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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 172

Bearbeiter: Stephan Schlegel

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1621/03, Beschluss v. 05.02.2004, HRRS 2004 Nr. 172


BVerfG 2 BvR 1621/03 (3. Kammer des 2. Senats) - Beschluss vom 5. Februar 2004 (LG Karlsruhe)

Rechtliches Gehör (Begründungspflicht / Erörterungspflicht des Gerichtes bezüglich des Vorbringens der Beteiligten; Verarbeitung in den Entscheidungsgründen; Bedeutung des Vorbringens für das Verfahren; Schwere des Grundrechtseingriffs); Durchsuchung (Wohnung und Dienstzimmer einer Richterin; Verdacht der Verletzung eines Dienstgeheimnisses; Presse); Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht (nachträgliche Anhörung nach § 33a StPO).

Art. 103 Abs. 1 GG; Art. 13 Abs. 1 GG; § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG; 33a StPO; § 102 StPO; § 353b Abs. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet ein Gericht nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Der wesentliche, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienende Vortrag muss aber in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden. Das Maß der Erörterungspflicht des Gerichts wird dabei nicht nur durch die Bedeutung des Vortrags der Beteiligten für das Verfahren bestimmt sondern auch durch die Schwere eines zur Überprüfung gestellten Grundrechtseingriffs.

2. Das Anliegen, im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren durch überraschende und eilige Maßnahmen Beweise vor dem natürlichen Verderb oder dem mutwilligen Vernichten zu sichern, ist geeignet, auch die aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Prüfungs- und Erwägungspflichten des Gerichts zu begrenzen. Das Gericht muss jedoch in seiner Entscheidung das Bestehen eines solchen Eilbedürfnisses darlegen, soweit dieses nicht offenkundig ist.

3. Das Verfahren nach § 33a StPO gehört zum Rechtsweg nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 42, 243, 245; BVerfG NJW 2003, 1513).

Entscheidungstenor

Der Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 8. August 2003 - 2 Qs 114/02 - verletzt das Recht der Beschwerdeführerin aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Karlsruhe zurückverwiesen.

Das Land Baden-Württemberg hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin, eine Richterin am Amtsgericht, wendet sich gegen die Anordnung der Durchsuchung ihrer Wohnung, weil der zu Grunde liegende Verdacht der Verletzung eines Dienstgeheimnisses unhaltbar gewesen sei.

1. Seit Mitte Juli 2002 ermittelte die Polizeidirektion H. in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt, dem Bundeskriminalamt und einer US-amerikanischen Polizeibehörde gegen P. und E., die auf Grund des Hinweises einer Zeugin verdächtig waren, einen Anschlag auf eine US-Einrichtung in H. oder die Innenstadt von H. zu planen. Am 5. September 2002 wurden bei der Durchsuchung der Wohnung der beiden Beschuldigten Chemikalien und Bauteile gefunden, die zur Herstellung von Rohrbomben geeignet waren, sowie ein Bild von Osama Bin Laden sowie auf den Islam und den Heiligen Krieg bezogene Bücher. Die Beschuldigten wurden vorläufig festgenommen. E. wurde von den Polizeibeamten H. und N. vernommen. Die Ermittlungsakten wurden am Vormittag des 6. September 2002 der Beschwerdeführerin als Ermittlungsrichterin bei dem Amtsgericht H. mit Anträgen auf Erlass von Haftbefehlen zugeleitet. Gegen 11.00 Uhr rief der Verteidiger des P., Rechtsanwalt F., den Rechtsanwalt N. an, damit dieser die Verteidigung der E. übernehme. Rechtsanwalt N. erschien ohne vorherige Anmeldung zur gegen 12.00 Uhr begonnenen Vernehmung der E., die der Beschwerdeführerin durch die Polizeibeamten H. und N. vorgeführt worden war. Die Vernehmung endete gegen 12.30 Uhr. Die Beschwerdeführerin erließ Haftbefehle gegen beide Beschuldigte.

