HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Januar 2020
21. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Der Besetzungseinwand nach der Modernisierung

Von Julius Lantermann[*]

I. Einleitung

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens[1] soll das Hauptverfahren an bestimmten Punkten optimiert werden. Mittelbar soll das zur Beschleunigung aller Strafverfahren führen. Das ist ein Ziel, das es zu unterstützen lohnt. Teil der Neuregelung ist ein Mechanismus, um die Gerichtsbesetzung zu Beginn des Verfahrens abschließend zu klären. Damit soll die Wiederholung der Hauptverhandlung verhindert werden. Dieses Vorabentscheidungsverfahren ist Wert, vorgestellt und einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen zu werden.

Die Neuregelung verfehlt das Ziel der Verfahrensvereinfachung. Sie ist verfassungswidrig. Dieser Beitrag ist allerdings in der Überzeugung verfasst, dass eine sinnvolle Diskussion über das Verfahrensrecht erst dann beginnt, wenn Anliegen, die hinter einem Gesetzgebungsverfahren stehen, nicht pauschal die Berechtigung abgesprochen wird. Zu einfach ist es, fremde Ideen nur mit Kritik zu überziehen, ohne eigene Vorschläge zu liefern, wie es besser gemacht werden könnte. Deshalb endet dieser Text mit konkreten Vorschlägen, wie die verschiedenen Anliegen zum Ausgleich gebracht werden könnten.

II. Inhalt der Neufassung

Die Novelle führt eine Art des Vorabentscheidungsverfahrens über Besetzungseinwände ein. Die Besetzungsfrage wird dadurch (grundsätzlich) aus der Revision herausgelöst. Die abschließende Prüfung der Besetzung soll nun vor oder am Beginn der Hauptverhandlung stehen.

1. Abstrakter Inhalt des Gesetzes

Dazu ändern sich die §§ 222a, 222b, 338 Nr. 1 StPO. Folgeänderungen finden sich in den §§ 121 und 135 GVG.

§ 222a Abs. 1 S. 2 StPO sieht vor, dass die Besetzungsmitteilung zugestellt wird, wenn sie vor der Hauptverhandlung erfolgt. Ansonsten muss die Besetzung – wie bisher – zu Beginn der Hauptverhandlung mitgeteilt werden.[2] § 222b Abs. 1 StPO knüpft daran an und lässt den Besetzungseinwand[3] nur innerhalb einer Woche nach Zustellung oder Mitteilung zu. Die Unterbrechung nach § 222a Abs. 2 StPO wird an die zusätzliche Voraussetzung geknüpft, dass die Hauptverhandlung nicht absehbar vor Ende dieser Wochenfrist beendet sein wird. Diese Änderungen sind eher untergeordneter Natur.

Zentral und neu ist § 222b Abs. 3 StPO, der vorsieht, dass der Besetzungseinwand – wenn das Tatgericht nicht abhilft – innerhalb von drei Tagen einem Rechtsmittelgericht vorzulegen ist. Das Rechtsmittelgericht wird durch § 121 Abs. 1 Nr. 4 und § 135 Abs. 2 Nr. 3 GVG bestimmt: Für die Verfahren vor den Großen Strafkammern ist es ein OLG. Bei den erstinstanzlichen Verfahren vor den Staatsschutzsenaten der OLG ist Rechtsmittelgericht der BGH.

Ist ein OLG als Rechtsmittelgericht zur Entscheidung über einen Besetzungseinwand berufen, so sieht § 121 Abs. 2 Nr. 4 GVG eine Divergenzvorlage zum BGH vor. Eine Ermächtigung, die Zuständigkeit innerhalb eines Bundeslandes bei einem OLG zu bündeln, enthält die Neuregelung nicht. Auch eine Übergangsregelung sieht das Gesetz (insoweit) nicht vor.

Der neugefasste § 338 Nr. 1 a) StPO sieht im Wortlaut vor, dass mit der Besetzungsrüge grundsätzlich nur noch eingewandt werden kann, dass ein Besetzungsfehler festgestellt, aber nicht beachtet wurde – ein Fall der praktisch nicht vorkommt. § 338 Nr. 1 b) StPO lässt die Präklusion auch dann nicht greifen, wenn das Rechtsmittelgericht nicht über den Besetzungseinwand entschieden hat und entweder die Vorschriften über die Mitteilung verletzt wurden, der angebrachte Besetzungseinwand übergangen bzw. zurückgewiesen wurde oder die Unterbrechung beantragt war und keine Woche zur Prüfung der Besetzung zur Verfügung stand.

Für Verfahren vor den Großen Strafkammern wird das Rechtsmittelverfahren daher zweifach gespalten: Zeitlich, weil die Besetzung zu Beginn geklärt wird. Instanziell, weil über die Besetzung nun ein OLG entscheidet, über die Revision aber weiterhin der BGH.

2. Am konkreten Beispiel

Wie das Verfahren nach Vorstellung des Gesetzgebers aussehen soll, wird an einem Beispielsfall deutlich: Sobald eine Große Strafkammer eine Hauptverhandlung terminiert, stellt sie den Beteiligten eine Mitteilung über ihre Besetzung zu. Die Verteidigung erhebt gegen diese Besetzung innerhalb einer Woche einen Einwand, den die Kammer für unzutreffend hält. Nach bisherigem Recht konnte die Frage, welche Auffassung richtig ist, erst in der Revision geklärt werden, mitunter erst Jahre später. Das ändert sich: Die Kammer legt den Einwand an das jeweilige OLG vor. Die Hauptverhandlung muss dafür noch nicht begonnen haben, kann aber auch gerade laufen. Das OLG bestätigt im Beispielsfall die Ansicht der Kammer. Die Entscheidung des OLG präkludiert dadurch die Besetzungsrüge in der Revision. Die Kammer fällt ihr Urteil und der BGH ist in der Revision – grundsätzlich – nicht mehr mit der Besetzungsfrage befasst.

