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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 353/92, Urteil v. 29.10.1992, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 353/92 - Urteil vom 29. Oktober 1992 (LG Dortmund)

BGHSt 38, 381; Rechtsbeugung eines Staatsanwalts bei Verwendung von Geldbußen zur Verfahreneinstellung zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten; Einstellung des Verfahrens nach Erfüllung von Auflagen; Verwahrungsbruch.

§ 133 Abs. 1 StGB; § 133 Abs. 3 StGB; § 336 StGB; § 153a StPO

Leitsatz

Verwendet ein Staatsanwalt einen Scheck, den ihm der Beschuldigte zur Zahlung einer Geldauflage zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung übergeben hat, nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens zur Erfüllung eigener Verbindlichkeiten, begeht er keine Rechtsbeugung; er ist der Unterschlagung in Tateinheit mit Verwahrungsbruch schuldig. (BGHSt)

Entscheidungstenor

I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 23. Januar 1992

1. mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen ist,

2. im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Unterschlagung in Tateinheit mit Verwahrungsbruch (§ 133 Abs. 1 und 3 StGB) verurteilt wird,

3. im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Die weitergehende Revision wird verworfen.

III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten, einen heute 51jährigen Staatsanwalt, unter Freisprechung im übrigen wegen veruntreuender Unterschlagung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 55,-- DM verurteilt. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich mit der Sachrüge gegen die Freisprüche und erstrebt einen erweiterten Schuldspruch. Sie hat im wesentlichen Erfolg.

I.

1. In einem Ermittlungsverfahren gegen Dieter P. zog der Angeklagte als ermittelnder Staatsanwalt eine Verfahrenseinstellung gegen eine Geldauflage nach § 153 a Abs. 1 StPO in Erwägung. Dies eröffnete er dem Beschuldigten in einer Unterredung. P. gelang es unter Darlegung seiner beschränkten finanziellen Möglichkeiten, die Geldauflage von ursprünglich 3.500,-- DM auf 2.000,-- DM zu senken. Zu dem Empfänger der Geldauflage teilte der Angeklagte lediglich mit, der Betrag werde an einen gemeinnützigen Verein gehen. Da P. daran gelegen war, seine vorläufig entzogene Fahrerlaubnis alsbald zurückzuerhalten, kam er mit dem Angeklagten ferner überein, die Auflage mittels eines dem Angeklagten auszuhändigenden Schecks zu erfüllen. P. ließ sich von seiner Tochter einen Scheck ausstellen, auf dem er neben dem Aktenzeichen des Ermittlungsverfahrens - ohne den Überbringerzusatz streichen zu lassen - das Sozialwerk des Landessportbundes als Berechtigten eintragen ließ. Der Scheck wurde dem Angeklagten Zug um Zug gegen Rückgabe des beschlagnahmten Führerscheins ausgehändigt. Im Anschluß an die Übergabe verfügte der Angeklagte die Einstellung des Verfahrens. Vier Tage später, am 23. März 1990, legte er den Scheck einer Bank vor und wies die Bankangestellte an, die Schecksumme dem Hauptkonto seines Tennisclubs gutzuschreiben. Den "Scheck-Einreicher" übergab der Angeklagte einer Vereinsangestellten. Seiner Bitte entsprechend verrechnete sie den Scheck mit seinen Beitrags- und Trainingsschulden in Höhe von 1.280,-- DM und 310,-- DM und verwendete den Restbetrag für das Jugendfördertraining. Dem Jugendförderkonto, dem durch die Tätigkeit des Angeklagten insgesamt bereits mindestens 25.950,-- DM aus Geldauflagen bei Verfahrenseinstellungen zugeflossen waren, wurden dadurch 410,-- DM gutgeschrieben.

2. In einem weiteren Ermittlungsverfahren eröffnete der Angeklagte dem Beschuldigten W. die Möglichkeit einer Verfahrenseinstellung unter der Auflage, einen Geldbetrag in Höhe von 4.000,-- DM zu Gunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen. Um den Abschluß des Verfahrens zu beschleunigen, übergab W. dem Angeklagten sogleich einen Scheck, den dieser mit dem Datum vom 1. März 1990 versehen seinem eigenen Konto gutschreiben ließ.

