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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 525/96, Urteil v. 26.02.1997, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 525/96 - Urteil vom 26. Februar 1997 (OLG Stuttgart)

BGHSt 43, 1; geheimdienstliche Agententätigkeit für das MfS (tatbestandliche Handlungseinheit; Beendigung der Tat; Beginn der Verjährung).

§ 99 StGB; § 78a StGB

Leitsatz

Zur Frage der Verjährung einer jahrzehntelang ausgeübten geheimdienstlichen Agententätigkeit. (BGHSt)

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 2. Juli 1996 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie auf den Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts für die Dauer von drei Jahren erkannt. Mit seiner Revision macht der Angeklagte Strafverfolgungsverjährung geltend, erhebt Verfahrensrügen und die Sachrüge. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Das Oberlandesgericht hat festgestellt, daß der Angeklagte 1974 als Student der Elektrotechnik, zunächst ohne es zu erkennen, mit dem Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (MfS) in Kontakt kam. Nach anfänglichem Zögern verpflichtete er sich im Frühjahr 1975 etwa zur Zeit des Abschlusses seines Studiums ohne besondere finanzielle Interessen schriftlich zur Zusammenarbeit mit dem MfS, nämlich zum "Gedankenaustausch und (der) Tätigkeit zur Friedenssicherung" (UA S. 8). Die vom Angeklagten dem MfS in den Anfangsjahren mitgeteilten Tatsachen werden nur allgemein mit Berichten "aus seinem persönlichen und beruflichen Umfeld" (UA S. 12 bis 14) umschrieben. Im Vordergrund der Beziehung stand die Kontaktpflege (UA S. 12 f.).

Der Angeklagte trat am 1. Januar 1976 eine Arbeitsstelle bei der Firma D. in F. an, wurde am 27. März 1979 durch das Bundesministerium für Wirtschaft zum Umgang mit Verschlußsachen ermächtigt und in einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag zur Geheimhaltung verpflichtet. 1976 bis 1979 fanden mit seinem Instrukteur jährlich zwei, 1980 und 1981 je vier Treffs statt. 1981 wechselte der Angeklagte als Programmingenieur in die Abteilung, die mit der Weiterentwicklung von Kampf- und Trainingsflugzeugen, also im militärischen Bereich tätig war. Dort war er vom 1. Mai 1981 bis 31. Januar 1986 vor allem mit dem Projekt "Kampfwertsteigerung Alpha-Jet" beschäftigt. Über dieses Projekt leitete der Angeklagte dem MfS zunächst bis Frühjahr 1982 (UA S. 23 bis 31) und dann ab Herbst 1983 bis Juli 1985 (UA S. 32 bis 44) eine Reihe im einzelnen festgestellter Informationen und Dokumente zu. 1982 war zwischen dem Angeklagten und seinem Instrukteur wegen der Krebserkrankung der Ehefrau des Angeklagten und dessen daraus resultierender häuslicher Belastung eine Pause von sechs Monaten vereinbart worden (UA S. 10). In diesem Jahr kam es nur zu zwei, danach wieder zu vier Treffs jährlich.

Nach Abwicklung des Projekts Alpha-Jet war der Angeklagte vom 1. Februar 1986 bis August 1989 (UA S. 5) bei der Firma D. mit der Entwicklung eines Systems zur Überwachung des Luftraums in Europa befaßt (UA S. 44). Auch von diesem Wissen der Hochtechnologie, das keine militärischen Geheimnisse betraf (UA S. 47), gab der Angeklagte Informationen und schriftliche Unterlagen an das MfS.

Zwischenzeitlich hatte sich der Angeklagte beim S. in H. beworben, das für die Nato Waffensysteme plant und entwickelt. Anfang März 1989 wurde ihm mitgeteilt, daß er für eine kurzfristig freigewordene Stelle ausgewählt werde. Weil mit weiteren Sicherheitsüberprüfungen zu rechnen war und um jeglicher Gefahr einer Aufdeckung aus dem Wege zu gehen, wurde der Instrukteur des Angeklagten von seinen Vorgesetzten "angewiesen, die nachrichtendienstliche Verbindung für etwa ein halbes bis ein dreiviertel Jahr ruhen zu lassen". Das teilte der Instrukteur dem Angeklagten bei dem letzten Treff Ende März/Anfang April 1989 mit, bei dem bereits kein Material mehr übergeben wurde. Ein neuer Trefftermin wurde nicht festgesetzt (UA S. 49). Der Angeklagte war aber zu weiterem Verrat bereit. Hierzu kam es wegen der politischen Entwicklung in der ehemaligen DDR im Herbst 1989 nicht mehr. Das MfS hatte vorgesehen, daß zu ihm auch im Kriegs- oder Spannungsfall die Verbindung aufrechterhalten würde (UA S. 50).