Bei diesem Beispiel ist eine Vielzahl von Variationen denkbar. So könnte sich zB die Kammerbesetzung kurz vor Beginn der Hauptverhandlung wegen Krankheit ändern. Dann würde die Besetzung etwa am ersten Hauptverhandlungstag mitgeteilt und der Ablauf würde sich nach hinten verschieben.

III. Berechtigung der Regelung

Fügt man diesem Beispielsfall einige Details hinzu, zeigt sich, dass die Idee[4] einer Vorabprüfung über den Besetzungseinwand Berechtigung hat:

Unterstellt, der Besetzungseinwand, den die Verteidigung anbringt, ist rechtlich schwierig zu beurteilen. Die Kammer hält ihn für unbegründet. Ob ein Obergericht dieser Auffassung folgen wird, lässt sich nicht sicher sagen. Kommt es zu Fehlern, unterliegt bisher das gesamte weitere Verfahren der Tatsacheninstanz der Gefahr, vom Revisionsgericht als obsolet erkannt zu werden.[5] Da jede Entscheidung über den Besetzungseinwand Einfluss auf den gesetzlichen Richter hat, kann auch ein Grundsatz, ihm im Zweifel stattzugeben, die Lösung nicht sein. Im Beispielsfall ist weiterhin absehbar, dass die Hauptverhandlung mindestens 50 Hauptverhandlungstage in Anspruch nehmen wird. Für die einzelnen Richterinnen und Richter ist das eine unangenehme Situation. Wer möchte schon einer Hauptverhandlung beiwohnen und dabei stets im Hinterkopf haben, dass eine einzelne Wertung zu Beginn die Arbeit eines ganzen Jahres zunichtemachen kann – und das auch dann, wenn Verfahren und Urteil vorbildlich sind? Mit der Neuregelung ist die Prüfung der Besetzung bereits zu Beginn des Verfahrens abgeschlossen. Kommt es zu Fehlern, müssen allenfalls geringe Teile der Hauptverhandlung wiederholt werden, idealerweise überhaupt keine.

Während des Gesetzgebungsprozesses wurde die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens aber angezweifelt, weil erfolgreiche Revisionen mit entsprechenden Besetzungsrügen außerordentlich selten sind.[6] Das Beispiel zeigt, dass dieser Einwand zu kurz greift. Denn die Forderung nach einer früheren Klärung bezieht sich nicht nur auf begründete Besetzungsrügen in der Revision. Sie erfasst auch erfolglose, aber schwierige Besetzungseinwände. Auch solche Fälle sind zwar nicht die Regel. Das ändert aber nichts daran, dass es sie gibt und der einzelne Spruchkörper damit umgehen muss. Und auch bei den seltenen Besetzungsrügen mit Erfolg führt eine Vorabentscheidung zu einer Erleichterung: Die Besetzung des Tatgerichts ist einer der wenigen Fälle, bei denen sich die Rechtmäßigkeit bereits am ersten Hauptverhandlungstag abschließend beurteilen lässt. Jedes Vorziehen einer abschließenden Prüfung kann daher auch gewährleisten, dass kein Verfahren vor einem unzuständigen Richter durchgeführt wird.

IV. Der gesetzliche Richter als Schwachstelle der Neuregelung

Die (echten) Probleme der Neuregelung liegen in der praktischen Anwendung. Konkreter: Beim gesetzlichen Richter, wenn das Rechtsmittelverfahren zwischen OLG und BGH aufgetrennt wird.

1. Problemstellung

Auch hierzu eine Abwandlung des Beispiels.

a) Das zügige Landgericht

Die Besetzung der Kammer ändert sich kurz vor dem ersten Hauptverhandlungstag – etwa wegen Erkrankung eines Richters – und wird erst am ersten Hauptverhandlungstag mitgeteilt. Die Sache ist hier von geringem Umfang und lässt sich in ein oder zwei Hauptverhandlungstagen zum Urteil bringen. Die Verteidigung erhebt sogleich einen vorbereiteten Besetzungseinwand. Bislang brachte eine solche Situation die Kammer in keine Schwierigkeiten. Sie musste den Besetzungseinwand zwar beachten. Da sie ihre Besetzung aber von Amts wegen prüfen muss,

erweiterte sich der Prüfungsrahmen nicht. Der Besetzungseinwand konservierte lediglich die Rügemöglichkeiten in der Revision. In Zukunft führt der Besetzungseinwand – wenn die Kammer nicht abhilft – in das Prüfungsverfahren vor dem OLG. Hier kann es zur Situation kommen, dass die Kammer ein Urteil fällen kann, aber noch keine Entscheidung des OLG vorliegt.