3. Ein Ermittlungsverfahren gegen P. war nach § 153 a Abs. 1 StPO vorläufig unter der Auflage einer Zahlung von 1.000,-- DM eingestellt worden. Der Angeklagte mahnte den Beschuldigten nach Ablauf der Frist und drohte mit der Fortsetzung des Verfahrens. Darauf überbrachte P. dem Angeklagten Ende Februar/Anfang März 1990 zehn 100 DM-Scheine. Dieser befestigte die Scheine mit einem Heftgerät an einem Blatt, auf dem er zuvor Notizen gemacht hatte, und legte beides in die Akte. P. ging davon aus, das Geld werde einer gemeinnützigen Einrichtung zufließen. Einzelheiten wurden jedoch nicht besprochen. In der Folgezeit verfügte der Angeklagte die endgültige Einstellung nach Zahlung der Geldauflage "an eine gemeinnützige Einrichtung". Der Verbleib des Geldes konnte nicht geklärt werden.

II.

Im ersten Fall muß der Angeklagte neben der - veruntreuenden - Unterschlagung auch wegen Verwahrungsbruchs verurteilt werden. Ferner halten die Freisprüche in den beiden übrigen Fällen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat die Strafkammer im Ergebnis zu Recht davon abgesehen, den Angeklagten wegen Rechtsbeugung zu verurteilen.

a) Ein nichtrichterlicher Amtsträger kommt als Täter einer Rechtsbeugung in Betracht, wenn er die jeweilige Rechtssache "wie ein Richter zu leiten oder zu entscheiden hat" (BGHSt 24, 326, 327; 34, 146, 147 f; 35, 224, 230; BGH NJW 1960, 253). Das ist bei einem Staatsanwalt, der ein Ermittlungsverfahren nach § 153 a Abs. 1 StPO gegen eine Auflage einstellt, auch dann der Fall, wenn der für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständige Richter seine Zustimmung erteilt hat.

Bei der Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 153 a Abs. 1 StPO bleiben die Entscheidungsbefugnisse, ebenso wie das Recht zur Bestimmung der Auflagen, die begleitenden Verfahrenshandlungen und die Kontrolle der Auflagenerfüllung allein in der Hand der Staatsanwaltschaft. Zweck der richterlichen Zustimmung ist es lediglich, die im Rahmen der Einstellungsmöglichkeiten der §§ 153 f StPO gewichtige Ausnahme vom Legalitätsprinzip, gegen die sich der Verletzte mit Rechtsmitteln nicht zur Wehr setzen kann (§ 172 Abs. 2 Satz 3 StPO), einer zusätzlichen neutralen Kontrolle in Gestalt einer unanfechtbaren Prozeßerklärung zu unterwerfen (Rieß in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 153 Rdn. 39; Kleinknecht/Meyer StPO 40. Aufl. § 153 Rdn. 10 f).

Mangels anderweitiger Feststellungen ist die Strafkammer zu Recht davon ausgegangen, daß die Einstellung des Verfahrens objektiv nicht fehlerhaft gewesen ist.

b) Der Angeklagte hat sich jedoch bei der Abwicklung des Verfahrens von den gesetzlichen Vorgaben entfernt. Rechtsbeugung kann auch durch Beugung des Verfahrensrechts (BGH MDR 1952, 693, 695; BGH NStZ 1988, 218; BGH, Urteil vom 28. November 1978 - 1 StR 250/78) oder durch Vereinbarungen begangen werden, die sich gegenüber dem rechtlich unerfahrenen Beschuldigten als in die Irre führende Leitung einer Rechtssache darstellen (BGHSt 32, 357, 359). Der Bundesgerichtshof hat jedoch wiederholt darauf hingewiesen, daß der Tatbestand nicht in unangemessener Weise ausgedehnt werden darf (BGHSt 32, 357, 363 f; 34, 146, 148 f; BGH NStZ 1988, 218, 219). Zweck der Vorschrift ist es, den Rechtsbruch als elementaren Verstoß gegen die Rechtspflege unter Strafe zu stellen. Die Einordnung der Rechtsbeugung als Verbrechenstatbestand indiziert die Schwere des Unwerturteils und führt in der Regel im Falle der rechtskräftigen Verurteilung kraft Gesetzes zur Beendigung des Richter- oder Beamtenverhältnisses (§ 24 Abs. 1 DRiG, § 24 Abs. 1 BRRG). Mit dieser gesetzlichen Zweckbestimmung wäre es nicht zu vereinbaren, jede unrichtige Rechtsanwendung und jeden Ermessensfehler in den Schutzbereich der Norm einzubeziehen. Rechtsbeugung begeht deshalb nur der Amtsträger, der sich bewußt in schwerwiegender Weise vom Gesetz entfernt und sein Handeln als Organ des Staates statt an Recht und Gesetz an seinen eigenen Maßstäben ausrichtet (vgl. BGHSt 32, 357, 360 f). Bloße Abweichungen vom Verfahrensablauf des § 153 a Abs. 1 StPO, wie sie hier festgestellt worden sind, genügen deshalb nicht, den Tatbestand der Rechtsbeugung zu bejahen. Der vom Angeklagten vereinbarte Verfahrensgang, der begünstigten Organisation die Geldauflage nicht unmittelbar durch Zahlung des Beschuldigten, sondern mittels eines Schecks Zug um Zug gegen Rückgabe des Führerscheins über die Staatsanwaltschaft zukommen zu lassen, verkürzte im Ergebnis aber lediglich die Zeit zwischen Auflagenerteilung und Zahlungsnachweis.

