Grundrechte der Beschwerdeführer auf Menschenwürde und Leben gemäß Art. 1 Abs. l und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Es mache sie zum bloßen Objekt staatlichen Handelns. Wert und Erhaltung ihres Lebens würden unter mengenmäßigen Gesichtspunkten und nach der ihnen "den Umständen nach" vermutlich verbleibenden Lebenserwartung in das Ermessen des Bundesministers der Verteidigung gestellt. Sie sollten im Ernstfall geopfert und vorsätzlich getötet werden, wenn der Minister auf der Grundlage der ihm vorliegenden Informationen annehme, dass ihr Leben nur noch kurze Zeit dauern werde und daher im Vergleich zu den sonst drohenden Verlusten keinen Wert mehr habe oder jedenfalls nur noch minderwertig sei.

Der Staat dürfe eine Mehrheit seiner Bürger nicht dadurch schützen, dass er eine Minderheit - hier die Besatzung und die Passagiere eines Flugzeugs - vorsätzlich töte. Eine Abwägung Leben gegen Leben nach dem Maßstab, wie viele Menschen möglicherweise auf der einen und wie viele auf der anderen Seite betroffen seien, sei unzulässig. Der Staat dürfe Menschen nicht deswegen töten, weil es weniger seien, als er durch ihre Tötung zu retten hoffe.

Eine Relativierung des Lebensrechts der Passagiere lasse sich auch nicht damit begründen, dass diese als Teil der Waffe Flugzeug angesehen würden. Wer so argumentiere, mache sie zum bloßen Objekt staatlichen Handelns und beraube sie ihrer menschlichen Qualität und Würde.

Der Gesetzesvorbehalt in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG führe ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG schließe einen Eingriff in das Recht auf Leben durch vorsätzliche physische Vernichtung aus.

Die Beschwerdeführer seien in ihren Grundrechten auf Leben und Menschenwürde auch deshalb verletzt, weil das Luftsicherheitsgesetz und der darin vorgesehene Einsatz der Bundeswehr im Inland wegen Verstoßes gegen Art. 87 a GG verfassungswidrig seien. Die Voraussetzungen von dessen Absatz 2 seien nicht gegeben. Die §§ 13 bis 15 LuftSiG könnten mit Art. 35 Abs. 2 und 3 GG nicht gerechtfertigt werden. Sie wollten für die Bewältigung einer ausweglosen Grenzsituation partielles Kriegsrecht einführen. Ein kriegsmäßiger Kampfeinsatz der Bundeswehr im Inland mit militärischen Mitteln sei von Art. 35 GG aber nicht gedeckt.

Mit Art. 35 Abs. 2 und 3 GG sei auch nicht vereinbar, dass der Einsatz der Streitkräfte nicht unter der Verantwortung der jeweiligen Landesregierung und nicht auf der Grundlage des Landespolizeirechts, sondern nach den neuen Regelungen des Bundesrechts erfolgen solle. Nach den Polizeigesetzen aller Länder scheide die vorsätzliche Tötung von Personen, die polizeirechtlich als Unbeteiligte gälten, aus. Diese Konsequenz könne der Bundesgesetzgeber nicht dadurch umgehen, dass er zwar den Einsatz der Bundeswehr in § 13 Abs. 1 LuftSiG als Amtshilfe bezeichne und die Zuständigkeit des Verteidigungsministers gemäß § 13 Abs. 2 LuftSiG mit seiner Befehlsgewalt in Friedenszeiten begründe, dann aber durch § 13 Abs. 4 Satz 2 LuftSiG das Polizeirecht der Länder durch die Vorschriften des Luftsicherheitsgesetzes ersetze.

§ 14 Abs. 3 LuftSiG sei im Übrigen schon deswegen nicht verfassungsgemäß, weil das Luftsicherheitsgesetz nicht mit Zustimmung des Bundesrates zustande gekommen sei. Das Gesetz sei nach Art. 87 d Abs. 2 GG zustimmungspflichtig, weil es Vorschriften ändere, durch welche die Luftverkehrsverwaltung auf die Länder übertragen worden sei. Die Zustimmungsbedürftigkeit beziehe sich nicht nur auf einzelne Regelungen eines Gesetzes, sondern auf das Gesetz insgesamt, wenn es zustimmungspflichtige Teile enthalte oder enthalten habe.

III.

Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich der Deutsche Bundestag, die Bundesregierung, die Bayerische Staatsregierung, die Hessische Landesregierung, der Deutsche BundeswehrVerband, die Vereinigung Cockpit und die Unabhängige Flugbegleiter Organisation UFO schriftlich geäußert.

1. Der Deutsche Bundestag hält die angegriffene Regelung für verfassungsgemäß.

a) Sie habe ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG. Unter den Begriff des besonders schweren Unglücksfalls im Sinne dieser Vorschrift fielen auch Ereignisse, die von Menschen verursacht worden seien. Der Unglücksfall müsse ferner nicht schon eingetreten sein. Es reiche aus, dass er unmittelbar bevorstehe. In den vom Luftsicherheitsgesetz erfassten Fällen werde das Gebiet mehr als eines Landes gefährdet. Das Bundesgebiet sei in so kleine Einheiten aufgeteilt, dass ein mit Reisegeschwindigkeit fliegendes Verkehrsflugzeug zwangsläufig die Grenzen mehrerer Bundesländer passiere.

Ein Verstoß gegen Art. 1 GG liege nicht vor. Nicht der - nur reagierende - Staat beraube bei einem Vorgehen nach den §§ 13 bis 15 LuftSiG die Menschen im Flugzeug ihrer Würde und mache sie zu Objekten, sondern derjenige, der ein Flugzeug in seine Gewalt bringe, um die Menschen an Bord nicht nur zu töten, sondern sie noch in ihrem Tod zur Auslöschung weiterer Menschen zu instrumentalisieren. In die Nähe eines Verstoßes gegen Art. 1 GG gerate der Staat erst, wenn er die Subjektqualität der betroffenen Menschen negiere und damit zum Ausdruck bringe, dass er den Wert verachte, der dem Menschen kraft seines Personseins zukomme. Darum gehe es dem Luftsicherheitsgesetz aber nicht. Bei ihm handele es sich um das Bemühen des Gesetzgebers, auch für eine verzweifelte Lage einen rechtlichen Rahmen vorzugeben.

Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sei ebenfalls nicht verletzt. Zwar werde in das Grundrecht auf Leben der Besatzung eines entführten Flugzeugs, der Passagiere und der Flugzeugentführer in der schwerstmöglichen Weise eingegriffen. Doch sei dies verfassungsgemäß. Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG lasse die Tötung eines Menschen ausdrücklich zu. Wenn der Gesetzgeber mit Blick auf eine hoffentlich nie eintretende, aber doch realistische Gefahr eine Regelung treffe, die darauf hinauslaufe, zur Vermeidung einer noch größeren Zahl von Toten eine relativ kleinere Zahl von Menschen durch die Streitkräfte töten zu lassen, sei im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Wahrheit entscheidend, ob das Gesetz sicherstelle, dass dies nur im äußersten Notfall geschehe. Das sei hier zu bejahen. In der dicht besiedelten und relativ kleinen Bundesrepublik Deutschland sei es faktisch fast nicht denkbar, dass es zur Option des § 14 Abs. 3 LuftSiG komme.

Es werde auch nicht gegen die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG verstoßen. Das Luftsicherheitsgesetz errichte hohe Hürden für den denkbar schwersten Eingriff. Dadurch sei gewährleistet, dass es im Ergebnis wohl nur dann zum Abschuss eines Passagierflugzeugs kommen könne, wenn sich die Zahl der Opfer wenigstens mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf die Flugzeuginsassen beschränken lasse.

Der Gesetzgeber habe nur die Wahl gehabt, untätig zu bleiben oder eine Regelung zu treffen, die in den Grenzbereich des überhaupt Regelbaren hineinreichen müsse. Terrorismus nach dem Muster des 11. September 2001 unterscheide sich grundsätzlich von Fällen der Notwehr und des Notstands im strafrechtlichen Sinne. Das Gesetz dürfe in einem solchen Fall die verantwortlichen Personen zu ihrem Handeln legitimieren mit der Folge, dass sie durch rechtmäßiges Verhalten Unrecht anrichteten, um noch größeres Unrecht abzuwenden. § 14 Abs. 3 LuftSiG konstituiere demnach einen persönlichen, an das Amt anknüpfenden Rechtfertigungsgrund für den Bundesminister der Verteidigung und die ausführenden Soldaten.

b) Die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat in einer ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, sie habe § 14 Abs. 3 LuftSiG unter der Prämisse zugestimmt, dass der Abschuss eines Passagierflugzeugs nicht erlaubt werde, wenn damit die Tötung Unbeteiligter verbunden sei. Die Regelung schaffe keine grundsätzlich neuen Rechtfertigungstatbestände. Anderenfalls würde das Rechtsbewusstsein hinsichtlich des Grundrechts auf Leben auf gefährliche Weise unterminiert.

Eine quantitative oder qualitative Abwägung von Menschenleben gegen Menschenleben sehe § 14 Abs. 3 LuftSiG nicht vor. Der Abschuss eines Luftfahrzeugs sei verfassungsrechtlich allenfalls dann zulässig, wenn sich in diesem nur der "Störer" befinde, der durch sein Verhalten einen besonders schweren Unglücksfall herbeiführen wolle. Die gezielte vorsätzliche Tötung unbeteiligter Personen sei dagegen durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verboten. Auch eine Pflicht des Einzelnen, sich in Situationen, in denen die Existenz des Staates und das Gemeinwohl gefährdet seien, zu deren Erhaltung aufzuopfern, sei abzulehnen. Werde ein Passagierflugzeug als Waffe eingesetzt, dürften die Rechte der Passagiere und der Besatzung auf Unterlassen eines staatlichen Eingriffs in ihr Recht auf Leben nicht gegenüber der Schutzpflicht zurückstehen, die aus diesem Recht zugunsten der durch den gezielten Abschuss des Flugzeugs am Boden gefährdeten Personen abgeleitet werde.

2. Die Bundesregierung ist ebenfalls der Auffassung, dass die angegriffene Regelung der Verfassung entspricht.

Mit dem Luftsicherheitsgesetz erfülle der Staat seine Schutzpflicht gegenüber jedem menschlichen Leben. Träten - wie hier - das Lebensrecht des einen und das Lebensrecht des anderen zueinander in Konflikt, sei es Aufgabe des Gesetzgebers, Art und Umfang des Lebensschutzes zu bestimmen. Über konkrete Maßnahmen hätten die zuständigen Stellen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sei der aktive Eingriff in die Grundrechte der Flugzeuginsassen von außerordentlichem Gewicht. Dies könne aber nicht ohne weiteres ein Nichterfüllen der Schutzpflicht gegenüber Dritten erzwingen, wenn auf deren Seite dasselbe Rechtsgut Leben unmittelbar bedroht sei. Es bestehe keine Präferenz der Abwehrfunktion gegenüber der Schutzfunktion. In Erfüllung der Letzteren dürfe der Gesetzgeber daher vorsehen, dass ein gegenwärtiger Angriff auf das Leben von Menschen abgewehrt werde, auch wenn dabei andere Menschen zu Tode kämen oder - etwa durch herabfallende Flugzeugtrümmer - gefährdet würden. Eine Abwägung Leben gegen Leben finde insoweit nicht statt.

Der Wesensgehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG werde ebenso wenig verletzt wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Vor allem die strengen Voraussetzungen des § 14 LuftSiG schlössen die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt auf ein Luftfahrzeug, in dem sich unbeteiligte Personen befinden, unter Zugrundelegung aller denkbaren Geschehensabläufe aus. Dies folge daraus, dass die Vorschrift höchste normative Gewissheit über das unmittelbare Bevorstehen eines besonders schweren Unglücksfalls verlange. Zudem gelte es, in der dicht besiedelten Bundesrepublik Deutschland schlimmeren Schaden zu vermeiden.

Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Flugzeuginsassen im Fall des § 14 Abs. 3 LuftSiG gleichsam Teil der Waffe seien, als die das Luftfahrzeug benutzt werde. Angesichts der gegenwärtigen Bedrohung des Luftverkehrs müsse den Insassen die Gefährdung bewusst sein, in die sie sich selbst begäben, wenn sie am Flugverkehr teilnähmen. Nur wenn der Staat entsprechend § 14 Abs. 3 LuftSiG handele, könne wenigstens ein Teil der bedrohten Leben gerettet werden. Dies dürfe in einer derart außergewöhnlichen Situation auch zu Lasten derer geschehen, die, untrennbar mit der Waffe verbunden, ohnehin nicht zu retten seien.

Das Luftsicherheitsgesetz wahre auch die Würde des Menschen. Die Insassen des von einem Abschuss betroffenen Luftfahrzeugs würden in ihrer Menschenwürde geachtet. Sie seien, wenn auch gegen ihren Willen, Teil einer Waffe, die das Leben anderer bedrohe. Nur deshalb und mangels anderer Möglichkeiten, den Angriff abzuwehren, richteten sich die staatlichen Maßnahmen auch gegen sie. Eventuell gefährdete Dritte seien ebenfalls nicht in ihrer Menschenwürde verletzt. Das Gesetz diene mit allen seinen Regelungen auch ihrem Schutz.

Das Luftsicherheitsgesetz beachte ferner die grundgesetzliche Kompetenzordnung. Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes ergebe sich aus Art. 73 Nr. 1 und 6 GG, soweit der Einsatz der Streitkräfte betroffen sei. Der Bund habe auch die Verwaltungskompetenz für die Luftsicherheit. Die bundeseigene Luftverkehrsverwaltung nach Art. 87 d Abs. 1 Satz 1 GG schließe die Zuständigkeit ein, für die Sicherheit im Luftverkehr durch bundeseigene Organe zu sorgen. Die Verwaltungskompetenz ergebe sich zudem aus Art. 87 a Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 35 Abs. 2 und 3 GG. Der im Luftsicherheitsgesetz vorgesehene Streitkräfteeinsatz erfolge im Rahmen von Art. 35 Abs. 2 und 3 GG zur Abwehr eines Katastrophennotstands.

Aus der Funktion dieses Einsatzes, die Länder bei der polizeilichen Gefahrenbekämpfung zu unterstützen, folge nicht, dass er sich immer nach Landesrecht richten müsse. Der für die Unterstützung erforderliche Einsatz von Waffen ziehe die Unterstützung nicht in den Bereich des Art. 87 a Abs. 1 GG.

Die Verwendung der Streitkräfte nach den §§ 13 bis 15 LuftSiG diene der Abwehr eines besonders schweren Unglücksfalls im Rahmen des Art. 35 Abs. 2 und 3 GG. Der Einsatz eines Luftfahrzeugs gegen das Leben von Menschen könne zu einem solchen Unglücksfall führen. Dass der Einsatz absichtlich geschehe, stehe dem nicht entgegen. Der Unglücksfall müsse auch nicht schon eingetreten sein.

Das Luftsicherheitsgesetz habe nicht der Zustimmung des Bundesrates bedurft. Gleiches gelte für die übrigen Regelungen des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben.

3. Nach Ansicht der Bayerischen Staatsregierung und der Hessischen Landesregierung, die eine gemeinsame Stellungnahme abgegeben haben, ist die Verfassungsbeschwerde dagegen begründet. Die angegriffene Regelung verstoße gegen Art. 87 a Abs. 2 in Verbindung mit Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG.

Sie sei nicht durch ein Gesetzgebungsrecht des Bundes aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG gedeckt. Die Streitkräfte könnten danach nur zur Unterstützung der Länder bei der Erfüllung polizeilicher Aufgaben handeln und dabei lediglich von den Befugnissen Gebrauch machen, die ihnen das Landesrecht einräume. Damit stehe nicht im Einklang, dass das Luftsicherheitsgesetz den Bund ermächtige, die Bundeswehr zur Gefahrenabwehr nach Bundesrecht einzusetzen. Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Nr. 1 und 6 GG könne wegen Art. 87 a Abs. 2 GG diesen Befund nicht überspielen.

Mit Art. 35 Abs. 2 und 3 GG nicht vereinbar sei ferner, dass die §§ 13 bis 15 LuftSiG einen Einsatz der Streitkräfte auch zu präventiven Zwecken zuließen. Die Verfassung ermögliche einen unterstützenden Einsatz der Streitkräfte nur bei einem schon eingetretenen besonders schweren Unglücksfall. Die in § 14 Abs. 4 LuftSiG geregelte Anordnungsbefugnis trage darüber hinaus nicht dem Umstand Rechnung, dass bei der Konstellation des Art. 35 Abs. 3 GG die Bundesregierung als Kollegialorgan zur Entscheidung berufen sei.

Seien danach die §§ 13 ff. LuftSiG schon deshalb verfassungswidrig, weil der Bund den Rahmen von Art. 87 a Abs. 2 in Verbindung mit Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG verlassen habe, könne dahinstehen, ob auch Grundrechte verletzt seien. Vorsorglich werde aber darauf hingewiesen, dass die Auffassung der Beschwerdeführer nicht geteilt werde, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG schließe es schlechthin aus, zur Verhinderung des Eintritts eines besonders schweren Unglücksfalls Waffengewalt gegen ein entführtes Passagierflugzeug anzuwenden.

4. Der Deutsche BundeswehrVerband äußert Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Regelung. Die Aufgaben, die das Luftsicherheitsgesetz in den §§ 13 ff. regle, beträfen nicht die militärische Landesverteidigung. Vielmehr gehe es um Aufgaben im Bereich der polizeilichen Gefahrenabwehr. Für deren Wahrnehmung fehle es der Bundeswehr an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage. Zu Recht führe die Verfassungsbeschwerde aus, dass ein kriegsmäßiger Kampfeinsatz der Streitkräfte im Inland mit militärischen Mitteln von Art. 35 Abs. 2 GG nicht gedeckt sei.

Außerdem bestünden gegen § 14 Abs. 3 LuftSiG Bedenken im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Die Norm nenne keine präzisen Kriterien für die darin vorausgesetzte Abwägung Leben gegen Leben. Das führe für den zum Handeln gezwungenen Soldaten zu einem schweren Konflikt zwischen der Pflicht zum Gehorsam und der von ihm zu treffenden höchstpersönlichen Gewissensentscheidung. Es fehle eine Regelung, welche die Soldaten zuverlässig von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und zivilrechtlichen Haftungsklagen - auch vor ausländischen Gerichten - freistelle.

5. Die Vereinigung Cockpit hält die Verfassungsbeschwerde für begründet. Geeignetheit und Erforderlichkeit des § 14 Abs. 3 LuftSiG, der den Einsatz von tödlicher Gewalt auch gegen Unbeteiligte erlaube, seien zweifelhaft. Der terroristische Erfolg eines Renegade-Angriffs sei von zahlreichen Unwägbarkeiten abhängig. Schon die Feststellung eines erheblichen Luftzwischenfalls im Sinne des § 13 Abs. 1 LuftSiG sei im Hinblick auf die tatsächlichen Abläufe des Flugverkehrs äußerst schwierig und nur selten mit Gewissheit möglich. Die bei der Überprüfung von Luftfahrzeugen nach § 15 Abs. 1 LuftSiG gewonnenen Erkenntnisse seien selbst bei idealer Wetterlage allenfalls vage. Die mögliche Motivation eines Flugzeugentführers und die Ziele einer Flugzeugentführung blieben bis zuletzt spekulativ. Eine auf gesicherte Tatsachen gestützte Entscheidung über einen Einsatz nach § 14 Abs. 3 LuftSiG komme angesichts des zur Verfügung stehenden knappen Zeitfensters im Zweifel zu spät. Deshalb funktioniere die Konzeption der §§ 13 bis 15 LuftSiG nur, wenn von vornherein im Übermaß reagiert werde.

6. Die Unabhängige Flugbegleiter Organisation UFO teilt die mit der Verfassungsbeschwerde vorgetragenen Bedenken. Der Abschuss eines Zivilflugzeugs sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt. Das Ziel des Luftsicherheitsgesetzes, die Sicherheit des Luftverkehrs und den Schutz der Zivilbevölkerung vor terroristischen Angriffen zu erhöhen, werde zwar unterstützt. Dafür seien aber noch lange nicht alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft.

Zudem bestehe die Gefahr, dass von der Erde aus die Situation an Bord falsch eingeschätzt werde. Dort könne praktisch nicht beurteilt werden, ob die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 LuftSiG vorlägen. Die Informationen, die der Bundesminister der Verteidigung für seine Entscheidung benötige, den Abschuss eines Flugzeugs anzuordnen, stammten nicht aus der direkten Gefahrenzone an Bord des Flugzeugs. Es seien nur indirekte Informationen, die der Pilot vom Kabinenpersonal erhalten habe, das sich womöglich in der Gewalt von Terroristen befinde. Abgesehen davon könne sich die Lage an Bord in Sekundenschnelle ändern und dies wegen der langen Kommunikationswege möglicherweise nicht schnell genug dem Boden mitgeteilt werden.

IV.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beschwerdeführer, der Deutsche Bundestag, die Bundesregierung, die Bayerische Staatsregierung und die Hessische Landesregierung, der Deutsche Bundeswehr-Verband sowie die Vereinigung Cockpit und die Unabhängige Flugbegleiter Organisation UFO ihren schriftlichen Vortrag ergänzt und vertieft. Dabei haben der Bundesminister des Innern und die Vertreter der Fraktionen des Deutschen Bundestags ihre zum Teil unterschiedlichen Auffassungen zur Reichweite des § 14 Abs. 3 LuftSiG dargelegt. Außerdem haben die Deutsche Flugsicherung und der Verband der Besatzungen strahlgetriebener Kampfflugzeuge der Deutschen Bundeswehr zu der angegriffenen Regelung und vor allem zu tatsächlichen Fragen ihrer Anwendung Stellung genommen.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

Unzulässig ist allerdings die Rüge, die angegriffene Regelung sei schon deshalb mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, weil das Luftsicherheitsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedurft hätte und diese nicht erteilt worden sei.

Die Beschwerdeführer stützen diese Rüge auf Art. 87 d Abs. 2 GG. Danach können den Ländern durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung als Auftragsverwaltung übertragen werden. Die Beschwerdeführer stellen nicht darauf ab, dass das Luftsicherheitsgesetz oder andere in dem Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben enthaltene Vorschriften zu einer solchen Aufgabenübertragung geführt hätten. Sie machen vielmehr ausschließlich geltend, dass dieses Gesetz zustimmungspflichtige Regelungen, durch die Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung auf die Länder übertragen worden seien, geändert und deshalb seinerseits der Zustimmung des Bundesrates bedurft habe. Die Verfassungsbeschwerde führt aber nicht aus, welche Vorschriften mit einem nach Art. 87 d Abs. 2 GG zustimmungsauslösenden Inhalt konkret durch das jetzt erlassene Gesetz geändert worden sein sollen und inwieweit dies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Vorschrift (vgl. BVerfGE 97, 198 <226 f.>) die Zustimmungsbedürftigkeit des Änderungsgesetzes begründet haben könnte. Das Beschwerdevorbringen genügt damit insoweit nicht den Anforderungen, die nach § 92 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BVerfGG an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde zu stellen sind (vgl. dazuBVerfGE 99, 84 <87>; 109, 279 <305>).

II.

Zulässig ist dagegen die Rüge, die Beschwerdeführer würden in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt, weil es § 14 Abs. 3 LuftSiG den Streitkräften unter den dort genannten Voraussetzungen und nach Maßgabe der übrigen Regelungen in den §§ 13 bis 15 LuftSiG erlaube, auch dann auf ein Luftfahrzeug mit Waffengewalt einzuwirken, wenn sich darin Menschen aufhalten, die gegen ihren Willen in die Gewalt derer geraten sind, die das Luftfahrzeug gegen das Leben anderer Menschen einsetzen wollen.