Zwischen 12.30 Uhr und 14.30 Uhr rief der für das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" tätige Reporter K. und später auch ein Reporter des Nachrichtenmagazins "Focus" in der Kanzlei des dorthin noch nicht zurückgekehrten Rechtsanwalts N. an und erkundigten sich nach dem Ermittlungsverfahren. Seit 18.15 Uhr berichtete die Nachrichtenagentur AP mit Verweis auf Berichte der "Bild"-Zeitung und des Fernsehsenders "n-tv" über die Ermittlungen.

Beamte des Bundeskriminalamts suchten in den Nachmittagsstunden des 6. September 2002 zweimal die Wohnung eines Bekannten des P., des Zeugen K., auf, um diesen zu vernehmen. Sie trafen ihn nicht an. Am folgenden Tag wandte sich K., der die Nachrichtenmeldungen den Beschuldigten zuordnen konnte, aus eigenem Antrieb an die Polizei.

2. Die Staatsanwaltschaft begann Ermittlungen wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 353b Abs. 1 StGB). Nachdem sie erfahren hatte, dass die Beschwerdeführerin und der Reporter K. einander persönlich bekannt waren, richtete sie die Ermittlungen gegen die Beschwerdeführerin als Beschuldigte. Die Überprüfung der Verbindungsdaten der - unter anderem - von der Beschwerdeführerin benutzten Telekommunikationsanschlüsse des Amtsgerichts H. ergab keine Verbindungsaufnahme zu K. Eine Überprüfung der Verbindungsdaten eines Mobiltelefons der Beschwerdeführerin scheiterte an der inzwischen vorgenommenen Datenlöschung. Vernehmungen von Richtern und Geschäftsstellenbeamten des Amtsgerichts H. blieben ohne Ergebnis. Die Beschwerdeführerin wurde nicht angehört.

3. Das Amtsgericht Karlsruhe lehnte von der Staatsanwaltschaft beantragte Beschlüsse zur Durchsuchung der Wohnung und des Dienstzimmers der Beschwerdeführerin ab. Der Kreis der Personen, die als Informanten der Presse in Frage kämen, sei zu groß, um einen konkreten, einen erheblichen Grundrechtseingriff rechtfertigenden Tatverdacht gegen die Beschwerdeführerin begründen zu können.

Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ordnete das Landgericht mit dem angegriffenen Beschluss vom 28. Januar 2003 die Durchsuchung der Wohnung und des Dienstzimmers der Beschwerdeführerin an und zugleich die Beschlagnahme ihrer Computer, von Ablichtungen aus den Ermittlungsakten und von Einzelverbindungsnachweisen ihres Mobiltelefons. Die Beschwerdeführerin sei verdächtig, ein Dienstgeheimnis offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet zu haben. Durch die Offenbarung von Einzelheiten des Ermittlungsverfahrens gegen P. und E. gegenüber der Presse seien die Ermittlungen erheblich beeinträchtigt worden: Eine geplante Observation des engsten Freundes des P. habe abgebrochen werden müssen, weil der Freund sich von sich aus an die Polizei gewandt habe, um Schutz vor Medienvertretern zu erbitten. Als Informant komme nur in Frage, wer Einzelheiten aus den Ermittlungsakten gekannt habe und bereits zwischen 12.30 Uhr und 14.30 Uhr am 6. September 2002 gewusst habe, dass Rechtsanwalt N. die Beschuldigte E. verteidige. Dafür kämen die beiden Verteidiger, der zuständige Staatsanwalt, die vorführenden Polizeibeamten H. und N., die aber den Akteninhalt nicht gekannt hätten, die Protokollführerin des Amtsgerichts und die Beschwerdeführerin in Betracht. Unter ihnen richte sich der Tatverdacht gegen die Beschwerdeführerin, weil sie den Reporter K. gekannt habe, der in der Kanzlei N. angerufen habe. Die Durchsuchung könne zum Auffinden eines Nachweises der Kontaktaufnahme zu K. auf den Datenträgern der Computer oder den Einzelverbindungsnachweisen des Mobiltelefons führen. Da andere Ermittlungsmaßnahmen ergebnislos geblieben seien, stehe die Durchsuchung nicht außer Verhältnis zur Schwere des Tatverdachts.