b) Relevanz des Beispielsfalls

Diese (oder eine vergleichbare) Situation dürfte in Zukunft sehr häufig vorkommen. Mit einem Blick in die Untersuchung von Ferber lässt sich erahnen, dass der häufigste Wert (Modalwert) der notwendigen Hauptverhandlungstage vor den Landgerichten bis zur Urteilsfällung bei eins, zwei oder drei liegen dürfte: [7] Das kurze Verfahren macht das Tagesgeschäft einer Großen Strafkammern aus. Umfangsverfahren haben zwar einen größeren Anteil an der Gesamtarbeitslast, sind aber absolut gesehen selten. Die Senate der OLG werden demgegenüber kaum in der Lage sein, bei kleinen Verfahren innerhalb dieses Zeitraums schon eine Entscheidung über den Besetzungseinwand zu fällen. Selbst wenn die Besetzung schon einige Zeit vor dem ersten Hauptverhandlungstag mitgeteilt wurde, dürfte die Entscheidung des OLG zur Besetzung in der Regel nicht am ersten Hauptverhandlungstag vorliegen.

c) Auswirkungen

Die Urteilsfällung vor der OLG-Entscheidung scheint zunächst unproblematisch. § 338 Nr. 1 b) bb) StPO sieht gerade vor, dass die Rügepräklusion nicht greift, wenn der Besetzungseinwand übergangen wird und das Rechtsmittelgericht (hier das OLG) nicht entschieden hat. Demnach würde es – wenn die Kammer bei Entscheidungsreife ein Urteil fällt – bei dem Zustand bleiben, der bisher herrscht: In der Revision könnte vor dem BGH die Besetzungsrüge im Umfang des erhobenen Besetzungseinwandes geltend gemacht werden. Diese Auffassung liegt auch dem Gesetzesentwurf zu Grunde.[8] Dort heißt es, dass sich das Vorabentscheidungsverfahren erledigt, sobald das Tatgericht ein Urteil fällt. Die Betroffenen werden auf die Revision verwiesen.[9]

aa) § 121 Abs. 1 Nr. 4 GG als Zuständigkeitsnorm

Diese Wertung übergeht aber, dass § 121 Abs. 1 Nr. 4 GVG eine Regelung ist, die den gesetzlichen Richter bestimmt. Für die Entscheidung über den Besetzungseinwand ist gesetzlicher Richter eine Spruchgruppe am OLG. Ermöglicht man, dass das Tatgericht durch den Zeitpunkt der Urteilsfällung das Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht erledigen kann, wird die Zuständigkeit beweglich. Die Kammer kann dadurch Einfluss nehmen, ob ein OLG-Senat oder ein BGH-Senat über die eigene Besetzung befinden wird.

Dieses Problem ist im Gesetzgebungsverfahren nicht übersehen worden. Noch im Referentenentwurf war in § 222b Abs. 3 S. 2 StPO vorgesehen, dass "bis zur Entscheidung über den Besetzungseinwand kein Urteil verkünde[t werden darf]",[10] weil ansonsten Einfluss auf die Zuständigkeit genommen werden könne. Diese Regelung wurde kritisiert, weil sie Verfahren verzögert hätte.[11] Die nun in Kraft getretene Fassung hat davon ausdrücklich Abstand genommen.[12] Die Regelung im Ref-E wäre zwar sicherlich nicht sinnvoll gewesen. Sie hätte aber – wenn sie selbst revisibel gewesen wäre[13] – eine ausreichende Sicherung gegen den Entzug des gesetzlichen Richters dargestellt. Sie hätte trotz gewaltiger, nicht wegzudiskutierender Schwächen in der Praxistauglichkeit keine Bedenken bezüglich des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG hervorgerufen.

bb) Bedeutung des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG

Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG hat zwei Dimensionen: Es ist ein grundrechtsgleiches Recht und eine institutionelle Garantie. Die institutionelle Garantie[14] gewährleistet einen Rechtsrahmen, in dem die Personen, die über einen Rechtsstreit entscheiden, bereits vorab feststehen. Als grundrechtsgleiches Recht gibt Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG dem Individuum die Möglichkeit, sich gegen Eingriffe in die richterliche Zuständigkeit zur Wehr zu setzen.

Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG fließt daher in eine abstrakte und eine konkrete Wirkweise über. Die abstrakte Wirkung ermöglicht die Kontrolle, ob ein ausreichend robuster Rechtsrahmen zur Verfügung steht, um potentielle Einflussnahmen auf die Zuständigkeit zu verhindern. Die konkrete Wirkung des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG sichert hingegen ab, dass dieser Rechtsrahmen auch im Einzelfall ordnungsgemäß eingehalten wird. Als grundrechtsgleiches Recht ermöglicht Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG die Berufung auf beide Wirkweisen: Der Einzelne muss daher nicht zwingend geltend machen, dass gerade in seinem Fall eine Manipulation an der Zuständigkeit stattgefunden hat. Er kann sich auch darauf berufen, dass der vorgegebene Rechtsrahmen nicht so ausgestaltet ist, dass Manipulationen vorgebeugt wird. Maßstab dafür ist, dass der Rechtsrahmen keine unvermeidbaren Freiheiten in der Zuständigkeit erlaubt.[15]

Beide Wirkweisen bedingen sich gegenseitig. Je größer die Spielräume im abstrakten Rahmen der Zuständigkeit sind, desto enger muss die Kontrolle im konkreten Einzelfall sein.

