HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Mai 2021
22. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Deliktsspezifischer Gefahrzusammenhang bei ärztlichem Behandlungsabbruch aufgrund einer Patientenverfügung

Zugl. Bespr. von BGH HRRS 2020 Nr. 1353

Von Priv.-Doz. Dr. Erol Pohlreich, Hannover[*]

I. Einleitung

In seinem Beschluss befasst sich der Bundesgerichtshof erstmals mit der Frage, ob eine Strafbarkeit wegen Raubes mit Todesfolge gemäß § 251 StGB ausscheidet, wenn das moribunde Raubopfer sich nach der Tat in ärztlicher Behandlung befindet und die behandelnden Ärzte mit Blick auf eine wirksame Patientenverfügung in rechtmäßiger Weise von einer Weiterbehandlung absehen. Der dem Beschluss zugrunde liegende Sachverhalt ist atypisch, weil die dort diskutierte mögliche Unterbrechung der Erfolgszurechnung üblicherweise an Umstände anknüpft, die der rechtsgutsgefährdenden Handlung des Täters zeitlich nachfolgen. Im Gegensatz hierzu ist im vorliegenden Fall der zur näheren Prüfung veranlassende Umstand eine Patientenverfügung, die das Opfer schon vor der Raubtat verfasst hatte. Dass diese atypische und bis jetzt noch nicht von der Rechtsprechung behandelte Konstellation zumindest daran zweifeln lässt, ob die Behandlung der Revision im Wege der ou-Verwerfung nach § 349 Abs. 2 StPO angängig war, soll hier nicht weiter vertieft werden, obwohl die Ausführlichkeit der Beschlussbegründung neben dem Entscheidungstenor[1] und der die Beschlussgründe einleitenden Formulierung, dass das „Rechtsmittel insgesamt unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO“ sei,[2] durchaus den Eindruck erweckt, als habe der Strafsenat nicht alle prozessualen Voraussetzungen für die Beschlussverwerfung vor Augen gehabt.[3]

In dieser Besprechung soll es vor allem um die eingangs dargestellte Frage gehen. Nach einer kurzen Diskussion, warum dem vorliegenden Fall ein Raub zugrunde liegt (II.), und einer Einführung in das in § 251 StGB hineinzulesende Erfordernis eines deliktsspezifischen Gefahrzusammenhangs (III.) wird zu erörtern sein, warum der die Patientenverfügung umsetzende Behandlungsabbruch vorliegend den Gefahrzusammenhang nicht unterbrochen hat und welche Rolle in diesem Zusammenhang das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben hat (IV.). Im Anschluss hieran soll (V.) der vom Strafsenat offen gelassenen Frage nachgegangen werden, ob eine Strafbarkeit wegen Raubes mit Todesfolge ausscheidet, wenn das Raubopfer vernünftigen Gründen zuwider eine durchaus erfolgversprechende Behandlung ablehnt.

II. Einordnung der Tat als Raub

Die in der Lehre vereinzelt geäußerten Zweifel, ob das Tatgericht und der Strafsenat die Tat des Angeklagten sachlich korrekt als Raub eingeordnet haben,[4] greifen nicht durch. Der Angeklagte verwirklichte, indem er der später Verstorbenen deren Tasche entriss, den Grundtatbestand des Raubes, auch wenn gewisse Ähnlichkeiten des Falles mit dem Lehrbuchfall des Handtaschenraubes,[5] bei dem das Ausnutzen eines Überraschungsmoments

das Tatbild prägt und mangels Gewaltanwendung eine Strafbarkeit nur wegen Diebstahls zu bejahen ist,[6] bestehen mögen. Während beim klassischen Lehrbuchfall die Handtasche nur locker von der Schulter des Opfers baumelt, ist die von § 249 Abs. 1 StGB geforderte Gewalt zu bejahen, sobald das Opfer die Tasche so festhält, dass der Täter sie ihm zur Wegnahme mit Wucht entreißen muss.[7] Vor diesem Hintergrund erscheint die vom Landgericht vorgenommene Bejahung von § 249 Abs. 1 StGB rechtsfehlerfrei, wenngleich die vom Strafsenat insoweit mitgeteilten Sachverhaltsmomente durchaus knapp gehalten sind. Dem Beschluss ist immerhin zu entnehmen, dass das in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkte 84jährige Opfer seine Handtasche in den Korb seines Rollators gelegt und den Taschengurt um den Rollatorgriff geführt hatte. Außerdem ist von einer „Fixierung der Tasche am Griff des Rollators“ die Rede. Auch wenn der hier besprochene Beschluss sich nicht explizit dazu verhält, wo sich zur Tatzeit die Hände der später Verstorbenen befanden, wird man doch bei lebensnaher Betrachtung davon ausgehen müssen, dass die nur eingeschränkt Bewegungsfähige sich am Rollator abstützte, hierzu dessen Griff festhielt und infolgedessen mit ihren Händen auch den Taschengurt fest umschloss.[8] Indem der Angeklagte die so fixierte Tasche ergriff und kräftig an ihr zog, nutzte er kein Überraschungsmoment aus, sondern überwand kraftvoll den Widerstand seines Opfers.

III. Deliktsspezifischer Gefahrzusammenhang bei § 251 StGB

Die vom Fall aufgeworfene Kernfrage lautet, ob der Tod des Opfers im Sinne von § 251 StGB durch den Raub verursacht wurde. Weil die Strafandrohung des § 251 StGB (Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren) verglichen mit einem tateinheitlichen Zusammentreffen von Raub und fahrlässiger Tötung (Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr) einer „gewaltigen Strafschärfung“[9] gleichkommt und § 251 StGB vor diesem Hintergrund das Gebot schuldangemessenen Strafens „strapaziert“,[10] genügt es für eine Strafbarkeit nach § 251 StGB nicht, wenn ein Raub und ein leichtfertig herbeigeführter Tod eines Menschen nur zufällig zusammenfallen. Vielmehr entspricht esÄvon terminologischen Unterschieden abgesehen[11]" im Ausgangspunkt einhelliger Auffassung, dass durch eine restriktive Auslegung des § 251 StGB sicherzustellen ist, dass hiernach verurteilte Taten ein deutlich höheres Unrecht verkörpern als Fälle der Idealkonkurrenz zwischen Raub und fahrlässiger Tötung.[12] Grosso modo verlangt die herrschende Meinung einen deliktsspezifischen Gefahrzusammenhang, den der 3. Strafsenat im hier besprochenen Beschluss als „qualifikationsspezifischen Gefahrzusammenhang“[13] beziehungsweise als „Risikozusammenhang“[14] bezeichnet und mit dem vorausgesetzt wird, dass eine dem Grunddelikt anhaftende spezifische Gefahr geschaffen worden sein muss,[15] die sich in der schweren Folge realisiert haben muss.[16]