1. Auf diesen Regelungsgegenstand beschränken sich die Angriffe der Beschwerdeführer. In Bezug auf § 14 Abs. 1, 2 und 4 sowie § 15 LuftSiG und die darin vorgesehenen Maßnahmen machen sie keine eigenständige Beschwer geltend. Diese Vorschriften werden im Beschwerdevorbringen - ebenso wie die Regelungen in § 13 LuftSiG mit ihrem überwiegend verfahrensrechtlichen Inhalt - nur insoweit erwähnt, als sie der Einsatzmaßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG zwingend vorgeschaltet sind und sich auf diese Maßnahme beziehen.

2. Hinsichtlich der auf diese Weise angegriffenen Regelung sind die Beschwerdeführer insbesondere beschwerdebefugt.

a) Die Beschwerdebefugnis setzt, wenn sich eine Verfassungsbeschwerde - wie hier - unmittelbar gegen ein Gesetz richtet, voraus, dass der Beschwerdeführer durch die angegriffenen Normen selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen ist (vgl. BVerfGE 1, 97 <101 ff.>; 109, 279 <305> ; stRspr). Die Voraussetzung der eigenen und gegenwärtigen Betroffenheit ist grundsätzlich erfüllt, wenn der Beschwerdeführer darlegt, dass er mit einiger Wahrscheinlichkeit durch die auf den angegriffenen Vorschriften beruhenden Maßnahmen in seinen Grundrechten berührt wird (vgl. BVerfGE 100, 313 <354>; 109, 279 <307 f.>). Unmittelbare Betroffenheit ist schließlich gegeben, wenn die angegriffenen Bestimmungen, ohne eines weiteren Vollzugsakts zu bedürfen, die Rechtsstellung des Beschwerdeführers verändern (vgl. BVerfGE 97, 157 <164>; 102, 197 <207>). Das ist auch dann anzunehmen, wenn dieser gegen einen denkbaren Vollzugsakt nicht oder nicht in zumutbarer Weise vorgehen kann (vgl. BVerfGE 100, 313 <354>; 109, 279 <306 f.>).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführer gegeben. Sie haben glaubhaft dargelegt, dass sie aus privaten und beruflichen Gründen häufig zivile Luftfahrzeuge benutzen.

aa) Es ist deshalb hinreichend wahrscheinlich, dass sie durch die von ihnen angegriffene Vorschrift des § 14 Abs. 3 LuftSiG selbst und gegenwärtig in ihren Grundrechten betroffen werden. Unmittelbare Einwirkung auf ein Luftfahrzeug mit Waffengewalt im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, wie sich auch aus dem Vergleich mit den in § 14 Abs. 1 LuftSiG aufgeführten Einsatzmaßnahmen und den in § 15 Abs. 1 LuftSiG genannten sonstigen Maßnahmen ergibt, ein Einwirken mit dem Ziel, das von der Einwirkung betroffene Luftfahrzeug erforderlichenfalls zum Absturz zu bringen.

Die Betroffenheit der Beschwerdeführer wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass im Verfassungsbeschwerdeverfahren die Auffassung vertreten worden ist, § 14 Abs. 3 LuftSiG sei nicht anwendbar, wenn sich an Bord eines Luftfahrzeugs Personen befänden, die - wie dessen Besatzung und Passagiere - für die Herbeiführung einer Gefahrenlage im Sinne dieser Bestimmung nicht verantwortlich seien. Im Wortlaut des § 14 Abs. 3 LuftSiG findet eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift keinen Ausdruck. Die Gesetzesbegründung lässt im Gegenteil erkennen, dass von einer unmittelbaren Einwirkung mit Waffengewalt nach § 14 Abs. 3 LuftSiG auch Personen betroffen sein können, welche die Gefahr eines besonders schweren Unglücksfalls nicht geschaffen haben. Dort wird ausdrücklich von der Lebensbedrohung auch der Flugzeuginsassen durch die Angreifer auf das Luftfahrzeug gesprochen und nicht danach unterschieden, ob es sich bei den Insassen um Täter oder Opfer handelt (vgl. BTDrucks 15/2361, S. 21 zu § 14). Das lässt erkennen, dass von einer Anwendung des § 14 Abs. 3 LuftSiG auch unschuldige Menschen an Bord des Luftfahrzeugs betroffen sein können.

Davon ist im Übrigen auch bei den Beratungen des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben im Deutschen Bundestag ausgegangen worden (vgl. vor allem die Ausführungen der Abg. Burgbacher [FDP], Hofmann [SPD] in der 89. Sitzung des 15. Deutschen Bundestages am 30. Januar 2004, BTPlenarprotokoll 15/89, S. 7887 f., 7889, und der Abg. Pau [fraktionslos] in der 115. Sitzung des 15. Deutschen Bundestages am 18. Juni 2004, BTPlenarprotokoll 15/115, S. 10545; anders allerdings der Abg. Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], BTPlenarprotokoll 15/89, S. 7893 f.; zu den Beiträgen in der Anhörung des Bundestagsinnenausschusses vgl. das Ausschussprotokoll 15/35 über die Sitzung am 26. April 2004, S. 11 f., 22, 33, 43, 44, 57 f., 66 f., 85 f., 94 f., 111 f.). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht ist denn auch von den Vertretern des Deutschen Bundestages überwiegend bekräftigt worden, § 14 Abs. 3 LuftSiG betreffe nicht nur den Fall, dass ein nur mit Straftätern besetztes Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll. Von dieser Vorschrift - zumindest theoretisch - erfasst würden vielmehr auch Luftzwischenfälle mit unschuldigen, an deren Herbeiführung nicht beteiligten Menschen an Bord.

bb) Auch die unmittelbare Betroffenheit der Beschwerdeführer ist unter diesen Umständen gegeben. Es kann ihnen nicht zugemutet werden abzuwarten, bis sie selbst Opfer einer Maßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG werden.

C.

Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. § 14 Abs. 3 LuftSiG ist mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 87 a Abs. 2 und Art. 35 Abs. 2 und 3 sowie in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig.

I.

Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet das Recht auf Leben als Freiheitsrecht (vgl. BVerfGE 89, 120 <130>). Mit diesem Recht wird die biologisch-physische Existenz jedes Menschen vom Zeitpunkt ihres Entstehens an bis zum Eintritt des Todes unabhängig von den Lebensumständen des Einzelnen, seiner körperlichen und seelischen Befindlichkeit, gegen staatliche Eingriffe geschützt. Jedes menschliche Leben ist als solches gleich wertvoll (vgl. BVerfGE 39, 1 <59>). Obwohl es innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert darstellt (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 49, 24 <53>), steht allerdings auch dieses Recht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG unter Gesetzesvorbehalt. Auch in das Grundrecht auf Leben kann deshalb auf der Grundlage eines förmlichen Parlamentsgesetzes (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>) eingegriffen werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass das betreffende Gesetz in jeder Hinsicht den Anforderungen des Grundgesetzes entspricht. Es muss kompetenzgemäß erlassen worden sein, nach Art. 19 Abs. 2 GG den Wesensgehalt des Grundrechts unangetastet lassen und darf auch sonst den Grundentscheidungen der Verfassung nicht widersprechen.

II.

Diesen Maßstäben wird die angegriffene Vorschrift des § 14 Abs. 3 LuftSiG nicht gerecht.

1. Sie greift in den Schutzbereich des durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Grundrechts auf Leben sowohl der Besatzung und der Passagiere des von einer Einsatzmaßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG betroffenen Luftfahrzeugs als auch derer ein, die dieses im Sinne dieser Vorschrift gegen das Leben von Menschen einsetzen wollen. Die Inanspruchnahme der Ermächtigung zur unmittelbaren Einwirkung mit Waffengewalt auf ein Luftfahrzeug nach § 14 Abs. 3 LuftSiG führt praktisch immer zu dessen Absturz. Dieser wiederum hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Tod, also die Vernichtung des Lebens aller seiner Insassen zur Folge.

2. Für diesen Eingriff lässt sich eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung nicht anführen. § 14 Abs. 3 LuftSiG kann in formeller Hinsicht schon nicht auf eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes gestützt werden (a). Die Vorschrift verstößt darüber hinaus, soweit von ihr nicht nur diejenigen, die das Luftfahrzeug als Waffe missbrauchen wollen, sondern außerdem Personen betroffen werden, welche die Herbeiführung des in § 14 Abs. 3 LuftSiG vorausgesetzten erheblichen Luftzwischenfalls nicht zu verantworten haben, auch materiell gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (b).

a) Für die angegriffene Regelung fehlt es an einer Gesetzgebungsbefugnis des Bundes.

aa) § 14 Abs. 3 LuftSiG ist Teil der Bestimmungen in Abschnitt 3 des Luftsicherheitsgesetzes. Dieser trägt die Überschrift "Unterstützung und Amtshilfe durch die Streitkräfte" und macht damit deutlich, dass es sich bei deren Einsatz, so wie er in den §§ 13 bis 15 LuftSiG geregelt ist, primär nicht um die Wahrnehmung einer eigenständigen Aufgabe des Bundes, sondern "im Rahmen der Gefahrenabwehr" und der "Unterstützung der Polizeikräfte der Länder" (§ 13 Abs. 1 LuftSiG) um die Hilfe bei der Bewältigung einer den Ländern obliegenden Aufgabe handelt. Diese Hilfe vollzieht sich, wie § 13 LuftSiG in seinen Absätzen 1 bis 3 im Einzelnen ausweist, in den Bahnen einerseits des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG und andererseits des Art. 35 Abs. 3 GG. Da diese Artikel unstreitig zu den Regelungen des Grundgesetzes gehören, die im Sinne des Art. 87 a Abs. 2 GG den Einsatz der Streitkräfte außerhalb der Verteidigung ausdrücklich zulassen (vgl. BTDrucks V/2873, S. 2 unter B i.V.m. S. 9 f.; zu Art. 35 Abs. 3 GG s. auchBVerfGE 90, 286 <386 f.>), geht es § 14 Abs. 3 LuftSiG ebenso wie den übrigen Regelungen des Abschnitts 3 des Gesetzes, auch im Sinne der Kompetenznorm des Art. 73 Nr. 1 GG, nicht um Verteidigung (a.A. die Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben, BTDrucks 15/2361, S. 14, und weiter etwa auch BVerwG, DÖV 1973, S. 490 <492>). Auch der in den Kompetenztitel "Verteidigung" eingeschlossene Teilbereich des Schutzes der Zivilbevölkerung ist deshalb nicht einschlägig.

