HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Februar 2016
17. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

HRRS-Praxishinweis: Zur Auslegung der Staatsschutzklausel in § 89a StGB im Lichte der Rechtsprechung des BGH

Zugleich Anmerkung zu BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 3 StR 218/15 = HRRS 2015 Nr. 1112

Von Staatsanwalt Dr. Stefan Biehl [*]

I. Einleitung

Der Tatbestand des § 89a StGB – Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat – ist eine Strafnorm, die für viele Strafjuristen ein eher unbekanntes Terrain darstellt, jedoch für die heutige Terrorismusbekämpfung erhebliche Bedeutung erlangt hat. Zuletzt befasste sich der Bundesgerichtshof zweimal kurz hintereinander mit dieser Vorschrift. Der für Staatsschutzstraftaten zuständige 3. Strafsenat hatte sich – nach 2014 – im Oktober 2015 erneut mit der Anwendung der Strafnorm des § 89a StGB zu befassen. Wiederum legte er Hand an diese Vorschrift an, so dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass dem Senat sowohl dieser Tatbestand als auch seine Rechtsanwendungspraxis nicht behagt. Das Urteil vom 8. Mai 2014[1] scheint vordergründig den § 89a StGB noch "retten" zu wollen. Der Senat äußerte sich in den Gründen ausführlich zu der seit der Erschaffung der Vorschrift im Jahr 2009 laut gewordenen Kritik[2] an der Verfassungsmäßigkeit des § 89a StGB. Er versuchte die Zweifler zu beschwichtigen, indem er eine verfassungskonforme Auslegung der Norm vornahm. Hierfür wurde eigens das dem materiellen Strafrecht bislang unbekannte subjektive Erfordernis des "Fest-Entschlossenseins" des Vorbereitungstäters zur Begehung der eigenen späteren Gewalttat kreiert.[3] In der neuen Entscheidung vom 27. Oktober 2015 ist es die Staatsschutzklausel in § 89a Abs. 1 StGB, die der 3. Strafsenat ins Visier nimmt. Er versucht – letztlich durch eine teleologische Auslegung – an dieser Stellschraube zu drehen und die Anwendung der Vorschrift einzudämmen.

II. Urteilsinhalt

1. Dem 3. Strafsenat lag ein Urteil des Landgerichts München I zur Entscheidung vor. Nach den dortigen Feststellungen reiste die Angeklagte zu Beginn des Jahres 2014 gemeinsam mit ihren beiden minderjährigen Töchtern nach Syrien, um dort als Zweitfrau eines Angehörigen der "Jabhat al-Nusra", der gegen die Regierungstruppen kämpfte, in der dortigen Familie aufgenommen zu werden. Die Angeklagte besaß für beide Töchter das Sorgerecht, während dem getrenntlebenden Vater ein Umgangsrecht zustand. Sie selbst sympathisierte auch mit der Gruppierung "Jabhat al-Nusra". Aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen mussten sie mehrfach den Wohnort wechseln. Während ihres Aufenthalts in Syrien wurde die Angeklagte von ihrem "Ehemann" im Umgang mit einer Maschinenpistole und einem Sturmgewehr der Marke Kalaschnikow unterwiesen. Sie besaßen zudem Handgranaten, um sich im Notfall gegen Soldaten der syrischen Armee oder Kämpfer gegnerischer Gruppierungen verteidigen zu können. Die Angeklagte war bereit, bei einem Angriff diese Waffen zur Verteidigung einzusetzen und dabei die Angreifer gegebenenfalls zu töten. Im Mai 2014 kehrte sie mit ihren Töchtern nach Deutschland zurück. Das Landgericht München I verur-

teilte die Angeklagte wegen der Entziehung Minderjähriger gemäß § 235 StGB. Die Revision der Staatsanwaltschaft richtete sich allein gegen die unterbliebene Verurteilung wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a StGB. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision der Staatsanwaltschaft und ergänzte den Urteilstenor des landgerichtlichen Urteils lediglich um den klarstellenden Ausspruch eines Freispruchs "im Übrigen", d.h. im Hinblick auf den Tatbestand des § 89a StGB.

