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HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 99

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 485/08, Beschluss v. 18.11.2008, HRRS 2009 Nr. 99


BGH 4 StR 485/08 - Beschluss vom 18. November 2008 (LG Saarbrücken)

Mangelnde Feststellungen für einen "Kontoeröffnungsbetrug" (Betrug mit EC-Karten und Schecks; Vermögensschaden: schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung, POZ-System und POS-System).

§ 263 StGB; § 266b StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar ein vollendeter Betrug schon dann vorliegen, wenn der Täter unter Vorlage eines gefälschten Personalausweises und Täuschung über seine Zahlungswilligkeit bei einer Bank ein Konto eröffnet und ihm - antragsgemäß - eine EC-Karte (Eurocheque-Karte) und Schecks ausgehändigt werden (vgl. BGHSt 47, 160, 167 m.w.N.). Jedoch betreffen diese Entscheidungen Fälle, in denen die Kartenzahlung oder die Einlösung des Schecks von der Bank garantiert wurde oder eine Rückgabe der Lastschrift nicht möglich war (BGH aaO S. 164 f.).

2. Diese Rechtsprechung ist jedoch insoweit nicht mehr aufrechtzuerhalten, als der garantierte Scheckverkehr in seiner gebräuchlichen Form zum 31. Dezember 2001 aufgegeben wurde und EC-Karten in Zahlungssystemen wie dem POZ-System eingesetzt werden, in denen die kartenausgebende Bank regelmäßig keine Garantie für die Zahlung übernimmt. Ein etwaiger Schaden durch die Kartenbenutzung tritt in diesen Fällen nicht bei der Bank, sondern beim jeweiligen Geschäftspartner ein (BGHSt 47, 160, 171).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 4. Juni 2008 mit den Feststellungen aufgehoben

a) soweit der Angeklagte in den Fällen B. 1. bis 3. verurteilt wurde und

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen und versuchten Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den vom Landgericht zu den Fällen B. 1. bis 3. getroffenen Feststellungen eröffneten die gesondert verfolgten K. und/oder C. zwischen November 2006 und Februar 2007 bei der Bank C. M. in Frankreich, der Deutschen Kreditbank und der VR-Bank-Konten, um mit den ihnen überlassenen EC- und Scheckkarten "Verwertungsbetrugshandlungen" zu begehen. Die durch den Einsatz der EC-Karten und Schecks herbeigeführten Kontobelastungen bei der C. M. von mehr als 30.000 € und bei der VR-Bank wurden jedoch wegen fehlender Deckung zurückgebucht, bei der Deutschen Kreditbank kam es durch Barabhebungen und Einkäufe mittels der EC-Karte zu einem Schaden von über 7.500 €.

2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen "Kontoeröffnungsbetrugs" zum Nachteil der Banken nicht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar ein vollendeter Betrug schon dann vorliegen, wenn der Täter unter Vorlage eines gefälschten Personalausweises und Täuschung über seine Zahlungswilligkeit bei einer Bank ein Konto eröffnet und ihm - antragsgemäß - eine EC-Karte (Eurocheque-Karte) und Schecks ausgehändigt werden (vgl. BGHSt 47, 160, 167 m.w.N.). Jedoch betreffen diese Entscheidungen Fälle, in denen die Kartenzahlung oder die Einlösung des Schecks von der Bank garantiert wurde oder eine Rückgabe der Lastschrift nicht möglich war (BGH aaO S. 164 f.). Der garantierte Scheckverkehr wurde in seiner gebräuchlichen Form jedoch zum 31. Dezember 2001 aufgegeben (Radtke in MünchKomm-StGB § 266 b Rdn. 8; Baier ZRP 2001, 454). Seitdem werden ec-Karten (electronic-cash-Karten) im Rahmen unterschiedlicher Zahlungssysteme eingesetzt, überwiegend im sog. POZ-System, also im elektronischen Lastschriftverfahren, oder im POS-System, bei dem es unmittelbar zu einer Abbuchung kommt (vgl. Radtke aaO § 266 b Rdn. 9, 11; Cramer in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 263 Rdn. 29 a, 30). Vor allem im POZ-System übernimmt die kartenausgebende Bank jedoch anders als im POS-System regelmäßig keine Garantie für die Zahlung; ein etwaiger Schaden durch die Kartenbenutzung tritt in diesen Fällen daher nicht bei der Bank, sondern beim jeweiligen Geschäftspartner ein (BGHSt 47, 160, 171; Fischer StGB 55. Aufl. § 263 Rdn. 34 a, § 266 b Rdn. 6 a, 9).

Auf welchem Weg in den von der Strafkammer abgeurteilten Fällen die Kontobelastungen bei Zahlungen mittels der ec-Karten erfolgen sollten und erfolgten, hat das Landgericht jedoch ebenso wenig festgestellt wie bei der Belastung des Kontos bei der C. M. mittels der Schecks oder bei der Deutschen Kreditbank durch Barabhebungen. Auch wird nicht mitgeteilt, ob es zu diesen Kontobelastungen etwa infolge eines durch Täuschung erlangten Überziehungskredits oder eines (bei Kontoeröffnung) vorhandenen Guthabens kommen konnte. Dessen bedurfte es jedoch, um überprüfen zu können, ob - wie die Strafkammer annimmt - bereits mit der Kontoeröffnung oder der Überlassung der EC-Karten und Schecks die Bank eine Vermögensverfügung vorgenommen hat und bei ihr schon damit eine schadensgleiche Vermögensgefährdung eingetreten ist (vgl. BGHSt 47, 160, 171).

3. Die deshalb gebotene Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten in den Fällen B. 1. bis 3. zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.

Für die neue Verhandlung weist der Senat bezüglich der Frage, ob bei einem Betrug zum Nachteil der C. M. deutsches Strafrecht anzuwenden ist, auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 13. Oktober 2008 hin.

HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 99

Externe Fundstellen: NStZ 2009, 329; StV 2009, 245

Bearbeiter: Karsten Gaede