Auf die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für den Luftverkehr nach Art. 73 Nr. 6 GG lässt sich § 14 Abs. 3 LuftSiG ebenfalls nicht stützen. Dabei ist hier nicht zu entscheiden, ob der Bund im Rahmen des Art. 73 Nr. 6 GG auch in weiterem Umfang, als er es bisher tut, Aufgaben der Gefahrenabwehr übernehmen könnte. Nach der Konzeption des Gesetzes geht es in den §§ 13 bis 15 LuftSiG um die Unterstützung bei der Gefahrenabwehr der Länder. Regelungsziel ist es, die Verfahrensabläufe im Bereich des Bundes und im Zusammenwirken mit den Ländern festzulegen sowie die Einsatzmittel der Streitkräfte für den Fall zu bestimmen, dass diese den Polizeikräften der Länder zur Unterstützung bei der Abwehr von Gefahren zur Verfügung gestellt werden, die durch einen erheblichen Luftzwischenfall ausgelöst werden. Es handelt sich also um Ausführungsregelungen zum Streitkräfteeinsatz in den Konstellationen des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG. Dafür ergibt sich die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes nicht aus Art. 73 Nr. 6 GG (so auch die Gesetzesbegründung der Bundesregierung; vgl. BTDrucks 15/2361, S. 14). Die Kompetenz für Regelungen des Bundes, die das Nähere über den Einsatz seiner Streitkräfte im Zusammenwirken mit den beteiligten Ländern zur Bewältigung eines regionalen oder überregionalen Katastrophennotstands bestimmen, folgt vielmehr unmittelbar aus Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG selbst.

bb) § 14 Abs. 3 LuftSiG ist durch diesen Kompetenzbereich des Bundes jedoch deshalb nicht gedeckt, weil sich die Vorschrift mit den wehrverfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes nicht vereinbaren lässt.

aaa) Die Streitkräfte, deren Einsatz die §§ 13 bis 15 LuftSiG regeln, werden vom Bund nach Art. 87 a Abs. 1 Satz 1 GG zur Verteidigung aufgestellt. Zu anderen Zwecken ("Außer zur Verteidigung") dürfen sie gemäß Art. 87 a Abs. 2 GG nur eingesetzt werden, soweit es das Grundgesetz ausdrücklich zulässt. Diese Regelung, die im Zuge der Einfügung der Notstandsverfassung in das Grundgesetz durch das Siebzehnte Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 24. Juni 1968 (BGBl I S. 709) geschaffen worden ist, soll verhindern, dass für die Verwendung der Streitkräfte als Mittel der vollziehenden Gewalt "ungeschriebene Zuständigkeiten aus der Natur der Sache" abgeleitet werden (so der Bundestagsrechtsausschuss in seinem Schriftlichen Bericht zum Entwurf einer Notstandsverfassung, BTDrucks V/2873, S. 13). Maßgeblich für die Auslegung und Anwendung des Art. 87 a Abs. 2 GG ist daher das Ziel, die Möglichkeiten für einen Einsatz der Bundeswehr im Innern durch das Gebot strikter Texttreue zu begrenzen (vgl. BVerfGE 90, 286 <356 f.>).

bbb) Dieses Ziel bestimmt auch die Auslegung und Anwendung der Regelungen, durch welche im Sinne des Art. 87 a Abs. 2 GG der Einsatz der Streitkräfte im Grundgesetz außer zur Verteidigung ausdrücklich zugelassen wird. Zu ihnen gehören, wie schon erwähnt, die Ermächtigungen in Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG, auf deren Grundlage die §§ 13 bis 15 LuftSiG der Bekämpfung erheblicher Luftzwischenfälle und der damit verbundenen Gefahren dienen sollen. Im Fall des regionalen Katastrophennotstands nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG kann das betroffene Land zur Hilfe bei der Naturkatastrophe oder dem besonders schweren Unglücksfall unter anderem Kräfte und Einrichtungen der Streitkräfte anfordern. Liegt ein überregionaler, das Gebiet mehr als eines Landes gefährdender Katastrophenfall vor, bedarf es nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG einer solchen Anforderung nicht. Vielmehr kann die Bundesregierung in diesem Fall von sich aus zur Unterstützung der Polizeikräfte der Länder neben Einheiten des - durch Gesetz vom 21. Juni 2005 (BGBl I S. 1818) in Bundespolizei umbenannten - Bundesgrenzschutzes auch Einheiten der Streitkräfte einsetzen, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist.

ccc) Mit diesen Regelungen steht die Ermächtigung der Streitkräfte zur unmittelbaren Einwirkung auf ein Luftfahrzeug mit Waffengewalt in § 14 Abs. 3 LuftSiG nicht im Einklang.

(1) Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG schließt eine solche Einwirkung im Fall des regionalen Katastrophennotstands aus.

(a) Von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist allerdings, dass § 14 Abs. 3 LuftSiG, wie sich aus dem Zusammenhang der Vorschrift mit § 13 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 LuftSiG ergibt, das Ziel verfolgt, im Rahmen der Gefahrenabwehr zu verhindern, dass ein besonders schwerer Unglücksfall nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG eintritt, der als Folge eines erheblichen Luftzwischenfalls als gegenwärtige Gefahr bevorsteht.

(aa) Unter einem besonders schweren Unglücksfall im Sinne des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG - und damit auch im Sinne der §§ 13 bis 15 LuftSiG - wird im Allgemeinen ein Schadensereignis von großem Ausmaß verstanden, das - wie ein schweres Flugzeug- oder Eisenbahnunglück, ein Stromausfall mit Auswirkungen auf lebenswichtige Bereiche der Daseinsvorsorge oder der Unfall in einem Kernkraftwerk - wegen seiner Bedeutung in besonderer Weise die Öffentlichkeit berührt und auf menschliches Fehlverhalten oder technische Unzulänglichkeiten zurückgeht (in diesem Sinne schon Abschnitt A Nr. 3 der Richtlinie des Bundesministers der Verteidigung über Hilfeleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen und im Rahmen der dringenden Nothilfe vom 8. November 1988, VMBl S. 279). Von diesem Begriffsverständnis, das verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, werden auch Ereignisse umfasst, wie sie hier in Rede stehen.

(bb) Dass der Absturz des Luftfahrzeugs, gegen das sich die Maßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG richtet, absichtlich herbeigeführt werden soll, steht der Anwendung des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG nicht entgegen.

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kann unter einem Unglücksfall unschwer auch ein Ereignis verstanden werden, dessen Eintritt auf den Vorsatz von Menschen zurückgeht. Anhaltspunkte dafür, dass Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG, davon abweichend, auf unwillentlich ausgelöste oder fahrlässig herbeigeführte Unglücksfälle beschränkt bleiben, auf Vorsatz beruhende Vorfälle also nicht erfassen soll, sind weder dem Wortlaut der Norm noch den Gesetzesmaterialien (vgl. BTDrucks V/1879, S. 22 ff.; V/2873, S. 9 f.) zu entnehmen. Sinn und Zweck des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG, durch den Einsatz auch der Streitkräfte einen wirksamen Katastrophenschutz zu ermöglichen (vgl. BTDrucks V/1879, S. 23 f.), sprechen ebenfalls dafür, den Begriff des Unglücksfalls weit auszulegen. Die Staatspraxis geht deshalb zu Recht seit langem davon aus, dass als besonders schwere Unglücksfälle auch Schadensereignisse anzusehen sind, die von Dritten absichtlich herbeigeführt werden (vgl. jeweils die Nr. 3 des Erlasses des Bundesministers der Verteidigung über Hilfeleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen bzw. besonders schweren Unglücksfällen und dringende Nothilfe vom 22. Mai 1973, VMBl S. 313, und der entsprechenden Richtlinie vom 17. Dezember 1977, VMBl 1978 S. 86).

(cc) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es auch, dass die Einsatzmaßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG zu einem Zeitpunkt angeordnet und durchgeführt werden soll, zu dem sich zwar bereits ein erheblicher Luftzwischenfall im Sinne des § 13 Abs. 1 LuftSiG ereignet hat, dessen Folge, der besonders schwere Unglücksfall selbst, der durch die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt verhindert werden soll (vgl. § 14 Abs. 1 LuftSiG), aber noch nicht eingetreten ist. Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG verlangt nicht, dass der besonders schwere Unglücksfall, zu dessen Bekämpfung die Streitkräfte eingesetzt werden sollen, schon vorliegt. Unter den Begriff des Katastrophennotstands fallen vielmehr auch Vorgänge, die den Eintritt einer Katastrophe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwarten lassen.

Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG ist nicht zu entnehmen, dass der Hilfeeinsatz der Streitkräfte hinsichtlich des Einsatzbeginns bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen unterschiedlich verlaufen soll. Für Naturkatastrophen wird jedoch in Übereinstimmung mit der Hilfeleistungsrichtlinie des Bundesministers der Verteidigung (vgl. Abschnitt A Nr. 2 der Richtlinie vom 8. November 1988) allgemein davon ausgegangen, dass unter diesen Begriff auch unmittelbar drohende Gefahrenzustände fallen (vgl. etwa Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, Bd. II, 1998, Art. 35 Rn. 24; Gubelt, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 4./5. Aufl. 2001, Art. 35 Rn. 25; von Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl., Bd. 2, 2005, Art. 35 Rn. 70), von ihm also auch Gefahrenlagen erfasst werden, die, wenn ihnen nicht rechtzeitig entgegengewirkt wird, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Eintritt des jeweils drohenden schädigenden Ereignisses erwarten lassen. Für besonders schwere Unglücksfälle kann schon deshalb nichts anderes gelten, weil sich diese nicht immer scharf von Naturkatastrophen abgrenzen lassen und auch hier die Übergänge von der noch drohenden Gefahr zum schon erfolgten Schadenseintritt im Einzelfall fließend sein können. Auch der Sinn und Zweck des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG, den Bund zu einer effektiven Hilfeleistung im Aufgabenbereich der Länder zu befähigen, spricht dafür, beide Katastrophenursachen in zeitlicher Hinsicht gleich zu behandeln und in beiden Fällen mit der Hilfeleistung nicht abzuwarten, bis die zum Schadensereignis führende Gefahrenentwicklung ihren Abschluss gefunden hat.

Dass die Anforderung der Streitkräfte und deren Einsatz nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG "zur Hilfe" "bei" einer Naturkatastrophe und "bei" einem besonders schweren Unglücksfall erfolgen, zwingt nicht zu der Annahme, dass das jeweilige Schadensereignis bereits eingetreten sein muss. Der Wortsinn der Regelung lässt gleichermaßen eine Auslegung dahin gehend zu, dass die Hilfe schon angefordert und geleistet werden kann, wenn erkennbar wird, dass sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Kürze ein Schadensfall ereignen wird, wenn also im polizeirechtlichen Sinne eine gegenwärtige Gefahr gegeben ist. Davon geht erkennbar auch Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG aus, der, an Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG anknüpfend, die Befugnisse der Bundesregierung für den Fall erweitert, dass die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes "gefährdet". Wie hier im überregionalen Katastrophenfall ist demnach für den Streitkräfteeinsatz auch beim regionalen Katastrophennotstand nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr als ausreichend anzusehen.

Zu Recht wird deshalb auch in den Richtlinien des Bundesministers der Verteidigung über Hilfeleistungen der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen und im Rahmen der dringenden Nothilfe seit langem davon ausgegangen, dass die Streitkräfte nicht nur "in Fällen überregionaler Gefährdung" nach Art. 35 Abs. 3 GG, sondern auch "in Fällen regionaler Gefährdung" nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG eingesetzt werden dürfen (so zuletzt Abschnitt A Nr. 4 der Richtlinie vom 8. November 1988). Das schließt notwendigerweise die Annahme aus, der besonders schwere Unglücksfall müsse schon eingetreten sein.

(b) Die Einsatzmaßnahme der unmittelbaren Einwirkung auf ein Luftfahrzeug mit Waffengewalt nach § 14 Abs. 3 LuftSiG wahrt jedoch deshalb nicht den Rahmen des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG, weil diese Vorschrift einen Kampfeinsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen bei der Bekämpfung von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen nicht erlaubt.

(aa) Die "Hilfe", von der Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG spricht, wird den Ländern gewährt, damit diese die ihnen obliegende Aufgabe der Bewältigung von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen wirksam erfüllen können. Davon geht zutreffend auch § 13 Abs. 1 LuftSiG aus, nach dem der Einsatz der Streitkräfte der Unterstützung der Polizeikräfte der Länder bei der Verhinderung des Eintritts eines besonders schweren Unglücksfalls im Rahmen der Gefahrenabwehr dienen soll, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist. Die Ausrichtung auf diese Aufgabe im Zuständigkeitsbereich der Gefahrenabwehrbehörden der Länder, der ausweislich der Gesetzesbegründung durch die §§ 13 bis 15 LuftSiG nicht angetastet werden soll (vgl. BTDrucks 15/2361, S. 20 zu § 13), bestimmt notwendig auch die Art der Hilfsmittel, die beim Einsatz der Streitkräfte zum Zweck der Hilfeleistung verwandt werden dürfen. Sie können nicht von qualitativ anderer Art sein als diejenigen, die den Polizeikräften der Länder für die Erledigung ihrer Aufgaben originär zur Verfügung stehen. Das bedeutet, dass die Streitkräfte, wenn sie nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG auf Anforderung eines Landes "zur Hilfe" eingesetzt werden, zwar die Waffen verwenden dürfen, die das Recht des betreffenden Landes für dessen Polizeikräfte vorsieht. Militärische Kampfmittel, beispielsweise die Bordwaffen eines Kampfflugzeugs, wie sie für Maßnahmen nach § 14 Abs. 3 LuftSiG benötigt werden, dürfen dagegen nicht zum Einsatz gebracht werden.

