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HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 797

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 92/15, Beschluss v. 21.04.2015, HRRS 2015 Nr. 797


BGH 4 StR 92/15 - Beschluss vom 21. April 2015 (LG Frankfurt a. M.)

Rechtfertigung durch Besitzkehr (keine Besitzschutzrechte bei strafbarem Besitz); gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (konkrete Gefährdung von Leib und Leben: Darstellung im Urteil); Rücktritt vom Versuch (Fehlschlag des Versuchs: Beurteilung nach Rücktrittshorizont des Täters); Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsklinik (symptomatischer Zusammenhang zwischen Hang zum übermäßigen Konsum von Betäubungsmitteln und Tat; hinreichend konkrete Aussicht auf Behandlungserfolg).

§ 859 Abs. 2 BGB; § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG; § 315b Abs. 1 StGB; § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB; § 64 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die Besitzschutzrechte und damit auch die Besitzkehr nach § 859 Abs. 2 BGB sind Ausdruck eines allgemeinen Friedensschutzes, indem sie die auf dem Besitz beruhende vorläufige Güterzuordnung aufrecht erhalten (vgl. BGH NJW 2001, 1865, 1867). Für ihre Anwendung ist aber kein Raum, wenn der konkrete Besitz als solcher, wie beim unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln, bei Strafe verboten ist und eine im Anschluss an eine Besitzentziehung geübte Besitzkehr deshalb erneut zu einer strafrechtswidrigen Besitzlage führen würde.

2. Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB liegt erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (vgl. BGH NStZ 2015, 278). Hierzu sind konkrete Feststellungen erforderlich, aus denen sich ergibt, dass durch die Tathandlung ein so hohes Verletzungs- oder Schädigungsrisiko begründet worden ist, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob es zu einer Rechtsgutsverletzung kommt. Die Gefährdung des dem Täter nicht gehörenden, aber als Tatwerkzeug benutzten Fahrzeugs genügt dazu nicht (vgl. BGH NStZ 1992, 233, 234).

3. Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allenfalls Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann, sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 239, 240).

4. Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen, um den Erfolg herbeizuführen. Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten vgl. BGH NStZ-RR 2012, 239, 240).

5. Fehlgeschlagen ist der Versuch erst, wenn der Täter erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, sodass sich das Geschehen aus der Perspektive eines Dritten nicht mehr als ein einheitlicher Lebenssachverhalt darstellen würde (vgl. BGHSt 39, 221, 232).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten V. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 1. Juli 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schwerem Raub, gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und Fahren ohne Fahrerlaubnis (II. 3 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist,

b) im Gesamtstrafen- und Maßregelausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung von Waffen (II. 1 und 2 der Urteilsgründe) sowie wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen, schwerem Raub, gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und Fahren ohne Fahrerlaubnis (II. 3 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und sichergestelltes Marihuana eingezogen. Dazu hat es bestimmt, dass drei Jahre der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf zwei Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision.

I.

Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Im Vorfeld des 22. Juli 2013 vereinbarte der Angeklagte mit dem unbekannt gebliebenen späteren Geschädigten den Verkauf von ca. drei Kilogramm Marihuana zu einem Preis von 18.000 Euro. Die Übergabe sollte am 22. Juli 2013 um 19.00 Uhr auf dem Parkplatz eines Baumarktes in E. erfolgen. Am frühen Abend des 22. Juli 2013 fuhr der Angeklagte mit einem Pkw zu dem verabredeten Treffpunkt. Dabei führte er neben dem zu übergebenden Marihuana (2937 Gramm mit einem THC-Anteil von 399,45 Gramm) auch ein Pfefferspray griffbereit mit sich. Bei dem vereinbarten Treffen, an dem neben dem Angeklagten und dem Geschädigten noch weitere Personen teilnahmen, gelangte der Geschädigte auf eine nicht mehr aufklärbare Weise in den Besitz des in drei Tüten verpackten Marihuanas und konnte damit ohne Bezahlung des Kaufpreises zu Fuß flüchten (Fälle II. 1 und 2 der Urteilsgründe).