Das zeigt sich etwa an der Regelung des § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Amts- und Landgericht bestimmt sich dort über eine Bewertung der Staatsanwaltschaft. Diese Regelung ist verfassungsgemäß.[16] Sie ist das allerdings nur, weil hinreichende Sicherungen gegen Missbrauch bestehen. So wird über die Regelung des § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG gerade kein Ermessen der Staatsanwaltschaft eröffnet. Vielmehr unterliegen die unbestimmten Rechtsbegriffe der Norm (etwa: besondere Bedeutung) der gerichtlichen Kontrolle.[17] Die Missbrauchsmöglichkeit wird durch diese Kontrolle soweit begrenzt, dass sie nur vage bleibt. Das ist unschädlich.[18]

In der Neuregelung findet sich als Rechtsbegriff nur das Übergehen in § 338 Nr. 1 b) bb) StPO. Das setzt ein Übergehen allerdings schon voraus, gibt aber nicht vor, wann übergangen werden dürfte.[19] Ob ein bestimmter Entscheidungszeitpunkt darauf zielt, den Fall dem OLG zu entziehen, wäre auch in der Revision durch den BGH zu prüfen.[20] Allein dieser Rechtsschutz dürfte allerdings nicht als hinreichende Sicherung gegen Missbrauch ausreichen. Denn mit der Kontrolle des § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG ist die Situation nicht vergleichbar. Die Entscheidung einer Staatsanwaltschaft, wo sie Anklage erhebt, betrifft diese nicht selbst. Die Kontrolle der Gerichtsbesetzung ist hingegen zuerst eine Selbstkontrolle des Spruchkörpers. Zum einen bestimmt sich über diese Entscheidung, ob die Kammer in dieser Zusammensetzung überhaupt zur Verhandlung berufen ist: Es geht gewissermaßen um die eigene Essenz. Zum anderen zeigt die Kammer mit der Vorlage des Besetzungseinwandes auch an, dass sie davon ausgeht, richtig besetzt zu sein. Es betrifft einen deutlich sensibleren Bereich, wenn Einfluss darauf genommen werden kann, wer eine eigene Entscheidung kontrolliert. Und klagt die Staatsanwaltschaft einen Fall zum LG an, so ermöglicht ihr das (meist) nicht, den Fall gezielt zu einem ganz bestimmten Spruchkörper am LG zu bringen. Beim Besetzungseinwand ist das nun anders: Die Kammern kennen den jeweiligen Senat des OLG und des BGH.

Wahlmöglichkeiten bei der Zuständigkeit sind bereits vom BVerfG bemängelt worden. So hat es – nach einer Entscheidung des Plenums[21] – ausgesprochen, dass die bloße Möglichkeit in einem Geschäftsverteilungsplan, bestimmte Fälle gezielt bestimmten Spruchgruppen eines Spruchkörpers zuzuschreiben, gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verstößt.[22] Das gilt erst recht, wenn das Gesetz diese Möglichkeit belässt. Im Anschluss an die Entscheidung des Plenums des BVerfG wurde beispielsweise auch bemängelt, wenn der Zuschnitt eines Spruchköpers beeinflusst werden kann.[23]

Aus bestimmten tatsächlichen Umständen – etwa Überlastung, unzureichender oder ungleicher Auslastung, Ausscheiden oder langfristiger Verhinderung einzelner Richter[24] – kann die Notwendigkeit zur Anpassung des abstrakten Rahmens der Zuständigkeit entstehen. Solche Umstände erlauben allerdings nur abstrakt-generelle Regelungen (etwa in Ableitungsbeschlüssen) und gerade nicht die Umverteilung von Einzelfällen, wie sie hier notwendig wäre. Es lässt sich auch kaum argumentieren, dass der Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer etwas rein Tatsächliches ist und tatsächliche Ereignisse regelmäßig keinen Entzug des gesetzlichen Richters begründen.[25] Erkrankt etwa eine eigentlich zuständige Richterin, ist ihr Ausscheiden kein Entzug des gesetzlichen Richters. Werden aber tatsächliche Ereignisse gezielt genutzt, um die Gerichtsbesetzung zu beeinflussen, wird der gesetzliche Richter entzogen. Wird etwa eine Sache gezielt in den Urlaub der Richterin terminiert, um sie aus dem Spruchkörper herauszuhalten, ist das mit Art. 101 I 2 GG unvereinbar.[26]

Es fällt schwer, solche Manipulationsmöglichkeiten, die von der Mehrzahl der Gerichte niemals tatsächlich zur Manipulation eingesetzt werden, in die Nähe des Art. 101 Abs. 1 S. 1 GG – dem Verbot von Ausnahmegericht – zu bringen. Für eine streng formale Sichtweise gibt es aber gute Gründe. Geschützt wird dadurch am allermeisten die Justiz selbst. Lässt man es auf Einzelfallprüfungen ankommen, muss in die Beweggründe der Entscheidenden eingedrungen werden. Am Ende dieser Einzelfallprüfung steht die Entscheidung, ob ein Untergericht willkürlich gehandelt hat. Die Robustheit des Rechtsrahmens zur Zuständigkeit erspart es, ein Untergericht mit diesem Vorwurf zu konfrontieren.

Und es bewahrt die Gerichtsbarkeit davor, dass die eigenen Legitimität Brüche bekommt. Denn jedes Einsteigen in Beweggründe lässt Zweifel aufkommen, ob sich die Zuständigkeit wirklich blindlings ergeben hat oder nicht vielmehr doch irgendwelche subjektiven Kriterien eine Rolle gespielt haben.[27] Ist schon der abstrakte Rechtsrahmen robust genug, können konkrete Beweggründe keine Rolle spielen. Die Freiheit, die der Gesetzgeber mit der Neuregelung belässt, ist vermeidbar.