Nach der Wertung des Oberlandesgerichts hat sich der Angeklagte der geheimdienstlichen Agententätigkeit von Frühjahr 1975 bis November 1989 schuldig gemacht. Zwar habe der letzte Treff Ende März/Anfang April 1989 stattgefunden. Aber die geheimdienstliche Agententätigkeit habe aus Gründen der Konspiration geruht, um weitere nachrichtendienstliche Aktivitäten zu sichern. Eine Beendigung der Tat mit dem Beginn der Strafverfolgungsverjährung gemäß § 78 a StGB könne "unter diesen Umständen erst dann eintreten, wenn die geheimdienstliche Agententätigkeit endgültig eingestellt, die Verbindung also abgebrochen" werde (UA S. 66). Dies sei erst im November 1989 der Fall gewesen, so daß die Strafverfolgungsverjährung nach § 78 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB rechtzeitig durch die erste Vernehmung des Angeklagten am 12. April 1994 unterbrochen worden sei. Die Tat sei auch nicht teilweise durch die etwa sechsmonatige Unterbrechung im Jahr 1982 verjährt, weil die geheimdienstliche Agententätigkeit nicht endgültig eingestellt gewesen und fortgesetzt worden sei.

Die Wertung des Oberlandesgerichts zur Beendigung der Tat ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Verfahrenshindernis der Strafverfolgungsverjährung besteht nicht.

Die fünf Jahre betragende Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. § 99 Abs. 1 StGB) beginnt nach § 78 a StGB, sobald die Tat beendet ist. Beendet im Sinne dieser Vorschrift war die Tat erst mit dem endgültigen Abbruch der geheimdienstlichen Beziehung, den das Oberlandesgericht - nicht zum Nachteil des Angeklagten - mit dem Fall der Mauer im November 1989 und nicht mit dem Beitritt der ehemaligen DDR zum Bundesgebiet am 3. Oktober 1990 angenommen hat. Die länger zurückliegenden Handlungen des Angeklagten ab Frühjahr 1975 sind trotz der nur fünf Jahre betragenden Frist zur Verfolgungsverjährung ebenfalls nicht verjährt, weil die geheimdienstliche Agententätigkeit des Angeklagten nur eine einzige Tat im Rechtssinne ist, bei der auch die vor der vereinbarten Treffpause im Jahre 1982 liegenden Tatteile nicht verjährt sind.

Der Senat hat in seiner zum Abdruck in BGHSt bestimmten Entscheidung vom 7. August 1996 - 3 StR 318/96 - (NStZ 1997, 79) unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung und Literatur zur Aufgabe des Rechtsinstituts der fortgesetzten Handlung festgestellt, daß es sich bei dem Ausüben der geheimdienstlichen Agententätigkeit nicht um ein Dauerdelikt, sondern um einen sonstigen Fall tatbestandlicher Handlungseinheit handelt.

Auszugehen ist von dem Begriff der tatbestandlichen Handlungseinheit im Sinne einer rechtlichen Handlungseinheit, die sich aus einer im Tatbestand selbst enthaltenen pauschalierenden Handlungsbeschreibung ergibt. Anders als bei der natürlichen Handlungseinheit ist hierfür kein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang des strafbaren Verhaltens zu fordern. Vielmehr können zwischen den einzelnen tatbestandserfüllenden Teilakten erhebliche Zeiträume liegen (vgl. Werle, Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, Fortsetzungstat und zeitlich gestreckter Gesetzesverletzung, Berlin, 1981, S. 100 f.). Die räumlich-zeitliche Nähe ist keine der Rechtsordnung vorgegebene feste Größe (Werle aaO).