Schalten sich Dritte oder das Opfer in den tödlich endenden Geschehensablauf ein, bereitet es besondere Schwierigkeiten, den Gefahrzusammenhang zu beurteilen. Das beginnt schon mit der dogmatischen Zuordnung solcher Handlungen von Seiten Dritter oder des Opfers. Wenn der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit Handlungen des Opfers (Abfassen einer Patientenverfügung) beziehungsweise der behandelnden Ärzte (Behandlungsabbruch) eine Unterbrechung des Gefahrzusammenhangs diskutiert, geht es der Sache nach um Aspekte, die man jenseits des erfolgsqualifizierten Delikts unter dem Gesichtspunkt der unmittelbaren Zurechnung diskutieren würde, und wirft dies die alte und keinesfalls nur akademische[17] Frage nach dem Verhältnis zwischen deliktsspezifischem Gefahrzusammenhang und objektiver Zurechnung auf. Die Nähe der Grundformel des deliktsspezifischen Gefahrzusammenhangs zur Grundformel der unmittelbaren Zurechnung (Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr, die sich im tatbestandlichen Erfolg realisiert hat)[18] hat nicht umsonst dazu geführt, dass in der Rechtslehre zur Bestimmung des Zusammenhangs vereinzelt unmittelbar auf die Regeln der objektiven Zurechnung zurückgegriffen wird.[19] Und in der Tat spricht viel dafür, die Frage, wann die in § 251 StGB vorausgesetzte schwere Folge auch bei einer Todes(mit)verursachung durch Dritte noch als Werk des Täters anzusehen ist, nach den Kriterien der objektiven Zurechnung zu beantworten. Selbstschädigendes Opferverhalten kann den Zusammenhang dann unter dem Gesichtspunkt der freiverantwortlichen Selbstschädigung unterbrechen, solches anderer Personen unter dem Aspekt des eigenverantwortlichen Dazwischentretens Dritter.

Ungeachtet einer gewissen Verwandtschaft beider Rechtsfiguren[20] bestehen freilich Unterschiede zwischen ihnen, die sich insbesondere daraus ergeben, dass Erfolgsqualifikationen auf einem Grundtatbestand aufbauen. Während unter dem Gesichtspunkt der objektiven Zurechenbarkeit zu erörtern ist, ob sich im Erfolg eine durch die Tathandlung gesetzte rechtlich missbilligte Gefahr realisiert, wird mit dem Kriterium des deliktsspezifischen Gefahrzusammenhangs darüber hinausgehend gefordert, dass sich im Erfolg gerade die Gefahr verwirklicht hat, die der grunddeliktischen Tathandlung innewohnt.[21] Restriktionen, die über die allgemeine objektive Zurechnung hinausgehen, ergeben sich beispielsweise bei § 251 StGB daraus, dass als Anknüpfungspunkt für den Gefahrzusammenhang nicht jede Handlung im Sinne des Grunddelikts genügt, sondern es eines Zusammenhangs zwischen der Todesfolge und der typischerweise lebensgefährlichen qualifizierten Nötigungshandlung bedarf,[22] der Gefahrzusammenhang also deliktsspezifisch zu bestimmen ist.[23] Von daher genügt für die Strafbarkeit nach § 251 StGB nicht, wenn das Opfer dadurch zu Tode gekommen ist, dass der Täter ihm unter Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel ein lebenswichtiges Medikament oder im winterlichen Gebirge den wärmenden Schlafsack wegnahm, weil sich dann keine raubspezifische Gefahr verwirklicht, sondern es um ein unerlaubt erhöhtes allgemeines Lebensrisiko geht, das von den §§ 212 ff. StGB erfasst wird.[24] Die Frage, ob sich mit der schweren Folge eine der qualifizierten Nötigungshandlung anhaftende Gefahr oder vielmehr ein im Opferverhalten oder im Verhalten dazwischentretender Dritter wurzelndes Risiko realisiert hat, ist dagegen im Kern eine Zurechnungsfrage.[25]

IV. Zusammenhang trotz Behandlungsabbruch

Auch wenn eine Unterbrechung des Gefahrzusammenhangs aufgrund ärztlichen Dazwischentretens typischerweise schwere Kunstfehler betrifft[26] und vorliegend kein solcher im Raum stand, lässt sich der Zusammenhang noch vergleichsweise klar beurteilen, soweit es um den ärztlichen Behandlungsabbruch geht. Denn der Abbruch einer der Lebenserhaltung dienenden medizinischen Behandlung einer oder eines Moribunden, der dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht, ist nicht bloß gerechtfertigt,[27] was für sich genommen die Entscheidung für oder gegen den Behandlungsabbruch in das ärztliche Belieben stellte. Vielmehr traf vorliegend den Arzt auch vor dem Hintergrund des irreversiblen tödlichen Verlaufs der gesundheitlichen Entwicklung der Verletzten eine Rechtspflicht, den in der Patientenverfügung zum Ausdruck kommenden Patientenwillen durch den Behandlungsabbruch in die Praxis umzusetzen.[28] Diese Bindung an den Patientenwillen ist sogar verfassungskräftig verbürgt: Das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben hat trotz seiner im Folgenden näher zu beleuchtenden individualistischen Grundlegung (s.u. Abschnitt IV.2.) zugleich einen interaktionistischen Gehalt, ist also nicht allein als Abwehrrecht gegen staatliche Beschränkungen von Selbsttötungen stricto sensu zu verstehen, sondern schließt auch die Beziehung des Menschen zu Mitmenschen ein, die Unterstützung beim Sterben anbieten, und beinhaltet damit auch ein Recht auf Unterstützung beim Sterben.[29] Mit der Bindung des Arztes an den Patientenwillen vertrüge es sich nicht, den Tod der Patientin im ärztlichen Verantwortungsbereich zu lozieren.[30]