V. Lösungswege

Für die erstinstanzlichen Verfahren vor den OLG sind die Probleme mit der Neuregelung lösbar, weil hier für Vorabentscheidung und Revision immer der 3. Strafsenat des

BGH (in Fünfer-Besetzung, vgl. § 139 Abs. 2 GVG) zuständig ist.[28] Zwar besteht auch hier die theoretische Möglichkeit, dass ein Staatsschutzsenat des OLG durch das Erledigen eines Vorabentscheidungsverfahrens eine(n) bestimmte(n) Berichterstatter(in) des 3. Strafsenats aus der Zuständigkeit wirft. Diese Möglichkeit ist aber von so vielen Unwägbarkeiten abhängig, dass abstrakte Zweifel an der Norm insoweit nicht zu erheben sind. Praktisch kann der 3. Strafsenat seine Verfahren aber jedenfalls durch eine Regelung im senatsinternen Geschäftsverteilungsplan gegen diese Beweglichkeit immunisieren.

Schwerwiegender sind die Probleme bei den Verfahren vor den Großen Strafkammern, weil hier zwei Gerichte (OLG und BGH) beteiligt sind.

1. Schadensminimierung

Naheliegend scheint es, zur Rettung des Gesetzes die noch im Referentenentwurf enthaltene Regelung aufzugreifen und stillschweigend in § 222b StPO hineinzulesen. Das würde bedeuten, in Zukunft keine Urteile zu sprechen, bevor nicht das OLG über den erhobenen Besetzungseinwand entschieden hat. In Umfangsverfahren stellt das regelmäßig kein Problem dar. Die Kammern könnten sich durch das Aufschieben wenigstens von individuellen Vorwürfen freimachen, Einfluss auf den gesetzlichen Richter genommen zu haben.

In kleineren Verfahren kann das praktisch funktionieren, wenn die Gerichtsbesetzung weit vor dem ersten Hauptverhandlungstag mitgeteilt wird. Die Kammern werden dadurch allerdings unflexibel, weil sich die Besetzung nicht mehr ändern darf. Kann die Besetzung nicht früh mitgeteilt werden oder kann das OLG nicht schnell genug entscheiden, muss geschoben werden. Dazu lässt sich etwa die Verkündungsfrist des § 268 Abs. 3 S. 2 StPO nutzen. Diese Frist dürfte aber angesichts der allgemeinen Belastungen der Oberlandesgerichte selten ausreichen. Das Schieben nach § 229 Abs. 1 StPO erreicht in derartigen Fällen schnell Grenzen, wenn es schlicht am Prozessstoff fehlt. Lösungen, wie bei erhobenem Besetzungseinwand stets an einem gesonderten Hauptverhandlungstag nach drei Wochen plädieren zu lassen, sind nicht sinnvoll:[29] Sie belasten die Kammern unnötig und stehen der Beschleunigung – dem Grundanliegen des Gesetzes – diametral entgegen.

Dass der Ansatz des Aufschiebens aber kein generell vertretbarer Weg ist, ergibt sich aus anderem Zusammenhang. Bislang konnte ein Besetzungseinwand das Verfahren nicht verschleppen. Das liegt daran, dass die §§ 222a und 222b StPO (sinnvollerweise!) selbst nicht revisibel sind.[30] Es stand den Strafkammern bislang frei, ob sie die Präklusionswirkung in Anspruch nehmen oder in der Gewissheit, ordnungsgemäß besetzt zu sein, den Einwand unbeschieden lassen und einfach weiterverhandeln. Einen Grund, sich darüber zu beklagen, hatte die Verteidigung am allerwenigsten, weil ihr gerade dadurch die Besetzungsrüge in der Revision erhalten geblieben ist.[31] Das nahm Anreize, erkennbar sinnlose, dafür aber umso umfangreichere Besetzungseinwände einzureichen.[32] Solange der Revisionsführer keine wirklichen Fehler an der Besetzung geltend machen konnte, nützte die Erhebung des Besetzungseinwandes nichts. Auch ein Unterbrechungsantrag nach § 222a Abs. 2 StPO konnte bislang abgelehnt werden (und war abzulehnen!), wenn das Gericht sich sicher war, dass es richtig besetzt ist.

Das wäre anders, wenn kein Urteil gefällt werden darf, bevor über den Besetzungseinwand entscheiden ist. Das Einreichen eines aussichtslosen, dafür aber besonders umfangreichen Besetzungseinwandes wird die Bearbeitungszeit beim OLG zwangsläufig verlängern. Die eingespielten Prüfungsmechanismen, die eine Strafkammer zur Prüfung der eigenen Besetzung besitzt – die Kammer kennt den eigenen Geschäftsverteilungsplan, die Eintrittszeitpunkte der Richterinnen und Richter etc. –, gibt es am OLG nicht.

Keine Lösung dessen ist es, in Zukunft die Besetzung gar nicht mehr mitzuteilen. Das Gesetz sieht die Mitteilung in § 222a Abs. 1 StPO vor. Es hätte einen Hauch des Absurden, wenn auf die Frage eines Beteiligten am ersten Hauptverhandlungstag, wie die Beisitzer heißen, die Antwort oder die Protokollierung verweigert wird. Jedenfalls dann dürfte sich – ganz gleich wie verständlich das abstrakte Ziel hinter dem Verhalten sein mag – nicht mehr argumentieren lassen, dass die Kammer die Entscheidung über den Besetzungseinwand nicht gezielt dem BGH überantworten will.

Es dürfte daher zur Konjunktur des Besetzungseinwandes in kleinen Verfahren kommen.[33] Muss die erste Hauptverhandlung neu- oder nachterminiert werden, während auf eine Vorabentscheidung gewartet wird, kommt es leicht zu Dominoeffekten. Das wird manche Kammern unverschuldet in die Überlastung ziehen. Diese Entwicklung ist für den Rechtsstaat nicht nur wegen der allgemeinen Verzögerung gefährlich. Sie schafft Wege, Kammern mit der Befürchtung zu konfrontieren, das Tagesgeschäft nicht mehr bewältigen zu können. Das wird bösartigen Ausformungen des Deals Vorschub leisten.