2. Das Revisionsurteil ist in zwei Teile zu untergliedern. Zum einen befasst es sich mit dem konkret vorgelegten Sachverhalt, darüber hinaus enthält es allgemeine Erwägungen zum Umgang mit dem der Entscheidung zugrundeliegenden Tatbestand des § 89a StGB.

Auf den vorgelegten Fall bezogen führt der 3. Strafsenat im Wesentlichen aus, dass die Handlungen der Angeklagten nach den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils die Voraussetzungen der in § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB normierten Staatsschutzklausel nicht erfüllen.[4] Die Angeklagte habe sich zwar im Sinne des § 89a Abs. 2 Nr. 1 StGB in Syrien im Umgang mit einer Maschinenpistole und einem Sturmgewehr des Typs Kalaschnikow – mithin Waffen im Sinne dieser Vorschrift – unterweisen lassen. Die Unterweisung erfolgte jedoch nicht zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat im Sinne der Vorschrift. Denn die Angeklagte sei nicht fest entschlossen dazu gewesen, mit einer schweren Gewalttat im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB die innere oder äußere Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen. Vielmehr plante sie, die Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Bedienung der in der Familie vorhandenen Waffen im Notfall nutzen zu wollen, um sich und ihre Kinder gegen Angriffe von am bewaffneten Konflikt in Syrien beteiligten Gruppierungen zu verteidigen. Es gelte auch nichts anderes, soweit sich die Verteidigung auch gegen Angriffe staatlicher Streitkräfte richte, selbst wenn sich die handelnde bzw. sich verteidigende Person bei einem Mitglied einer terroristischen Vereinigung aufhalte und sogar mit dieser Organisation sympathisiere.[5] Der BGH begründet dies insbesondere mit der ratio legis, die auf die Verfolgung des terroristischen Einzeltäters abzielt, und "nicht auf Fälle, in denen wie hier eine Person, die sich in dem Gebiet eines im außereuropäischen Ausland stattfindenden bewaffneten Konflikts aufhält, ohne sich an diesem aktiv durch eigene Gewalthandlungen zu beteiligen, von einem Familienangehörigen in die Bedienung der der Familie zur Verfügung stehenden Waffen eingewiesen wird, um sich mit diesen bei einem Angriff einer der Konfliktparteien auf Leib und Leben gegen die konkret angreifenden Personen verteidigen zu können".[6]

3. Über den entschiedenen Einzelfall hinaus greift der 3. Strafsenat die Anwendung der Staatsschutzklausel allgemein an. Er fordert die Strafanwendungspraxis – quasi obiter dictum – dazu auf, die Vorschrift wegen ihres Sinn und Zwecks sowie aufgrund völkerrechtlicher Grundsätze – wie demjenigen der "Nichteinmischung" – auf ausländische Sachverhalte, die sich insbesondere "in einem bereits lange andauernden bewaffneten Konflikt ereignen, der sich auf dem Gebiet eines oder mehrerer ausländischer Staaten zuträgt" und "durch massive Gewalthandlungen der an dem Konflikt beteiligten zahlreichen Parteien geprägt wird", zurückhaltend anzuwenden.[7] Der Senat führt weiter aus, dass die Vorschrift ansonsten "bezüglich ihrer materiell-rechtlichen Voraussetzungen überdehnt bzw. entgrenzt[werde], wollte man sie in extensiver Weise auf die Vorbereitung jedweder die äußere oder innere Sicherheit eines beliebigen Staates dieser Welt gefährdenden Gewalttat anwenden".[8] Weitere Ausführungen, wie eine solche zurückhaltende Anwendung erfolgen soll, enthält die Entscheidung nicht.

III. Bewertung

Das Urteil des 3. Strafsenats vom 27. Oktober 2015 ist die zweite höchstrichterliche Entscheidung zu § 89a StGB. Auf den ersten Blick möchte man meinen, dass sie grundlegende Kriterien zum Umfang der Anwendbarkeit der Norm enthält. Doch in ihrer praktischen Bedeutung reicht sie bei weitem nicht an die Urteilsgründe der ersten höchstrichterlichen Entscheidung zu § 89a StGB vom Mai 2014 heran. Hierfür ist die aktuelle Entscheidung zu unkonkret und unbestimmt. Dennoch bedarf das Urteil in zweierlei Hinsicht der näheren Betrachtung.