Spannender erscheint die Frage, ob die in der Patientenverfügung zum Ausdruck kommende Entscheidung der Verletzten für den Tod den Gefahrzusammenhang unterbricht. Wie bereits angedeutet unterscheidet sich der vorliegende Fall durch ein zeitliches Moment von den bisher von der Rechtsprechung behandelten Fallgruppen des Dazwischentretens Dritter oder des Opfers selbst. Diese Fallgruppen betreffen typischerweise ein vorsätzliches oder zumindest grob fahrlässiges Dazwischentreten der jeweiligen Person in Reaktion auf die grundtatbestandliche Handlung des Täters. So ist es beispielsweise kein Fall des § 251 StGB, wenn das Opfer oder ein Dritter den Räuber eigenverantwortlich verfolgt und dabei Risiken eingeht, die sich letztlich in seinem Tod realisieren.[31]

1. Keine „neue“ Todesgefahr durch Behandlungsverzicht

Der durch dieses zeitliche Moment geprägte Unterschied der vorliegenden Fallkonstellation von den bisher von der Rechtsprechung behandelten besteht unbeschadet des Umstands, dass die später Verstorbene ihren in der Patientenverfügung erklärten Willen den vom Landgericht getroffenen Feststellungen zufolge nach der Raubtat und kurz vor ihrer Operation gegenüber dem Arzt dahin aktualisierte, auf eine apparategestützte Lebensverlängerung zugunsten einer Palliativbehandlung zu verzichten, und sich die behandelnden Ärzte vor dem Behandlungsabbruch mit den Angehörigen besprochen haben; dieser Willensaktualisierung und der Befolgung der Verfahrensvoraussetzungen der §§ 1901a und 1901b BGB widmet der Strafsenat keine nähere Aufmerksamkeit, sondern stützt seine Entscheidung zutreffend maßgeblich auf die Patientenverfügung als die Rechtfertigung des Behandlungsabbruchs konstituierendes Moment.[32] Man wird davon ausgehen dürfen, dass das Tatopfer diese Verfügung freiverantwortlich abgesetzt hatte. Die entscheidende Frage ist deshalb, inwiefern diese Entscheidung eine Selbstgefährdung beinhaltet, weil die in der Patientenverfügung fixierten Willensbekundungen erst dann relevant werden, wenn die in der Patientenverfügung jeweils dargestellte Situation eingetreten ist. Wäre das Tatopfer nicht bedingt durch die Raubhandlung auf ärztliche Hilfe angewiesen gewesen, wäre die in der Patientenverfügung bekundete Entscheidung gegen eine „Maximaltherapie“ eine theoretische geblieben. Weil aber eine freiverantwortliche Selbstgefährdung unter anderem voraussetzt, dass das Opfer ohne Zwang eine Gefahr auf sich genommen hat,[33] lässt sich in der Patientenverfügung keine solche Gefährdung sehen und kann die Frage der Freiverantwortlichkeit dahinstehen. Wer in einer Patientenverfügung für eine bestimmte Situation den Behandlungsabbruch will, will nicht in diese Situation geraten. Zudem hat das Opfer sich nicht selbst in eine konkret lebensgefährliche Situation begeben, sondern wurde es vom Täter durch die Raubhandlung in diese Lage gebracht. Dementsprechend verdient der Beschluss Zustimmung, wenn der Strafsenat eine durch das Opfer neu geschaffene Todesgefahr verneint, weil das Opfer einer Gewalttat, das ärztliche Hilfe nicht in Anspruch nimmt, damit keine neue Ursache für sein Versterben setzt, sondern nur dem vom Täter gesetzten tödlichen Risiko nicht entgegenwirkt.[34]

Zwar ist nach im Schrifttum verbreiteter und zutreffender Auffassung die Zurechenbarkeit zu verneinen, wenn das Opfer in Kenntnis des Risikos eine zumutbare lebensrettende Heilbehandlung ablehnt und daher zu Tode kommt.[35] So lag der Fall hier aber nicht: Es fehlte an einer realistischen Heilungsaussicht, weil die vor dem Behandlungsabbruch medizinisch indizierten und lege artis unternommenen Behandlungsversuche nicht nur ohne Erfolg blieben, sondern beim Opfer sogar eine Verschlechterung der gesundheitlichen Verfassung nach sich zogen. Dass der Strafsenat die Todesfolge „unmittelbar auf die Körperverletzungshandlung des Angeklagten“ - gemeint ist vermutlich: die qualifizierte Nötigungshandlung - zurückführt und in der Patientenverfügung keinen zurechnungsausschließenden Umstand sieht,[36] ist vor diesem Hintergrund richtig, ohne dass diese Richtigkeit von den rechtlichen Überlegungen abhinge, die der Strafsenat ergänzend zur Begründung seines Entscheidungsergebnisses anführt. Mit den zustimmungswürdigen Überlegungen zur Gefahrenlage hätte die Diskussion einer möglichen Zurechnungsunterbrechung durch die Patientenverfügung ihr Bewenden haben müssen.

Soweit sich der Strafsenat ergänzend auf das dem Patientenverfügungsgesetz[37] zugrunde liegende Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)[38] stützt,[39] wird die Argumentation schief. Zwar ist es in Fällen todes(mit)ursächlichen Handelns Dritter oder des Opfers im Ausgangspunkt richtig, bei der Beurteilung des Zurechnungszusammenhangs auch die rechtliche Bewertung dieses Handelns zu berücksichtigen, etwa den Zurechnungszusammenhang zu bejahen, wenn dem Dritten oder dem Opfer nur einfache Fahrlässigkeit zur Last fällt.[40] Das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben taugt demgegenüber ebenso wenig wie die Straflosigkeit der Selbsttötung als Maßstab für die Zurechnungsprüfung. Besonders deutlich wird dies, wenn man die einfach- und verfassungsrechtlichen Erwägungen auf die vom Strafsenat offen gelassene Frage[41] überträgt, wie der Zusammenhang bei einem unvernünftigen Behandlungsverzicht zu beurteilen sei.