Für alle übrigen Anwender ist die Zukunft auch eher düster. Die ehrlichen Beteiligten werden auf Misstrauen treffen, wenn sie einen ernstgemeinten Besetzungseinwand erheben. Die OLG werden mehr Arbeitslast haben. In Haftsachen werden sie ab und an ihre bisherige Position am Spielfeldrand verlassen. Dann sind sie mittendrin statt nur dabei, wenn es um die Suche nach einem Schuldigen für die Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft geht. Nur der BGH wird von den – aktuell seltenen! – Besetzungsrügen entlastet. In der Revision lassen sich aber

Verfassungsverstöße geltend machen[34] und trotz des neuen § 338 Nr. 1 StPO lässt sich in diesem Bereich einiges rügen.

2. Zwischenfazit

Es sind also zwei Wege denkbar, wie die Neuregelung einer Kontrolle an Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG standhalten könnte.

Entweder man formt die Bedeutung des abstrakten Rechtsrahmens für die Bestimmung des gesetzlichen Richters neu. Der BGH müsste dann in Zukunft ab und an die Frage klären, ob eine ganz konkrete Entscheidung eines LG nur zufällig zu einem bestimmten Zeitpunkt gefällt wurde oder damit gezielt das OLG umgangen werden sollte. Die inhaltlichen Bedenken dagegen sind oben dargestellt. Prozessual dürfte dazu – angesichts von BVerfGE 95, 322 – eine Entscheidung des Plenums des BVerfG notwendig sein.

Der zweite Weg – die Zurückstellung der Urteilsfällung – wäre bezüglich des gesetzlichen Richters eindeutig. Eine gesetzliche Grundlage oder ein – über die unmittelbare Rüge der Verletzung des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG durch das Tatgericht hinausgehende – Sicherung im Verfahrensrecht hätte dieser Weg nicht. Beides ist für sich schon Indiz für eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG.

Nimmt man es aber mit der Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege als Verfassungsprinzip ernst,[35] darf auch dieser Weg nicht beschritten werden. Denn es steht diesem Grundsatz diametral entgegen, wenn ein Verfahren, in dem kein praktisches Bedürfnis nach einer Vorabentscheidung über die Besetzung besteht, allein deswegen geschoben werden muss. Die Arbeitszeit, die dieser Ansatz in den Landgerichten verschlingt, dürfte immens sein.

3. Vorlage

Der bessere Weg ist deshalb, die Neuregelung nicht an Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG vorbeizubringen. Die Großen Strafkammern sind zuerst mit der Neuregelung konfrontiert. Die Überzeugung, dass dieses Gesetz verfassungswidrig ist, dürfte sich auch aus der Gefahr schöpfen lassen, in jedem Fall unbeabsichtigt verfassungswidrige Entscheidungen zu fällen. Die formellen Bedenken, die eine Richtervorlage in dieser Sache hervorrufen kann, lassen sich lösen.

So verlangt Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG Normen, auf deren Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt. Es lässt sich aber ohne weiteres argumentieren, dass auch mit der Vorlage an das OLG nach § 222b Abs. 3 S. 1 StPO eine Entscheidung gefällt werden müsste und Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG – jedenfalls im Verfahrensrecht – nicht nur Endentscheidungen meint.[36] Das BVerfG hat bereits Ansätze gezeigt, dass Vorlagen auch dann zulässig sind, wenn ein Gericht durch das Verfahrensrecht nicht in der Lage ist, das Verfahren soweit voranzutreiben, bis es die Sache wirklich abschließen könnte.[37] Und es hat Vorlage dann für geboten gehalten, wenn sich die Verfassungswidrigkeit wegen Alternativbegründungen zwar nicht auf den Tenor, aber auf das Verhalten der Beteiligten auswirken kann.[38] Selbst wenn man dies anders sehen will, ist eine Vorlage auch zulässig, wenn die Vorlagefrage "von allgemeiner und grundsätzlicher Bedeutung für das Gemeinwohl und deshalb ihre Entscheidung dringlich ist."[39] Angesichts jährlicher Eingangszahlen im unteren fünfstelligen Bereich bei den Landgerichten fällt es schwer, das zu verneinen.[40]

Einer Vorlage dürfte auch nicht entgegenstehen, dass Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG die Aussetzung des Verfahrens vorsieht. Ob der Begriff Aussetzung in Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG wirklich technisch zu verstehen ist, wie es in § 229 Abs. 4 S. 1 StPO angelegt ist, lässt sich bezweifeln. Zweck der Verfahrensaussetzung bei der Vorlage ist die Verhinderung einer abschließenden Entscheidung. Das lässt sich im Verfahrensrecht auch durch die Unterbrechung oder (hier) die Aussetzung nur in Bezug auf den ganz konkreten Vorlagegegenstand erreichen.