Der Angeklagte wollte den Verlust des Rauschgiftes nicht hinnehmen. Er beschloss daher, den Geschädigten mit dem Pkw zu suchen und zu verfolgen, um sich wieder in den Besitz des Marihuanas zu bringen und dieses anschließend erneut gewinnbringend zu verkaufen. In der Folge befuhr der keine Fahrerlaubnis besitzende Angeklagte verschiedene öffentliche Straßen, ehe er den Geschädigten auf dem linksseitigen Gehweg der F. Straße in gleicher Bewegungsrichtung gehend entdeckte. Der Angeklagte beschleunigte sein Fahrzeug, lenkte dieses plötzlich über die Gegenfahrbahn hinweg auf den linksseitigen Gehweg und fuhr dem Geschädigten mit etwa 39,6 km/h hinterher. Nach seinem Tatplan wollte er den Geschädigten durch ein An- oder Umfahren mit dem Pkw an der weiteren Flucht hindern. Dabei stellte er sich vor, dass er den Geschädigten auf diese Weise zu Fall bringen könne, um sodann auszusteigen und das Marihuana wieder in seinen Besitz zu bringen. In der Folge fuhr der Angeklagte gezielt auf den infolge seiner Lauf- und Blickrichtung in seinen Reaktionsmöglichkeiten stark eingeschränkten Geschädigten zu und nahm dabei auch ein Überfahren und damit den Tod des Geschädigten billigend in Kauf. Der Geschädigte bemerkte erst im letzten Moment das hinter ihm fahrende Fahrzeug und sprang/stürzte nach rechts in Richtung der Fahrbahn. Der Angeklagte lenkte seinen Pkw ebenfalls nach rechts, um den Geschädigten zu erfassen, wobei er auch weiterhin dessen Tod in Kauf nahm. Das Fahrmanöver endete abrupt, indem der Angeklagte frontal mit seinem Pkw gegen einen Baum prallte. Dabei entstand an dem Pkw - wie der Angeklagte auch wahrnahm - ein Totalschaden. Die Airbags waren ausgelöst, die Frontscheibe gebrochen und die Fahrzeugfront stark eingedrückt. Der Angeklagte zog sich blutende Verletzungen am linken Arm und im Gesicht zu. Der Geschädigte konnte sich nach einem Sturz auf die Fahrbahn aufrappeln und rannte mit dem Marihuana davon. Der Angeklagte stieg trotz seiner Verletzungen unmittelbar nach dem Anprall aus seinem Fahrzeug aus und rannte dem Geschädigten hinterher. Es gelang ihm, den Geschädigten einzuholen und ihn in eine körperliche Auseinandersetzung zu verwickeln, bei der er auch das mitgeführte Pfefferspray einsetzte. Im Verlauf der Auseinandersetzung brachte der Angeklagte die drei Tüten mit dem Marihuana wieder an sich, wobei nicht geklärt werden konnte, ob der Geschädigte das Rauschgift infolge der Gewalteinwirkung durch den Einsatz des Pfeffersprays fallen ließ oder ihm die Tüten von dem Angeklagten im Verlauf der Auseinandersetzung entrissen wurden (Fall II. 3 der Urteilsgründe).

2. Das Landgericht hat in der Vereinbarung des Geschäftes über drei Kilogramm Marihuana und dem Verbringen des Rauschgiftes zum Übergabeort unter Mitführung eines Pfeffersprays ein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gesehen. Die sich anschließende Verfolgungsfahrt, den Versuch den Geschädigten zum Zwecke der Wiederbeschaffung des Rauschgifts anzufahren und die abschließende gewaltsame Beibringung des Marihuanas, um dieses erneut zu verkaufen, hat es als zur Ermöglichung einer Straftat begangenen versuchten Mord (§§ 211, 22, 23 StGB) und (hierzu jeweils in Tateinheit stehend) bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG), schweren Raub (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB) und (vorsätzliches) Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 StVG) gewertet.

II.