1. Anwendung auf den konkreten Einzelfall

Bei der Anwendung auf den konkreten Einzelfall erfolgt zum ersten Mal im Rahmen des § 89a StGB eine nähere Definition der Staatsschutzklausel in § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB. Der 3. Strafsenat nimmt eine klare und deutliche Grenzziehung vor und bestimmt bei der Anwendung auf den konkret zu entscheidenden Sachverhalt, wieso dort die Grenzen der Anwendbarkeit der Strafvorschrift des § 89a StGB überschritten sind und eine Subsumtion unter die Norm nicht erfolgen kann. Hierzu wird festgestellt, dass es gerade nicht genüge, in die Bedienung von Waffen unterwiesen zu werden, wenn diese lediglich reaktiv und mit Verteidigungswillen eingesetzt werden sollen. Erweiternd wird festgestellt, dass dies auch dann gelten solle, wenn sich die unterwiesene Person im Dunstkreis einer terroristischen Vereinigung bewegt. Diesem Verständnis der Norm ist ausdrücklich zuzustimmen. Eine weitergehende Anwendung entspräche nicht der ratio legis. Die Staatsschutzklausel in § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB schützt den Bestand oder Sicherheit eines jeden völkerrechtlich anerkannten Staates. Hierunter zu zählen sind sowohl die äußere als auch die innere Sicherheit des Staates. Eine Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die vorbereitete Tat nach den Umständen geeignet wäre, das innere Gefüge eines Staates zu

beeinträchtigen.[9] Eine restriktive Auslegung des Begriffs der inneren Sicherheit, wie sie Paeffgen[10] vornimmt, indem nur Tötungen einer Vielzahl von Menschen mit gemeingefährlichen Mitteln aus politischen Beweggründen bzw. gezielte Geiselnahmen oder Tötungen von Repräsentanten des Staates hierunter subsumieren möchte, ist abzulehnen. Sie entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers, der in der Gesetzesbegründung ausdrücklich von "Anschlägen", "Selbstmordattentaten" bzw. "terroristischen Verbrechen"[11] ausgeht, ohne weitere Eingrenzung oder Konkretisierung. Hierdurch wird auch deutlich, dass es sich um aktiv geplante schwere Gewalttaten handeln muss, zu deren Vorbereitung beigetragen wird. Solche sind geeignet, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates (weiter) zu beeinträchtigen. Die Urteilsgründe des landgerichtlichen Urteils stellen jedoch lediglich einen beabsichtigten Waffeneinsatz in quasi notwehrähnlicher Situation fest. Zu Recht geht der BGH deshalb davon aus, dass die Staatsschutzklausel weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht erfüllt ist.

2. Weitergehender allgemeiner Hinweis des Gerichts

a) Wesentlich beachtlicher ist jedoch, dass sich der 3. Strafsenat über den konkreten Einzelfall hinaus dazu veranlasst gesehen hat, einen allgemeinen Hinweis zu erteilen. Dieser ist näher zu betrachten, da er – mit ungenauen Formulierungen operierend – den Anspruch erhebt, völkerrechtlich zwingend auf eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift hinzuwirken und eine Änderung der bisherigen Strafanwendungspraxis zu erreichen. Interessant ist die Anmerkung des Senats, dass der Hinweis deshalb erfolge, weil nach dem "eindeutigen Gesetzeswortlaut" von der Staatsschutzklausel alle ausländischen Staaten, auch soweit es sich hierbei um Diktaturen oder sonstige Unrechtsstaaten handle, mit umfasst seien.[12] Deshalb habe eine "zurückhaltende Anwendung" der Vorschrift zu erfolgen.

b) Fraglich ist, ob hierbei tatsächlich die "Anwendung" und nicht eine "Auslegung" gemeint ist. Das deutsche Strafrecht kennt ein besonders normiertes Strafanwendungsrecht, welches den zeitlichen, örtlichen und sachlichen Anwendungsbereich von Strafvorschriften, deren tatbestandliche Normvoraussetzungen grundsätzlich erfüllt sind, festlegt. Hierzu zählen z.B. die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts für Auslandssachverhalte, bestimmte formelle Erfordernisse wie Strafanträge und Ermächtigungen sowie die Verjährungsregelungen. Dies sind alles konkret im StGB normierte Bestimmungen. Darüber hinaus ist eine Ermessensentscheidung der Strafverfolgungsbehörden bei der Frage, ob ein konkreter Sachverhalt strafrechtlich verfolgt werden soll oder nicht, über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus nicht möglich. Bei einer Nichtverfolgung droht sogar eine strafrechtliche Verfolgung gemäß § 258a StGB wegen Strafvereitelung im Amt.

Die Entscheidung des 3. Strafsenats ist vielmehr so aufzufassen, dass bei der Auslegung der Staatsschutzklausel entgegen dem "eindeutigen Gesetzeswortlaut" Zurückhaltung geübt werden soll. Dies zum einen, soweit es sich um Diktaturen und Unrechtsstaaten handle, zum anderen wenn es um Vorbereitungshandlungen in lange andauernden bewaffneten Konflikten gehe, die wesentlich durch massive Gewalthandlungen geprägt seien. Der 3. Strafsenat spielt hier unzweifelhaft auf den Syrien-Irak-Konflikt an, ohne dies jedoch ausdrücklich zu benennen. Ihm scheint die derzeit gängige Anwendungspraxis, alle sich dort abspielenden Sachverhalte, in die deutsche Staatsangehörige involviert sind, unter § 89a StGB zu subsumieren, zu missfallen. Dies soll durch den Hinweis auf eine "zurückhaltende Anwendung" unterbunden werden, also durch eine Auslegung der Staatsschutzklausel dahingehend, dass diese Fallgestaltungen nicht mehr unter diese Norm zu subsumieren sind. Wieso der Senat hier nicht Farbe bekennt und weder die Fallgestaltungen konkreter bezeichnet, noch ausdrücklich eine Nichtanwendung hierfür anordnet, ist auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar. Bei näherer Betrachtung kommt man jedoch zu dem Ergebnis, dass dies damit zusammenhängen könnte, dass der Senat erkannt hat, dass es sich ansonsten um eine Grenzziehung gegen den ausdrücklichen Wortlaut und auch gegen den Willen des Gesetzgebers, also contra legem, handeln würde. Deshalb operiert der BGH mit der vagen Formulierung der "zurückhaltenden Anwendung" bzw. Auslegung, ohne dies näher auszugestalten. Vor allem werden keine weiteren Kriterien genannt, wie die Zurückhaltung konkreter ausgestaltet sein soll.

c) Die vom Senat eigens entwickelte Fallkonstellation ist als taugliches Abgrenzungskriterium unbrauchbar. Sie enthält in ihrer Beschreibung mehrere unkonkrete Merkmale, die eine Abgrenzung diffizil machen würden. So ist das Heranziehen der Zeitdauer eines bewaffneten Konflikts ("lange andauernd") einerseits schwierig hinsichtlich der Frage, wann ein hinreichend langes Andauern vorliegt. Zudem erschließt es sich nicht, warum eine kürzere oder längere Dauer des Konflikts Auswirkungen auf die Frage der Staatsgefährdung, also die Staatsschutzklausel, um die es dem BGH ja geht, haben soll. Schwierigkeiten bei der Abgrenzung bestehen auch bei Definition der "massiven Gewalthandlungen" und insbesondere bei der Festlegung, wann der Konflikt hierdurch "wesentlich geprägt" wird. Diese zahlreichen und nicht näher konkretisierten Merkmale zeigen, dass sie für eine mögliche Unterscheidung zwischen strafrechtlich relevantem und nicht relevantem Unrecht untauglich sind.

d) Der Senat stellt sich mit seinem Ansinnen, diese Fallkonstellationen, die deutlich auf den Syrien-Irak-Konflikt ausgerichtet sind, von der Strafbarkeit auszunehmen, auch gegen den ausdrücklich geäußerten Willen des Gesetzgebers. Zwar trat dieser so noch nicht in der ursprünglichen Gesetzesbegründung im Jahr 2009 zutage.[13] Jedoch ist der Begründung des Gesetzes zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsge-

fährdenden Gewalttaten (GVVG-Änderungsgesetz, in Kraft getreten am 20. Juni 2015[14]) mehrfach in eindeutiger Weise zu entnehmen, dass gerade auch Vorbereitungshandlungen von "Foreign Terrorist Fighters" in Krisengebieten, wie vor allem – dort ausdrücklich benannt[15] – Syrien, von der Norm des § 89a StGB umfasst sind. Die dortigen Ausführungen stellen klar, dass gerade die Ausreise in Konfliktregionen wie Syrien, in denen islamistische Gruppierungen agieren und wo entsprechende Unterweisungen erfolgen, durch die neue Gesetzeserweiterung des § 89a Abs. 2a StGB strafrechtlich fassbar werden soll. Die Staatsschutzrelevanz dieser Reisen wird in der "unmittelbaren Unterstützung und Stärkung terroristischer Strukturen vor Ort" gesehen.[16] Dass sich diese terroristischen Strukturen vor Ort regelmäßig in auch länger andauernden bewaffneten Konflikten miteinander und mit den staatlichen Verteidigungskräften befinden, liegt in der Natur der Sache. Dies gilt auch dafür, dass während solcher Auseinandersetzungen regelmäßig massiv Gewalt gegeneinander angewandt wird. Es ist nicht nachvollziehbar und auch nicht mit objektiven Kriterien darlegbar, warum und wann bei länger andauernden, gewaltsamen Konflikten wie Bürgerkriegen u.ä. eine Staatsgefährdung einer entsprechenden Gewalttat ausscheiden soll. Dem Gesetzgeber war zum Zeitpunkt der Befassung im Jahr 2015 durchaus präsent, dass es sich in Syrien um eine solche Auseinandersetzung bewaffneter Gruppierungen handelte.

e) Darüber hinaus ist auch nicht nachvollziehbar und lediglich durch den pauschalen Verweis auf den Zweck der Norm und völkerrechtliche Grundsätze begründet, wieso solche Sachverhalte von der Staatsschutzklausel ausgenommen werden sollen. Bei Auslandssachverhalten im Rahmen des § 89a StGB erfolgt regelmäßig eine staatsschutzrechtliche Bewertung ausländischer Staatsformen und stellt die vorzubereitende Gewalttat in Relation dazu. Hierbei werden jedoch völkerrechtliche Regeln eingehalten, zudem erfolgt auch kein Eingriff in die Souveränität eines anderen Völkerrechtssubjekts. Unabhängig hiervon steht es dem deutschen Rechtssystem frei zu definieren, welche auch im Ausland begangene Straftat dem nationalen Strafrecht unterfallen soll, ohne dass Belange anderer Staaten hiervon berührt werden. Welche sonstigen völkerrechtlichen Grundsätze betroffen sein könnten, die eine Zurückhaltung bei der Anwendung des § 89a StGB gebieten, ist nicht ersichtlich. Insbesondere stellt die Norm formell alle Völkerrechtssubjekte unter ihren Schutz und möchte gerade diese schützen.

f) Um möglichen völkerrechtlichen Problemen entgegentreten zu können hat der Gesetzgeber vielmehr in § 89a Abs. 4 StGB eine Ermächtigungslösung vorgesehen. Dies ist das Mittel der Wahl, um eine Strafverfolgung, die zu völkerrechtlichen Verwicklungen führen und dem Wohl und Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schaden könnte, zu verhindern.[17] Hier hat eine politische Entscheidung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zu erfolgen. Dort sind alle auch außerhalb der konkreten Strafnorm liegenden Aspekte hinreichend zu berücksichtigen. Dies ist ausdrücklich eine Ermessensentscheidung,[18] die der Strafverfolgungspraxis ansonsten – bis auf die Einstellungsmöglichkeiten in den §§ 153 ff. StPO – fremd ist.

Der 3. Strafsenat schafft mit seinem Hinweis einen Fremdkörper im System der Strafverfolgung, der überdies aufgrund der genannten Möglichkeit mittels Ermächtigungslösung auf Auslandssachverhalte reagieren zu können, überflüssig ist. Nicht den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten darf ein solcher Ermessensspielraum bei der Frage, ob ein Sachverhalt strafwürdig ist oder nicht, zugebilligt werden, sondern vielmehr der Justizverwaltung. Der BGH hat zwar die Regelung zur Erteilung von Strafverfolgungsermächtigungen aufgezeigt, diese Möglichkeit aber nicht für ausreichend erachtet. Vielmehr wird eine Überdehnung und Entgrenzung der Vorschrift heraufbeschworen bei "extensiver" Anwendung auf Vorbereitungshandlungen in jedem beliebigem Staat dieser Welt. Doch hier verkennt der 3. Strafsenat, dass genau dies der eindeutig im Wortlaut der Norm zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Wille war.

g) Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass vielfach die Vorbereitungshandlung (d.h. zum Beispiel das Beschaffen von oder die Ausbildung an Waffen sowie die Terrorismusfinanzierung im neuen Tatbestand des § 89c StGB mit ähnlicher Staatsschutzklausel) auch in Deutschland erfolgt mit dem Ziel der Begehung der Gewalttat in Syrien oder im Irak. Konsequenterweise würde die Entscheidung des 3. Strafsenats auch für diese Fälle gelten, da es für die Frage der Staatsgefährdung in § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB auf die gleiche bezogene Durchführungshandlung im Ausland ankommt. Hier handelt es sich um eine vorrangig die Bundesrepublik Deutschland betreffende Angelegenheit; ein anderer völkerrechtlich anerkannter Staat ist hiervon nur mittelbar betroffen. Dies zeigt jedoch deutlich, dass völkerrechtliche Gesichtspunkte eine generelle Anwendbarkeit der Norm, die auch Vorbereitungshandlungen in Deutschland umfasst, nicht in Frage stellen können.

IV. Fazit

Der BGH möchte sich – insbesondere für die Auslandssachverhalte in Syrien und im Irak – einer unliebsamen Strafvorschrift entledigen. Vermeintlich von völkerrechtlichen Gründen getragen soll ein ganzer Landstrich voll von potentiellen Anwendungsfeldern aus ihrem Anwendungsbereich entfernt werden. In der Praxis würde hierdurch einem großen Teil der Strafverfolgung im Terrorismusbereich die Einstiegsmöglichkeit und damit der Boden entzogen; und dies durch eine Subsumtion fernab der Normkriterien. Dies gelingt dem Senat mit dieser Entscheidung jedoch nicht. Es muss deshalb davor gewarnt werden, aus vermeintlichem Gehorsam gegenüber dieser Entscheidung Sachverhalte vom Anwendungsbe-

reich dieser Vorschrift aufgrund einer "zurückhaltenden" Auslegung der Staatsschutzklausel auszunehmen.

Mit zu ungenauen und damit für die Praxis untauglichen Abgrenzungskriterien, die noch dazu dem Wortlaut des § 89a StGB entgegenstehen und nicht dem ausdrücklich geäußerten Willen des Gesetzgebers entsprechen, vermag die vorliegende Entscheidung nicht zu überzeugen und das gewünschte Ergebnis nicht zu erzielen. Die in Angriff genommene Staatsschutzklausel ist im Gesetz so umfassend und unbedingt formuliert, dass sie auf alle entsprechenden ausländischen Sachverhaltskonstellationen – eingeschlossen solchen im Syrien-Irak-Konflikt – anzuwenden ist. Mehr als ein Impuls des 3. Strafsenats des BGH an den Gesetzgeber, sich die Norm an dieser Stelle nochmals vorzunehmen, kann hierin nicht gesehen werden.