Auch in Verfahren der konkreten Normenkontrolle kann ein Senat – jedenfalls von Amts wegen[41] – die Wirkung von Gesetzen über § 32 Abs. 1 BVerfGG aussetzen. Selbst eine sehr strenge Folgenabwägung wird hier kaum für die Neuregelung sprechen. Denn sollte die Neuregelung verfassungswidrig sein, so würde das jedes landgerichtliche Urteil betreffen, soweit in den Verfahren Besetzungseinwände geltend gemacht wurden. Für die Verfahren, in denen bereits Besetzungseinwände erhoben wurden, ließe sich eine Übergangsregelung treffen.[42]

Für eine Reduzierung der strengen Zulässigkeitsanforderungen bei derartigen Vorlagen streiten zwei Argumente. Lässt man solche Vorlagen nicht zu, bleiben die Fachgerichte mit den Problemen des Verfahrensrechts alleine. Es lässt sich von keinem Gericht verlangen, eine Entscheidung zu treffen, deren Verfassungsmäßigkeit es schon selbst in Zweifel stellt. Das gilt hier umso mehr, weil die Großen Strafkammern die Konsequenzen dieser Neuregelung am meisten zu spüren bekommen werden.

Außerdem gibt es im Verfahrensrecht eine Vielzahl von Normen, deren Anwendung nicht zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde gemacht werden kann. Diese Normen unterliegen abseits der Normenkontrolle keiner verfassungsgerichtlichen Prüfung. Will man das Verfahrensrecht in größerem Maße an die Verfassung rückkoppeln,

wird das prozessual allein über die Verfassungsbeschwerde nicht gelingen.

VI. Alternativen

Trotz aller Bedenken gegen die in der Neuregelung gewählte Gestaltung ist schon oben dargestellt, dass eine Vorabentscheidung über die Besetzung grundsätzlich sinnvoll ist. Eine wirkliche Notwendigkeit besteht in manchen Umfangsverfahren, fehlt aber in kleinen Verfahren. Soll es daher ein Vorabentscheidungsverfahren geben, ist es sinnvoll, wenn das Verfahren nicht für alle Sache geöffnet wird. Und das lässt sich auch umsetzen:

§§ 222a und b StPO werden dafür wieder in den Zustand vor der Neuregelung gebracht. In § 222b StPO wird aber ein Absatz 3 angefügt werden:

(3) Sieht das Gericht ein zwingendes Erfordernis die eigene Besetzung abschließend zu klären, so kann es dem Bundesgerichtshof den Besetzungseinwand auch vor oder während laufender Hauptverhandlung durch begründeten Beschluss vorlegen. Der Bundesgerichtshof kann die Vorlage mit Beschluss, der keiner weiteren Begründung bedarf, zurückgeben, wenn nach freier Überzeugung kein zwingendes Erfordernis für eine frühzeitige Entscheidung besteht. Im Übrigen entscheidet der Bundesgerichtshof über den Besetzungseinwand. Ist der Besetzungseinwand begründet, stellt er fest, dass das Gericht nicht vorschriftsgemäß besetzt ist und ordnet den Neubeginn der Hauptverhandlung an. Alle Entscheidungen nach diesem Absatz sind unanfechtbar.

Folgeänderungen wären in § 338 StPO und im GVG notwendig. In der Geschäftsverteilung des BGH wird festgelegt, dass sich die Berichterstatterschaft zwischen Vorabentscheidung und Revision nicht ändert. Dadurch lässt sich die Zuständigkeit nicht einmal theoretisch beeinflussen, sondern bestimmt sich allein nach der laufenden Nummer. Da das Tatgericht auf diese Zahl keinen Einfluss nehmen kann, wird die Spruchgruppe blindlings bestimmt, nur zu einem anderen Zeitpunkt.

Unnötige Vorlagen oder fehlende Vorbearbeitung durch das Tatgericht kann der BGH durch großzügige Anwendung des Satz 2 aussondern. Es bleibt dann wie bisher die Revision inklusive der bestehenden Präklusionsregelungen. Das Verfahren soll gerade nicht dazu dienen, dass der BGH die Arbeit der Tatgerichte erledigt. Mit dem Verfahren sollen nur die – wenigen – wirklich schwierigen Fälle vorab vom BGH geklärt werden können. Da alle Entscheidungen nach diesem Absatz unanfechtbar sind, kann ein Vorgehen nach Abs. 3 von den Beteiligten angeregt, aber nicht erzwungen werden.

Ein Bruchteil der Haushaltsmittel, die im Vergleich zur Neuregelung eingespart werden, könnten an anderer Stelle sinnvoll eingesetzt werden: Um die Untersuchung von Ferber auf ein Bundesgesetz zu stellen und zu erweitern. Abseits dieser Studie stützen sich Aussagen über Existenz oder Nichtexistenz von Missbrauch im Strafprozess in der Regel auf subjektive Einschätzungen oder dem (meist auch selektiven) Zitieren veralteter oder nicht belastbarer Studien. Beides muss nicht zu falschen Schlüssen führen. Verlässlich ist es aber nicht und gelegentlich ist es auch verwerflich.


* Der Beitrag ist großen Zeiten mit der Elften gewidmet.

[1] BGBl. 2019 I, S. 2121.

[2] Dabei handelt es sich – wie bisher (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. (2019), § 222a Rn. 4) – um eine wesentliche Förmlichkeit.

[3] Dazu etwa Leitmeier NJW 2017, 2086.

[4] Vorgebracht insbesondere durch den Strafkammertag, vgl. 2. Strafkammertag, Dokumentation, S. 35 ff.

[5] Ausführlich Caspari, Stellungnahme, S. 22.

[6] Norouzi, Stellungnahme DAV, S. 9; Conen et al., Stellungnahme Strafverteidigerbüro, S. 8; Momsen/Schwarze, Stellungnahme, S. 11.

[7] Ferber, Strafkammerbericht, 2017, S. 56 ff. Die Daten sind dort teilweise nur aggregiert veröffentlicht. Das lässt (gerade wegen der Wirtschaftsstrafkammern) keinen völlig zweifelsfreien Schluss zu.