Die Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

1. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes gemäß §§ 211, 23 Abs. 1, § 22 StGB im Fall II. 3 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt mit nicht tragfähigen Erwägungen verneint hat.

a) Das Landgericht hat einen Rücktritt vom versuchten Mord mit der Begründung abgelehnt, es liege ein fehlgeschlagener Versuch vor. Dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass er mit anderen Mitteln (als durch einen Zusammenstoß mit dem Pkw) keine Chance gehabt hätte, den Unbekannten einzuholen und aufzuhalten. Dies stehe aufgrund seiner ausgeprägt adipösen Statur fest. Durch den Anprall an den Baum habe der Pkw einen Totalschaden erlitten, sodass der Angeklagte seinen Tatplan mit dem eingesetzten Pkw nicht mehr habe weiterverfolgen können. Insofern sei „eine Zäsur eingetreten“. Der Angeklagte habe „nach seinem Rücktrittshorizont“ erkannt, dass er die Tat deshalb nicht mehr so wie vorgestellt vollenden konnte (UA 54).

b) Diese Begründung trägt die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs nicht.

aa) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allenfalls Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann, sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 - 4 StR 560/14, Rn. 6; Beschluss vom 22. März 2012 - 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240; Beschluss vom 2. November 2007 - 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393). Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen, um den Erfolg herbeizuführen. Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (BGH, Beschluss vom 22. März 2012 - 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240; Beschluss vom 26. September 2006 - 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91). Fehlgeschlagen ist der Versuch erst, wenn der Täter erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, sodass sich das Geschehen aus der Perspektive eines Dritten nicht mehr als ein einheitlicher Lebenssachverhalt darstellen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 232; Urteil vom 8. Februar 2007 - 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399; Urteil vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369).

bb) Zu der Vorstellung des Angeklagten nach dem Misslingen des zunächst ins Auge gefassten Tatablaufs - nach dem Anprall an den Baum und dem Totalschaden des Fahrzeugs - enthält das Urteil keine konkreten Feststellungen. Soweit das Landgericht in der rechtlichen Würdigung anführt, dem Angeklagten sei aufgrund seiner „ausgeprägten adipösen Statur“ bewusst gewesen, dass er keine Chance gehabt hätte, den Unbekannten mit anderen Mitteln (als dem Einsatz des Fahrzeugs) einzuholen und aufzuhalten, lässt sich dies nicht mit der Feststellung in Einklang bringen, dass er nach dem Anprall sofort dem Geschädigten zu Fuß nachsetzte und es ihm tatsächlich gelang, das Marihuana gewaltsam wieder an sich zu bringen. Dabei kann der Beweiswürdigung (Auswertung der Videoaufzeichnungen) entnommen werden, dass zwischen dem Aufspringen des Geschädigten nach dem Anprall des Pkw (19:30:04 Uhr Systemzeit) und dem Wiedererscheinen des Angeklagten mit dem (wiedererlangten) Marihuana (19:32:16 Uhr Systemzeit) nur etwas mehr als zwei Minuten lagen (UA 36). Die weitere Erwägung der Strafkammer, der Totalschaden an dem Fahrzeug habe zu einer „Zäsur“ geführt, weil der Angeklagte erkannt habe, dass er die Tat nicht mehr wie vorgestellt vollenden konnte (UA 54), lässt besorgen, dass das Landgericht allein in der Vorstellung des Angeklagten, er müsse zur Erreichung des Erfolgs vom Tatplan abweichen, einen ausreichenden Gesichtspunkt für die Annahme eines Fehlschlags gesehen hat.

c) Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung betrifft auch die tateinheitlich erfolgten Verurteilungen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schweren Raubes, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Fahrens ohne Fahrerlaubnis (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - 3 StR 231/11, BGHSt 57, 14, Rn. 25; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 353 Rn. 7a mwN). Sie zieht zudem die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und der auf § 69a StGB gestützten Maßregelanordnung nach sich.

2. Die an die von der Teilaufhebung im Schuldspruch nicht betroffene Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 1 und 2 der Urteilsgründe) anknüpfende Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht das Vorliegen eines symptomatischen Zusammenhangs mit unzureichenden Erwägungen bejaht hat. Auch die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht ist nicht rechtsfehlerfrei begründet.