2. Grundrechtlicher Schutz des Behandlungsverzichts

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu § 217 StGB[42] findet das konventionsrechtlich durch Art. 8 EMRK verbürgte Recht auf selbstbestimmtes Sterben,[43] wonach jeder Mensch die Freiheit genießt, selbst zu entscheiden, wann und wie er aus dem Leben scheidet, solange die betroffene Person einen freien Willen bilden und entsprechend handeln kann,[44] im deutschen Verfassungsrecht seine Entsprechung. Die individualistische Grundrechtskonzeption, die der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Recht auf Selbsttötung zugrunde liegt, setzt bei einem grundsätzlichen Verständnis aller Menschen als selbstbestimmt und autark an.[45]

Diese Fundierung erklärt, dass die Entscheidung über das eigene Leben nur von Bedingungen abhängen kann, die die Selbstbestimmtheit als solche betreffen, das heißt von internen (Einsichts- und Urteilsvermögen) und externen (keine Willensmanipulation von Seiten Dritter) Bedingungen, ohne die von einer selbstbestimmten Entscheidung keine Rede sein kann[46] und für deren Vorliegen bei Entschlüssen, begleiteten Suizid zu begehen, der Staat Sorge zu tragen hat.[47] An den internen Voraussetzungen der Selbstbestimmtheit kann es bei Minderjährigen, Kranken oder Intoxikierten fehlen[48] beziehungsweise bei unzureichender Kenntnis der für die Einwilligung wesentlichen Umstände einschließlich bestehender Alternativen,[49] an den externen Voraussetzungen fehlt es bei einer auf Zwang, Drohung oder Täuschung beruhenden Entscheidung.[50]

Bei diesem Verständnis ist der Patientenwille auch dann maßgeblich, wenn er Außenstehenden irrational erscheint, etwa weil eine medizinisch indizierte und statistisch gesehen kaum riskante Behandlung abgelehnt wird.[51] Denn auch wenn eine von außen betrachtet unvernünftig anmutende Entscheidung für den Tod Zweifel am Urteilsvermögen des Einzelnen weckt, bleiben Vernunft und Selbstbestimmtheit letztlich unterschiedliche Konzepte.[52] Die „Freiheit zur Krankheit“[53] zwingt von daher auch dann dazu, den Patientenwillen zu respektieren, wenn der eine bestimmte ärztliche Behandlung ablehnende Patient mit seiner Entscheidung zugleich das Todesurteil über sich selbst spricht.[54] Wer krank und einwilligungsfähig ist, kann eine lebensrettende Handlung verweigern und verfügt insofern über das eigene Leben.[55] Die in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts getroffene Entscheidung gegen eine lebensrettende oder -verlängernde Behandlung ist auch dann zu respektieren, wenn die betroffene Person inzwischen außerstande ist, eigenverantwortlich eine Entscheidung zu treffen.[56] Als der Gesetzgeber durch die Normierung der Patientenverfügung in § 1901a BGB klarstellte, dass der Patientenwille für Behandlungsentscheidungen über den Verlust der Einwilligungsfähigkeit hinaus - und zwar unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung (vgl. § 1901a Abs. 3 BGB) - maßgeblich ist, hatte er ein Selbstbestimmungsrecht vor Augen, das auch „das Recht zur Selbstgefährdung bis hin zur Selbstaufgabe und damit auch auf Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen unabhängig von der ärztlichen Indikation der Behandlung“ beinhaltet.[57]

Solange also die internen und externen Bedingungen selbstbestimmten Entscheidens erfüllt sind, verlangt das Recht jedes Menschen, selbst zu entscheiden, ob er weiterleben oder sterben möchte, unbedingten Respekt, das heißt unterliegt es keinen - etwa auf allgemeinen Wertvorstellungen, religiösen Geboten oder gesellschaftlichen Leitbildern beruhenden - materiellen Bedingungen,[58] zumal diese ja notwendigerweise fremdbestimmt wären. In seinem Urteil zur Verfassungsmäßigkeit des § 217 StGB stellte das Bundesverfassungsgericht dementsprechend klar, dass das Recht, über das eigene Leben zu verfügen, nicht auf „schwere oder unheilbare Krankheitszustände oder bestimmte Lebens- und Krankheitsphasen beschränkt“ sei, weil ein in der Menschenwürdeidee wurzelndes Recht auf selbstbestimmtes Sterben als „ureigenster Bereich der Personalität“ des Menschen den Einzelnen von jeder Begründung oder Rechtfertigung der Entscheidung über das eigene Leben freistellen müsse, der Staat und die Gesellschaft also jeden Akt autonomer Selbstbestimmung zu respektieren hätten.[59]

3. Warum die Selbstbestimmtheit kein Kriterium sein kann

Dass gerade bei § 251 StGB, dessen Grundtatbestand mit dem Erfordernis einer qualifizierten Nötigungshandlung einen besonders intensiven Willensbruch voraussetzt, der Gefahrzusammenhang auch bei einer selbstbestimmten Ent-

scheidung des Opfers für den Tod fortbestehen soll, ist nur mit dem kumulativen Erfordernis zu rechtfertigen, dass bereits der Täter durch das Grunddelikt einen tödlichen Verlauf in Gang gesetzt hat. Selbst dann erscheint es freilich - jedenfalls in Patientenverfügungs-Konstellationen - fast zynisch, von einer selbstbestimmten Opferentscheidung zu sprechen, wie der vorliegende Fall demonstriert: Denn mag das Opfer auch für bestimmte Situationen vorab festgelegt haben, dass lebenserhaltende Maßnahmen nicht um jeden Preis ergriffen werden sollen, ist die Entscheidung, überhaupt in diese Situation zu geraten, sicher keine des Opfers gewesen.

