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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 223/00, Beschluss v. 15.08.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 223/00 - Beschluß v. 15. August 2000 (LG Hamburg)

Verwertung von Zufallserkenntnissen aus einer in einem anderen Verfahren angeordneten Telefonüberwachung; Verwertungsverbot; Katalogtat; Widerspruch; Beruhen

§ 100a Satz 1 StPO; § 100b Abs. 5 StPO; § 337 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Es bestünden gegen eine Verwertung von Zufallserkenntnissen aus einer in einem anderen Verfahren angeordneten Telefonüberwachung zum Nachweis einer bloßen versuchten Nötigung erhebliche Bedenken, da diese keine Katalogtat gemäß § 100a Satz 1 StPO ist (§ 100b Abs. 5 StPO). Allein der Verdacht einer Katalogtat, der versuchten schweren räuberischen Erpressung, zum Zeitpunkt der Überwachung dürfte jedenfalls dann nicht ausreichen, wenn er, in keinem Zusammenhang mit der Tat stand, die Anlaß für die verwertete, gegen einen Dritten angeordnete Telefonüberwachung war.

2. Bei künftigen Rügen dieser Art wird ein Widerspruch erforderlich und in der Revisionsbegründung darzulegen sein.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 6. Dezember 1999 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten erweist sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Zu der Verfahrensrüge, mit welcher die Verwertung von Zufallserkenntnissen aus einer in einem anderen Verfahren angeordneten Telefonüberwachung beanstandet wird, merkt der Senat an:

Im Anschluß an die in BGHR StPO § 100a - Verwertungsverbot 10 abgedruckte Entscheidung des Senats, auf welche sich der Beschwerdeführer beruft, bestünden gegen jene Verwertung zum Nachweis einer bloßen versuchten Nötigung erhebliche Bedenken, da diese keine Katalogtat gemäß § 100a Satz 1 StPO ist (§ 100b Abs. 5 StPO). Allein der Verdacht einer Katalogtat, der versuchten schweren räuberischen Erpressung, zum Zeitpunkt der Überwachung dürfte jedenfalls dann nicht ausreichen, wenn er, wie hier anders als in dem von BGH NJW 1979, 1370, 1371 entschiedenen Fall, auf den der Generalbundesanwalt verweist -, in keinem Zusammenhang mit der Tat stand, die Anlaß für die verwertete, gegen einen Dritten angeordnete Telefonüberwachung war.

Die Frage bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ebenso wenig die weitere Frage, ob die Rüge gleichwohl schon daran scheitern müßte, daß - ungeachtet regelmäßiger Disponibilität eines derartigen Verwertungsverbots für den betroffenen Angeklagten - weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, daß in der Hauptverhandlung Widerspruch gegen die beanstandete Verwertung der Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung erhoben worden ist (vgl. dazu BGHR StPO § 100a - Verwertungsverbot 10; Nack in KK 4. Aufl. § 100a Rdn. 54; ferner § 100d Rdn. 23; § 110b Rdn. 15; Nack StraFo 1998, 366, 370; Maul StraFo 1997, 38, 40; vgl. auch BGH StV 1996, 529; BGH, Beschluß vom 12. Juli 2000 - 1 StR 113/00 -; BVerfG-Kammer -, Beschluß vom 20. Juni 1999 - 2 BvR 997/99 -). Bei künftigen Rügen dieser Art wird ein solcher Widerspruch erforderlich und in der Revisionsbegründung darzulegen sein.

Die Rüge scheitert jedenfalls daran, daß sicher ausgeschlossen werden kann, daß das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verstoß beruht. Der Tatrichter hätte letztlich die Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung ganz unbedenklich nach § 100b Abs. 5 StPO im Rahmen seiner Beweiswürdigung verwerten dürfen; denn bei vertretbarer Rechtsanwendung war die abzuurteilende Tat als Katalogtat der versuchten schweren räuberischen Erpressung zu bewerten. Zu deren Verneinung ist der Tatrichter allein durch Unterstellung eines vor Jahren gewährten hoch verzinslichen "Darlehens" des Angeklagten zugunsten des Geschädigten gelangt. Diese Unterstellung und die hieraus gefolgerte Annahme bloßer versuchter Nötigung erweist sich aber angesichts aller sicher festgestellten Begleitumstände als offensichtlich verfehlt.

Externe Fundstellen: StV 2001, 545

Bearbeiter: Karsten Gaede