(bb) Dieses Normverständnis, zu dem der Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG zwingen, wird durch den systematischen Standort und die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift bestätigt. Der regionale Katastrophennotstand im Sinne des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG sollte nach dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf einer Notstandsverfassung ursprünglich - zusammen mit dem so genannten inneren Notstand - in Art. 91 GG geregelt werden (vgl. BTDrucks V/1879, S. 3). Ziel des Vorschlags war es, den Einsatz der Streitkräfte im Innern gegenüber dem Bürger und im Hinblick auf die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes auch für den Fall der regionalen Katastrophenhilfe verfassungsrechtlich zu legitimieren (vgl. BTDrucks V/1879, S. 23 zu Art. 91 Abs. 1). Die Streitkräfte sollten aber nach dem ausdrücklichen Wortlaut der beabsichtigten Regelung lediglich "als Polizeikräfte" zur Verfügung gestellt werden können. Die Bundesregierung wollte auf diese Weise sicherstellen, dass die Streitkräfte allein für polizeiliche Aufgaben und nur mit den polizeirechtlich vorgesehenen Befugnissen gegenüber dem Staatsbürger eingesetzt werden können (vgl. BTDrucks V/1879, S. 23 zu Art. 91 Abs. 2). Das schließt die Aussage ein, dass die Verwendung spezifisch militärischer Bewaffnung beim Einsatz der Streitkräfte im Aufgabenbereich der Länder ausgeschlossen sein sollte.

Die einschränkende Formulierung einer Verwendung der Streitkräfte "als Polizeikräfte" ist zwar im späteren Verfassungstext nicht mehr enthalten; auf sie ist im Zusammenhang mit dem Vorschlag des Bundestagsrechtsausschusses verzichtet worden, die Hilfe zugunsten der Länder im Fall des Katastrophennotstands in Art. 35 Abs. 2 und 3 GG und die Unterstützung der Länder bei der Bekämpfung des inneren Notstands in Art. 87 a Abs. 4 und Art. 91 GG in unterschiedlichen Sachzusammenhängen zu regeln (vgl. dazu BTDrucks V/2873, S. 2 unter B, S. 9 zu § 1 Nr. 2 c). Eine gegenständliche Erweiterung der zulässigen Einsatzmittel der Streitkräfte auf militärtypische Waffen war damit aber nicht beabsichtigt (vgl. auch Cl. Arndt, DVBl 1968, S. 729 <730>).

Der Ausschuss wollte im Gegenteil mit der von ihm vorgeschlagenen - und später vom verfassungsändernden Gesetzgeber insoweit auch übernommenen - Vorschrift die Schwelle für den Einsatz der Streitkräfte als bewaffnete Macht gegenüber der Regierungsvorlage anheben und den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr nur für die Bekämpfung von Gruppen militärisch bewaffneter Aufständischer nach Art. 87 a Abs. 4 GG zulassen (vgl. BTDrucks V/2873, S. 2 unter B). Das findet seinen sichtbaren Ausdruck darin, dass die Bestimmung über den Einsatz der Streitkräfte im regionalen Katastrophenfall in den Bund und Länder betreffenden Abschnitt II des Grundgesetzes und nicht in den Abschnitt VIII eingestellt worden ist, in dem auch die militärische Verwendung der Streitkräfte geregelt ist. Deren Einsatz "zur Hilfe" nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG sollte sich nach den Vorstellungen des Verfassungsgesetzgebers ausdrücklich darauf beschränken, es der Bundeswehr zu ermöglichen, im Rahmen eines regionalen Katastropheneinsatzes die dabei anfallenden Aufgaben und Zwangsbefugnisse polizeilicher Art wahrzunehmen, beispielsweise gefährdete Grundstücke abzusperren und Verkehrsregelungen zu treffen (vgl. BTDrucks V/2873, S. 10 zu Art. 35 Abs. 2; zum verfassungspolitischen Hintergrund der norddeutschen Flutkatastrophe im Jahre 1962 s. auch die Ausführungen von Senator Ruhnau [Hamburg, SPD] in der 3. öffentlichen Informationssitzung des Rechts- und des Innenausschusses des 5. Deutschen Bundestages am 30. November 1967, Protokoll, S. 8, und des Abg. Schmidt [Hamburg, SPD] in der 175. Sitzung des 5. Deutschen Bundestages am 16. Mai 1968, Sten. Ber., S. 9444).

(2) § 14 Abs. 3 LuftSiG ist auch mit der Regelung des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG über den überregionalen Katastrophennotstand nicht vereinbar.

(a) Allerdings ist verfassungsrechtlich insoweit ebenfalls nicht zu beanstanden, dass die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt auf ein Luftfahrzeug gemäß § 14 Abs. 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 LuftSiG an einen Vorgang anknüpft, der von denen, die das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen einsetzen wollen, vorsätzlich herbeigeführt worden ist. Aus den zu Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG ausgeführten Gründen (vgl. oben unter C II 2 a bb ccc [1] [a]) kann in einem solchen absichtlich in Gang gesetzten Vorfall auch im Sinne des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG ein besonders schwerer Unglücksfall gesehen werden. Dass noch nicht alle seine Konsequenzen eingetreten sind, die Dinge sich vielmehr noch auf die Katastrophe hinbewegen, schließt, wie sich aus dem Tatbestandsmerkmal "gefährdet" ergibt, auch die Anwendung des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG nicht aus. Wo die Gefährdung eintritt, ob also das Erfordernis einer überregionalen Gefährdung erfüllt ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Dass sie beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 LuftSiG mehr als nur ein einzelnes Land betrifft, ist jedenfalls möglich, nach der Lagebeurteilung des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 15/2361, S. 20, 21, jeweils zu § 13) und den Stellungnahmen von Bundestag und Bundesregierung sogar eher die Regel.

(b) § 14 Abs. 3 LuftSiG begegnet aber schon deshalb verfassungsrechtlichen Bedenken, weil der danach zulässige Streitkräfteeinsatz gemäß § 13 Abs. 3 LuftSiG nicht durchweg eine vorherige Einsatzentscheidung der Bundesregierung voraussetzt.

Zum Einsatz der Streitkräfte im Fall des überregionalen Katastrophennotstands ist nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG ausdrücklich nur die Bundesregierung ermächtigt. Diese besteht nach Art. 62 GG aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern. Sie ist Kollegialorgan. Ist die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Einsatz der Streitkräfte zum Zweck der überregionalen Katastrophenhilfe der Bundesregierung vorbehalten, verlangt Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG demzufolge einen Beschluss des Kollegiums (vgl. - zu Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG -BVerfGE 91, 148 <165 f.>). Die Entscheidungszuständigkeit der Bundesregierung als Ganzes sichert auch stärker die Belange der Länder, die durch die Verwendung der Streitkräfte in ihrem Kompetenzbereich ohne vorherige Anforderung durch die gefährdeten Länder nachhaltig berührt werden (vgl. BVerfGE 26, 338 <397 f.>).

§ 13 Abs. 3 LuftSiG wird dem lediglich in Satz 1 gerecht, nach dem die Entscheidung über einen Einsatz der Streitkräfte nach Art. 35 Abs. 3 GG die Bundesregierung im Benehmen mit den betroffenen Ländern trifft. Die Sätze 2 und 3 sehen dagegen vor, dass der Bundesminister der Verteidigung oder im Vertretungsfall das zu seiner Vertretung berechtigte Mitglied der Bundesregierung im Benehmen mit dem Bundesminister des Innern entscheidet, wenn eine rechtzeitige Entscheidung der Bundesregierung nicht möglich ist; deren Entscheidung ist in diesem Fall, bei dem es sich nach Auffassung des Gesetzgebers um den Regelfall handeln wird (vgl. BTDrucks 15/2361, S. 21 zu § 13), unverzüglich nachzuholen. Die Bundesregierung wird danach bei der Entscheidung über den Einsatz der Streitkräfte im überregionalen Katastrophenfall nicht nur ausnahmsweise, sondern regelmäßig durch einen Einzelminister ersetzt. Das lässt sich im Blick auf Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG auch nicht mit einer besonderen Eilbedürftigkeit rechtfertigen. Das knappe Zeitbudget, das im Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3 LuftSiG im Allgemeinen nur zur Verfügung steht, macht vielmehr gerade deutlich, dass Maßnahmen der in § 14 Abs. 3 LuftSiG normierten Art auf dem in Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG vorgesehenen Wege in der Regel nicht zu bewältigen sein werden.

(c) Darüber hinaus ist der wehrverfassungsrechtliche Rahmen des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG vor allem deshalb überschritten, weil auch im Fall des überregionalen Katastrophennotstands ein Einsatz der Streitkräfte mit typisch militärischen Waffen von Verfassungs wegen nicht erlaubt ist.

Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG unterscheidet sich von Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG nur in zweifacher Hinsicht. Einmal verlangt Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG das Vorliegen einer Gefahrenlage, von der das Gebiet mehr als eines Landes bedroht ist. Zum andern werden im Hinblick auf die Überregionalität der Notstandslage die Initiative für die wirksame Bekämpfung dieser Situation auf die Bundesregierung verlagert und deren Kompetenzen zur Unterstützung der Polizeikräfte der Länder erweitert; die Bundesregierung kann unter anderem von sich aus Einheiten der Streitkräfte einsetzen. Dass diese bei einem solchen Einsatz spezifisch militärische Waffen verwenden dürfen, wie sie für eine Maßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG benötigt werden, ist dagegen nicht vorgesehen. Der Wortlaut des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG, der den Streitkräfteeinsatz lediglich "zur Unterstützung" der Polizeikräfte der Länder, also wiederum nur bei Wahrnehmung einer Landesaufgabe, erlaubt, und der daraus ersichtliche Regelungszweck der bloßen Unterstützung der Länder durch den Bund schließen einen Einsatz mit militärtypischer Bewaffnung im Lichte des Art. 87 a Abs. 2 GG vielmehr auch bei der Bekämpfung überregionaler Katastrophennotstände aus.