Soweit sich die von den Landesjustizverwaltungen getroffenen einheitlichen Regelungen über das Verfahren bei Zuweisung von Geldbeträgen zu Gunsten gemeinnütziger Einrichtungen (hier: Allgemeine Verfügung des JM NRW - Geldauflagen im Strafverfahren und im Gnadenverfahren zu Gunsten gemeinnütziger Einrichtungen - vom 1. April 1974, JMBlNW S. 109; vgl. Kleinknecht/Meyer aaO § 153a StPO Rdn. 20) an den einzelnen Staatsanwalt wenden und soweit der Angeklagte gegen diese oder darauf beruhende innerdienstliche Vorgaben verstoßen hat, kann ein solches Verhalten ein Indiz für eine beabsichtigte Beugung des Rechts sein. Den Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllt es für sich genommen ebenfalls nicht.

c) Im Gegensatz zu den durch die Verfahrensökonomie veranlaßten Abweichungen beinhaltet die endgültige Einstellung des Ermittlungsverfahrens vor vorbehaltsloser Gutschrift der Schecksumme eine inhaltlich qualitative Veränderung der Einstellungsvoraussetzungen. Dabei ist zwar ohne Bedeutung, daß der Scheck nicht vom Beschuldigten selbst ausgestellt worden war (vgl. BGHSt 37, 226). Die Annahme des Schecks hatte jedoch keine Erfüllungswirkung (MünchKomm-Heinrichs BGB 2. Aufl. § 362 Rdn. 15). Die auf seiten des Beschuldigten als Voraussetzung der endgültigen Einstellung erforderliche Vermögensminderung konnte erst mit Bekundung des Einlösungswillens durch das bezogene Kreditinstitut, üblicherweise mit Belastung des Ausstellerkontos eintreten (BGHZ 53, 199, 203). Da nur die tatsächlich erbrachte Leistung das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung entfallen läßt (Rieß aaO Rdn. 58; Kleinknecht/Meyer aaO Rdn. 45), wäre die endgültige Verfahrenseinstellung ohne den Nachweis und die Kontrolle einer gesicherten Auflagenerfüllung grundsätzlich nicht anders zu bewerten als eine Anwendung des Einstellungsverfahrens auf einen dafür ungeeigneten Fall oder eine Verfahrenseinstellung ohne jede Sanktion. Ob eine solche Fallgestaltung zur Erfüllung des restriktiv auszulegenden Tatbestandes der Rechtsbeugung ausreicht, bedarf hier keiner Vertiefung. Im vorliegenden Fall hätte es auf der Grundlage des objektiven Täterverhaltens zumindest am Vorsatz gefehlt (vgl. BGHSt 32, 357, 360).

d) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat der Angeklagte auch durch die pflichtwidrig unterlassene Weitergabe und Zueignung des Schecks nicht das Recht gebeugt. Die Leitung und Entscheidung der Rechtssache, die der Angeklagte durch objektiv fehlerhaftes Vorgehen zu Gunsten oder zum Nachteil einer Partei hätte beeinflussen können, waren vor Verwertung des Schecks bereits beendet. Daß der Angeklagte im Hinblick auf die gesetzlichen Folgen der Verfahrenseinstellung weiterhin an Rechtsvorschriften gebunden war, reicht zur Erfüllung des Tatbestandes nicht aus (vgl. BGHSt 34, 146, 148). Eingriffe eines Amtsträgers, die lediglich die verwaltungsrechtliche Abwicklung einer Entscheidung betreffen, liegen nur dann innerhalb des Schutzbereichs der Norm, wenn sie, wie zum Beispiel im strafprozessualen Vollstreckungsverfahren, ihrerseits die Leitung und Entscheidung einer Rechtssache zum Gegenstand haben (vgl. Lackner StGB 19. Aufl. § 336 Rdn. 3). Das ist hier nicht der Fall.