Die Beschwerdeführerin erhob nach den Durchsuchungen, die ergebnislos blieben, Beschwerde gegen den Beschluss, die schließlich als Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs behandelt wurde. Im sich anschließenden Verfahren reichte sie einen weiteren Schriftsatz ein. Sie wandte sich gegen die Annahme eines Tatverdachts. Die durch die Information der Presse angeblich verhinderte Observation des K. sei tatsächlich nie geplant gewesen. Die BKA-Beamten hätten ihn ungetarnt aufsuchen wollen. K. habe auch nicht Schutz vor Medienvertretern gesucht. Die Bekanntschaft mit dem "Spiegel"-Reporter K. weise zudem nicht auf die Beschwerdeführerin als Informantin hin. Die Kanzlei N. sei auch von einem "Focus"-Reporter angerufen worden. Auch AP und "Bild"-Zeitung hätten bereits vor der Pressekonferenz des Innenministers und vor dem "Spiegel" berichtet, seien aber sicherlich nicht von dem "Spiegel"-Reporter, der Konkurrenz, informiert worden. Die Presseveröffentlichungen enthielten Informationen, die nicht aus den der Beschwerdeführerin vorgelegten Ermittlungsakten stammten. So werde von 130 kg Chemikalien berichtet. Diese Angabe sei erst nach der Vorführung der Beschuldigten in die Ermittlungsakten gelangt. Der Durchsuchungsbeschluss ziehe den Kreis der in Frage kommenden Informanten zu eng. Es sei unzutreffend, dass die vorführenden Polizeibeamten den Akteninhalt nicht gekannt hätten, denn sie hätten bereits vor der Vorführung die Beschuldigte E. vernommen, und einer von ihnen habe an der Wohnungsdurchsuchung teilgenommen. All dies hätte das Landgericht erkennen können, wenn es die Akten der Ausgangsverfahren herangezogen hätte. Eilbedürftig sei der Beschluss nicht gewesen, nachdem bereits zwei Monate lang gegen die Beschwerdeführerin ermittelt worden sei und sie von den Ermittlungen durch die Vernehmung der Kollegen und Justizangestellten erfahren habe. Der Beschluss habe die Berufsausübung der Beschwerdeführerin empfindlich berührt, weil das Vertrauensverhältnis zur Staatsanwaltschaft zerstört worden sei.

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 8. August 2003 lehnte das Landgericht eine Aufhebung der Durchsuchungsanordnung ab. Ob die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Tatsachen geeignet seien, den gegen sie gerichteten Verdacht entfallen zu lassen, könne dahinstehen. Die vorgetragenen Umstände führten jedenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der Durchsuchung. Umfassendere Ermittlungen habe die Kammer weder vor der Durchsuchungsanordnung noch jetzt durchführen müssen. Das sei mit der eilbedürftigen Maßnahme nicht vereinbar.

4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, die Anordnung der Durchsuchung ihrer Wohnung verletze ihre Grundrechte aus Art. 13 Abs. 1, 2 und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG. Der zuletzt ergangene Beschluss verweigere ihr zudem rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG). Ein Tatverdacht habe zurzeit der Durchsuchungsanordnung nicht bestanden; insoweit wiederholt die Beschwerdeführerin ihren Vortrag aus dem fachgerichtlichen Verfahren. Das Landgericht lasse zudem nicht erkennen, ob es den Vortrag der Beschwerdeführerin überhaupt zur Kenntnis genommen habe.

II.

Dem Justizministerium des Landes Baden-Württemberg ist Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden (§ 94 Abs. 2 BVerfGG). Es hat von einer Stellungnahme abgesehen.

III.