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestand, soweit ersichtlich, bislang noch kein Anlaß, bei anderen Strafbestimmungen über sonstige tatbestandliche Handlungseinheiten mit einer jahrzehntelangen Dauer zu befinden. Aber stets ist anerkannt gewesen, daß die Verwirklichung einer Strafvorschrift, bei der verschiedene Handlungen in einem pauschalierenden Begriff zu einem Tatbestandsmerkmal zusammengefaßt sind, jedenfalls ein bis zwei Jahre dauern können. Das gilt für Verstöße gegen die Buchführungspflicht, die die Buchführung insgesamt unordentlich machen (BGH NStZ 1995, 347; BGHSt 3, 23), für die gröbliche Verletzung der Fürsorgepflicht mit erheblicher Schädigung des Schutzbefohlenen nach § 170 d StGB (BGHSt 8, 92), für das Quälen im Sinne von § 223 b StGB (BGH NJW 1995, 2045), für das unbefugte Führen von Titeln nach § 132 a StGB (BGH GA 1965, 373), für das Ausüben eines verbotenen Berufes gemäß § 145 c StGB (BGH NStZ 1991, 549), aber auch für die Rädelsführerschaft nach §§ 90 a, 129 StGB aF (BGHSt 15, 259, 262) und das Nachrichtensammeln gemäß § 92 StGB aF (BGHSt 16, 26, 32/33). Dabei ist zu bedenken, daß länger dauernde Handlungseinheiten bis zum Beschluß des Großen Senats für Strafsachen zur fortgesetzten Handlung (BGHSt 40, 138) unschwer mit der Annahme von Fortsetzungszusammenhang zu einer Tat zusammengefaßt werden konnten. Durch diese Entscheidung ist zwar der Konstruktion eine Absage erteilt worden, die in Fällen wiederholter Tatbegehung mit der Annahme von Fortsetzungszusammenhang zu einer viele Jahre dauernden einzigen Tat führten und ohne Grundlage im Tatbestand mit pauschalierenden Begriffen wie dem "familiären Beziehungsgeflecht" beim Kindesmißbrauch, der "institutionalisierten" Steuerhinterziehung (BGHSt 40, 195) oder dem "eingespielten Bezugs- und Absatzsystem" beim unerlaubten Betäubungsmittelhandel (BGH NStZ 1994, 494) umschrieben wurden. Das besagt aber, anders als die Revision meint, nichts für pauschalierende Handlungsbeschreibungen in einem gesetzlichen Tatbestand.

Die pauschalierende Handlungsbeschreibung des Ausübens der geheimdienstlichen Agententätigkeit erfaßt als eine jeweils abgeschlossene und im Sinne von § 78 a StGB beendete Straftat nicht etwa jedes Treffen des Agenten mit seinem Verbindungsmann oder jede Einzellieferung von Verratsmaterial. Das Wort "Ausüben" beinhaltet durchaus ein fortlaufendes Tätigwerden (vgl. § 145 c StGB). Die strafrechtlich oft neutralen Tätigkeiten des Agenten erhalten ihr Unwerturteil durch die Verknüpfung mit dem Adjektiv "geheimdienstlich", das seinerseits eine Verbindung zu einem fremden Dienst voraussetzt, die regelmäßig auf Dauer angelegt ist (BGHR StGB § 99 Ausüben 1).

Bei dem Ausüben der geheimdienstlichen Agententätigkeit handelt es sich um einen Tatbestand, der zwar schon durch eine Einzelhandlung verwirklicht sein kann, der aber seinem Sinne nach ein über den Einzelfall hinausreichendes, auf gleichartige Tatwiederholung gerichtetes Verhalten, somit ganze Handlungskomplexe treffen soll (BGHSt 40, 138, 164). Auch Geppert sieht in dem Tatbestand der geheimdienstlichen Agententätigkeit "ein geradezu klassisches Beispiel tatbestandlicher Handlungseinheit", weil die Norm "bereits nach ihrer tatbestandlichen Formulierung ('Ausübung geheimdienstlicher Tätigkeit') eine Mehrzahl von Einzeltätigkeiten (z.B. Telefonate an den Auftraggeber, Ablichtung geheimer Dokumente, Erpressung von Geheimnisträgern u.ä.)" erfaßt, es sich somit "um einen Deliktstatbestand (handelt), der bereits nach seiner tatbestandlichen Struktur auf die Erfassung von Handlungskomplexen gerichtet ist" (NStZ 1996, 57, 59).

