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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 237

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 317/15, Beschluss v. 02.12.2015, HRRS 2016 Nr. 237


BGH 2 StR 317/15 - Beschluss vom 2. Dezember 2015 (LG Frankfurt a. M.)

Strafzumessung (Darstellung im Urteil bei ungewöhnlich hoher Strafe).

§ 46 StGB; § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat das Tatgericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für oder gegen den Täter sprechen. Eine ungewöhnlich hohe Strafe bedarf dementsprechend einer besonderen Rechtfertigung in den Urteilsgründen, die die Abweichung vom Üblichen vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Falles verständlich macht (vgl. BGH NStZ-RR 2011, 5 mwN).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 1. Oktober 2014 im Strafausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen die Verurteilung richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die von dem Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen haben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 7. August 2015 keinen Erfolg.

2. Der Schuldspruch weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.

3. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat das Tatgericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für oder gegen den Täter sprechen. Eine ungewöhnlich hohe Strafe bedarf dementsprechend einer besonderen Rechtfertigung in den Urteilsgründen, die die Abweichung vom Üblichen vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Falles verständlich macht (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2012 - 5 StR 264/12, StraFo 2012, 419, und vom 20. September 2010 - 4 StR 278/10, NStZ-RR 2011, 5 mwN). Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. In Anbetracht der gravierenden mildernden Faktoren - der Angeklagte handelte spontan, alkoholisch enthemmt und affektiv erregt; die Verletzungen der geschädigten Zeugin G., die zum Tatzeitpunkt mit ihm in einer langjährigen Beziehung gelebt hat, sind bis auf eine Narbe folgenlos ausgeheilt; der Angeklagte ist lediglich wegen Beleidigung unwesentlich vorbestraft und Erstverbüßer - hätte die Festsetzung der angesichts vergleichbarer Fälle ungewöhnlich hohen Freiheitsstrafe eingehender Begründung bedurft. Dies gilt auch eingedenk des erheblichen Unrechtsgehalts der Straftat.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zudem ausgeführt, dass „nach Auffassung der Kammer während des Verlaufs des Verfahrens zu unterschiedlichen Zeitpunkten seitens der Familie des Angeklagten wiederholt versucht worden ist, auf die Zeugin G. einzuwirken und diese in ihrem Aussageverhalten zu beeinflussen. Dieses Ausüben von Druck war jedoch nicht zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, da insoweit nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Angeklagte seinerseits […] Einfluss genommen hätte“ (UA S. 54).

Der Senat kann nicht nur nicht ausschließen, dass diese gänzlich überflüssigen Erwägungen, aus denen andererseits nicht ersichtlich wird, inwieweit die vielfältigen und ambivalenten Aussagen der Geschädigten (vgl. UA S. 15 f., 18 f., 21, 23 f.,32 f., 35), die wiederholt darauf gedrungen hat, dass der Angeklagte nicht bestraft wird, ausreichend berücksichtigt worden sind, und sich somit für den Angeklagten letztlich doch nachteilig bei der Bemessung der Freiheitsstrafe ausgewirkt haben. Sofern das mangelnde Bestrafungsinteresse der Geschädigten (auch) selbstmotiviert gewesen sein sollte, dürfte dieses zudem als weiterer mildernder Faktor in die Strafzumessung einzustellen sein.

Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da lediglich Wertungsfehler vorliegen. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese den bisherigen nicht widersprechen.

Nach Wegfall der Zuständigkeit des Schwurgerichts verweist der Senat die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer zurück (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 354 Rn. 42 mwN).

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 237

Externe Fundstellen: StV 2016, 559

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede