HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Oktober 2012
13. Jahrgang
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Hervorzuhebende Entscheidungen des BGH

I. Materielles Strafrecht - Allgemeiner Teil


Entscheidung

893. BGH 3 StR 237/12 – Urteil vom 16. August 2012 (LG Osnabrück)

Abgrenzung von Körperverletzungsvorsatz und bedingtem Tötungsvorsatz (Beweiswürdigung zum voluntativen Element: offensichtliche Lebensgefährlichkeit einer Handlung; Hemmschwelle; Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände).

§ 212 StGB; § 223 StGB; § 15 StGB; § 16 Abs. 1 StGB; § 261 StPO

1. Die offensichtliche Lebensgefährlichkeit einer Handlung (hier: gezielter Messerstich in den Brustkorb des Tatopfers) stellt für den Nachweis des bedingten Tötungsvorsatzes einen Umstand von erheblichem Gewicht dar, sodass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen der subjektive Tatbestand eines Tötungsdelikts sehr nahe liegt. Gleichwohl bedarf angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung die Frage der Billigung des Todes einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, in die vor allem auch die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motive mit einzubeziehen sind.

2. Insbesondere bei spontanen, unüberlegt oder in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen kann aus der Kenntnis der Gefahr des möglichen Todeseintritts nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten geschlossen werden, dass das – selbständig neben dem Wissenselement stehende – voluntative Vorsatzelement gegeben ist (st. Rspr.; vgl. BGH [3. Strafsenat] NStZ 2011, 338, 339 mwN).

3. Bei der nach diesen Grundsätzen erforderlichen sorgfältigen Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes (vgl. dazu zuletzt BGH [4. Strafsenat] NStZ 2012, 384, 385 ff.) können eine spontane Tatausführung, enthemmender Einfluss von Alkohol, das fehlende Tötungsmotiv des Angeklagten, seine im Allgemeinen nicht zu Aggressionen neigende Persönlichkeit sowie sein Nachtatverhalten Aspekte sein, bei deren tatrichterlicher Berücksichtigung im Einzelfall die Nichtüberwindung von Zweifeln am Vorliegen des voluntativen Vorsatzelements trotz einer offensichtlich lebensgefährlichen Handlung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.


Entscheidung

916. BGH 5 StR 238/12 (alt: 5 StR 561/10) – Beschluss vom 16. August 2012 (LG Berlin)

Beweiswürdigung zum Tötungsvorsatz eines behandelnden Arztes (belastende Schlussfolgerungen aus der widerlegten Einlassung des Angeklagten).

§ 212 StGB; § 15 StGB; § 16 StGB; § 261 StPO

1. Auch die Einlassung des bestreitenden Angeklagten (hier: eines behandelnden Arztes) kann zu seiner Überführung beim Vorwurf eines vorsätzlichen Tötungsdelikts herangezogen werden kann. Schlussfolgerungen im Rahmen der Beweiswürdigung aus dem Inhalt der Einlassung des Angeklagten sind – anders als etwa die Berücksichtigung seines Aussageverhaltens, soweit er von seinem Schweigerecht Gebrauch macht – stets zulässig. Sie sind Teil der dem Tatrichter obliegenden freien, aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpften Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) und stellen – anders als die strafschärfende Verwertung von Verteidigungsverhalten – keine Sanktionierung dar.

2. Gleichwohl kann der aus dem Einlassungsverhalten des Angeklagten gezogene belastende Schluss rechtsfehlerhaft sein. Einzelfall eines nicht tragfähigen Schluss aus dem Versuch des Angeklagten, die Verantwortung für den Tod seiner Patientin auf die Krankenhausärzte zu verlagern.

3. Sieht das Tatgericht eine bestimmte Einlassung des Angeklagten bereits als widerlegt an, darf sie diese im Rahmen der Beweisführung nicht als Beleg für einen Tötungsvorsatz des Angeklagten heranziehen (vgl. BGH NStZ-RR 2011, 318).


Entscheidung

891. BGH 3 StR 231/12 – Beschluss vom 31. Juli 2012 (LG Hildesheim)

Schwerer Raub (finale Verknüpfung von Nötigungsmittel und Wegnahme); mittelbare Täterschaft.

§ 249 StGB; § 250 StGB; § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB

Wer andere zur Begehung raubspezifischer Nötigungen veranlasst, ohne diese darüber in Kenntnis zu setzen, dass er beabsichtigt, die dadurch verursachte Unfähigkeit des Opfers zu einer Wegnahme auszunutzen, verwirklicht die Nötigungskomponente des Raubtatbestandes als mittelbarer Täter.


Entscheidung

836. BGH 2 StR 139/12 – Beschluss vom 29. Mai 2012 (LG Bonn)

Anforderungen an die Begründung der Schuldunfähigkeit bzw. verminderten Schuldfähigkeit (Darlegung; Bezugnahme auf Sachverständigengutachten).

§ 20 StGB; § 21 StGB

Allein die Diagnose einer schizophrenen Psychose führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten Beeinträchtigung bzw. Aufhebung der Schuldfähigkeit (vgl. BGH, NStZ-RR 2008, 39). Erforderlich ist vielmehr stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH, StraFo 2004, 390 mwN).


Entscheidung

786. BGH 1 StR 154/12 – Beschluss vom 11. September 2012 (LG Ulm)

Erfolgsort im Sinne des § 9 StPO (Zwischenerfolge des Betruges: Irrtum und Verfügung).

§ 9 StPO; § 263 StGB

Erfolgsort im Sinne des § 9 StPO ist auch der Ort sogenannter Zwischenerfolge, etwa Irrtum und Verfügung, beides tatbestandliche Voraussetzungen des Betrugs.


Entscheidung

897. BGH 3 StR 252/12 – Beschluss vom 14. August 2012 (LG Düsseldorf)

Mord (Habgier); Tenorierung bei Versuch der Beteiligung.

§ 211 StGB; § 30 StGB

Bei einer Verurteilung wegen einer der vier in § 30 StGB unter Strafe gestellten Vorbereitungshandlungen für Verbrechen ist die Bezeichnung des Verbrechens, auf welches sich die Vorbereitungshandlung bezieht, in den Schuldspruch aufzunehmen. Die Benennung eines Vergehens, das mit dem verabredeten Verbrechen tateinheitlich zusammentreffen soll, kommt hingegen nicht in Betracht.

II. Materielles Strafrecht – Besonderer Teil


Entscheidung

866. BGH 2 StR 137/12 – Beschluss vom 26. Juni 2012 (LG Meiningen)

BGHR; veruntreuende Unterschlagung (formelle Subsidiarität zur gewerbsmäßig begangenen Untreue; schwerere Strafdrohung; Strafzumessung).

§ 246 Abs. 1 und 2 StGB; § 266 Abs. 2 StGB; § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB; § 46 StGB

1. Veruntreuende Unterschlagung tritt aufgrund formeller Subsidiarität hinter gewerbsmäßig begangener Untreue zurück. (BGHR)

2. Es besteht – unbeschadet der Platzierung in Absatz 1 – schon nach dem Wortlaut des Gesetzes kein Grund zu der Annahme, dass die Subsidiaritätsklausel im Fall einer nach § 246 Abs. 2 StGB qualifizierten Unterschlagung keine Geltung mehr beanspruchen soll. (Bearbeiter)

3. Für die Frage, ob eine schwerere Strafdrohung im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB vorliegt, kommt es auf den im Einzelfall anwendbaren Strafrahmen an, einschließlich eines Sonderstrafrahmens für besonders schwere Fälle des konkurrierenden Straftatbestands. (Bearbeiter)

4. Ob im Rahmen der konkreten Strafzumessung ein eigenständiges Unrecht der veruntreuenden Unterschlagung gegenüber der Untreue anzunehmen ist, ist zweifelhaft. (Bearbeiter)


Entscheidung

877. BGH 3 StR 119/12 – Urteil vom 5. Juli 2012 (LG Osnabrück)

Hehlerei; schwerer Bandendiebstahl (Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme; Handeln als Mitglied einer Bande auch bei an sich lediglich Teilnahme begründenden Beiträgen: Anstiftung).

§ 259 StGB; § 244a StGB; § 25 StGB; § 26 StGB; § 27 StGB

1. Mittäter eines Diebstahls kann auch sein, wer anderen Mitbeteiligten den Auftrag erteilt, eine bestimmte Sache zu entwenden, um sie sodann an ihn zu übergeben, damit er sie verkaufen bzw. für sich verwenden kann (im Anschluss an BGH HRRS 2005 Nr. 253). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Durchführung der Diebstähle jeweils absprachegemäß von der Entscheidung und der Zusage jenes Beteiligten abhängig gemacht wird.

2. Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen (st. Rspr.). Dass einzelne Personen sich jeweils nur „von Fall zu Fall“ an einer geplanten Deliktsbegehung beteiligen, steht ihrer Zugehörigkeit zu einer Bande nicht ohne weiteres entgegen. Die an einer solchen Bandenabrede Beteiligten können vielmehr konkrete Tatentschlüs-

se auch von sich bietenden günstigen Gelegenheiten abhängig machen.

3. Mitglied einer Bande kann auch eine Person sein, der nach dem Inhalt der Abrede zwischen den Beteiligten bei den in Aussicht genommenen Taten lediglich eine Rolle zufallen soll, die sich nach den allgemeinen Grundsätzen der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme als Beihilfe (§ 27 StGB) darstellt. Erst Recht kommt eine Bandenmitgliedschaft bei solchen Beiträgen in Betracht, die sich nach allgemeinen Grundsätzen als Anstiftung (§ 26 StGB) darstellen, da hier mit Blick auf das im Vergleich zur Beihilfe regelmäßig höhere Gewicht der Anstiftung durch eine solche Zusage ein deutlich erhöhtes Gefahrenpotential geschaffen wird.


Entscheidung

858. BGH 1 StR 238/12 – Beschluss vom 27. Juli 2012 (LG Darmstadt)

Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist (Zustellung des Urteils auch an Wahlverteidiger); Missbrauch von Berufsbezeichnungen; Urkundenunterdrückung; Fälschung beweiserheblicher Daten (Einreichung der Steuererklärung über ELSTER; Steuerhinterziehung).

§ 345 Abs. 1 StPO; § 132a Abs. 1 Nr. 2 StGB; § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB; § 269 StGB

Es bleibt offen, ob sich der Angeklagte (entgegen BGH NStZ-RR 2011, 276 mwN) wegen einer Urkundenunterdrückung (§ 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB) strafbar machen kann, indem er in der Absicht handelt, den staatlichen Strafanspruch zu vereiteln.


Entscheidung

892. BGH 3 StR 232/12 – Beschluss vom 31. Juli 2012 (LG Rostock)

Finale Verknüpfung bei Raub und räuberischer Erpressung; mangelnde Einsichts- und Steuerungsfähigkeit; Verbotsirrtum.

§ 249 StGB; § 253 StGB; § 255 StGB; § 20 StGB; § 21 StGB; § 17 StGB

1. Auch bei der räuberischen Erpressung bedarf es – wie beim Raub – eines finalen Zusammenhangs, der dort zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und dem erstrebten Vermögensvorteil bestehen muss.

2. Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, der Täter den Entschluss zur Wegnahme vielmehr erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (BGH NStZ 2006, 508 mwN).

3. Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen, erheblich vermindert, so kommt es für die Beurteilung seiner Schuldfähigkeit entscheidend darauf an, ob ihm deswegen diese Einsicht fehlt oder ob er gleichwohl über sie verfügt. Hat der Täter nicht die Einsicht in das Unerlaubte seines Handelns und kann ihm dies auch nicht vorgeworfen werden, so handelt er nach § 17 Satz 1 StGB ohne Schuld (vgl. BGH HRRS 2011 Nr. 557).


Entscheidung

845. BGH 4 StR 139/12 – Beschluss vom 19. Juni 2012 (LG Siegen)

Nötigung (Vollendung: kein Teilerfolg bei nicht ernst gemeinter Erklärung); Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung (Aspekte der Gesamtabwägung; Einbeziehung früherer Verurteilungen).

§ 240 Abs. 1 StGB; § 105 Abs. 2 JGG i.V.m. § 31 Abs. 3 Satz 1 JGG; § 21 JGG

1. Die tatbestandsmäßige Nötigungshandlung des Täters muss in kausalem Sinne zu dem vom Täter geforderten Verhalten des Opfers führen. Vollendet ist die Nötigung erst dann, wenn der Genötigte die verlangte Handlung vorgenommen oder zumindest mit ihrer Ausführung begonnen hat. Ein Teilerfolg, der mit Blick auf ein weitergehendes Ziel jedenfalls vorbereitend wirkt, kann für die Annahme einer vollendeten Nötigung ausreichen, wenn die abgenötigte Handlung des Opfers nach den Vorstellungen des Täters eine eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Enderfolgs darstellt (vgl. BGH NStZ 2004, 442; StV 2008, 249).

2. Will der Angeklagte die Geschädigte durch eine Drohung zur Wiederaufnahme und Fortsetzung der Beziehung mit ihm bewegen, liegt in der bloßen Erklärung der Geschädigten, zu dem Angeklagten zurückkehren zu wollen, kein die Annahme einer vollendeten Nötigung rechtfertigender Teilerfolg. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die entsprechende Ankündigung von der Geschädigten ersichtlich nicht ernst gemeint war und der Angeklagte selbst die Erklärung nicht als verbindlich ansah.


Entscheidung

798. BGH 2 StR 60/12 – Beschluss vom 11. Juli 2012 (LG Köln)

Gefährliche Körperverletzung (gefährliches Werkzeug; Tatvorsatz); Körperverletzung (rein psychische Beeinträchtigung; Hervorrufen von Angst).

§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB; § 15 StGB; § 16 StGB

1. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB greift nicht ein, wenn der Täter das Opfer gegen einen unbeweglichen Gegenstand bewegt (vgl. BGHSt 22, 235, 236; BGH NStZ-RR 2005, 75). In diesen Fällen kommt als Qualifikationsgrund nur die Begehung der Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB in Betracht.

2. Tritte oder heftige Schläge gegen den Kopf des Opfers können eine das Leben gefährdende Behandlung darstellen. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach der Art der Ausführung der Verletzungshandlungen im Einzelfall zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können. Ob dies der Fall war, muss aus den Urteilsfeststellungen abschließend deutlich werden. Erforderlich ist zudem ein Vorsatz des Täters zur Herbeiführung einer derartigen potenziellen Lebensgefahr (vgl. BGHSt 19, 352 f.).

3. Eine körperliche Misshandlung im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB ist eine üble, unangemessene Behandlung, die zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung des

körperlichen Wohlempfindens oder der körperlichen Unversehrtheit führt. Das körperliche Wohlempfinden kann nicht allein durch psychische Reaktionen beeinträchtigt werden (vgl. BGH NStZ 1997, 123, 124), so dass das Hervorrufen von Angst nicht als Taterfolg im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ausreicht. Bedrohungs- oder Einschüchterungshandlungen dürfen sich hinsichtlich der Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens nicht nur auf das seelische Gleichgewicht auswirken, sondern sie müssen auch die körperliche Verfassung des Opfers betreffen (vgl. BGH NStZ 1986, 166). Auch dies muss im Urteil festgestellt sein.


Entscheidung

807. BGH 2 StR 138/12 – Beschluss vom 25. Juli 2012 (LG Aachen)

Besonders schwere räuberische Erpressung (Verwendung einer Waffe: Beschaffenheit einer geladenen Schreckschusswaffe).

§ 253 StGB; § 255 StGB; § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterfällt eine geladene Schreckschusspistole nur dann dem Waffenbegriff des § 250 StGB, wenn feststeht, dass beim Abfeuern der Waffe der Explosionsdruck nach vorne aus dem Lauf austritt und deshalb die Waffe nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen (BGHSt 48, 197, 201 f.). Hierzu hat der Tatrichter grundsätzlich besondere Feststellungen zu treffen, denn der Austritt des Explosionsdrucks nach vorne mag zwar üblich sein, kann aber nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden (BGH NStZ 2010, 390).


Entscheidung

881. BGH 3 StR 158/12 – Beschluss vom 17. Juli 2012 (LG Düsseldorf)

Gefährliche Körperverletzung (Begehung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich).

§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB

Eine Verwirklichung der Qualifikation nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt voraus, dass ein am Tatort anwesender Tatgenosse die Wirkung der Körperverletzungshandlung des Täters bewusst in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist (BGHSt 47, 383 f.). Daran fehlt es, wenn sich der Täter bei seiner Körperverletzungshandlung lediglich darauf verlässt, dass ihm seine Tatgenossen bei einer anschließenden Schlägerei helfen werden, ohne dass diese ihm bereits bei der anfänglichen Körperverletzungshandlung in irgendeiner Weise unterstützt hätten.


Entscheidung

888. BGH 3 StR 218/12 – Beschluss vom 19. Juli 2012 (OLG Frankfurt am Main)

Werben um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland (Notwendigkeit einer Werbung für eine konkrete terroristische Vereinigung; Abgrenzung zum bloßen Werben um Sympathie; Meinungsfreiheit).

Art. 5 GG; § 129a Abs. 5 S. 2 StGB

1. Der Tatbestand des § 129a Abs. 5 S. 2 StGB erfordert eine Gedankenäußerung, die sich nach dem Verständnis des Adressaten als Werbung zugunsten einer konkreten terroristischen Vereinigung darstellt. Ein allgemein gefasster Aufruf, sich an nicht näher gekennzeichneten terroristischen Aktivitäten zu beteiligen, reicht für den hiernach notwendigen Organisationsbezug nicht aus. Auch die Aufforderung, sich dem „Jihad“ anzuschließen, genügt für sich genommen nicht, da dieser Begriff nicht allein für den Kampf einer oder mehrerer bestimmter terroristischer Vereinigungen steht, sondern für eine Vielzahl von islamistischen Aktivitäten, selbst wenn diese nicht durch terroristische Vereinigungen unternommen werden. Etwas anderes kann für den Aufruf zum „Jihad“ nur gelten, wenn er durch eine Person vorgenommen wird, die eine Vereinigung derartig herausgehoben repräsentiert, dass sich allein daraus ausreichend konkret ergibt, die Aufforderung gelte zu allererst oder zumindest auch zu Gunsten der repräsentierten Vereinigung (BGHSt 51, 345, 353).

2. Besondere Sorgfalt ist bei der Abgrenzung zum bloßen Werben um Sympathie für eine bestimmte terroristische Vereinigung erforderlich, ohne die der Tatbestand des § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB die hinreichende inhaltliche Bestimmtheit verlöre. Nicht ausreichend ist danach das befürwortende Eintreten für eine terroristische Vereinigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele oder der aus ihr heraus begangenen Straftaten sowie die Verherrlichung der Ideologie, aus der verschiedene derartige Vereinigungen ihre Tätigkeit legitimieren und die gegebenenfalls auch Einzelpersonen zur Rechtfertigung für die Begehung von Straftaten dient (BGH aaO).