Das wird durch die Entstehungsgeschichte des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG insoweit bestätigt, als für diese Vorschrift vom verfassungsändernden Gesetzgeber kein Anlass gesehen wurde, die Verwendung der Streitkräfte und deren Einsatzmittel abweichend von Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG zu regeln. Nachdem hinsichtlich dieser Bestimmung zum Ausdruck gebracht worden war, dass im Rahmen eines Hilfeeinsatzes zugunsten der Länder auch die Wahrnehmung der dabei anfallenden Aufgaben polizeilicher Art erlaubt sein soll, war die entsprechende Aussage für Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG offenbar so selbstverständlich, dass auf Ausführungen dazu in den Gesetzesmaterialien verzichtet werden konnte (vgl. BTDrucks V/2873, S. 10 zu Art. 35 Abs. 2 und 3). Das ist im Hinblick auf die nach dem allgemeinen Sprachgebrauch im Wesentlichen inhaltsgleichen Einsatzzwecke "zur Hilfe" in Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG und "zur Unterstützung" in Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG nachvollziehbar (vgl. auch dazu Cl. Arndt, a.a.O.). Auch die Hilfeleistungsrichtlinie des Bundesministers der Verteidigung vom 8. November 1988 geht in Abschnitt A Nr. 5 in Verbindung mit Nr. 4 und in Abschnitt C Nr. 16 wie selbstverständlich davon aus, dass sich die Befugnisse sowie Art und Umfang der Hilfeleistungen der Bundeswehr in den Fällen des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und des Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG nicht voneinander unterscheiden. Sie sehen auch bei der Unterstützung der Polizeikräfte der Länder nach Art. 35 Abs. 3 Satz 1 GG einen Einsatz der Streitkräfte mit militärspezifischen Waffen der in § 14 Abs. 3 LuftSiG vorausgesetzten Art nicht vor.

b) § 14 Abs. 3 LuftSiG steht darüber hinaus im Hinblick auf die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG (aa) auch materiell mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht in Einklang, soweit er es den Streitkräften gestattet, Luftfahrzeuge abzuschießen, in denen sich Menschen als Opfer eines Angriffs auf die Sicherheit des Luftverkehrs im Sinne des § 1 LuftSiG befinden (bb). Nur soweit sich die Einsatzmaßnahme des § 14 Abs. 3 LuftSiG gegen ein unbemanntes Luftfahrzeug oder gegen den- oder diejenigen richtet, denen ein solcher Angriff zuzurechnen ist, begegnet die Vorschrift keinen materiellverfassungsrechtlichen Bedenken (cc).

aa) Das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht auf Leben steht gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG unter dem Vorbehalt des Gesetzes (vgl. auch oben unter C I). Das einschränkende Gesetz muss aber seinerseits im Lichte dieses Grundrechts und der damit eng verknüpften Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG gesehen werden. Das menschliche Leben ist die vitale Basis der Menschenwürde als tragendem Konstitutionsprinzip und oberstem Verfassungswert (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 72, 105 <115>; 109, 279 <311>). Jeder Mensch besitzt als Person diese Würde, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seinen körperlichen oder geistigen Zustand, seine Leistungen und seinen sozialen Status (vgl. BVerfGE 87, 209 <228>; 96, 375 <399>). Sie kann keinem Menschen genommen werden. Verletzbar ist aber der Achtungsanspruch, der sich aus ihr ergibt (vgl. BVerfGE 87, 209 <228>). Das gilt unabhängig auch von der voraussichtlichen Dauer des individuellen menschlichen Lebens (vgl. BVerfGE 30, 173 <194> zum Anspruch des Menschen auf Achtung seiner Würde selbst nach dem Tod).

Dem Staat ist es im Hinblick auf dieses Verhältnis von Lebensrecht und Menschenwürde einerseits untersagt, durch eigene Maßnahmen unter Verstoß gegen das Verbot der Missachtung der menschlichen Würde in das Grundrecht auf Leben einzugreifen. Andererseits ist er auch gehalten, jedes menschliche Leben zu schützen. Diese Schutzpflicht gebietet es dem Staat und seinen Organen, sich schützend und fördernd vor das Leben jedes Einzelnen zu stellen; das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen An- und Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 56, 54 <73>). Ihren Grund hat auch diese Schutzpflicht in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG, der den Staat ausdrücklich zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde verpflichtet (vgl. BVerfGE 46, 160 <164>; 49, 89 <142>; 88, 203 <251>).

Was diese Verpflichtung für das staatliche Handeln konkret bedeutet, lässt sich nicht ein für allemal abschließend bestimmen (vgl. BVerfGE 45, 187 <229>; 96, 375 <399 f.>). Art. 1 Abs. 1 GG schützt den einzelnen Menschen nicht nur vor Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung und ähnlichen Handlungen durch Dritte oder durch den Staat selbst (vgl. BVerfGE 1, 97 <104>; 107, 275 <284>; 109, 279 <312>). Ausgehend von der Vorstellung des Grundgesetzgebers, dass es zum Wesen des Menschen gehört, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich frei zu entfalten, und dass der Einzelne verlangen kann, in der Gemeinschaft grundsätzlich als gleichberechtigtes Glied mit Eigenwert anerkannt zu werden (vgl. BVerfGE 45, 187 <227 f.>), schließt es die Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde vielmehr generell aus, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen (vgl. BVerfGE 27, 1 <6>); 45, 187 <228>; 96, 375 <399>). Schlechthin verboten ist damit jede Behandlung des Menschen durch die öffentliche Gewalt, die dessen Subjektqualität, seinen Status als Rechtssubjekt, grundsätzlich in Frage stellt (vgl. BVerfGE 30, 1 <26>; 87, 209 <228>; 96, 375 <399>), indem sie die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen, kraft seines Personseins, zukommt (vgl. BVerfGE 30, 1 <26>; 109, 279 <312 f.>). Wann eine solche Behandlung vorliegt, ist im Einzelfall mit Blick auf die spezifische Situation zu konkretisieren, in der es zum Konfliktfall kommen kann (vgl. BVerfGE 30, 1 <25>; 109, 279 <311>).

bb) Nach diesen Maßstäben ist § 14 Abs. 3 LuftSiG auch mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar, soweit vom Abschuss eines Luftfahrzeugs Personen betroffen werden, die als dessen Besatzung und Passagiere auf die Herbeiführung des in § 14 Abs. 3 LuftSiG vorausgesetzten nichtkriegerischen Luftzwischenfalls keinen Einfluss genommen haben.

aaa) In der Situation, in der sich diese Personen in dem Augenblick befinden, in dem die Anordnung der unmittelbaren Einwirkung mit Waffengewalt auf das in den Luftzwischenfall verwickelte Luftfahrzeug gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 LuftSiG erfolgt, muss nach § 14 Abs. 3 LuftSiG davon auszugehen sein, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll. Das Luftfahrzeug muss, wie es in der Gesetzesbegründung heißt, von denen, die es in ihre Gewalt gebracht haben, zur Angriffswaffe umfunktioniert worden sein (vgl. BT-Drucks 15/2361, S. 20 zu § 13 Abs. 1), es muss selbst von den Straftätern als Tatwaffe, nicht lediglich als Hilfsmittel zur Tatbegehung zielgerichtet gegen das Leben von Menschen verwandt werden (vgl. BTDrucks 15/2361, S. 21 zu § 14 Abs. 3), die sich in dem Bereich aufhalten, in dem das Luftfahrzeug zum Absturz gebracht werden soll. In dieser Extremsituation, die zudem durch die räumliche Enge eines im Flug befindlichen Luftfahrzeugs geprägt ist, sind Passagiere und Besatzung typischerweise in einer für sie ausweglosen Lage. Sie können ihre Lebensumstände nicht mehr unabhängig von anderen selbstbestimmt beeinflussen.

Dies macht sie zum Objekt nicht nur der Täter. Auch der Staat, der in einer solchen Situation zur Abwehrmaßnahme des § 14 Abs. 3 LuftSiG greift, behandelt sie als bloße Objekte seiner Rettungsaktion zum Schutze anderer. Die Ausweglosigkeit und Unentrinnbarkeit, welche die Lage der als Opfer betroffenen Flugzeuginsassen kennzeichnen, bestehen auch gegenüber denen, die den Abschuss des Luftfahrzeugs anordnen und durchführen. Flugzeugbesatzung und -passagiere können diesem Handeln des Staates auf Grund der von ihnen in keiner Weise beherrschbaren Gegebenheiten nicht ausweichen, sondern sind ihm wehr- und hilflos ausgeliefert mit der Folge, dass sie zusammen mit dem Luftfahrzeug gezielt abgeschossen und infolgedessen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit getötet werden. Eine solche Behandlung missachtet die Betroffenen als Subjekte mit Würde und unveräußerlichen Rechten. Sie werden dadurch, dass ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer benutzt wird, verdinglicht und zugleich entrechtlicht; indem über ihr Leben von Staats wegen einseitig verfügt wird, wird den als Opfern selbst schutzbedürftigen Flugzeuginsassen der Wert abgesprochen, der dem Menschen um seiner selbst willen zukommt.

bbb) Dies geschieht zudem unter Umständen, die nicht erwarten lassen, dass in dem Augenblick, in dem gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 LuftSiG über die Durchführung einer Einsatzmaßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG zu entscheiden ist, die tatsächliche Lage immer voll überblickt und richtig eingeschätzt werden kann. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass Verhaltensabläufe eintreten, die den Einsatz der Maßnahme nicht mehr erforderlich sein lassen. Nach den Erkenntnissen, die der Senat auf Grund der im Verfahren abgegebenen schriftlichen Stellungnahmen und der Äußerungen in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anordnung und Durchführung einer solchen Maßnahme stets mit der dafür erforderlichen Gewissheit festgestellt werden können.

(1) Vor allem die Vereinigung Cockpit hat darauf hingewiesen, schon die Feststellung, dass ein erheblicher Luftzwischenfall im Sinne des § 13 Abs. 1 LuftSiG vorliegt und dieser die Gefahr eines besonders schweren Unglücksfalls begründet, sei je nach Sachlage von großen Unsicherheiten geprägt. Diese Feststellung könne nur selten mit Gewissheit getroffen werden. Neuralgischer Punkt bei der Lagebeurteilung sei, inwieweit die möglicherweise betroffene Flugzeugbesatzung den Versuch oder den Erfolg der Entführung eines Luftfahrzeugs den Entscheidungsträgern am Boden noch mitteilen könne. Gelinge das nicht, sei die Tatsachengrundlage von Anfang an mit dem Makel einer Fehlinterpretation behaftet.

Auch die Erkenntnisse, die durch Aufklärungs- und Überprüfungsmaßnahmen nach § 15 Abs. 1 LuftSiG gewonnen werden sollen, sind nach Auffassung der Vereinigung Cockpit selbst bei idealer Wetterlage allenfalls vage. Der Annäherung von Abfangjägern an ein auffällig gewordenes Luftfahrzeug seien im Hinblick auf die damit verbundenen Gefahren Grenzen gesetzt. Die Möglichkeit, die Situation und die Geschehnisse an Bord eines solchen Luftfahrzeugs zu erkennen, sei deshalb selbst bei - zudem oft nur schwer herstellbarem - Sichtkontakt eingeschränkt. Die auf den ermittelten Tatsachen beruhenden Einschätzungen hinsichtlich Motivation und Zielen der Entführer eines Luftfahrzeugs blieben unter diesen Umständen im Allgemeinen wohl bis zuletzt spekulativ. Die Gefahr bei der Anwendung des § 14 Abs. 3 LuftSiG liege infolgedessen darin, dass der Abschussbefehl auf ungesicherter Tatsachengrundlage zu früh erteilt werde, wenn der Einsatz von Waffengewalt im Rahmen des zur Verfügung stehenden, im Regelfall äußerst knappen Zeitfensters überhaupt noch rechtzeitig mit Aussicht auf Erfolg und ohne unverhältnismäßige Gefährdung unbeteiligter Dritter vorgenommen werden solle. Damit ein solcher Einsatz wirkungsvoll sei, müsse deshalb von vornherein in Kauf genommen werden, dass die Maßnahme möglicherweise gar nicht erforderlich sei. Es werde mit anderen Worten häufig wohl mit Übermaß reagiert werden müssen.

(2) Anhaltspunkte dafür, dass diese Einschätzung auf unrealistischen und daher unzutreffenden Annahmen beruhen könnte, sind im Verfahren nicht hervorgetreten. Im Gegenteil hat auch die Unabhängige Flugbegleiter Organisation UFO nachvollziehbar ausgeführt, dass die vom Bundesminister der Verteidigung oder seinem Vertreter nach § 14 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 3 LuftSiG zu treffende Entscheidung auf der Grundlage weitgehend ungesicherter Informationen gefällt werden müsse. Wegen der komplizierten und fehleranfälligen Kommunikationswege einerseits zwischen Kabinenpersonal und Cockpit an Bord eines in einen Luftzwischenfall involvierten Luftfahrzeugs und andererseits zwischen Cockpit und den Entscheidungsträgern am Boden sowie im Hinblick darauf, dass sich die Lage an Bord des Luftfahrzeugs innerhalb von Minuten, ja Sekunden ändern könne, sei es für diejenigen, die auf der Erde unter extremem Zeitdruck entscheiden müssten, praktisch unmöglich, verlässlich zu beurteilen, ob die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 LuftSiG vorliegen. Die Entscheidung könne deshalb im Regelfall nur auf Verdacht, nicht aber auf der Grundlage gesicherter Erkenntnisse getroffen werden.

Diese Bewertung erscheint dem Senat nicht zuletzt deshalb überzeugend, weil das komplizierte, mehrfach gestufte und auf eine Vielzahl von Entscheidungsträgern und Beteiligten angewiesene Verfahren, das nach den §§ 13 bis 15 LuftSiG durchlaufen sein muss, bis es zu einer Maßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG kommen kann, im Ernstfall einen nicht unerheblichen Zeitaufwand erfordern wird. Angesichts des verhältnismäßig kleinen Überfluggebiets Bundesrepublik Deutschland besteht deshalb nicht nur ein immenser zeitlicher Entscheidungsdruck, sondern damit auch die Gefahr vorschneller Entscheidungen.

ccc) Auch wenn sich im Bereich der Gefahrenabwehr Prognoseunsicherheiten vielfach nicht gänzlich vermeiden lassen, ist es unter der Geltung des Art. 1 Abs. 1 GG schlechterdings unvorstellbar, auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich wie die Besatzung und die Passagiere eines entführten Luftfahrzeugs in einer für sie hoffnungslosen Lage befinden, gegebenenfalls sogar unter Inkaufnahme solcher Unwägbarkeiten vorsätzlich zu töten. Dabei ist hier nicht zu entscheiden, wie ein gleichwohl vorgenommener Abschuss und eine auf ihn bezogene Anordnung strafrechtlich zu beurteilen wären (vgl. dazu und zu vergleichbaren Fallkonstellationen etwa OGHSt 1, 321 <331 ff., 335 ff.>; 2, 117 <120 ff.>; Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 3. Aufl. 1997, S. 888 f.; Erb, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 1, 2003, § 34 Rn. 117 ff.; Rudolphi, in: Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. I, Allgemeiner Teil, Vor § 19 Rn. 8 <Stand: April 2003>; Kühl, Strafgesetzbuch, 25. Aufl. 2004, Vor § 32 Rn. 31; Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, 52. Aufl. 2004, Vor § 32 Rn. 15, § 34 Rn. 23; Hilgendorf, in: Blaschke/Förster/Lumpp/Schmidt, Sicherheit statt Freiheit?, 2005, S. 107 <130>). Für die verfassungsrechtliche Beurteilung ist allein entscheidend, dass der Gesetzgeber nicht durch Schaffung einer gesetzlichen Eingriffsbefugnis zu Maßnahmen der in § 14 Abs. 3 LuftSiG geregelten Art gegenüber unbeteiligten, unschuldigen Menschen ermächtigen, solche Maßnahmen nicht auf diese Weise als rechtmäßig qualifizieren und damit erlauben darf. Sie sind als Streitkräfteeinsätze nichtkriegerischer Art mit dem Recht auf Leben und der Verpflichtung des Staates zur Achtung und zum Schutz der menschlichen Würde nicht zu vereinbaren.

(1) So kann - anders als gelegentlich argumentiert wird - nicht angenommen werden, dass derjenige, der als Besatzungsmitglied oder Passagier ein Luftfahrzeug besteigt, mutmaßlich in dessen Abschuss und damit in die eigene Tötung einwilligt, falls dieses in einen Luftzwischenfall im Sinne des § 13 Abs. 1 LuftSiG verwickelt wird, der eine Abwehrmaßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG zur Folge hat. Eine solche Annahme ist ohne jeden realistischen Hintergrund und nicht mehr als eine lebensfremde Fiktion.

(2) Auch die Einschätzung, diejenigen, die sich als Unbeteiligte an Bord eines Luftfahrzeugs aufhalten, das im Sinne des § 14 Abs. 3 LuftSiG gegen das Leben anderer Menschen eingesetzt werden soll, seien ohnehin dem Tode geweiht, vermag der mit einer Einsatzmaßnahme nach dieser Vorschrift im Regelfall verbundenen Tötung unschuldiger Menschen in einer für sie ausweglosen Lage nicht den Charakter eines Verstoßes gegen den Würdeanspruch dieser Menschen zu nehmen. Menschliches Leben und menschliche Würde genießen ohne Rücksicht auf die Dauer der physischen Existenz des einzelnen Menschen gleichen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. oben unter C I, II 2 b aa). Wer dies leugnet oder in Frage stellt, verwehrt denjenigen, die sich wie die Opfer einer Flugzeugentführung in einer für sie alternativlosen Notsituation befinden, gerade die Achtung, die ihnen um ihrer menschlichen Würde willen gebührt (vgl. oben unter C II 2 b aa, bb aaa).

Dazu kommen auch hier Ungewissheiten im Tatsächlichen. Die Unsicherheiten, die die Lagebeurteilung im Anwendungsbereich der §§ 13 bis 15 LuftSiG im Allgemeinen kennzeichnen (vgl. vorstehend unter C II 2 b bb bbb), beeinflussen notwendigerweise auch die Prognose darüber, wie lange Menschen, die sich an Bord eines zur Angriffswaffe umfunktionierten Luftfahrzeugs befinden, noch zu leben haben und ob noch die Chance einer Rettung besteht. Eine verlässliche Aussage darüber, dass das Leben dieser Menschen "ohnehin schon verloren" sei, wird deshalb im Regelfall nicht getroffen werden können.

(3) Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht die Annahme, wer an Bord eines Luftfahrzeugs in der Gewalt von Personen festgehalten werde, die das Luftfahrzeug im Sinne des § 14 Abs. 3 LuftSiG als Tatwaffe gegen das Leben anderer Menschen einsetzen wollen, sei selbst Teil dieser Waffe und müsse sich als solcher behandeln lassen. Diese Auffassung bringt geradezu unverhohlen zum Ausdruck, dass die Opfer eines solchen Vorgangs nicht mehr als Menschen wahrgenommen, sondern als Teil einer Sache gesehen und damit selbst verdinglicht werden. Mit dem Menschenbild des Grundgesetzes und der Vorstellung vom Menschen als einem Wesen, das darauf angelegt ist, in Freiheit sich selbst zu bestimmen (vgl. BVerfGE 45, 187 <227>), und das deshalb nicht zum reinen Objekt staatlichen Handelns gemacht werden darf, lässt sich dies nicht vereinbaren.

(4) Der Gedanke, der Einzelne sei im Interesse des Staatsganzen notfalls verpflichtet, sein Leben aufzuopfern, wenn es nur auf diese Weise möglich ist, das rechtlich verfasste Gemeinwesen vor Angriffen zu bewahren, die auf dessen Zusammenbruch und Zerstörung abzielen (so etwa Enders, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, Art. 1 Rn. 93 <Stand: Juli 2005>), führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen dem Grundgesetz über die mit der Notstandsverfassung geschaffenen Schutzmechanismen hinaus eine solche solidarische Einstandspflicht entnommen werden kann. Denn im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 3 LuftSiG geht es nicht um die Abwehr von Angriffen, die auf die Beseitigung des Gemeinwesens und die Vernichtung der staatlichen Rechts- und Freiheitsordnung gerichtet sind.

Die §§ 13 bis 15 LuftSiG dienen im Rahmen der Gefahrenabwehr der Verhinderung des Eintritts von besonders schweren Unglücksfällen im Sinne des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG. Derartige Unglücksfälle können ausweislich der Gesetzesbegründung politisch motiviert sein, aber auch von Kriminellen ohne politische Absichten oder von geistig verwirrten Einzeltätern ausgehen (vgl. BTDrucks 15/2361, S. 14). Auch wo sie im Einzelfall auf politische Motive zurückgehen, werden, wie die Einbindung der §§ 13 ff. LuftSiG in das System der Katastrophenbekämpfung nach Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG zeigt, Vorgänge vorausgesetzt, die nicht darauf zielen, den Staat selbst und seinen Fortbestand in Frage zu stellen. Für die Annahme einer Einstandspflicht im dargelegten Sinne ist unter diesen Umständen kein Raum.

(5) Schließlich lässt sich § 14 Abs. 3 LuftSiG auch nicht mit der staatlichen Schutzpflicht zugunsten derjenigen rechtfertigen, gegen deren Leben das im Sinne von § 14 Abs. 3 LuftSiG als Tatwaffe missbrauchte Luftfahrzeug eingesetzt werden soll.

Dem Staat und seinen Organen kommt bei der Erfüllung derartiger Schutzpflichten ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu (vgl. BVerfGE 77, 170 <214>; 79, 174 <202>; 92, 26 <46>). Anders als die Grundrechte in ihrer Funktion als subjektive Abwehrrechte sind die sich aus dem objektiven Gehalt der Grundrechte ergebenden staatlichen Schutzpflichten grundsätzlich unbestimmt (vgl. BVerfGE 96, 56 <64>). Wie die staatlichen Organe solchen Schutzpflichten nachkommen, ist von ihnen prinzipiell in eigener Verantwortung zu entscheiden (vgl. BVerfGE 46, 160 <164>; 96, 56 <64>). Das gilt auch für die Pflicht zum Schutz des menschlichen Lebens. Zwar kann sich gerade mit Blick auf dieses Schutzgut in besonders gelagerten Fällen, wenn anders ein effektiver Lebensschutz nicht zu erreichen ist, die Möglichkeit der Auswahl der Mittel zur Erfüllung der Schutzpflicht auf die Wahl eines bestimmten Mittels verengen (vgl. BVerfGE 46, 160 <164 f.>). Die Wahl kann aber immer nur auf solche Mittel fallen, deren Einsatz mit der Verfassung in Einklang steht.

Daran fehlt es im Fall des § 14 Abs. 3 LuftSiG. Die Anordnung und Durchführung der unmittelbaren Einwirkung auf ein Luftfahrzeug mit Waffengewalt nach dieser Vorschrift lässt außer Betracht, dass auch die in dem Luftfahrzeug festgehaltenen Opfer eines Angriffs Anspruch auf den staatlichen Schutz ihres Lebens haben. Nicht nur, dass ihnen dieser Schutz seitens des Staates verwehrt wird, der Staat greift vielmehr selbst in das Leben dieser Schutzlosen ein. Damit missachtet jedes Vorgehen nach § 14 Abs. 3 LuftSiG, wie ausgeführt, die Subjektstellung dieser Menschen in einer mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Weise und das daraus für den Staat sich ergebende Tötungsverbot. Daran ändert es nichts, dass dieses Vorgehen dazu dienen soll, das Leben anderer Menschen zu schützen und zu erhalten.

cc) § 14 Abs. 3 LuftSiG ist dagegen mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG insoweit vereinbar, als sich die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt gegen ein unbemanntes Luftfahrzeug oder ausschließlich gegen Personen richtet, die das Luftfahrzeug als Tatwaffe gegen das Leben von Menschen auf der Erde einsetzen wollen.

aaa) Insoweit steht der Anordnung und Durchführung einer Einsatzmaßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG die Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG nicht entgegen. Das versteht sich bei Maßnahmen gegen unbemannte Luftfahrzeuge von selbst, gilt aber auch im anderen Fall. Wer, wie diejenigen, die ein Luftfahrzeug als Waffe zur Vernichtung menschlichen Lebens missbrauchen wollen, Rechtsgüter anderer rechtswidrig angreift, wird nicht als bloßes Objekt staatlichen Handelns in seiner Subjektqualität grundsätzlich in Frage gestellt (vgl. oben unter C II 2 b aa), wenn der Staat sich gegen den rechtswidrigen Angriff zur Wehr setzt und ihn in Erfüllung seiner Schutzpflicht gegenüber denen, deren Leben ausgelöscht werden soll, abzuwehren versucht. Es entspricht im Gegenteil gerade der Subjektstellung des Angreifers, wenn ihm die Folgen seines selbstbestimmten Verhaltens persönlich zugerechnet werden und er für das von ihm in Gang gesetzte Geschehen in Verantwortung genommen wird. Er wird daher in seinem Recht auf Achtung der auch ihm eigenen menschlichen Würde nicht beeinträchtigt.