Ein solcher Handlungskomplex beim Ausüben der geheimdienstlichen Agententätigkeit nach § 99 StGB darf nicht entgegen dem Sinn und Zweck der Vorschrift eingeengt werden. Anders als bei Bestechungshandlungen kann in den Fällen des § 99 StGB nicht nur das als eine tatbestandliche Handlungseinheit angesehen werden, was auf eine die deliktische Tätigkeit vorwegnehmende Unrechtsvereinbarung zurückgeht. Bei dem Ausüben der geheimdienstlichen Agententätigkeit gilt das Argument nicht, eine andere Auslegung könne zu Taten führen, bei denen zu Beginn nicht zu überblicken sei, welchen sachlichen und zeitlichen Umfang sie schließlich haben werden, damit werde der Begriff der Tat gesprengt (BGH NStZ 1995, 92; BGHSt 41, 292, 302/303 mit Anm. Schlüchter/Duttge NStZ 1996, 465 f.; BGHR StGB vor § 1 Serienstraftaten, Bestechung 1; vgl. ferner zur Bewertungseinheit beim unerlaubten Betäubungsmittelhandel BGHSt 30, 28 und zu Kartellabsprachen BGHSt 41, 385). Denn der Tatbestand des § 99 StGB will gerade auch die langdauernden Agentenverhältnisse mit "open-end"-Charakter erfassen. Art und Umfang der Agententätigkeit lassen sich bei der Eigenart des geheimdienstlichen Vorgehens in der Regel nicht im voraus festlegen. Wenn auch der Gesetzgeber anders als in der Vorgängervorschrift des § 100 e StGB aF das bloße "Unterhalten von Beziehungen" zu einem fremden Dienst nun nicht mehr unter Strafe gestellt und die Vorschrift des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB als Tätigkeitsdelikt ausgestaltet hat, darf nicht verkannt werden, daß der Tatbestand mit dem Merkmal "geheimdienstlich" eine regelmäßig auf Dauer angelegte Verbindung zu einem fremden Dienst erfaßt. Der Wortlaut des Tatbestands "stellt klar, daß nicht jede Beziehung zu einem fremden Geheimdienst mit Strafe bedroht ist; erforderlich ist ein aktives Verhalten, mit dem sich der Täter in den Dienst des fremden Geheimdienstes stellt" (BVerfGE 57, 250, 265). Nicht erfaßt werden Personen, die lediglich ein passives Objekt der Ausforschungstätigkeit des fremden Geheimdienstes sind (BVerfG aaO 266). Der Angeklagte hat sich aber aktiv "in den Dienst" des MfS gestellt. Die während dieses "Dienstes" insgesamt ausgeübte geheimdienstliche Agententätigkeit wird als ein Handlungskomplex von der Vorschrift als tatbestandliche Handlungseinheit zusammengefaßt.

Daraus folgt gleichzeitig, daß die vereinbarte Treffpause wegen der Erkrankung der Ehefrau des Angeklagten im Jahr 1982 keinen Einfluß auf die Beurteilung der tatbestandlichen Handlungseinheit hat. Das "Dienstverhältnis" des Angeklagten zum MfS wurde davon nicht berührt. Wegen der äußeren Gegebenheiten wurde lediglich die Treff-Frequenz von vier auf zwei im Jahr 1982 vermindert, um danach in gewohntem Umfang fortgeführt zu werden.

Aus rechtsstaatlichen Gründen ist es nicht geboten, eine lang andauernde Tat wie die als eine einzige Tat anzusehende 14jährige geheimdienstliche Agententätigkeit des Angeklagten zu begrenzen, um die Möglichkeit der Verfolgungsverjährung für die länger als fünf Jahre zurückliegenden Tatteile zu eröffnen und deren Aburteilung auszuschließen (vgl. BGHR StGB vor § 1 fortgesetzte Handlung, Gesamtvorsatz 10). Zwar ist der Revision zuzugeben, daß die Hinauszögerung des Verjährungsbeginns bis zur Beendigung des letzten Tatteiles und die auf die gesamte Tat erstreckten Wirkungen von Unterbrechungshandlungen (§ 78 c StGB) dazu führen, daß bei einem sehr langen Ausüben der geheimdienstlichen Agententätigkeit auch jahrzehntelang zurückliegende Tatteile nicht verjähren. Das ist aber die Folge der materiell-rechtlichen Einheit der Tat in dem weit gefaßten gesetzlichen Tatbestand und ist nicht anders zu beurteilen als etwa bei der Dauerstraftat der Freiheitsberaubung (§ 239 StGB), wenn diese zehn oder zwanzig Jahre andauert.

Die Tat des Angeklagten wurde auch nicht durch den von beiden Seiten, also vom MfS und dem Angeklagten, gewollten Abschluß der Verratstätigkeit bei dem Ausspähungsobjekt D. in F. mit dem letzten Treffen Ende März/Anfang April 1989, bei dem kein Material mehr geliefert wurde, beendet. Denn der Angeklagte hatte seine geheimdienstliche Agententätigkeit nicht aufgekündigt. Im Gegenteil: Er war nach wie vor zu weiterem Verrat, und zwar nun wieder von militärischem Wissen (UA S. 49/50), bereit, nämlich nach den Wünschen des MfS aus seinem neuen sicherheitsempfindlichen Tätigkeitsbereich bei dem neuen Arbeitgeber, dem S. in H., Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse mitzuteilen oder zu liefern, die die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland als Nato-Mitglied berührten. Nach wie vor hat er sich in den Dienst des MfS gestellt und seine Kontakte zum MfS auf dessen Anweisung lediglich vorübergehend unterbrochen, um zur Sicherung späterer - wichtigerer - nachrichtendienstlicher Aktivitäten jeglicher Gefahr einer Aufdeckung aus dem Wege zu gehen (vgl. BGHR StGB § 99 Ausüben 2).

