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HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 101

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 318/11, Urteil v. 01.12.2011, HRRS 2012 Nr. 101


BGH 3 StR 318/11 - Urteil vom 1. Dezember 2011 (LG Oldenburg)

Ausschluss des Angeklagten (Abwesenheit bei Entscheidung über die Entlassung eines Zeugen); sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses (Voraussetzungen des Anvertrautseins); sexuelle Nötigung.

§ 247 Satz 2 StPO; § 338 Nr. 5 StPO; § 174c Abs. 1 StGB; § 179 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Das Anvertrautsein gemäß § 174c Abs. 1 StGB setzt weder das Vorliegen einer rechtsgeschäftlichen Beziehung zwischen Täter und Opfer voraus noch kommt es darauf an, ob das Verhältnis auf Initiative des Patienten, Täters oder eines Dritten begründet wurde. Ebenso ist unerheblich, ob die entsprechenden Tätigkeiten innerhalb von geschlossenen Einrichtungen, in der ambulanten Versorgung oder im Rahmen häuslicher Betreuung wahrgenommen werden. Ohne Belang ist zudem, ob tatsächlich eine behandlungsbedürftige Krankheit oder eine Behinderung vorliegt, sofern nur die betroffene Person subjektiv eine Behandlungs- der Beratungsbedürftigkeit empfindet.

2. Das Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnis muss auch nicht von einer solchen - zumindest beabsichtigten - Intensität und Dauer sein, dass eine Abhängigkeit entstehen kann, die es dem Opfer zusätzlich, d.h. über die mit einem derartigen Verhältnis allgemein verbundene Unterordnung unter die Autorität des Täters und die damit einhergehende psychische Hemmung, erschwert, einen Abwehrwillen gegenüber dem Täter zu entwickeln und zu betätigen. Es ist ausreichend, wenn das Opfer eine fürsorgerische Tätigkeit des Täters entgegennimmt.

3. Nach der durch den Großen Senat für Strafsachen (BGHSt 55, 87) bestätigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört die Verhandlung über die Entlassung eines in Abwesenheit des Angeklagten vernommenen Zeugen nicht mehr zu seiner Vernehmung im Sinne des § 247 StPO, sondern bildet einen selbständigen Verfahrensabschnitt und regelmäßig einen "wesentlichen Teil" der Hauptverhandlung. Der Angeklagte, dessen Entfernung aus dem Sitzungssaal für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen angeordnet war, muss daher zur Verhandlung über die Entlassung der Zeugin wieder zugelassen werden.

4. Der im Protokoll enthaltene Vermerk, die Entlassung der Zeugin sei "im allseitigen Einverständnis" geschehen, kann das Einverständnis eines in diesem Moment abwesenden Angeklagten, auf weitere Fragen zu verzichten zu wollen, auch nach einer vorherigen Unterrichtung über den wesentlichen Aussageinhalt der Zeugenvernehmung nicht belegen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 22. März 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.

2. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin B. wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall 6 der Anklage freigesprochen worden ist.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin B. und die dem Angeklagten und den Nebenklägerinnen B. und K. dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die Revision der Nebenklägerin W. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in zwei Fällen (Taten zum Nachteil der Nebenklägerin K.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Vom Vorwurf weiterer vier gleichartiger Straftaten zum Nachteil der Nebenklägerinnen W. und B. hat es den Angeklagten freigesprochen. Die Revision des Angeklagten richtet sich mit Verfahrensbeschwerden und der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gegen die Verurteilung. Die Freisprüche sind Gegenstand der Revisionen der jeweils betroffenen Nebenklägerinnen und - insoweit auf den Vorwurf einer Tat zum Nachteil der Nebenklägerin B. beschränkt - der Staatsanwaltschaft.

Während die Revisionen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin B. jeweils im beantragten Umfang zur Aufhebung des Urteils führen, hat die Revision der Nebenklägerin W. keinen Erfolg.

I. Revision des Angeklagten

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts vollzog der Angeklagte mit der Nebenklägerin K. im Jahr 2004 anlässlich von zwei Osteopathie-Behandlungen jeweils den Geschlechtsverkehr. Er machte sich dabei zunutze, dass die Frau wegen langjährigen, äußerst nachhaltigen sexuellen Missbrauchs durch ihren Vater an einer posttraumatischen Belastungsstörung litt. Sie geriet deshalb - was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm - in dem Augenblick, in dem sich der Angeklagte völlig entkleidete, in den Zustand einer dissoziativen Reaktion, war dadurch wie erstarrt und nicht mehr in der Lage, sich gegen die sexuellen Übergriffe des Angeklagten durch Worte oder Handlungen zu wehren.

2. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Ihr liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Das Landgericht hat für die Dauer der Vernehmung der Nebenklägerin den Angeklagten nach § 247 Satz 2 StPO aus der Hauptverhandlung ausgeschlossen. Nach Abschluss der Vernehmung hat es ihn vom wesentlichen Inhalt der Zeugenaussage unterrichtet. Sodann hat es in erneuter Abwesenheit des Angeklagten über die (Nicht-)Vereidigung der Zeugin entschieden und diese "im allseitigen Einverständnis entlassen".

Da das Landgericht in Abwesenheit des Angeklagten über die Entlassung der Zeugin entschieden hat, ist der absolute Revisionsgrund gemäß § 338 Nr. 5, § 230 Abs. 1 StPO gegeben.

Nach der durch den Großen Senat für Strafsachen (BGH, Beschluss vom 21. April 2010 - GSSt 1/09, BGHSt 55, 87) bestätigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - 4 StR 353/06, NStZ 2007, 352, 353) gehört die Verhandlung über die Entlassung eines in Abwesenheit des Angeklagten vernommenen Zeugen nicht mehr zu seiner Vernehmung im Sinne des § 247 StPO, sondern bildet einen selbständigen Verfahrensabschnitt und regelmäßig einen "wesentlichen Teil" der Hauptverhandlung. Der Angeklagte, dessen Entfernung aus dem Sitzungssaal für die Dauer der Vernehmung der Zeugin K. angeordnet war, musste daher zur Verhandlung über die Entlassung der Zeugin wieder zugelassen werden. Dies ist hier ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht geschehen. Zwar wurde der Angeklagte zuvor in Abwesenheit der Zeugin über den wesentlichen Inhalt von deren Aussage unterrichtet. Dass er im Rahmen der Unterrichtung auf Fragen an die Zeugin verzichtet und sich mit ihrer Entlassung einverstanden erklärt hat, ist indes nicht ersichtlich. Der Angeklagte wurde nach dem unwidersprochenen Sachvortrag der Revision vielmehr weder gefragt, ob er noch Fragen an die Zeugin stellen wolle, noch hat er von sich aus erklärt, keine Fragen mehr stellen zu wollen (dazu BGH, Großer Senat, aaO.; Urteil vom 8. April 1998 - 3 StR 463/97 - und Beschluss vom 19. August 1998 - 3 StR 290/98, BGHR StPO § 247 Abwesenheit 18, 19; Beschluss vom 30. März 2000 - 4 StR 80/00, NStZ 2000, 440). Im Anschluss daran wurde der Angeklagte wieder aus dem Sitzungssaal entfernt. Der im Protokoll enthaltene Vermerk, die Entlassung der Zeugin sei "im allseitigen Einverständnis" geschehen, kann deshalb das Einverständnis des (abwesenden) Angeklagten nicht belegen. Das Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensmangel wird gemäß § 338 Nr. 5 StPO gesetzlich vermutet. Dass sich der Verfahrensverstoß vorliegend ausnahmsweise denkgesetzlich im Urteil nicht ausgewirkt haben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2006 - 4 StR 131/06, NStZ 2006, 713), ist nicht zu erkennen.

II. Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin B.

1. Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zum Nachteil der Nebenklägerin B. freigesprochen. Nach seinen Feststellungen kam es bei einer osteopathischen Behandlung im Mai 2009 zu sexuellen Handlungen des Angeklagten an der Frau. Diese litt aufgrund jahrelanger Misshandlungen und Vergewaltigungen durch den Ehemann an einer posttraumatischen Belastungsstörung und an einer abhängigen Persönlichkeitsstörung. Dem sexuellen Ansinnen des Angeklagten konnte sie sich in der Tatsituation zuerst noch durch Handbewegungen und durch entsprechende verbale Äußerungen entziehen. Erst als der Angeklagte sein Glied entblößt hatte, geriet sie - wie das Landgericht sachverständig beraten ausgeführt hat - in einen Zustand, in dem sie dem Angeklagten aufgrund ihrer seelischen Behinderung keinen Widerstand mehr zu leisten vermochte. Das Landgericht konnte sich aber nicht davon überzeugen, dass der Angeklagte angesichts des dynamischen Geschehens den Eintritt der Widerstandsunfähigkeit erkannte.

Eine Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses (§ 174c Abs. 1 StGB) hat das Landgericht abgelehnt, weil die Nebenklägerin dem Angeklagten mangels eines intensiven, eine Abhängigkeitsbeziehung schaffenden Behandlungsverhältnisses nicht im Sinne der Vorschrift "anvertraut" gewesen sei. Zudem sei dem Angeklagten ein entsprechender Missbrauchsvorsatz nicht nachzuweisen.

2. Während die Beweiswürdigung zum fehlenden Vorsatz des Angeklagten bezüglich des Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person der Überprüfung auf die allgemeine Sachrüge der Beschwerdeführer standhält, muss der Freispruch aufgehoben werden, weil das Landgericht eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 174c Abs. 1 StGB mit rechtsfehlerhafter Begründung verneint hat.

Eine Verurteilung nach dieser Strafnorm erfordert, dass das Opfer dem Täter wegen einer Krankheit oder Behinderung zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut ist und der Täter unter Missbrauch dieses Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses sexuelle Handlungen am Opfer vornimmt oder vom Opfer an sich vornehmen lässt. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen können nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht verneint werden.

a) Dies gilt - entgegen der Auffassung des Landgerichts - insbesondere für das Merkmal des "Anvertrautseins". Dieses setzt weder das Vorliegen einer rechtsgeschäftlichen Beziehung zwischen Täter und Opfer voraus noch kommt es darauf an, ob das Verhältnis auf Initiative des Patienten, Täters oder eines Dritten begründet wurde. Ebenso ist unerheblich, ob die entsprechenden Tätigkeiten innerhalb von geschlossenen Einrichtungen, in der ambulanten Versorgung oder im Rahmen häuslicher Betreuung wahrgenommen werden. Ohne Belang ist zudem, ob tatsächlich eine behandlungsbedürftige Krankheit oder eine Behinderung vorliegt, sofern nur die betroffene Person subjektiv eine Behandlungs- der Beratungsbedürftigkeit empfindet. Das Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnis muss auch nicht von einer solchen - zumindest beabsichtigten - Intensität und Dauer sein, dass eine Abhängigkeit entstehen kann, die es dem Opfer zusätzlich, d.h. über die mit einem derartigen Verhältnis allgemein verbundene Unterordnung unter die Autorität des Täters und die damit einhergehende psychische Hemmung, erschwert, einen Abwehrwillen gegenüber dem Täter zu entwickeln und zu betätigen (BGH, Urteil vom 14. April 2011 - 4 StR 669/10, NJW 2011, 1891, 1893; aA MünchKommStGB/Renzikowski, 1. Aufl., § 174c Rn. 23; S/S-Perron-Eisele, StGB, 28. Aufl., § 174c Rn. 5). Es ist ausreichend, wenn das Opfer eine fürsorgerische Tätigkeit des Täters entgegennimmt (LK/Hörnle, StGB, 12. Aufl., § 174c Rn. 12). Hiervon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen, der die Opfer bereits aufgrund ihrer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung in gewisser Weise als "der Autoritätsperson von vornherein 'ausgeliefert'" angesehen und auf den Nachweis einer Abhängigkeit des Opfers vom Täter im konkreten Tatzeitpunkt gerade verzichtet hat (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks. 13/8267 S. 7).

b) Nach diesen Maßstäben legen die getroffenen Feststellungen nahe, dass der Angeklagte die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 174c Abs. 1 StGB erfüllt hat. Dies gilt unabhängig davon, dass das Landgericht keine Einzelheiten dazu mitteilt, was zunächst Gegenstand der "Routineuntersuchung" war, zu der die Nebenklägerin den Angeklagten aufsuchte, und was hierbei besprochen wurde. Denn jedenfalls das nachfolgende Geschehen - die Nebenklägerin entkleidete sich, legte sich nackt auf die Liege und ließ den Zugriff des Angeklagten auf ihren Körper zu einer osteopathischen Behandlung zu - zeigt hinreichend, dass sich die Nebenklägerin dem Angeklagten im oben dargestellten Sinne zu Behandlungszwecken anvertraut hatte. Nach alledem wird der Teilfreispruch auch nicht von der weiteren Begründung des Landgerichts getragen, dem Angeklagten sei jedenfalls kein Vorsatz dahin nachzuweisen, dass sich die Nebenklägerin in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm befunden habe.

III. Revision der Nebenklägerin W.

1. Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in drei Fällen zum Nachteil der Nebenklägerin W. freigesprochen. Nach seinen Feststellungen kam es bei mehreren osteopathischen Behandlungsterminen Anfang 2004 zu sexuellen Handlungen. Bei einem Termin erklärte der Angeklagte der Frau, es gebe im Rahmen der Therapie bestimmte osteopathische Griffe im Vaginalbereich, um Blockaden im Beziehungsleben zu beheben. Er führte sodann seinen Finger in die Scheide der Frau ein, was diese als überraschend und unangenehm empfand, aber darauf vertraute, der Angeklagte werde als Arzt schon wissen, was er tue. Bei drei weiteren Osteopathieterminen kam es jeweils zu sexuellen Handlungen zwischen dem Angeklagten und der Patientin, davon in zwei Fällen - von denen nur einer Gegenstand der Anklage ist - zum Geschlechtsverkehr.

Der Angeklagte hat das objektive Geschehen im Wesentlichen eingeräumt, sich aber dahin eingelassen, die Handlungen seien im Einvernehmen mit der Patientin erfolgt. Das Landgericht hat im ersten Fall bereits den objektiven Tatbestand des § 179 Abs. 1, 5 StGB als nicht gegeben angesehen, weil es keine Widerstandsunfähigkeit der Nebenklägerin festzustellen vermochte. Diese habe zwar den Griff in die Scheide als unangenehm empfunden, indes von Widerstand abgesehen, weil sie dem Angeklagten als Arzt vertraut habe. Damit läge eine Widerstandsunfähigkeit nicht vor. Hinsichtlich der beiden anderen Taten hat die Strafkammer die Einlassung des Angeklagten nicht widerlegen können. Sie hat dabei darauf abgestellt, dass die Nebenklägerin teilweise unwahre Angaben gemacht hatte. Entgegen ihren Bekundungen habe sie, nachdem sie sich ihrem Mann anvertraut hatte, doch noch mehrfach die Praxis des Angeklagten betreten und sich von ihm behandeln und Medikamente verordnen lassen. Zudem habe sie zeitnah zu den Behandlungsterminen einer Bekannten gegenüber zugegeben, "etwas mit dem Angeklagten zu haben".

2. Die von der Nebenklägerin erhobenen Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Der Freispruch hält auch der sachlichrechtlichen Nachprüfung stand. Die Beweiswürdigung ist nach den Maßstäben der revisionsgerichtlichen Überprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2324) ohne Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten. Soweit die Revision beanstandet, das Landgericht habe sich nicht "mit eventuellen Nebenwirkungen des Medikaments" Cipralex auseinandergesetzt, "welche die Erinnerungsfähigkeit beeinträchtigt haben könnten", verkennt sie, dass solche - auch von der Revision nur als möglich angesehene - Nebenwirkungen im Urteil nicht festgestellt sind. Die Urteilsurkunde ist aber die alleinige Grundlage für die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils im Revisionsverfahren. Die Revision zeigt auch, soweit sie eine Gesamtwürdigung der belastenden Umstände vermisst, keinen Rechtsfehler auf. Insbesondere war das Gericht nicht verpflichtet zu erörtern, dass sich der Angeklagte auch anderen Frauen im Rahmen seiner Osteopathiebehandlungen sexuell genähert hatte. Dass es mit der Nebenklägerin zu sexuellen Handlungen gekommen ist, steht aufgrund deren Angaben, die mit denen des Angeklagten übereinstimmen, fest. Für die Frage, ob die Handlungen einvernehmlich oder gegen den Willen der Nebenklägerin erfolgten, war der genannte Umstand nicht von Bedeutung.

Soweit trotz des Einverständnisses der Nebenklägerin mit den sexuellen Handlungen eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 174c Abs. 1 StGB in Betracht kommen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 14. April 2011 - 4 StR 669/10, NJW 2011, 1891), ist - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - Strafverfolgungsverjährung eingetreten.

HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 101

Externe Fundstellen: NStZ 2012, 440; StV 2012, 519

Bearbeiter: Ulf Buermeyer