Der Modifizierungsbedarf dieser Vorschrift ist jedoch mit einer etwas anderen Zielrichtung zu sehen. Um das Daseinserfordernis der Norm besser herauszustellen und den vorrangigen Anwendungsbereich des § 89a StGB deutlicher aufzuzeigen – nämlich für den terroristischen Einzeltäter, der organisatorisch (noch) nicht gebunden ist oder für dessen organisatorische Anbindung zumindest noch keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte vorhanden sind – wäre es sinnvoll, die Anwendbarkeit nur noch solange zuzulassen, bis sich für das der strafprozessualen Tat zugrundeliegende Verhalten ein Anfangsverdacht wegen des Vereinigungsdelikts der §§ 129a, 129b StGB ergibt. Es besteht dann keine Notwendigkeit einer Strafbarkeit aus den Vorbereitungsdelikten mehr, wenn die Verknüpfung zu einer entsprechend konkret zu bezeichnenden terroristischen Vereinigung hergestellt werden kann. Dies klingt auch bereits in der Gesetzesbegründung des GVVG an, worin es heißt, dass mit den Normen der §§ 89a, 89b und 91 StGB ausdrücklich Sachverhalte erfasst werden sollen, bei denen "mangels Bestehens oder Nachweisbarkeit einer terroristischen Vereinigung" eine Verfolgung nach § 129a StGB ausscheidet.[19] Gesetzestechnisch ist hierfür eine Lösung über die Konkurrenzen in Betracht zu ziehen. So wäre es sinnvoll, um dem Charakter der Regelungen in den § 89a ff. StGB als Auffangvorschriften für organisatorisch nicht gebundene Vorbereitungstäter gerecht zu werden, in den Normen der §§ 89a, 89b, 89c und 91 StGB eine weitere Subsidiaritätsklausel aufzunehmen, wonach eine Strafbarkeit nur vorliegt, "wenn die Tat nicht in § 129a oder § 129b StGB mit Strafe bedroht ist".[20]

Eine solche Lösung ist nach einer neuen Entscheidung des BGH vom 9. Juli 2015 umso erforderlicher geworden. Der 3. Strafsenat hat hiermit seine bisherige Rechtsprechung zum Konkurrenzverhältnis von Handlungen, die mitgliedschaftliche Beteiligungsakte an einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung darstellen und zugleich einen eigenen weiteren Straftatbestand erfüllen, aufgegeben. Wurden bislang alle mitgliedschaftlichen Betätigungshandlungen an einer solchen Vereinigung zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst, so unterbleibt diese Verknüpfung fortan "jedenfalls mit solchen Handlungen, die auch den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift erfüllen und der Zwecksetzung der Vereinigung oder sonst deren Interessen dienen"[21]. Es steht zwar weiterhin Tateinheit gemäß § 52 StGB mit der mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlung im Sinne von § 129 StGB oder § 129a StGB, jedoch stehen verschiedene Handlungen, die eigene Straftatbestände erfüllen, zueinander und zu sonstigen Betätigungsakten im Rahmen des Vereinigungsdelikts in Tatmehrheit (§ 53 StGB). Auch die §§ 89a ff. StGB stellen solche Vorschriften dar, die geeignet sind, eine Zäsur im Rahmen des Organisationsdelikts des § 129a StGB herbeizuführen. So sind die Ausreise, das Sich-Verschaffen von Waffen, die Ausbildung hieran und die Finanzierung terroristischer Straftaten mögliche eigenständige Straftaten gemäß § 89a bzw. § 89c StGB, die – sollten sie mit einer organisatorischen Anbindung an eine (ausländische) terroristische Vereinigung im Sinne der §§ 129a, 129b StGB erfolgen – nach der neuen Rechtsprechung zu einer Aufhebung der Klammerwirkung des Vereinigungsdelikts führen. Durch die tatmehrheitliche Bewertung erfolgt eine unnatürliche Aufspaltung eines an sich einheitlichen Lebenssachverhalts. Dem könnte durch die vorgeschlagene Subsidiaritätslösung zumindest für die Tatbestände der §§ 89a ff. StGB entgegengewirkt werden. Eine eigenständige weitere Strafbarkeit der Vorbereitungshandlungen wäre dann nicht mehr gegeben, während eine einheitliche Strafbarkeit aus einem verwirklichten Delikt gemäß § 129a StGB verbleiben würde.