1. Der Verfassungsbeschwerde ist stattzugeben, weil sie offensichtlich begründet ist. Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil das Bundesverfassungsgericht die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden hat (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

Der Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 8. August 2003 verletzt das Recht der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Ob der Durchsuchungsbeschluss vom 28. Januar 2003 den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, wird das Landgericht nach Gewährung des rechtlichen Gehörs zu prüfen haben.

a) Auf den Rechtsbehelf der Beschwerdeführerin nach § 33a StPO war das Landgericht gehalten, ihr rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 Abs. 1 GG). Die Beachtung des Vorbringens des von einer Durchsuchung Betroffenen ist nach deren Vollziehung, die ohne Anhörung angeordnet worden war, von besonderer Bedeutung, denn es geht für den Betroffenen um den ersten Zugang zum Gericht (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2002 - 2 BvR 1910/02 -, NJW 2003, S. 1513 <1514>), und bei dem Eindringen der Ermittlungsorgane in die Wohnung handelt es sich regelmäßig um einen schweren Eingriff in die persönliche Lebenssphäre (vgl. BVerfGE 59, 95 <97>; 75, 318 <328>; 96, 27 <40>; 96, 44 <51>; 103, 142 <151>). Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet ein Gericht nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Der wesentliche, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienende Vortrag muss aber in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden. Nur, wenn sich danach aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles ergibt, dass ein Gericht seine Pflicht, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, verletzt hat, kann das Bundesverfassungsgericht eingreifen (vgl. BVerfGE 47, 182 <189>; 51, 126 <129>; 54, 43 <45 f.>; 54, 86 <91 f.>; 58, 353 <357>; 86, 133 <146>; 96, 205 <216 f.>). Das Maß der Erörterungspflicht des Gerichts wird dabei nicht nur durch die Bedeutung des Vortrags der Beteiligten für das Verfahren bestimmt (vgl. BVerfGE 86, 133 <146>), sondern auch durch die Schwere eines zur Überprüfung gestellten Grundrechtseingriffs.

b) Dem im Verfahren nach § 33a StPO ergangenen Beschluss des Landgerichts vom 8. August 2003 kann nicht entnommen werden, dass das Gericht nach einem empfindlichen Grundrechtseingriff das wesentliche Verteidigungsvorbringen der Beschwerdeführerin zwar erwogen, aber als unwesentlich beurteilt hätte.

Art. 13 Abs. 1 GG gewährt einen räumlich geschützten Bereich der Privatsphäre, in dem jedermann das Recht hat, in Ruhe gelassen zu werden (vgl. BVerfGE 51, 97 <107>; 103, 142 <150 f.>). Zum Zwecke der strafrechtlichen Ermittlung darf auch in die Wohnung eines Verdächtigen nur eingedrungen werden, wenn sich gegen ihn ein konkret zu beschreibender Tatvorwurf richtet, also mehr als nur vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2002 - 2 BvR 1910/02 -, NJW 2003, S. 1513 <1514>). Der Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung muss ein angemessenes Verhältnis zur Stärke des Tatverdachts wahren (vgl. BVerfGE 59, 95 <97 f.>) und außerdem zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein, nämlich den Erfolg versprechen, geeignete Beweismittel zu erbringen (vgl. BVerfGE 42, 212 <220>; 96, 44 <51>).