a) Die sachverständig beratene Strafkammer hat einen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem rechtsfehlerfrei festgestellten Hang (psychische Cannabisabhängigkeit, beginnende Kokainabhängigkeit) und dem „angeklagten Drogengeschäft“ allein damit begründet, dass „eine solche Tat ohne die zuvor geschilderte Suchtentwicklung und ohne Kenntnisse des Drogenmilieus nicht zustande gekommen“ wäre (UA 67). Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ein symptomatischer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (BGH, Beschluss vom 6. November 2013 - 5 StR 432/13, Rn. 4; Beschluss vom 30. Juli 2013 - 2 StR 174/13, NStZ-RR 2013, 340; Beschluss vom 25. Mai 2011 - 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309; Beschluss vom 19. Mai 2009 - 3 StR 191/09, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 5 mwN). Dabei kann es zwar auch ausreichend sein, dass sich der Täter nur wegen seines übermäßigen Konsums berauschender Substanzen in dem „sozialen Milieu“ aufgehalten hat, in dem es zu der Tat kam (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014 - 1 StR 531/13, NStZ 2014, 107; zum sog. indirekten symptomatischen Zusammenhang Schöch in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 40; SSW-StGB/Kaspar, 2. Aufl., § 64 Rn. 27). Hierzu bedarf es aber konkreter Feststellungen und einer am Fall orientierten Bewertung (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 64 Rn. 13). Dafür reicht die lediglich allgemein gehaltene und nicht durch bestimmte Tatsachen belegte Erwägung des Landgerichts nicht aus.

b) Zur Begründung seiner Annahme einer hinreichend konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg (§ 64 Satz 2 StGB) hat das Landgericht lediglich ausgeführt, dass der Angeklagte Krankheits- und Behandlungseinsicht gezeigt und in der Hauptverhandlung eine ausreichende Therapiemotivation zu erkennen gegeben habe (UA 68). Damit wird die Strafkammer den rechtlichen Anforderungen, die an die Bejahung einer konkreten Erfolgsaussicht zu stellen sind, nicht gerecht. Zwar handelt es sich bei den angeführten Gesichtspunkten um prognosegünstige Umstände (vgl. van Gemmeren in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 64 Rn. 67 mwN). Sie allein vermögen die Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht aber nicht zu belegen, wenn nach den Feststellungen - wie hier - auch gewichtige prognoseungünstige Faktoren bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 - 5 StR 37/14, NStZ 2014, 315; Beschluss vom 21. Januar 2014 - 2 StR 650/13, Rn. 5 ff.). In einem solchen Fall bedarf es einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen prognoserelevanten Umstände (BGH, Beschluss vom 25. Mai 2011 - 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309; Urteil vom 21. Juli 2000 - 1 StR 263/00, NJW 2000, 3015, 3016). Hieran fehlt es. Der vielfach vorbestrafte Angeklagte ist berufslos und hat lediglich „Gelegenheitsjobs“ ausgeübt. Seit seinem 16. Lebensjahr konsumiert er täglich Betäubungsmittel. Von dem Sachverständigen wird er als unreife und unselbstständige Persönlichkeit mit dependenten Zügen und dissozial krimineller Prägung beschrieben. Im Jahr 2012 brach er eine stationäre Drogentherapie nach drei Monaten wegen eines Trauerfalls ab. Eine sich anschließende ambulante Therapie scheiterte. Eine ihm am 1. Dezember 2012 gewährte Rückstellung nach § 35 BtMG musste widerrufen werden. Alle genannten Umstände sind prognoseungünstig (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 2014 - 5 StR 37/14, NStZ 2014, 315; Schalast in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 3, S. 341; van Gemmeren in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 64 Rn. 65 mwN) und hätten daher der Erörterung bedurft.

3. Die weitere Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass das in der Vereinbarung des Betäubungsmittelgeschäftes über drei Kilogramm Marihuana zu einem Preis von 18.000 Euro und dem anschließenden Transport des Rauschgiftes zum Übergabeort liegende (bewaffnete) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit dem Besitzverlust des Angeklagten und der in der Flucht des Geschädigten liegenden endgültigen Verweigerung einer Bezahlung beendet war (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 1997 - 2 StR 520/96, NJW 1998, 168, 170).

III.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:

1. Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB liegt erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (BGH, Beschluss vom 9. September 2014 - 4 StR 251/14, NStZ 2015, 278; Beschluss vom 18. Juni 2013 - 4 StR 145/13, Rn. 7; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 315b Rn. 5, 17). Hierzu sind konkrete Feststellungen erforderlich, aus denen sich ergibt, dass durch die Tathandlung ein so hohes Verletzungs- oder Schädigungsrisiko begründet worden ist, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob es zu einer Rechtsgutsverletzung kommt (BGH, Beschluss vom 26. Juli 2011 - 4 StR 340/11, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Gefährdung 6; Urteil vom 30. März 1995 - 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 315b Rn. 16). Die Gefährdung des dem Täter nicht gehörenden, aber als Tatwerkzeug benutzten Fahrzeugs genügt dazu nicht (BGH, Urteil vom 16. Januar 1992 - 4 StR 509/91, NStZ 1992, 233, 234). Der neue Tatrichter wird diese Grundsätze - näher als bisher geschehen - in den Blick zu nehmen haben.

2. Nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel, wie das in Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG gelistete Marihuana, können nach ständiger Rechtsprechung fremde bewegliche Sachen und damit Tatobjekt eines Raubes oder Diebstahls sein (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2015 - 4 StR 538/14, StraFo 2015, 216 [schwerer Raub von Marihuana]; Urteil vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 239/09, NStZ 2010, 222, 223 [Diebstahl von Haschisch]; Urteil vom 4. September 2008 - 1 StR 383/08, NStZ-RR 2009, 22, 23 [Diebstahl von Marihuana]; Beschluss vom 20. September 2005 - 3 StR 295/05, NJW 2006, 72 [Raub von Heroin]; Urteil vom 20. Januar 1982 - 2 StR 593/81, BGHSt 30, 359, 360 [Diebstahl von Haschisch]; Beschluss vom 4. Dezember 1981 - 3 StR 408/81, BGHSt 30, 277, 278 [versuchter Diebstahl von Haschisch]; Oglakcioglu, ZJS 2010, 340, 344 f.; Vitt, NStZ 1992, 221; Kotz in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 29 BtMG Rn. 1084; SSW-StGB/Kudlich, 2. Aufl., § 242 Rn. 16; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 242 Rn. 5; a.A. Wolters in Festschrift Samson, 2010, S. 495, 500 ff.; Schmitz in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 242 Rn. 14; Engel, NStZ 1991, 520; krit. in Bezug auf den Gewahrsamsbegriff Hillenkamp in Festschrift für Achenbach, 2011, S. 189, 205). Sollte der neue Tatrichter (wiederum) zu der Feststellung gelangen, dass der Angeklagte dem Geschädigten das Marihuana gewaltsam abgenommen hat, wäre diese Tat auch dann nicht nach § 859 Abs. 2 BGB (Besitzkehr) gerechtfertigt, wenn - gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes - davon ausgegangen werden müsste, dass ihm der Besitz zuvor von dem Geschädigten durch verbotene Eigenmacht entzogen und der Geschädigte danach von dem Angeklagten „auf frischer Tat verfolgt wurde“. Die Besitzschutzrechte und damit auch die Besitzkehr nach § 859 Abs. 2 BGB sind Ausdruck eines allgemeinen Friedensschutzes, indem sie die auf dem Besitz beruhende vorläufige Güterzuordnung aufrecht erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2001 - V ZR 389/99, NJW 2001, 1865, 1867; Urteil vom 23. Februar 1979 - V ZR 133/76, NJW 1979, 1359, 1360; Sosnitza, Besitz und Besitzschutz, 2003, S. 37 f.). Für ihre Anwendung ist aber kein Raum, wenn der konkrete Besitz als solcher bei Strafe verboten ist (zum Besitzschutz bei lediglich fehlerhaftem, nicht strafbewehrtem Besitz vgl. RG, Urteil vom 11. Juni 1926 - I 159/26, RGSt 60, 273, 277 f.) und eine im Anschluss an eine Besitzentziehung geübte Besitzkehr deshalb - wie hier - erneut zu einer strafrechtswidrigen Besitzlage führen würde. Aus dem gleichen Grund kann für den Verlust des Besitzes an Betäubungsmitteln auch kein Schadensersatz durch Wiedereinräumung des Besitzes im Wege einer Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB verlangt werden (BGH, Urteil vom 7. August 2003 - 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 326 f.; vgl. Hillenkamp in Festschrift für Achenbach, 2011, S. 189, 205).

3. Sollte der neue Tatrichter wiederum die DNA-analytische Untersuchung des Hessischen Landeskriminalamts vom 10. September 2013 als Beweismittel heranziehen, wird er die für derartige Gutachten bestehenden Darstellungsanforderungen zu beachten haben (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 1 StR 364/14, NStZ-RR 2015, 87; Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454).

HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 797

Externe Fundstellen: NJW 2015, 2898 ; NStZ 2015, 571 ; StV 2015, 630

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel