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HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 659

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 156/15, Beschluss v. 09.06.2015, HRRS 2015 Nr. 659


BGH 3 StR 156/15 - Beschluss vom 9. Juni 2015 (LG Neubrandenburg)

Rechtsfehlerhafte Verfallsanordnung.

§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 11. Dezember 2014

im Schuld- und Strafausspruch dahingehend klargestellt, dass der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt ist;

im Ausspruch über den Wertersatzverfall mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Rostock zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 21.137,80 € angeordnet. Von dem Vorwurf, in weiteren 31 Fällen ebenfalls mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben, hatte es den Angeklagten freigesprochen. Dieses Urteil hat der Senat auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden war. Auf die Revision des Angeklagten hat er es im Ausspruch über den Wertersatzverfall wegen unzureichender Erörterung der Härtevorschrift (§ 73c StGB) aufgehoben (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2014 - 3 StR 373/13, StV 2014, 665 [Ls]). Die weitergehende Revision des Angeklagten hat er verworfen.

Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten wegen 13 weiterer Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt und aus den Einzelstrafen für diese sowie für die rechtskräftig festgestellten Taten eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten gebildet. Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 25.000 € angeordnet. Hiergegen richtet sich die erneute Revision des Angeklagten mit sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat nur den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet, § 349 Abs. 2 StPO.

Der Schuld- und Strafausspruch weisen keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der Senat hat lediglich die Urteilsformel dahin klargestellt, dass die Gesamtzahl der im vorliegenden Strafverfahren abgeurteilten Taten aus ihr hervorgeht. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz hält indes erneut rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Ausgangspunkt für die Verfallsentscheidung ist die Feststellung, was der Täter aus der Tat bzw. den Taten erlangt hat (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB). Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte für die neu abgeurteilten 13 Taten 46.404,60 € erlangt hat. Zur Grundlage seiner Berechnung hat es in Ermangelung von Feststellungen zu den Verkaufspreisen die Preise gemacht, die der Angeklagte an seinen Drogenhändler für den Ankauf von Haschisch und Marihuana jeweils zu zahlen hatte. Insoweit ist der Angeklagte nicht beschwert. Indes belegt die Entscheidung nicht, dass der Angeklagte in dem von der Kammer angenommenen Umfang tatsächlich Betäubungsmittel geliefert bekam und deshalb aus dem Weiterverkauf einen Erlös erlangen konnte. Hierzu im Einzelnen:

Nur im Fall III.2. der Urteilsgründe hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte die bestellte Rauschgiftmenge auch ausgeliefert erhielt. In den anderen Fällen beschränken sich die Feststellungen darauf, dass der Angeklagte eine bestimmte Menge von Betäubungsmitteln bei seinem Lieferanten „bestellte“ oder von ihm „erwarb“. Dies reicht jedenfalls in der vorliegenden Konstellation für die Feststellung einer Lieferung an den Angeklagten nicht aus. Das Landgericht hat seine Überzeugung von den 13 Taten im Wesentlichen auf die Aufzeichnungen gestützt, die der Lieferant des Angeklagten über seine Geschäftstätigkeit in mehreren Terminkalendern gemacht hatte. Diese enthielten in verschleierter Form Angaben über Art und Menge des Rauschgifts, den Preis, den Abnehmer und Zahlungsvorgänge. In einigen Fällen waren die Notizen ganz oder teilweise durchgestrichen. Das Landgericht hat die Bedeutung der Streichungen nicht festzustellen vermocht. Es hat für möglich gehalten, dass damit nur die endgültige Abwicklung des Rauschgiftgeschäfts (Zahlung des Kaufpreises nach Übergabe der Drogen) vermerkt werden sollte. Es hat aber auch nicht ausschließen können, dass die Streichungen vorgenommen worden waren, weil über ein Betäubungsmittelgeschäft zwar ernsthaft verhandelt worden - und damit das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bereits vollendet (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252) - war, der Handel „indes aus welchen Gründen auch immer nicht durchgeführt wurde“ (UA S. 15).

Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist nicht zu entnehmen, in welchem der weiteren zwölf Fälle der Angeklagte das bestellte Rauschgift erhielt. Damit fehlt es an dem Beleg, dass der Angeklagte bei diesen Taten Drogen weiterverkaufen und hieraus einen Erlös erlangen konnte. Über den Verfall von Wertersatz muss deshalb erneut befunden werden.

Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 659

Bearbeiter: Christian Becker