Die Selbstbestimmtheit kann, da das Recht auf selbstbestimmtes Sterben keinem Vernunftvorbehalt unterliegt, es auch die Unterstützung von Seiten Dritter verbürgt und Ärzte an Patientenverfügungen gebunden sind, bei der Klärung, ob ein ärztlicher Behandlungsabbruch in Übereinstimmung mit einer Patientenverfügung den Zusammenhang unterbricht, weiterhelfen. Was eine mögliche Zusammenhangsunterbrechung durch die Entscheidung des Opfers für den Tod angeht, erscheint indes fraglich, ob das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben von seiner Schutzrichtung her weiterhelfen kann. Um eine abwehrrechtliche Situation (Verbot staatlicher Beschränkungen von Selbsttötungen) geht es in Konstellationen wie der vorliegenden nicht: Der Wunsch des Raubopfers zu sterben wird durch die Beurteilung der Strafbarkeit nach § 251 StGB nicht berührt, weil selbst eine Ablehnung der Strafbarkeit nach dieser Vorschrift die Freiheit des Opfers, aus dem Leben zu scheiden, unberührt ließe. Ob der Staat die Entscheidung des Raubopfers für den Tod zu achten hatte, ist eine das Verhältnis zwischen Raubopfer und Staat berührende Frage. Die Frage, warum der Täter eines Raubes auch für solche Todesfolgen geradestehen muss, die das Opfer durch die Inanspruchnahme lebensverlängernder ärztlicher Maßnahmen ohne weiteres hätte vermeiden können, steht auf einem anderen Blatt.

V. Zusammenhangsunterbrechung bei unvernünftigem Behandlungsverzicht

Die vom Strafsenat offen gelassene Frage, ob auch eine unvernünftige Behandlungsablehnung einer Strafbarkeit nach § 251 StGB entgegensteht, ist zu bejahen. Stirbt das Opfer, nachdem es der Vernunft zuwider eine erfolgversprechende ärztliche Behandlung zur Lebensverlängerung mit überschaubarem Risiko bewusst ablehnt, fällt der Tod nicht mehr in den Verantwortungsbereich des Täters.[60]

1. Selbstbestimmtheit und Vernunft als dissonante Maßstäbe

Die Logik des hier besprochenen Beschlusses lässt an sich keinen Raum für die Berücksichtigung des Vernunftmaßstabs. Andererseits führt die vom Strafsenat betonte Selbstbestimmtheit zu merkwürdigen Resultaten, wenn man sich die beiden Entscheidungen näher ansieht, auf die der Strafsenat Bezug nimmt, nachdem er die von ihm skizzierte Rechtsfrage offenlässt.[61] In der ersten zitierten Entscheidung stand eine Strafbarkeit nach § 227 StGB im Raum: Ein alkoholkrankes und zur Tatzeit betrunkenes Körperverletzungsopfer wurde nach der Tat schwerverletzt in ein Krankenhaus gebracht und kehrte von dort trotz ärztlicher Belehrung über die Lebensgefährlichkeit eines Behandlungsabbruchs in ihre Wohnung zurück, um dort mit dem Trinken fortzufahren. Drei Tage später wurde die Verletzte erneut in ein Krankenhaus eingeliefert, wo sie einer Hirnblutung als Folge der Körperverletzung erlag. Hätte die Verletzte den ihr beim ersten Krankenhausbesuch erteilten ärztlichen Rat befolgt, sich dort stationär behandeln zu lassen, wäre die Hirnblutung rechtzeitig erkannt und behandelt worden und wäre ihr Tod nicht eingetreten. Der Bundesgerichtshof bejahte in diesem Fall den Risikozusammenhang trotz der Weigerung des Tatopfers, die erforderliche ärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen, weil es nicht außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit gelegen habe, dass eine alkoholkranke und schwerverletzte Frau dem Drang nach weiterem Alkohol nachgebe und sich einer stationären Krankenhausbehandlung widersetze, auch wenn sie eindringlich auf die für sie bestehende Lebensgefahr hingewiesen werde. Dies gelte auch dann, wenn das Opfer trotz seiner Beeinträchtigungen den Ernst der Lage für sich selbst erkannt habe.[62] Dass der Fall tatsächlich nicht zur Beantwortung der Frage taugt, wie im Fall unvernünftiger Entscheidungen zu verfahren sein könnte, wird deutlich, wenn man sich daran erinnert, dass es selbstbestimmte, aber unvernünftige Entscheidungen genauso gibt wie fremdbestimmte, aber vernünftige; Selbstbestimmtheit und Vernunft sind eben nicht nur voneinander zu trennende, sondern auch in keinem Bedingungszusammenhang zueinander stehende Begriffe. In der ersten zitierten Entscheidung ging es in Wahrheit nicht um Unvernunft, sondern es stand das Urteilsvermögen der alkoholkranken Verletzten als interne Voraussetzung der Selbstbestimmtheit in Frage. Abgesehen davon führt die Entscheidung vor Augen, dass die Selbstbestimmtheit als Kriterium der Abgrenzung von Verantwortungsbereichen im Rahmen der Prüfung des § 251 StGB wenig weiterhilft. Liest man die erste zitierte Entscheidung gemeinsam mit der das selbstbestimmte Sterben betreffenden Passage im hier besprochenen Beschluss, bleiben doch eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder war die Entscheidung für den Tod ungeachtet der Alkoholkrankheit der zur Tatzeit alkoholisierten Verletzten noch eine selbstbestimmte und wäre der Gefahrzusammenhang wegen einer mit der Rechtsordnung in Einklang stehenden Reaktion des Opfers zu bejahen oder aber man schließt von der Konstitution der Verletzten auf ihr mangelndes Urteilsvermögen als einer internen Voraussetzung der Selbstbestimmtheit. Dass aber in der zweiten Alternative der auf erkennbar mangelndem Urteilsvermögen beruhende Behandlungsverzicht den Täter nicht entlastet, dürfte sich von selbst verstehen. Dann fiele aber im Rahmen des § 251 StGB die Todesfolge bei fast jedem Behandlungsverzicht, namentlich dem freien wie auch dem erkennbar unfreien, in den Verantwortungsbereich des Täters.