Daran ändern auch die Unsicherheiten nichts, die sich bei der Prüfung ergeben können, ob die Voraussetzungen für die Anordnung und Durchführung einer Einsatzmaßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG tatsächlich vorliegen (vgl. oben unter C II 2 b bb bbb). Diese Unsicherheiten sind in Fällen der hier erörterten Art nicht mit denen vergleichbar, die im Regelfall anzunehmen sein werden, wenn sich an Bord des Luftfahrzeugs außer Straftätern auch Besatzungsmitglieder und Passagiere befinden. Wollen diejenigen, die das Luftfahrzeug in ihrer Gewalt haben, dieses nicht als Waffe benutzen, ist also der entsprechende Verdacht nicht begründet, können sie aus Anlass der nach § 15 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 LuftSiG durchgeführten Vorfeldmaßnahmen, etwa auf Grund der Androhung von Waffengewalt oder eines Warnschusses, unschwer durch Kooperation, beispielsweise durch Abdrehen oder das Landen der Maschine, zu erkennen geben, dass von ihnen keine Gefahr ausgeht. Auch entfallen die spezifischen Schwierigkeiten, die sich hinsichtlich der Kommunikation zwischen möglicherweise von Straftätern bedrohtem Kabinenpersonal und Cockpit und zwischen diesem und den Entscheidungsträgern am Boden ergeben können. Es ist deshalb hier eher möglich, hinreichend verlässlich und auch rechtzeitig festzustellen, dass ein Luftfahrzeug als Waffe für einen gezielten Absturz missbraucht werden soll.

Gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich an Bord eines auffällig gewordenen Luftfahrzeugs Unbeteiligte aufhalten, beziehen sich noch verbleibende Ungewissheiten - etwa hinsichtlich der dem Luftzwischenfall zugrunde liegenden Motive - auf einen Geschehensablauf, der durch das Handeln derjenigen ausgelöst worden ist und abgewendet werden kann, gegen die sich die Abwehrmaßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG ausschließlich richtet. Damit verbundene Unwägbarkeiten sind daher dem Verantwortungsbereich der Straftäter zuzurechen.

bbb) Die Regelung des § 14 Abs. 3 LuftSiG wird, soweit sie nur gegenüber Personen an Bord eines Luftfahrzeugs angewandt wird, das diese als Tatwaffe gegen das Leben von Menschen einsetzen wollen, auch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerecht.

(1) Die Vorschrift dient dem Ziel, Leben von Menschen zu retten. Das ist im Hinblick auf den Höchstwert, den das menschliche Leben in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes einnimmt (vgl. oben unter C I), ein Regelungszweck von solchem Gewicht, dass er den schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht auf Leben der Täter an Bord des Luftfahrzeugs rechtfertigen kann.

(2) § 14 Abs. 3 LuftSiG ist zur Erreichung dieses Schutzzwecks nicht schlechthin ungeeignet, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser im Einzelfall durch eine Maßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG gefördert wird (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 90, 145 <172>; 110, 141 <164>). Ungeachtet der geschilderten Einschätzungs- und Prognoseunsicherheiten (vgl. oben unter C II 2 b bb bbb) sind Situationen vorstellbar, in denen verlässlich festgestellt werden kann, dass sich an Bord eines in einen Luftzwischenfall verwickelten Luftfahrzeugs nur daran beteiligte Straftäter befinden, und auch ausreichend sicher angenommen werden kann, dass bei einem Einsatz nach § 14 Abs. 3 LuftSiG nachteilige Folgen für das Leben von Menschen am Boden nicht eintreten werden. Ob eine solche Sachlage gegeben ist, hängt von der Lagebeurteilung im Einzelfall ab. Führt sie zu der sicheren Einschätzung, dass sich im Luftfahrzeug nur die Straftäter aufhalten, und zu der Prognose, dass durch den Abschuss des Luftfahrzeugs die Gefahr für die durch dieses am Boden bedrohten Menschen abgewendet werden kann, wird der Erfolg, der mit § 14 Abs. 3 LuftSiG erreicht werden soll, gefördert. Die Eignung dieser Vorschrift für den mit ihr verfolgten Zweck lässt sich deshalb nicht generell in Abrede stellen.

(3) Auch die Erforderlichkeit der Regelung zur Zielerreichung ist in einem solchen Fall gegeben, weil ein gleich wirksames, das Recht auf Leben der Straftäter nicht oder weniger beeinträchtigendes Mittel nicht ersichtlich ist (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 90, 145 <172>; 110, 141 <164>).

Der Gesetzgeber hat vor allem in den §§ 5 bis 12 LuftSiG ein ganzes Bündel von Maßnahmen getroffen, die alle im Sinne des § 1 LuftSiG dazu bestimmt sind, dem Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen, Sabotageakten und terroristischen Anschlägen, zu dienen (im Einzelnen vgl. schon oben unter A I 2 b bb aaa [1]). Trotzdem hat er es für erforderlich gehalten, mit den §§ 13 bis 15 LuftSiG für den Fall, dass auf Grund eines erheblichen Luftzwischenfalls der Eintritt eines besonders schweren Unglücksfalls in der Bedeutung des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 oder Abs. 3 GG zu befürchten ist, Regelungen mit speziellen Eingriffsbefugnissen und Schutzmaßnahmen zu erlassen, die bis zur Ermächtigung reichen, unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 LuftSiG als ultima ratio unmittelbar mit Waffengewalt auf ein Luftfahrzeug einzuwirken. Dem liegt die nicht widerlegbare Einschätzung zugrunde, dass auch die umfangreichen Vorkehrungen nach den §§ 5 bis 11 LuftSiG ebenso wie die Erweiterung der Aufgaben und Befugnisse der Luftfahrzeugführer durch § 12 LuftSiG der Erfahrung nach einen absolut sicheren Schutz vor einem Missbrauch von Luftfahrzeugen für kriminelle Zwecke nicht bieten können. Für andere denkbare Schutzmaßnahmen kann nichts anderes gelten.

(4) Die Ermächtigung zur unmittelbaren Einwirkung mit Waffengewalt auf ein Luftfahrzeug, in dem sich nur Menschen befinden, die dieses im Sinne des § 14 Abs. 3 LuftSiG missbrauchen wollen, ist schließlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Abschuss eines solchen Luftfahrzeugs stellt nach dem Ergebnis der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs und dem Gewicht der zu schützenden Rechtsgüter (vgl. dazu BVerfGE 90, 145 <173>; 104, 337 <349>; 110, 141 <165>) eine angemessene, den Betroffenen zumutbare Abwehrmaßnahme dar, wenn Gewissheit über die tatbestandlichen Voraussetzungen besteht.

(a) Der Grundrechtseingriff wiegt allerdings schwer, weil der Vollzug der Einsatzmaßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Tod der Flugzeuginsassen führt. Doch sind es diese in der hier angenommenen Fallkonstellation selbst, die als Täter die Notwendigkeit des staatlichen Eingreifens herbeigeführt haben und dieses Eingreifen jederzeit dadurch wieder abwenden können, dass sie von der Verwirklichung ihres verbrecherischen Plans Abstand nehmen. Diejenigen, die das Luftfahrzeug in ihrer Gewalt haben, sind es, die maßgeblich den Geschehensablauf an Bord, aber auch am Boden bestimmen. Zu ihrer Tötung kann es nur kommen, wenn sicher erkennbar ist, dass sie das von ihnen beherrschte Luftfahrzeug zur Tötung von Menschen einsetzen werden, und wenn sie an diesem Vorhaben festhalten, obwohl ihnen die damit für sie selbst verbundene Lebensgefahr bewusst ist. Das mindert das Gewicht des gegen sie gerichteten Grundrechtseingriffs.

Auf der anderen Seite haben diejenigen, deren Leben durch die Eingriffsmaßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG in Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht geschützt werden soll, im Zielbereich des beabsichtigten Flugzeugabsturzes im Regelfall nicht die Möglichkeit, den gegen sie geplanten Angriff abzuwehren, ihm insbesondere auszuweichen.

(b) Zu beachten ist allerdings auch, dass durch die Anwendung des § 14 Abs. 3 LuftSiG auf der Erde nicht nur hoch gefährliche Anlagen betroffen, sondern auch Menschen getötet werden können, die sich in Gebieten aufhalten, in denen aller Voraussicht nach Trümmer des unter Einwirkung von Waffengewalt abgeschossenen Luftfahrzeugs niedergehen werden. Auch zum Schutz des Lebens - und der Gesundheit - dieser Menschen ist der Staat von Verfassungs wegen verpflichtet. Das kann bei einer Entscheidung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 LuftSiG nicht unberücksichtigt bleiben.

Dieser Aspekt berührt aber nicht den rechtlichen Bestand der in § 14 Abs. 3 LuftSiG getroffenen Regelung, sondern deren Anwendung im Einzelfall. Sie soll nach den im Verfahren abgegebenen Stellungnahmen ohnehin unterbleiben, wenn mit Sicherheit erwartet werden muss, dass am Boden über dicht besiedeltem Gebiet durch herabfallende Flugzeugteile Menschen zu Schaden kommen oder gar ihr Leben verlieren würden. Für die Frage, ob die Vorschrift den Anforderungen auch der verfassungsrechtlichen Angemessenheit genügt, reicht die Feststellung aus, dass Fallkonstellationen denkbar sind, in denen die unmittelbare Einwirkung auf ein nur mit Angreifern auf den Luftverkehr besetztes Luftfahrzeug die Gefahr für das Leben derer abwenden kann, gegen die das Luftfahrzeug als Tatwaffe eingesetzt werden soll, ohne dass durch den Abschuss gleichzeitig in das Leben anderer eingegriffen wird. Das ist, wie schon ausgeführt (vgl. oben unter C II 2 b cc bbb [2]), der Fall. § 14 Abs. 3 LuftSiG ist damit, soweit er die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt auf ein unbemanntes oder nur mit Angreifern besetztes Luftfahrzeug erlaubt, auch verhältnismäßig im engeren Sinne.

ccc) Die Wesensgehaltssperre des Art. 19 Abs. 2 GG schließt eine solche Maßnahme gegenüber diesem Personenkreis ebenfalls nicht aus. Im Hinblick auf die außergewöhnliche Ausnahmesituation, von der § 14 Abs. 3 LuftSiG ausgeht, bleibt der Wesensgehalt des Grundrechts auf Leben im hier vorausgesetzten Fall durch den mit dieser Vorschrift verbundenen Grundrechtseingriff so lange unangetastet, wie gewichtige Schutzinteressen Dritter den Eingriff legitimieren und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. BVerfGE 22, 180 <219 f.>; 109, 133 <156>). Beide Voraussetzungen sind nach den vorstehenden Ausführungen gegeben (vgl. unter C II 2 b cc bbb) .

III.

Da es dem Bund für § 14 Abs. 3 LuftSiG schon an der Gesetzgebungskompetenz mangelt, hat die Vorschrift auch insoweit, als die unmittelbare Einwirkung auf ein Luftfahrzeug mit Waffengewalt materiellverfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann, keinen Bestand. Die Regelung ist in vollem Umfang verfassungswidrig und infolgedessen gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG nichtig. Für die bloße Feststellung einer Unvereinbarkeit der angegriffenen Regelung mit dem Grundgesetz ist unter den gegebenen Umständen kein Raum.

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG.

HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 236

Externe Fundstellen: BVerfGE 115, 118; NJW 2006, 751

Bearbeiter: Stephan Schlegel