Die Auflagen und Weisungen haben keinen Strafcharakter (BGHSt 28, 174, 176). Sie bedürfen daher keiner Vollstreckung. Vielmehr ist es grundsätzlich Aufgabe des Beschuldigten, die übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen und deren Erfüllung nachzuweisen (Kleinknecht/Meyer aaO § 153a StPO Rdn. 26). In der Überwachung dieses Vorgangs als Voraussetzung der endgültigen Verfahrenseinstellung erschöpft sich die Kontrollfunktion der Staatsanwaltschaft.

Zudem fehlt es in diesem Verfahrensabschnitt auch deshalb an einer Entscheidung zu Gunsten oder zum Nachteil einer Partei, weil die zu begünstigende Organisation aus der Auflage keinen eigenen Anspruch erwirbt (Kleinknecht/Meyer aaO Rdn. 18). Auch war mit der Hingabe eines auf den Inhaber gestellten Schecks (Art. 5 Abs. 3 ScheckG) trotz des vom Beschuldigten benannten Empfängers das Recht der Staatsanwaltschaft, die begünstigte gemeinnützige Organisation selbst zu bestimmen, nicht entfallen. Eine Verurteilung wegen Rechtsbeugung kam somit nicht in Betracht.

2. Die Annahme der Strafkammer, der Tatbestand des § 133 StGB sei mangels dienstlicher Verwahrung des Schecks nicht erfüllt, wird dagegen dem festgestellten Sachverhalt nicht gerecht. Dieser gibt keinen Hinweis darauf, daß der Beschuldigte des Ermittlungsverfahrens den Scheck außerhalb der dienstlichen Sphäre des Angeklagten hingegeben wissen wollte und daß der Angeklagte die Weiterleitung als Privatperson aus Gefälligkeit für den Beschuldigten hätte vornehmen wollen.

Der Tatbestand des Verwahrungsbruchs sichert die staatliche Herrschaftsgewalt über alle amtlich aufbewahrten oder übergebenen Sachen. Zugleich schützt er das Vertrauen, daß Gegenstände, die sich kraft staatlichen Hoheitsrechts im Besitz des Staates befinden und denen der Staat seine Fürsorge wenn auch nur vorübergehend in erkennbarer Weise zugewandt hat, ordnungsgemäß aufbewahrt werden (vgl. BGHSt 5, 155, 159 f; v. Bubnoff in LK StGB 10. Aufl.§ 133 Rdn. 2, 3).

Der besondere Schutz des amtlichen Verwahrungsbesitzes erfordert Einschränkungen in zweierlei Hinsicht: Nicht jeder Angriff auf das öffentliche Eigentum oder den öffentlichen Verwahrungsbesitz ist als Verwahrungsbruch strafbar. Nicht erfaßt werden Gegenstände des allgemeinen Amtsbesitzes wie zum Beispiel Verbrauchs- oder Gebrauchsgegenstände. Ihnen fehlt die Zweckbestimmung der fürsorglichen Hoheitsgewalt; sie genießen deshalb keinen anderen strafrechtlichen Schutz als Eigentum und Gewahrsam anderer Rechtsträger (BGHSt 18, 312, 314 m.w.N.; 33, 190, 193). Darüber hinaus bedarf es im Hinblick auf die Weite der Tatbestandsmodalitäten einer Ausgrenzung solcher Entziehungshandlungen, die zwar unter disziplinarrechtlichen Gesichtspunkten beachtlich sein mögen, jedoch nach dem Zweck der Vorschrift strafrechtlicher Ahndung nicht unterworfen sein sollen (BGHSt 33, 190, 194; 35, 340, 341 f). Beide Einschränkungen greifen hier nicht.