All diese Anforderungen an eine das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG wahrende Durchsuchungsanordnung hat die Beschwerdeführerin mit ihren beiden im Verfahren nach § 33a StPO eingereichten Schriftsätzen substantiiert in Frage gestellt. Sie hat sich insbesondere gegen die Annahme ausreichend konkreten Tatverdachts gewandt. Mit dem darauf ergangenen Beschluss vom 8. August 2003 hat das Landgericht entgegnet, es könne "dahingestellt bleiben, ob die von der Beschuldigten nunmehr vorgetragenen Tatsachen geeignet sind, diesen Verdacht entfallen zu lassen. Solche Umstände führen jedenfalls nicht dazu, dass die ... Durchsuchung im Nachhinein als rechtswidrig anzusehen ist." Diese Formulierung lässt auf eine Nichtberücksichtigung des Vortrags der Beschwerdeführerin schließen, denn wenn das Landgericht ihn "dahingestellt bleiben" lässt, dann bringt es damit zum Ausdruck, dass es nicht darauf ankomme, also ungeprüft bleiben könne, ob er inhaltlich zutreffe. Die Begründung dafür, den Vortrag der Beschwerdeführerin nicht zu würdigen, sieht das Landgericht darin, dass die "nunmehr vorgetragenen Tatsachen" die zurzeit der Durchsuchungsanordnung - dem 28. Januar 2003 - anzustellende Beurteilung über das Vorliegen eines Tatverdachts nicht "im Nachhinein als rechtswidrig" erscheinen lassen könne. Auch diese Ausführungen lassen befürchten, dass das Landgericht den Vortrag der Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis genommen oder doch jedenfalls nicht erwogen hat; denn selbst wenn es zutreffen sollte, dass bei der Überprüfung des die Durchsuchungsanordnung rechtfertigenden Tatverdachts erst nach der Anordnung bekannt gewordene Tatsachen unberücksichtigt zu bleiben haben, so stützt die Beschwerdeführerin ihre Einwendungen gegen die Durchsuchungsanordnung vom 28. Januar 2003 doch ausnahmslos auf bereits zu jener Zeit aktenkundige Tatsachen. Es ist dies gerade der Tenor ihres Angriffs gegen die Durchsuchungsanordnung, dass der zurzeit der Anordnung vorliegende Akteninhalt einen Tatverdacht nicht rechtfertigen konnte. Gerade von dem von ihm eingenommenen Rechtsstandpunkt aus hätte das Landgericht sich mit dem Vortrag der Beschwerdeführerin angesichts der gewichtigen Auswirkungen der Durchsuchung auf die Privatsphäre und auf die berufliche Stellung der Beschwerdeführerin eingehend befassen müssen. Das Vorbringen gab in mehrfacher Hinsicht Anlass zu Erwägungen, die das Landgericht ausweislich der Wendungen in seiner Beschlussbegründung unterlassen hat. Dadurch ist der Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden.

aa) Die Beschwerdeführerin hat ausgeführt, das einzige von Staatsanwaltschaft und Landgericht genannte wichtige öffentliche Interesse, das durch die Offenbarung gefährdet worden sei, habe gar nicht bestanden. Die behauptete Planung einer Observation des K. durch ein Mobiles Einsatzkommando der Polizei sei den Akten nicht zu entnehmen. Vielmehr hätten Beamte des BKA den Zeugen ungetarnt aufgesucht, ihn aber nicht angetroffen, bevor er sich selbst an die Polizei gewandt habe. Dies ist ein Einwand von zentraler Bedeutung, denn die konkrete Gefahr eines Nachteils für ein öffentliches Interesse von Rang ist Tatbestandsmerkmal des § 353b Abs. 1 StGB, so dass ohne eine solche Gefährdung selbst die begangene Geheimnisoffenbarung nicht strafbar wäre. Da die Ermittlungen, die am 5. September 2002 zur Festnahme der beiden Beschuldigten geführt hatten, zurzeit des Erlasses der Durchsuchungsanordnung am 28. Januar 2003 abgeschlossen waren - Abschlussverfügung und Anklageschrift datieren vom 14. Januar 2003 -, hatte das Landgericht ohnehin Anlass, näher zu prüfen und zu erörtern, ob ein wichtiges öffentliches Interesse durch die Information der Presse gefährdet worden war. Jedenfalls der gerade hierauf gerichtete Einwand der Beschwerdeführerin verlangte eine Verarbeitung in den Beschlussgründen.

