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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 158/93, Urteil v. 02.06.1993, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 2 StR 158/93 - Urteil vom 2. Juni 1993 (LG Bonn)

BGHSt 39, 236; Beginn des Versuchs bei Mittäterschaft (unmittelbares Ansetzen; Zurechenbarkeit der Handlung bei fehlendem Willen zur Tatausführung; "vermeintliche Mittäterschaft"); Verabredung zum Verbrechen.

§ 22 StGB; § 25 Abs. 2 StGB; § 30 StGB

Leitsatz

Der Grundsatz, dass alle Mittäter in das Versuchsstadium eintreten, sobald einer von ihnen zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt, gilt nur, wenn dieser Beteiligte dabei (noch) mit dem Willen handelt, die Tat zur Ausführung zu bringen. (BGHSt)

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 12. Oktober 1992 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten durch das Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Das Landgericht hat die Angeklagten der Verabredung eines Verbrechens (schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub) schuldig gesprochen. Den Angeklagten M. hat es unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einem anderen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt; gegen den Angeklagten Sch. hat es eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Die Beschwerdeführerin rügt Verletzung sachlichen Rechts. Sie meint, die Angeklagten hätten nicht nur wegen Verabredung, sondern wegen Versuchs der genannten Verbrechen verurteilt werden müssen. Das Rechtsmittel wird vom Generalbundesanwalt vertreten.

II.

Die Revision hat keinen Erfolg.

Zu Recht sind die Angeklagten lediglich der Verabredung eines Verbrechens schuldig gesprochen worden. Die Auffassung der Revision, sie hätten die geplante Straftat bereits versucht, trifft nicht zu.

1. Das Landgericht hat im wesentlichen folgenden Sachverhalt festgestellt:

Die beiden Angeklagten hatten vereinbart, die Eheleute D. in deren Haus zu überfallen und auszurauben. Später beschlossen sie, einen dritten Mittäter zu gewinnen und sprachen S. darauf an. Dieser sagte nach einigem Zögern seine Beteiligung zu. Ob er tatsächlich mitwirken wollte oder seine Zusage nur zum Schein gab, blieb ungeklärt. Später offenbarte er sich der Polizei und war jedenfalls von diesem Zeitpunkt ab nicht (mehr) bereit, sich an der geplanten Tat zu beteiligen. Er informierte die Polizei über den Stand der Planung, während er die Angeklagten in dem Glauben ließ, daß er die Tat zusammen mit ihnen ausführen werde. Der Tatplan sah folgenden Ablauf vor:

S. sollte an der Haustüre klingeln und Frau D., die voraussichtlich öffnen würde, überwältigen. Der Angeklagte M. sollte dann sofort in die Wohnung stürmen, Herrn D. in seine Gewalt bringen und ihn mit einem Telefonkabel oder einem ähnlichen Gegenstand fesseln. Anschließend sollten den Eheleuten die Augen verbunden werden. Danach sollte der Angeklagte Sch. hinzukommen und die Eheleute zur Herausgabe des Tresorschlüssels oder zur Angabe der Zahlenkombination für den Tresor zwingen.

Am 10. April 1992 fuhren die beiden Angeklagten und S. zum Tatort. Während der Angeklagte Sch. im Pkw blieb, ging S., gefolgt von dem Angeklagten M., zur Haustür und klingelte. Dies war für die am Tatort erschienene Polizei das Zeichen zum Zugriff; sie nahm die Angeklagten und S. sogleich fest.

2. Die Angeklagten haben sich hiernach lediglich einer Verabredung zum Verbrechen schuldig gemacht, die geplante Tat indessen noch nicht versucht.

Soll nach dem Tatplan eine Straftat von mehreren Mittätern ausgeführt werden, so treten alle Mittäter in das Versuchsstadium ein, sobald einer von ihnen zur Tatbegehung unmittelbar ansetzt (BGHSt 36, 249 f; BGHR StGB § 22 Ansetzen 3; Lackner, StGB 20. Aufl. § 22 Rdn. 9 m.w.N.). Dies beruht darauf, daß sich bei Mittäterschaft jeder Beteiligte die im Rahmen des Tatplans liegenden Tatbeiträge der jeweils anderen zurechnen lassen muß. Für eine solche Zurechnung ist hier jedoch kein Raum. Zwar kann schon das Klingeln an der Haustür Versuch sein, wenn nach dem für die Begehung eines Raubes oder einer Erpressung gefaßten Tatplan das Opfer sofort nach dem Öffnen der Tür überfallen werden soll (BGHSt 26, 201 ff; BGH NStZ 1984, 506 Nr. 3; Eser in Schönke/Schröder, StGB 24. Aufl. § 22 Rdn. 44). Als Ausführungsbeginn ist es den anderen Tatbeteiligten aber nur zuzurechnen, sofern es sich für den Handelnden als mittäterschaftlicher Tatbeitrag darstellt, also von dem Willen getragen ist, gemeinschaftlich mit den anderen Beteiligten zum Zwecke der Tatausführung zusammenzuwirken.

Daran fehlt es. S. war zur Mitwirkung an der Tat nicht (mehr) bereit. Als er an der Haustür klingelte, gab er der Polizei damit das Zeichen zum Zugriff. Er wollte dadurch die Tat nicht fördern, sondern gerade verhindern. Wiewohl sein Handeln äußerlich der mit dem Angeklagten getroffenen Abrede entsprach, lag darin kein mittäterschaftlicher Tatbeitrag, weil er damit nicht den Willen verband, die verabredete Tat zur Ausführung zu bringen und an seinem Teil daran mitzuwirken. Sein Handeln, das für ihn selbst kein Versuch war, kann daher den Angeklagten nicht als Beginn der Tatausführung zugerechnet werden (vgl. BGHR StGB § 22 Ansetzen 3). Die Angeklagten haben mithin das Versuchsstadium nicht erreicht und sind folglich zu Recht nur einer Verabredung zum Verbrechen schuldig gesprochen worden.

3. Auch die Strafaussprüche haben Bestand. Allerdings liegt ein Rechtsfehler insoweit vor, als das Landgericht bei der Bemessung der Strafen den Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB zugrundegelegt hat, anstatt vom Strafrahmen des § 239 a StGB auszugehen, der selbst bei Bejahung eines minder schweren Falles bis zur Höchststrafe von fünfzehn Jahren reicht (§§ 239 a Abs. 2, 38 Abs. 2 StGB). Auf diesem Fehler beruhen die Strafaussprüche jedoch nicht. Die Strafzumessungserwägungen, wie sie im Urteil ausführlich mitgeteilt sind, vermitteln dem Senat unter den besonderen Umständen des entschiedenen Falles, der lediglich eine Verabredung betrifft, die Gewißheit, daß die Strafkammer auch bei Zugrundelegung des richtigen Strafrahmens keine höheren Freiheitsstrafen verhängt hätte.

Externe Fundstellen: BGHSt 39, 236; NJW 1993, 2251; NStZ 1993, 489; StV 1993, 467

Bearbeiter: Rocco Beck