Der vom Angeklagten zur Erfüllung der Auflage entgegengenommene Scheck befand sich nicht im schlichten Verwaltungsbesitz der Staatsanwaltschaft. Nimmt ein Staatsanwalt im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben Schriftstücke, Beweismittel oder Zahlungen entgegen, so gehen diese, unabhängig vom tatsächlichen Ort der Aufbewahrung und ihrem vorgesehenen prozeßordnungsgemäßen weiteren Verbleib, in amtliche Verwahrung über; sie werden grundsätzlich Bestandteil der Ermittlungs-, gegebenenfalls der Handakten (vgl. BGH, Urteile vom 23. Juli 1953 - 1 StR 772/52 - S. 12 f; vom 21. Februar 1957 - 4 StR 566/56; vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66 - S. 79). Das gilt auch für die Hingabe des Schecks. Sie belegt die - vorläufige - Erfüllung der Auflage und im Falle der endgültigen Einstellung wie auch im Falle der Fortführung des Verfahrens einen für das Verfahren wesentlichen Umstand (vgl. BGH NJW 1991, 435).

Der Verwahrungsbruch entfällt nicht deshalb, weil der zur Verwahrung Verpflichtete den Gegenstand selbst in Amtsgewahrsam übernommen hat (vgl. BGHSt 5, 155, 159). Auch hängt seine Anwendung nicht davon ab, ob der Beamte zur Entgegennahme berechtigt oder verpflichtet gewesen ist. In jedem Fall darf er eine Sache, die durch sein Verhalten Bestandteil eines dienstlichen Vorgangs geworden ist, nicht in einer den behördlichen Zielen widersprechenden Weise der Weiterbearbeitung entziehen (BGH NJW 1975, 2212). Gegen diese Verpflichtung hat der Angeklagte durch die Verwendung des Schecks zu privaten Zwecken verstoßen (vgl. BGHSt 3, 289, 291; 5, 155, 160; 33, 190, 194; BGHR StGB vor § 1 f.H. Gesamtvorsatz erweiterter 5).

Dem Angeklagten war der Scheck, solange er als Bestandteil der Akten zu seiner dienstlichen Verfügung stand, auch im Sinne des § 133 Abs. 3 StGB anvertraut (BGH NJW 1975, 2212). Für das Anvertrautsein kommt es nicht allein auf den Akt der Scheckhingabe an (BGH GA 1978, 206). Maßgebliche Erwägung ist, daß die Herstellung der Verfügungsmacht über die Ermittlungsakten auf amtlicher Anordnung und auf dem besonderen, auf die amtliche Eigenschaft des Staatsanwalts gegründeten Vertrauen beruht, für die Erhaltung und Vollständigkeit der Verfahrensunterlagen Sorge zu tragen (vgl. BGHSt 3, 304, 305 f; 4, 54, 55).

Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahin ab, daß der Angeklagte neben - veruntreuender - Unterschlagung des tateinheitlich begangenen Verwahrungsbruchs nach § 133 Abs. 1 und 3 StGB schuldig ist. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil dieser Schuldvorwurf dem Angeklagten bereits in der Anklageschrift zur Last gelegt worden ist. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Auf die von der Beschwerdeführerin gegen die Strafzumessung geltend gemachten Bedenken kommt es deshalb nicht mehr an.

3. Die Freisprüche in den Fällen W. und P. können keinen Bestand haben. In beiden Fällen hat der Tatrichter nicht nur die Anforderungen an seine Überzeugungsbildung überspannt, er hat es auch versäumt, wesentliche, für die Täterschaft des Angeklagten sprechende Umstände in seine Überlegungen einzubeziehen.

a) Fall W.

aa) Die Strafkammer meint, der Arbeitsstil des Angeklagten habe sich bei Einstellungen nach § 153 a StPO immer mehr von den behördeninternen Vorgaben entfernt; bei einem über längere Zeit "nicht vollständig" korrekt arbeitenden Staatsanwalt könne deshalb "nicht zwingend" darauf geschlossen werden, daß Einzahlungsbelege nicht existierten (UA 22, 23). Damit verkennt sie, daß für die richterliche Überzeugung ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes, vernünftige Zweifel ausschließendes Maß an Sicherheit genügt. Demgegenüber sind die von der Strafkammer angeführten Zweifel theoretischer Natur; sie erweisen sich als bloße Vermutungen ohne gesicherte Tatsachengrundlagen (vgl. BGH NStZ 1981, 33; 1986, 373).