bb) Das Landgericht hat mit seiner Beschlussbegründung nicht erkennen lassen, dass es sich mit der Reihe von Einwendungen befasst hätte, die die Beschwerdeführerin gegen die Annahme eines Verdachts ihrer Täterschaft gerichtet hat. Die Beschwerdeführerin hat dargelegt, dass schon der vom Landgericht in seiner Durchsuchungsanordnung in Erwägung gezogene Täterkreis auf unzureichender Verwertung des Akteninhalts beruhe. So seien die vorführenden Polizeibeamten H. und N. besser über den Stand der Ermittlungen informiert gewesen als im Beschluss dargestellt werde, weil diese Beamten die Beschuldigte E. vernommen hätten. Informationen aus den Presseveröffentlichungen hätten sich nicht in den Akten befunden, die der Beschwerdeführerin vorgelegt worden seien, sondern seien erst später in Vermerken der Polizei hinzugekommen. Dies und der Umstand, dass bereits am Tage der Verhaftung der Beschuldigten nicht nur der mit der Beschwerdeführerin bekannte "Spiegel"-Reporter K. von den Ermittlungen gewusst habe, sondern auch ein weiteres Wochenmagazin und damit ein direkter Konkurrent ("Focus") sowie eine Tageszeitung ("Bild") und eine Nachrichtenagentur (AP), stehe selbst der Annahme entgegen, dass zumindest auch die Beschwerdeführerin - neben anderen - Informationen an K. gegeben habe. Tatsächlich geben diese Einwände Anlass zu erörtern, ob nicht eine Informationsquelle nahe liegt, die entweder alle genannten Empfänger versorgt hat oder einen Empfänger, der - wie eine Tageszeitung oder eine Nachrichtenagentur - an sofortiger Veröffentlichung interessiert war. Die Vertreter der Wochenmagazine könnten sich aus solchen Veröffentlichungen bedient haben, während sie eine Information aus der Primärquelle doch bis zum Erscheinen des eigenen Blattes der Konkurrenz eher vorenthalten hätten. Die Erwägung dieser evidenten Zweifel an dem die Beschwerdeführerin treffenden Tatverdacht hat das Landgericht mit einem Verweis auf die Eilbedürftigkeit der Durchsuchungsanordnung unterlassen. Das Anliegen, im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren durch überraschende und eilige Maßnahmen Beweise vor dem natürlichen Verderb oder dem mutwilligen Vernichten zu sichern, ist geeignet, auch die aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Prüfungs- und Erwägungspflichten des Gerichts zu begrenzen. Dass ein solches Eilbedürfnis bestand, hätte das Landgericht jedoch darlegen müssen, denn es lag keineswegs auf der Hand. Vielmehr spricht der Verlauf der Ermittlungen gegen eine Eilbedürftigkeit, die einer gründlichen Verwertung des Akteninhalts zur Prüfung eines Tatverdachts entgegengestanden hätte. Nachdem die fragliche Geheimnisoffenbarung am 6. September 2002 begangen worden war, erging die Durchsuchungsanordnung am 28. Januar 2003. Es bedarf näherer Darlegung, weshalb nun noch ein Verlust von Beweismitteln zur Eile gedrängt haben könnte, zumal die Ermittlungen durch Vernehmungen von Richtern und Geschäftsstellenpersonal des Gerichts, an dem die Beschwerdeführerin tätig war, bekannt geworden sein dürften.

2. Die Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) führt zur Aufhebung des im Verfahren nach § 33a StPO ergangenen Beschlusses vom 8. August 2003. Ob die Durchsuchungsanordnung den an sie zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, hat nun zunächst das Landgericht bei der Wiederholung des Verfahrens nach § 33a StPO zu prüfen. Dieses Verfahren gehört zum Rechtsweg nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 42, 243 <245>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2002 - 2 BvR 1910/02 -, NJW 2003, S. 1513). Das Bundesverfassungsgericht kann sich einer Überprüfung der Durchsuchungsanordnung erst annehmen, wenn das fachgerichtliche Verfahren bei Wahrung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten abgeschlossen ist, denn die Wahrung und Durchsetzung der Grundrechte obliegt nach der Funktionenteilung zwischen Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit zuvörderst den Fachgerichten (vgl. BVerfGE 104, 220 <236>; stRspr).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 172

Externe Fundstellen: NJW 2004, 1519

Bearbeiter: Stephan Schlegel