Zwar hatte der Angeklagte seine aktive Tätigkeit bei der Firma D. abgeschlossen, nicht aber die Tat als solche beendet. Denn die Beendigung der Tat tritt erst in dem Zeitpunkt ein, in dem das Tatunrecht seinen tatsächlichen Abschluß findet. Vom Schrifttum gegen diesen Beendigungsbegriff meist aus Art. 103 Abs. 2 GG hergeleitete Bedenken berühren nicht die Frage der Verjährung. Diese kann sinnvollerweise erst einsetzen, wenn der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abgeschlossen hat. Vorher besteht kein Anlaß, durch den Beginn der Verjährungsfrist einen Verfolgungsverzicht in Aussicht zu stellen (Jähnke in LK 11. Aufl. § 78 a Rdn. 3 m.w.Nachw.).

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB ein Tätigkeitsdelikt ist und ein Angeklagter den Tatbestand nicht erfüllen kann, wenn er gerade nicht tätig ist, sondern sich nur etwa im Sinne des § 99 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu weiterer Tätigkeit bereit erklärt hat, mit der Folge, daß dann ab diesem Zeitpunkt, nämlich dem letzten Treff, der Lauf der Verfolgungsverjährung einsetzen würde. Wenn auch nach der Entscheidung des Gesetzgebers durch die Tatbestandsalternative des § 99 Abs. 1 Nr. 2 StGB der Tatbestand der geheimdienstlichen Agententätigkeit über die aktive Tätigkeit eines Agenten hinaus erweitert werden sollte (Protokolle des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, 5. Wahlperiode, 81. Sitzung, S. 1629), so besagt dies noch nichts zur Beurteilung einer bloßen Unterbrechung der Tätigkeit eines aktiven Agenten. Denn gegenüber dem Ausüben einer Tätigkeit nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist das Sichbereiterklären nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 StGB subsidiär. Für die den Lauf der Verjährungsfrist in Gang setzende Beendigung der geheimdienstlichen Agententätigkeit ist entscheidend, daß die Tätigkeit im Rahmen einer Beziehung ausgeübt wird. Wenn diese nicht abgebrochen wird, sondern die Agententreffs fortgesetzt werden sollen, sobald dies zur Wahrung der Geheimhaltungsbelange und zur Sicherung der Effektivität der weiteren Ausspähung sinnvoll erscheint, hat die geheimdienstliche Tätigkeit nicht ihren tatsächlichen Abschluß gefunden. Denn mit dem Aufrechterhalten der Beziehung, dem "Im-Dienst-Bleiben", besteht ein spezifisches Teilelement der geheimdienstlichen Agententätigkeit fort.

Auch das übrige Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg.

Die Verfahrensrügen entsprechen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Bei der Rüge der Verletzung des § 54 StPO hat der Angeklagte die Verfahrenstatsache der Verlesung des mehrseitigen Schreibens des Bundesministers des Inneren durch den Vorsitzenden nicht mitgeteilt; die Verletzung des Beweisantragsrechts ist unzulässig, nämlich ohne inhaltlich vollständige Wiedergabe des ablehnenden Gerichtsbeschlusses gerügt worden. Die Aufklärungsrüge läßt - schon wegen der unvollständigen Mitteilung des entsprechenden Beweisantrages - nicht erkennen, warum sich das Gericht zu einer solchen Beweiserhebung hätte gedrängt sehen sollen, die es im übrigen durch einen - ebenfalls nicht vorgetragenen - begründeten Beschluß abgelehnt hat.

Die Strafzumessungserwägungen geben zu rechtlichen Beanstandungen keinen Anlaß. Straferschwerend wurde dem Angeklagten nicht sein beruflicher Aufstieg zur Last gelegt, sondern in zulässiger Weise seine gesteigerte Gefährlichkeit im Laufe seines Berufsweges.

Externe Fundstellen: BGHSt 43, 1; NJW 1997, 1715; NStZ 1997, 487

Bearbeiter: Rocco Beck