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HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 691

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 49/11, Beschluss v. 10.03.2011, HRRS 2011 Nr. 691


BGH 2 StR 49/11 - Beschluss vom 10. März 2011 (LG Limburg)

Erwerb der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe (Handgranate); Konkurrenzen bei Waffendelikten; erfolgreiche Aufklärungsrüge und Inbegriffsrüge.

§ 22a Abs. 1 Nr. 2 KWKG; § 52 Abs. 1 WaffG; § 244 Abs. 2 StPO; § 261 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg (Lahn) vom 19. Oktober 2010

a) im Schuldspruch zu Fall 3 der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte tateinheitlich

- des unerlaubten Erwerbs der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe,

- des unerlaubten Erwerbs und Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen, sowie

- des unerlaubten Erwerbs und Besitzes von Schusswaffen in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen schuldig ist,

b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 3 der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 1), ferner wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln (Fall 2), sowie wegen vorsätzlicher Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine unerlaubt erworbene Kriegswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von zwei halbautomatischen Schusswaffen, einer weiteren Schusswaffe und einer Vorderschaftrepetierflinte mit Kurzwaffengriff (Fall 3) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift genannten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Der Schuldspruch im Fall 3 der Urteilsgründe ist in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Sinne abzuändern.

Nach den Feststellungen des Landgerichts lagerte G., der "Sergeant at Arms" des Motorradclubs "MC Bandidos", eine Handgranate, zwei halbautomatische Selbstladepistolen, eine Vorderschaftrepetierflinte und ein Repetiergewehr mit Hilfe des Angeklagten, der dem Club als Anwärter auf eine Mitgliedschaft einen "Support" leisten wollte, in dessen Hütte auf einem Waldgrundstück ein. Der Angeklagte verschloss die Hütte und behielt den Schlüssel.

Damit erwarb der Angeklagte die tatsächliche Gewalt über die Handgranate als Kriegswaffe im Sinne von § 22a Abs. 1 Nr. 2 KWKG. Der Auffangtatbestand des § 22 Abs. 1 Nr. 6 KWKG, den derjenige erfüllt, der "über Kriegswaffen sonst die tatsächliche Gewalt ausübt", tritt zurück (vgl. Heinrich in: MünchKomm-StGB 2007 § 22a KWKG Rn. 106).

Bei dem Waffendelikt nach § 52 Abs. 1 WaffG hinsichtlich der Schusswaffen stehen Erwerb und Besitz nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Tateinheit (vgl. BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 1).

II.

Der Strafausspruch im Fall 3 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken und ist auf die Verfahrensrüge aufzuheben. Daher entfällt auch die Gesamtstrafe. Das Landgericht hat § 261 StPO verletzt, indem es bei der Strafzumessung nicht alle Beweise ausgeschöpft hat, die zum Inbegriff der Hauptverhandlung gemacht wurden.

Die Strafkammer hat sich in diesem Fall - anders als bei den Fällen 1 und 2 - nicht mit der nahe liegenden Möglichkeit einer für die Strafzumessung erheblichen Aufklärungshilfe durch den Angeklagten auseinander gesetzt. Dieser hatte nach dem polizeilichen Durchsuchungsbericht vom 17. Juni 2010 frühzeitig Angaben zur Rolle des G. bei dem Waffendelikt gemacht.

Diese Angaben waren nach Ansicht des federführenden Polizeibeamten, die in einem Ermittlungsbericht festgehalten wurde, glaubhaft. Dies wäre vom Gericht zu überprüfen gewesen. Den Inhalt des Durchsuchungsberichts und des Ermittlungsvermerks kann der Senat mit den Mitteln des Revisionsrechts rekonstruieren, nachdem das Tatgericht diese Urkunden gemäß § 249 Abs. 1 StPO verlesen hat (vgl. BGHSt 43, 212, 214). Daraus ergeben sich Hinweise auf eine Aufklärungshilfe des Angeklagten, welche für die Strafrahmenwahl nach § 22a Abs. 3 KWKG und § 51 Abs. 3 WaffG oder nach §§ 46b, 49 Abs. 1 StGB sowie für die Strafzumessung im engeren Sinne von Bedeutung sein können.

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 691

Bearbeiter: Karsten Gaede