Auch die zweite vom Strafsenat genannte Entscheidung - wieder betreffend § 227 StGB - hilft wenig weiter. Der Verletzten waren 18 Rippenbrüche beigebracht worden, von denen bei einem anschließenden Krankenhausaufenthalt nur Frakturen von drei Rippen diagnostiziert worden waren. Wenige Tage nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus konsultierte die Verletzte am 2. Mai 2006 ihren Hausarzt, der ihr Schmerztabletten verschrieb und häusliche Ruhe verordnete, und suchte ihn eine Woche später wegen Beinbeschwerden auf. In der Folgezeit verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand, bis sie letztlich aufgrund eines toxisch-resorptiven Herz-/Kreislaufversagens infolge einer Sepsis bei insgesamt 18 Rippenfrakturen verstarb. In einem obiter dictum wies der Strafsenat für die Hauptverhandlung nicht nur auf die Möglichkeit eines zurechnungsunterbrechenden ärztlichen Behandlungsfehlers hin, sondern gab auch zu bedenken, dass die Verletzte sich möglicherweise in einer den Zurechnungszusammenhang unterbrechenden Weise dadurch, dass sie trotz Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes nach dem 2. Mai 2006 wegen der Rippen-

frakturen keine ärztliche Hilfe in Anspruch nahm, selbst geschädigt haben könnte. Dabei sei von Bedeutung, „welche Schmerzen und körperliche Symptome auftraten und inwieweit diese die Verletzte zur Inanspruchnahme weiterer ärztlicher Hilfe drängten.“[63] Wie schon in der ersten zitierten Entscheidung stellt der Strafsenat auch hier auf eine interne Voraussetzung selbstbestimmten Entscheidens ab, diesmal allerdings die Einsicht in den Ernst der Lage, die sicher auch davon abhängt, ob die Verletzte ihre körperliche Verfassung in Form von Schmerzen oder anderen körperlichen Symptomen wahrgenommen hatte. Soweit der Beschluss darüber hinaus darauf abstellt, inwieweit die körperlichen Beeinträchtigungen die Verletzte zur Inanspruchnahme weiterer ärztlicher Hilfe drängten, ist nicht ganz klar, ob damit das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben oder der Vernunftmaßstab angesprochen ist. Versteht man das Verb „drängen“ eher im Sinne von „Entscheidungsdruck ausüben“, ist die Selbstbestimmtheit angesprochen; sollte der Strafsenat aber danach gefragt haben, ob die Verletzte zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe Anlass gehabt und sich trotzdem dagegen entschieden hatte, geht es nicht mehr um die Selbstbestimmtheit, sondern nur um eine inhaltliche Prüfung des Behandlungsverzichts, möglicherweise am Vernunftmaßstab. Im Fall der ersten Deutung gilt das bereits zur ersten zitierten Entscheidung Ausgeführte. Die zweite Deutung ließe sich schwer mit dem Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben vereinbaren, wenn man dieses im Fall eines Behandlungsverzichts als maßgeblichen Kriterium für den Zusammenhang verstehen will.

2. Überwiegende Verantwortung des unvernünftigen Opfers

Richtigerweise ist die Selbstbestimmtheit ein schlechtes Kriterium, eine neue Gefahrschaffung durch das Opfers zu beurteilen, die Vernünftigkeit der Opferentscheidung dagegen ein sehr hilfreiches: Trifft das lebensgefährlich verletzte Opfer bewusst eine unvernünftige Entscheidung, wurzelt die Todesfolge weniger in der durch das Grunddelikt geschaffenen Gefahr, sondern primär in den persönlichen Überzeugungen und Befindlichkeiten des Opfers, für die der Täter keine Verantwortung trägt. Zwar hat der Bundesgerichtshof für die Erfolgsqualifikation des § 226 StGB entschieden, dass der Umstand, dass das Körperverletzungsopfer eine medizinische Behandlung zur Beseitigung oder Abmilderung eingetretener Verletzungsfolgen verweigert, den Gefahrzusammenhang nicht unterbricht, weil das Opfer im Anwendungsbereich des § 226 StGB ohnehin stets „außerordentlich schwer“ getroffen sei und regelmäßig aus Tätersicht nicht zu hinterfragende Gründe für seine Entscheidung haben werde, selbst wenn eine Behandlung aus medizinischer Sicht sinnvoll wäre: „Es würde jeglichem Gerechtigkeitsempfinden widersprechen, über den Gedanken der Zurechnung eine Art Obliegenheit des Opfers zu konstruieren, sich ungeachtet dessen aus übergeordneter Sicht ‚zumutbaren‘ (Folge-)Operationen und anderen beschwerlichen Heilmaßnahmen zu unterziehen, um dem Täter eine höhere Strafe zu ersparen“.[64] Für § 251 StGB lassen sich hieraus freilich keine Schlussfolgerungen ziehen. Erstens verdient die Rechtsprechung zu § 226 StGB Widerspruch, weil es mitnichten darum geht, dem Opfer, das ja weiterhin jedenfalls durch § 223 StGB strafrechtlich geschützt ist, eine medizinische Behandlung aufzuzwingen, sondern darum, bei der Beurteilung des Gefahrzusammenhangs zu berücksichtigen, inwieweit die Gefahr einer schweren Folge im Verantwortungsbereich des Täters liegen kann, wenn das Opfer sie ohne weiteres beheben lassen könnte und dies nur nicht will. Zweitens liegen beim Raub, anders als bei § 226 StGB, schwere Auswirkungen der qualifizierten Nötigungshandlung auf die körperliche Integrität gewiss nicht im Rahmen des Üblichen, zumal die Drohungsalternative kein Einwirken auf den Körper des Opfers voraussetzt.

VI. Fazit

Für die Beurteilung der Frage, ob der in der Patientenverfügung niedergelegte Wille des Raubopfers, in einer bestimmten Situation auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten, den Gefahrzusammenhang zwischen der Raubhandlung und der Todesfolge unterbricht, kann das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben nicht den Maßstab bilden, die Vernünftigkeit der Patientenentscheidung dagegen durchaus. Das genaue Gegenteil gilt für die rechtliche Beurteilung des ärztlichen Handelns, weil das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben auch einen interaktionistischen Gehalt aufweist und Ärzte insofern auch an unvernünftig erscheinende Patientenverfügungen gebunden sind.


[*] Der Verfasser vertritt derzeit an der Leibniz Universität Hannover den Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht.