* Der Verf. ist derzeit abgeordnet an den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe, und dort in der Terrorismusabteilung tätig. Der Aufsatz gibt die persönliche Meinung des Verf. wieder.

[1] BGH, Urteil vom 8. Mai 2014, 3 StR 243/13, BGHSt 59, 218 = NJW 2014, 3459 = HRRS 2014 Nr. 929.

[2] Siehe Backes StV 2008, 654; Beck in FG Paulus (2009), S. 15 ff.; Cancio Melía GA 2012, 1; Deckers/Heusel ZRP 2008, 169; Gazeas/Grosse-Wilde/Kießling NStZ 2009, 593; Gazeas in HK-AnwK-StGB, 2. Aufl. (2015), § 89a Rdn. 6 ff.; Gierhake ZIS 2008, 397; Hellfeld, Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (2011), S. 285 ff.; Kauffmann Jura 2011, 257; Montag DRiZ 2008, 141; Mertens, Das Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten (GVVG) vom 30. Juli 2009 (2012), S. 208 ff.; Mitsch NJW 2008, 2295; ders. NJW 2015, 209; Paeffgen in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. (2013), § 89a Rdn. 1 ff.; Radtke/Steinsiek ZIS 2008, 383; ders. JR 2010, 107; Schäfer in MüKo-StGB, 2. Aufl. (2012), § 89a Rdn. 5 ff.; Sieber NStZ 2009, 353; Valerius GA 2011, 696; Weißer ZStW 121 (2009), 131; Zöller Terrorismusstrafrecht – Ein Handbuch (2009), S. 562 ff.; ders. GA 2010, 607; ders. in SK-StGB, 132. Lfg. (April 2012), § 89a Rdn. 4 ff.

[3] BGH, Urteil vom 8. Mai 2014, 3 StR 243/13, BGHSt 59, 218 (239) = NJW 2014, 3459 (3465) = HRRS 2014 Nr. 929 Rdn. 45.

[4] Vgl. Urteil des BGH vom 27. Oktober 2015, 3 StR 218/15, Rdn. 8 = NJW 2016, 260 = HRRS 2015 Nr. 1112, Rdn. 8.

[5] So der amtliche Leitsatz zum Urteil des BGH vom 27. Oktober 2015, 3 StR 218/15 = NJW 2016, 260 = HRRS 2015 Nr. 1112.

[6] BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015, 3 StR 218/15, Rdn. 14 = NJW 2016, 260 (261) = HRRS 2015 Nr. 1112, Rdn. 14.

[7] BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015, 3 StR 218/15, Rdn. 14 = NJW 2016, 260 (261) = HRRS 2015 Nr. 1112, Rdn. 14.

[8] BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015, 3 StR 218/15, Rdn. 14 = NJW 2016, 260 (261) = HRRS 2015 Nr. 1112, Rdn. 14.

[9] So Schäfer in MüKo-StGB, 2. Aufl. (2012), § 89a Rdn. 21.

[10] Paeffgen in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. (2013), § 89a Rdn. 17.

[11] Siehe BT-Drs. 16/12428, S. 1 f.

[12] BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015, 3 StR 218/15, Rdn. 14 = NJW 2016, 260 (261) = HRRS 2015 Nr. 1112, Rdn. 14.

[13] Siehe BT-Drs. 16/12428.

[14] BGBl. I 2015, 926 ff.

[15] BT-Drs. 18/4087, S. 6 und 8.

[16] BT-Drs. 18/4087, S. 8.

[17] Der Gesetzgeber spricht ausdrücklich davon, dass hierdurch eine "(außen-)politisch sinnvolle Handhabung und Begrenzung der Strafrechtspflege" ermöglicht werden solle, BT-Drs. 16/12428, S. 16.

[18] Schäfer in MüKo-StGB, 2. Aufl. (2012), § 89a Rdn. 70; Paeffgen in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. (2013), § 89a Rdn. 61.

[19] BT-Drs. 16/12428, S. 2.

[20] So bereits Biehl JR 2015, 561 (570).

[21] BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015, 3 StR 537/14, Rdn. 23.