bb) Der Angeklagte hat von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Hinweise, an welche gemeinnützige Einrichtung möglicherweise von ihm veranlaßte korrespondierende Zahlungen gegangen sein könnten, waren nicht zu gewinnen. Der Vortrag der Verteidigung, der Angeklagte habe vor Einreichung des Schecks zu Gunsten seines eigenen Kontos zweimal 2.000 DM aus seinem Barvermögen an gemeinnützige Einrichtungen gezahlt, durfte nicht zur Grundlage des Urteils gemacht werden. Läßt ein schweigender Angeklagter zu, daß der Verteidiger Äußerungen zur Sache abgibt, sind diese als Einlassungen des Angeklagten nur verwertbar, wenn durch Erklärungen des Angeklagten oder des Verteidigers klargestellt worden ist, daß der Angeklagte sie als eigene Einlassung verstanden wissen will (BGH NStZ 1990, 447). Das war hier nicht der Fall.

Zwar hat sich die Strafkammer zu Recht auch mit der Möglichkeit einer Verrechnung der vom Angeklagten vereinnahmten Beträge auseinandergesetzt. Ein derartiges theoretisch denkbares Vorgehen des Angeklagten wäre jedoch an den sonstigen Feststellungen und an der Lebenserfahrung zu messen gewesen (vgl. BGHR StPO § 261 Vermutung 9).

cc) Daß in den Akten der Staatsanwaltschaft keine Einzahlungsbelege für korrespondierende Zahlungen des Angeklagten zu Gunsten gemeinnütziger Einrichtungen festgestellt werden konnten, weil die betreffenden Akten in Verlust geraten waren, entband die Strafkammer nicht von ihrer Verpflichtung, die verbleibenden Indizien im einzelnen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. BGH NJW 1988, 3273 f; 1990, 2073 f; BGH NStZ 1990, 402; BGH wistra 1991, 63 f).

Der Angeklagte hatte dem Jugendförderkonto seines Tennisclubs bis März 1990 aus 29 Verfahrenseinstellungen insgesamt 25.950,-- DM zukommen lassen (UA 4, 22). Er hatte sich zur Verschleierung über behördeninterne Vorgaben derart hinweggesetzt, daß der begünstigte Verein aus den Akten und Registern nicht erkennbar war. Schließlich war der dem Angeklagten angeblich zur Verfügung stehende Bargeldbetrag in Höhe von 6.000,-- DM nur schwerlich mit der fortlaufenden erheblichen Kontoüberziehung, dem säumigen Schuldnerverhalten gegenüber dem Tennisclub und mit der in der ersten Tat zum Ausdruck kommenden finanziellen Misere des Angeklagten zu vereinbaren. Unter diesen Umständen gebot es der Zweifelssatz nicht, einen möglichen entlastenden Gesichtspunkt mit Hilfe einer Unterstellung zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen (vgl. BGH NStZ 1983, 133 f; BGH StV 1990, 9).

b) Fall P.

Auch hier hat die Strafkammer mit ihrer Erwägung, es könne "nicht vollständig" ausgeschlossen werden, daß der Angeklagte - wie dies der Verteidiger vorgetragen habe (vgl. oben 3 a) bb)) - die 1.000,-- DM selbst an eine gemeinnützige Organisation weitergeleitet habe (UA 24), die Anforderungen an ihre Überzeugungsbildung überspannt. In diesem Fall hätte die Strafkammer ferner berücksichtigen müssen, daß der Urlaubsvertreter des Angeklagten weder das Geld noch die konkrete Bezeichnung der begünstigten Organisation in den Akten feststellen konnte. Nach Aussage der Geschäftsstellenverwalterin hatte der Angeklagte auf eine entsprechende Beanstandung des Urlaubsvertreters zu den nunmehr verschwundenen Akten vermerkt, das Geld sei seines Wissens an den Verein für Jugendförderung geflossen. Ein entsprechender Geldeingang ist dort jedoch ebenfalls nicht festgestellt worden. Auch das hätte sich in der gebotenen Gesamtwürdigung niederschlagen müssen.

Externe Fundstellen: BGHSt 38, 381; NJW 1993, 605; NStZ 1993, 540

Bearbeiter: Rocco Beck