[1] „Die Revision[…]wird als unbegründet verworfen.“

[2] BGH NJW 2020, 3669 (insoweit nicht abgedruckt) = HRRS 2020 Nr. 1353.

[3] Versteht man die Offensichtlichkeit zutreffend dahin, dass alle Sachkundigen sofort erkennen müssen, um welche Rechtsfragen es geht und wie sie zu beantworten sind, und dass die mit der Revision vorgebrachten Rügen das Rechtsmittel nicht zielführend begründen können (BVerfG NJW 2002, 814, 815; BGHSt 38, 184; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl.[2020], § 349 Rn. 10 m.w.N.), läuft der Strafsenat mit der Ausführlichkeit und Tiefe seiner Argumentation jedenfalls Gefahr, die Offensichtlichkeit der Unbegründetheit selbst zu entkräften. Sollte der Strafsenat demgegenüber eine Revisionshauptverhandlung für entbehrlich erachtet und - wenn auch unausgesprochen - hierauf gestützt das Offensichtlichkeitsmerkmal bejaht haben (vgl. zu diesem Verständnis des Merkmals BGH NJW 2001, 85; Detter StV 2004, 345, 346), beruht dies nicht nur auf einem Zirkelschluss (Fürstenau StraFo 2004, 38, 40; Fezer StV 2007, 40, 45; Rosenau ZIS 2012, 195, 199), sondern bleibt dem Revidenten angesichts bedenklich stimmender Schilderungen der Entscheidungspraxis am BGH (vgl. Fischer/Krehl StV 2012, 550, 556 Fn. 64) zu wünschen, dass die Entscheidung einstimmig beschlossen wurde, also tatsächlich alle Senatsmitglieder die in den Beschlussgründen niedergelegte Auffassung geteilt haben und nicht nur die Mehrheit.


[4] Mitsch NJW 2020, 3671.

[5] Beispielhaft Rengier, Strafrecht BT I, 22. Aufl. (2021), § 7 Fall 1.

[6] Rengier a.a.O. (Fn. 5), § 7 Rn. 12.

[7] BGH NJW 1955, 1404.

[8] Eisele JuS 2021, 86; Kudlich JA 2021, 169.

[9] Hirsch GA 1972, 65, 67.

[10] Vogel , in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl. (2010), § 251 Rn. 2.

[11] Vgl. statt vieler Rengier a.a.O. (Fn. 5), § 55 Rn. 4: „spezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang“; Kühl, Strafrecht AT, 8. Aufl. (2017), § 17a Rn. 16: „tatbestandstypischer Gefahrzusammenhang“; Fischer, StGB, 68. Aufl. (2021), § 251 Rn. 6: „tatbestandsspezifischer Risikozusammenhang“; Sander, in: Münchener Kommentar, StGB, 3. Aufl. (2017), § 251 Rn. 7: „Unmittelbarkeitszusammenhang“; Eisele JuS 2021, 86: „gefahrspezifischer Zusammenhang“; Stein, in: Systematischer Kommentar, StGB, 9. Aufl. (2017), § 18 Rn. 22: „erfolgsqualifikationsspezifischer Zusammenhang“.

[12] BGHSt 33, 322, 323; 38, 295, 298.

[13] BGH NJW 2020, 3669, 3670 = HRRS 2020 Nr. 1353.

[14] BGH NJW 2020, 3669, 3670 = HRRS 2020 Nr. 1353.

[15] BGHSt 31, 96, 98 f.; 32, 25, 28; 33, 322, 324; 56, 277, 287 = HRRS 2011 Nr. 978.

[16] Vgl. BGHSt 38, 295, 298; BGH NJW 1998, 3361, 3362; 2006, 1822, 1823 = HRRS 2006 Nr. 401; NStZ 2008, 278 = HRRS 2008 Nr. 234.

[17] Das auf der Ebene der objektiven Zurechnung zu Erörternde beschränkt sich naturgemäß nicht auf das erfolgsqualifizierte Delikt, sondern müsste auf das darin enthaltene Fahrlässigkeitsdelikt durchschlagen: Wer den Raub mit Todesfolge gemäß § 251 StGB mangels objektiver Zurechenbarkeit der schweren Folge verneint, muss auch die fahrlässige Tötung gemäß § 222 StGB verneinen, wohingegen eine Verneinung des für § 251 StGB vorauszusetzenden deliktsspezifischen Gefahrzusammenhangs für die Beurteilung der Strafbarkeit nach § 222 StGB folgenlos bleibt, s.a. Heinrich/Reinbacher JURA 2005, 743, 745.

[18] Rengier, Strafrecht AT, 12. Aufl. 2020, § 13 Rn. 46.

[19] Vgl. etwa Ferschl, Das Problem des unmittelbaren Zusammenhangs beim erfolgsqualifizierten Delikt (1999), S. 89.

[20] Kühl a.a.O. (Fn. 11), § 17a Rn. 16.

[21] Steinberg JuS 2017, 1061.

[22]  ? Hefendehl StV 2000, 109 f.; Günther, in: Festschrift für Hirsch (1999), S. 543, 546; Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), § 18 Rn. 4c; Sinn, in: Systematischer Kommentar, StGB, 9. Aufl. (2019), § 251 Rn. 12 f.; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, StGB, 5. Aufl. (2017), § 251 Rn. 5; Kudlich, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 5. Aufl. (2021), § 251 Rn. 6; a.A. Sander a.a.O. (Fn. 11), § 251 Rn. 6; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. (2018), § 251 Rn. 1; S. Maier, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. (2020), § 251 Rn. 4.

[23] BGHSt 33, 322, 323; 38, 295, 298.

[24] Vgl. Altenhain GA 1996, 19, 35; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), § 251 Rn. 4 m.w.N.

[25] Dieser dogmatische Ansatz blitzt im hier besprochenen Beschluss gelegentlich auf, wenn der Strafsenat etwa den „Zurechnungszusammenhang“ oder die Möglichkeit einer „Zurechnungsunterbrechung“ diskutiert, BGH NJW 2020, 3669, 3370 f. = HRRS 2020 Nr. 1353.