[8] BT-Drs. 19/14747, S. 31 f. Für das Verbleiben der Rechtshängigkeit fehlt den Oberlandesgerichten die Kompetenz, ein ergangenes Urteil aufzuheben.

[9] Widersprüchlich aber BT-Drs. 19/14747, S. 42, wo die Eilbedürftigkeit der OLG-Entscheidung mit Hinweis auf die Höchstdauer der Unterbrechung (§ 229 Abs. 1 StPO) begründet wird, was nur Sinn macht, wenn das LG die Entscheidung des OLG abwarten muss.

[10] Dazu insb. Ref-E, S. 31 f.

[11] Norouzi, Stellungnahme DAV zum Ref-E, S. 12.

[12] BT-Drs. 19/14747, S. 30.

[13] Der Ref-E war dazu nicht eindeutig: Einerseits (S. 37 f.) war dort das Übergehen des Besetzungseinwandes als Ausnahme von der Rügepräklusion vorgesehen, andererseits (insb. S. 31 f.) ließ die Formulierung ("darf[…]kein") kaum Raum für eine Relativierung.

[14] Vgl. insb. BVerfG Plenum NJW 1997, 1497 = BVerfGE 95, 322; Horn, Handbuch der Grundrechte (2013), § 132 Rn. 25; begrifflich weitergehend Maunz/Dürig-Jachmann-Michel, Grundgesetz, 87. EL (März 2019), Art. 101 Rn. 17 f.

[15] So schon BVerfGE 17, 294, 300 = NJW 1964, 1020, 1021.

[16] BVerfGE 9, 223 = NJW 1959, 871; Meyer-Goßner/Schmitt, 62. Aufl. (2019), § 24 GVG Rn. 5 ff. m.w.N. auch zur a.A.

[17] Zu derartigen Sicherungsmechanismen auch BVerfGE 82, 286 = NJW 1991, 217, 219.

[18] BVerfGE 9, 223 = NJW 1959, 871.

[19] Für die Notwendigkeit, derartige Wertungsmaßstäbe ins Gesetz aufzunehmen etwa Uhle, in: Handbuch der Grundrechte (2013), § 129 Rn. 39 m.w.N.

[20] Das Bestehen dieses Rechtsschutzes wird – nach zutreffender Ansicht (Voßkuhle/Kaiser JuS 2014, 312, 313 f.) – auch unmittelbar von der Verfassung abgesichert.

[21] BVerfGE (Plenum) 95, 322 = NJW 1997, 1497.

[22] BVerfGE 97, 1 = NJW 1998, 743, 744.

[23] BGHSt 43, 91, 93 f. = NJW 1997, 2531, 2532: Dreier- oder Fünferbesetzung eines OLG-Senats.

[24] BVerfG HRRS 2009, 552, Rn. 24 = NJW 2009, 1734.

[25] BVerfG NJW 2004, 3696: Ausscheiden, Krankheit, Verhinderung, Urlaub.

[26] BVerfG NVwZ 2007, 691, 693 f.: Terminierung in den Urlaub, um nicht über ein Ablehnungsgesuch entscheiden zu müssen.

[27] Dazu aus jüngerer Zeit etwa BVerfG NJW 2018, 1155, Rn. 17 = NZS 2018, 327 m. zust. Anm. Burkiczak; BVerfG HRRS 2017, 131, Rn. 21 f. = NJW 2017, 1233.

[28] Vgl. Präsidium des BGH, Beschluss v. 17. Dezember 2019.

[29] Ganz unabhängig davon, ob das dann nicht bereits eine Verletzung des § 229 StPO wäre, vgl. nur Meyer-Goßner/Schmitt, 62. Aufl. (2019), § 229 Rn. 11 ff.

[30] Meyer-Goßner/Schmitt, 62 Aufl. (2019), § 222a Rn. 25 und § 222b Rn. 15.

[31] Vgl. dazu aus der Zeit der Einführung der Präklusion Hamm NJW 1979, 135.

[32] A.A. Caspari, Stellungnahme, S. 21, der selbst Mittel gegen die verbleibenden Anreize nennt.

[33] Mit dieser Befürchtung – unter anderer Prämisse – auch Caspari, Stellungnahme, S. 23 und Mosbacher, Stellungnahme, S. 5 f.

[34] Zu derartigen Verfassungsbeschwerden in der Revision: BGHSt 22, 26, 28 f.

[35] Aus jüngerer Zeit etwa: BVerfG HRRS 2013, 222, Rn. 57 = BVerfGE 133, 168, 199 f.; BVerfG HRRS 2012, 27, Rn. 114 = BVerfGE 130, 1, 25 f. = NJW 2012, 907 ; dazu insb. Landau NStZ 2007, 121.

[36] So auch in BVerfGE 63, 1, 21 ff. = NVwZ 1983, 537, 537 f.

[37] Etwa in BVerfG NJW 1968, 2233 wenn ein Rechtsmittelgericht die Sache statt der Vorlage auch zurückverweisen könnte.

[38] BVerfGE 63, 1, 23 f. = NVwZ 1983, 537, 537 f.

[39] BVerfG NJW 1978, 1151, 1153.

[40] Ausführlich zu den Maßstäben: Karkaj, in: Barczak (Hrsg.), BVerfGG (2018), § 80 Rn. 95.

[41] BVerfG NVwZ-RR 2014, 369, Rn. 15 ff.; überzeugend wäre es, das Fachgericht als "Beteiligten" zu betrachten.

[42] Ähnlich BVerfGE 97, 1 = NJW 1998, 743, 744.