[26] Vgl. statt vieler BGH NStZ 2009, 92 = HRRS 2009 Nr. 132; Vogel/Bülte, in: Leipziger Kommentar, StGB, 13. Aufl. (2020), § 18 Rn. 41; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 5. Aufl. (2020), § 11 Rn. 143.

[27] Grundlegend BGHSt 55, 191; hierzu Fischer, in: Festschrift für C. Roxin (2011), S. 557 ff.; Rosenau, in: Festschrift für Rissing-van Saan (2011), S. 547 ff.; Eidam GA 2011, 232 ff.; Gaede NJW 2010, 2925 ff.

[28] Vgl. BGHZ 154, 205; Safferling, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. (2020), § 212 Rn. 56 m.w.N.

[29] BVerfGE 153, 182, 264 f. = HRRS 2020 Nr. 190; insoweit krit. Hartmann JZ 2020, 642, 644; Hillenkamp JZ 2020, 618, 622.

[30] S.a. Mitsch NJW 2020, 3371 f.

[31] Vgl. statt vieler BGHSt 22, 362 betreffend den Fall, dass das Raubopfer beim Versuch, den fortgelaufenen Räubern nachzueilen oder Hilfe herbeizuholen, im Dunkeln zu Fall kommt und sich dabei zu seinem Tode führende Verletzungen zuzieht; s.a. Fischer a.a.O. (Fn. 11), § 251 Rn. 6; Kühl a.a.O. (Fn. 22), § 251 Rn. 1; Bosch a.a.O. (Fn. 24), § 251 Rn. 5; Günther, in: Festschrift für Hirsch (1999), S. 543, 549; Vogel a.a.O. (Fn. 10), § 251 Rn. 8 m.w.N.

[32] Zum konstituierenden Charakter der Patientenverfügung für die Rechtfertigung des Behandlungsabbruchs s. Safferling a.a.O. (Fn. 28), § 212 Rn. 56.

[33] Hierzu und zu den weiteren Anforderungen s. Renzikowski, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. (2020), Vor § 13 Rn. 120.

[34] BGH NJW 2020, 3669, 3670 = HRRS 2020 Nr. 1353.

[35] Hierzu Roxin/Greco a.a.O. (Fn. 26), § 11 Rn. 118; Eisele JuS 2017, 893, 894 f.; vgl. auch Rengier, Strafrecht BT II, 22. Aufl. (2021), § 16 Rn. 22.

[36] BGH NJW 2020, 3669, 3671 = HRRS 2020 Nr. 1353.

[37] Drittes Gesetz zur -nderung des Betreuungsrechts vom 29. Juli 2009, BGBl I, S. 2286.

[38] Grundlegend BVerfGE 153, 182 = HRRS 2020 Nr. 190.

[39] BGH NJW 2020, 3669, 3670 f. = HRRS 2020 Nr. 1353.

[40] Fischer a.a.O. (Fn. 11), § 251 Rn. 6.

[41] BGH NJW 2020, 3669, 3670 f. = HRRS 2020 Nr. 1353.

[42] BVerfGE 153, 182 = HRRS 2020 Nr. 190.

[43] EGMR Pretty v. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 29. April 2002, Nr. 2346/02, § 61 ff.

[44] EGMR Haas v. Schweiz, Urteil vom 20. Januar 2011, Nr. 31322/07, § 51.

[45] Hartmann JZ 2020, 642, unter Hinweis auf BVerfGE 153, 182, 260 ff. = HRRS 2020 Nr. 190.

[46] Vgl. BGHSt 64, 135, 139 = HRRS 2019 Nr. 1052; Hörnle JZ 2020, 872, 878.

[47] BVerfGE 153, 182, 271 = HRRS 2020 Nr. 190.

[48] Vgl. BGHSt 64, 135, 139 m.w.N. = HRRS 2019 Nr. 1052.

[49] Vgl. BVerfGE 153, 182, 273 f. m.w.N. = HRRS 2020 Nr. 190.

[50] Vgl. BVerfGE 153, 182, 274 = HRRS 2020 Nr. 190; BGHSt 32, 38, 43; BGH JZ 1987, 474.

[51] Klassisch RGZ 151, 349, 352 ff.; RGSt 25, 375, 378; s.a. BGHSt 64, 135, 142 f. = HRRS 2019 Nr. 1052; Taupitz, in: Festgabe 50 Jahre BGH Bd. I (2000), S. 497, 501 f.; Wagner, in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl. (2020), § 630d Rn. 6 m.w.N.

[52] Hörnle JZ 2020, 872, 878.

[53] BVerfGE 58, 208, 226; 128, 282, 304 = HRRS 2011 Nr. 1129; BVerfGE 129, 269, 280 = HRRS 2011 Nr. 1129; BVerfGE 133, 112, 131 = HRRS 2013 Nr. 225; 142, 313, 339 f.; BGHSt 64, 135, 142 f. = HRRS 2019 Nr. 1052; BGHZ 145, 297, 305 f.; 166, 141, 146.

[54] Vgl. BGHSt 64, 135, 142 f. = HRRS 2019, 1052; BGHZ 154, 205, 210; 163, 195, 197; OLG München NJW-RR 2002, 811 f.; Rissing-van Saan, in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl. (2018), § 216 Rn. 26; Wagner a.a.O. (Fn. 51), § 630d Rn. 6.

[55] Vgl. Kutzer ZRP 2012, 135, 136.

[56] BGHSt 64, 135, 143 = HRRS 2019 Nr. 1052; BGHZ 154, 205.

[57] BTDrucks 16/8442, S. 8.

[58] BVerfGE 153, 182, 263 m.w.N. = HRRS 2020 Nr. 190.

[59] BVerfGE 153, 182, 263 = HRRS 2020 Nr. 190.

[60] Vgl. Greco/Roxin a.a.O. (Fn. 26), § 11 Rn. 118 m.w.N.

[61] BGH NJW 2020, 3669, 3671 = HRRS 2020 Nr. 1353.

[62] BGH NStZ 1994, 394; krit. Kühl a.a.O. (Fn. 11), § 17a Rn. 27.

[63] BGH NStZ 2009, 92, 93 = HRRS 2009 Nr. 132.

[64] BGHSt 62, 36, 40 = HRRS 2019 Nr. 1052.