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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 497/95, Urteil v. 19.03.1996, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 497/95 - Urteil vom 19. März 1996 (LG Rottweil)

BGHSt 42, 86; Straftatbestand der Nichtanzeige geplanter Straftaten; Anwesenheitsrechte von Prozeßbeteiligten bei der Vornahme von Rechtshilfehandlungen in der Schweiz auf das Ersuchen der Bundesrepublik Deutschland hin; faires Verfahren (Objektivität des Staatsanwaltes: keine Würdigung der eigenen Zeugenaussage); Widerspruchslösung bei § 168c V StPO.

Art. 6 EMRK: § 138 StGB; § 168c StPO; Art. 3 Abs. 1 EuRHiÜbK; Art. 4 EuRHiÜbK

Leitsätze

1. Eine Anzeige geplanter Straftaten im Sinne von § 138 Abs. 1 StGB muß nicht unverzüglich erfolgen. Sie muß nur dazu geeignet sein, die Ausführung oder den Erfolg der geplanten Tat noch zu verhindern. ( BGHSt)

2. Im Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz richten sich die Anwesenheitsrechte von Prozeßbeteiligten bei der Vornahme von Rechtshilfehandlungen im ersuchten Staat nach dem Recht des ersuchenden Staates. (BGHSt)

3. Einem Verstoß gegen § 168 c Abs. 5 Satz 1 StPO folgt kein Beweisverwertungsverbot, wenn der Verteidiger nicht nach § 257 StPO der Verwertung. (Bearbeiter)

4. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHSt 14, 265, 267; 21, 85, 89) kann ein Staatsanwalt nach seiner Zeugenvernehmung nicht mehr ohne Verlust der gebotenen Objektivität an der Hauptverhandlung teilnehmen, soweit er dadurch gezwungen wäre, seine eigenen Zeugenangaben zu würdigen. Die Aufgabe des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft kann ihm aber übertragen bleiben, soweit sie von der Bewertung der eigenen Zeugenaussage getrennt werden kann. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

I. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rottweil vom 3. Januar 1995

1. im Schuldspruch hinsichtlich

a) des Angeklagten H. dahin neu gefaßt, daß er der versuchten Anstiftung zum Mord in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist,

b) des Angeklagten He. dahin geändert, daß er der versuchten Anstiftung zum Mord schuldig ist,

2. im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil, soweit es den Angeklagten H. betrifft, im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

IV. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen "Versuchs der Beteiligung" am Mord in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren, den Angeklagten He. wegen Sich-Bereit-Erklärens zum Mord in zwei tateinheitlichen Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die jeweils auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten und die zu Ungunsten des Angeklagten H. eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Die Rechtsmittel der Angeklagten führen aufgrund der erhobenen Sachbeschwerde zu einem Teilerfolg; die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

Nach den Feststellungen entschloß sich der Angeklagte H. dazu, seinen Bruder G. H. und den gegen ihn ermittelnden Kriminalbeamten R. durch einen gedungenen Täter töten zu lassen. In der Zeit zwischen dem 23. Januar und 3. Februar 1993 bestimmte er im Beisein des Zeugen S. den Angeklagten He. dazu, seinerseits einen Mörder zu beauftragen. Der Angeklagte He. sagte dies zu und sandte am 3. Februar 1993 durch Telefax ein Schreiben mit dem Auftrag zur Tötung von G. H. an den Zeugen Gr., den er für einen geeigneten Täter hielt. Dieser lehnte jedoch das Ansinnen ab. Weitere Tathandlungen unterblieben.

I. Revision des Angeklagten H.

1. Die Revision rügt ohne Erfolg die Verletzung des § 60 Nr. 2 StPO durch Vereidigung des Zeugen S.. Sie meint, das Landgericht hätte wegen Verdachts der Nichtanzeige der geplanten Morde von der Vereidigung absehen müssen. Das trifft jedoch nicht zu.

Zwar ist auch der Verdacht eines Vergehens nach § 138 StGB als Verdacht der Beteiligung an der Tat eines Angeklagten im Sinne von § 60 Nr. 2 StPO anzusehen (BGHSt 6, 372, 383 f; BGH LM § 68 a StPO Nr. 2; Senat, Urt. vom 6. Dezember 1966 - 1 StR 358/66 -; BGH, Urt. vom 12. März 1969 - 4 StR 29/69 -; Urt. vom 29. April 1969 - 5 StR 140/69 -). Jedoch hat das Landgericht einen solchen Verdacht nicht erkennbar gehegt. Die - vorsorgliche - Belehrung des Zeugen durch den Vorsitzenden gemäß § 55 Abs. 2 StPO beweist nicht, daß die Strafkammer den Zeugen noch zur Zeit der Urteilsberatung verdächtigte (BGHSt 23, 30, 32; Dahs in LR 24. Aufl. StPO § 60 Rdn. 42; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 42. Aufl. § 60 Rdn. 23). Das Tatgericht mußte die Frage des Beteiligungsverdachts gegen den Zeugen auch nicht erörtern. Nach § 64 StPO bedarf nur das Absehen von der Vereidigung einer Begründung. Der Senat hat allerdings bereits ausgesprochen, daß eine für das Revisionsgericht überprüfbare Begründung der Nichtanwendung des § 60 Nr. 2 StPO dann geboten ist, wenn die Anwendung der Vorschrift nach den Gesamtumständen so naheliegt, daß ohne Erörterung durch das Tatgericht nicht auszuschließen ist, daß es die Voraussetzungen des Eidesverbots verkannt hat (NJW 1985, 638). Ein solcher Fall lag hier jedoch nicht vor.

Dem Revisionsvorbringen ist zu entnehmen, daß der Zeuge S. am 30. April 1993 bei einer polizeilichen Vernehmung die versuchte Anstiftung des Angeklagten He. durch den Angeklagten H. und das Sich-Bereit-Erklären He.'s zur weiteren Anstiftung eines Dritten zum Mord geschildert hat. Mit dieser Mitteilung hat er seine Anzeigepflicht erfüllt. Dies geschah auch rechtzeitig im Sinne des § 138 Abs. 1 StGB. Nach Wortlaut und Zweck der Norm, welche mittelbar die von den Katalogtaten betroffenen Rechtsgüter schützt, ist keine sofortige oder unverzügliche Anzeige an die Behörden oder den Bedrohten erforderlich (Cramer in Schönke/Schröder, StGB 24. Aufl. § 138 Rdn. 12; Hanack in LK 11. Aufl. StGB § 138 Rdn. 23; Schulz in Lexikon des Rechts/ Strafrecht, Strafverfahrensrecht, 2. Aufl. S. 655). Die Mitteilung der Verdachtsgründe muß nur dazu geeignet sein, die Ausführung oder den Erfolg der geplanten Tat, hier also des Mordes an den Zeugen G. H. und R., noch abwenden zu können. Hatten diese Taten aber das Versuchsstadium noch nicht erreicht, so war ihre Verhinderung in dem nach § 138 Abs. 1 StGB geforderten Sinne grundsätzlich noch möglich und die Anzeige daher rechtzeitig (vgl. Schulz aaO).

Nur diese Auslegung wird auch dem Gedanken des Opferschutzes gerecht, wie er § 138 StGB zu Grunde liegt. Auch eine Anzeige, die nicht unverzüglich erstattet wird, kann noch zur Vereitelung der Tat führen; das kann selbst in solchen Fällen geschehen, in denen dem Anzeigepflichtigen ein bestimmter Tatzeitpunkt bekannt war und er erst danach, aber dennoch erfolgreich angezeigt hat, etwa weil die Täter die Tat verschoben haben. Der Anzeigepflichtige, der nicht unverzüglich Anzeige erstattet, nimmt zwar das Risiko auf sich, daß seine Anzeige zu spät kommt, die Tat nicht mehr verhindert wird und er sich damit strafbar macht; keinesfalls darf er aber durch ein frühzeitiges Eingreifen der Strafbarkeit gemäß § 138 StGB davon abgehalten werden, eine Anzeige zwar spät, aber doch noch so rechtzeitig zu erstatten, daß die Tat noch verhindert werden kann.

Aus § 139 Abs. 1 StGB ergibt sich nichts anderes. Dieser Norm kann nicht entnommen werden, daß eine späte Anzeige auch dann zur Strafbarkeit führt, wenn die geplante Tat das Versuchsstadium nie erreicht. Sie greift vielmehr nur dann ein, wenn eine Anzeige unterbleibt.

Allerdings war im vorliegenden Fall bereits vor der Anzeige durch den Zeugen S. eine weitere Handlung vorgenommen worden, die das Risiko für den Zeugen G. H. als potentielles Mordopfer erhöht hatte, nämlich die versuchte Anstiftung des Zeugen Gr. durch He. zu dem Tötungsverbrechen. Eine derartige Verwirklichung einer nach § 30 StGB selbständig strafbaren Vorstufe der geplanten Katalogtat steht indes für sich allein der Rechtzeitigkeit der erst danach, aber noch vor der Tatausführung bewirkten Anzeige nicht entgegen. Da § 138 Abs. 1 StGB der Abwendung der Ausführung oder des Erfolgs der Katalogtat, also ihres Versuchs oder ihrer Vollendung dient, ist die zeitliche Grenze für die Rechtzeitigkeit der Anzeige erst überschritten, wenn die Tatausführung nicht mehr abgewendet werden kann (vgl. Schulz aaO). Würde die Rechtzeitigkeit der Anzeige einer versuchten Kettenanstiftung deshalb verneint, weil von den Tatbeteiligten vor Anzeigeerstattung eine weitere Stufe der Anstiftungskette beschritten wurde, so wäre dadurch die vom Wortlaut des § 138 Abs. 1 StGB gezogene Grenze zulässiger Auslegung überschritten. Der Zweck der Vorschrift, durch die strafbewehrte Anzeigepflicht zur Abwendung der Ausführung oder des Erfolges der Katalogtat beizutragen, ist durch die jedenfalls vor Beginn des Versuchs dieser Tat erfolgte Anzeige erreicht.

2. Die Verfahrensrüge der Verletzung des § 168 c Abs. 5 Satz 1 StPO ist unbegründet.

a) Ihr liegt folgendes zugrunde:

Im Ermittlungsverfahren war den deutschen Strafverfolgungsbehörden von der Berner Kantonspolizei mitgeteilt worden, daß der Zeuge Gr., der seinen Wohnsitz im Kanton Bern gehabt hatte, sich nach den USA abgemeldet habe. Die Staatsanwaltschaft beantragte daher im Wege internationaler Rechtshilfe bei den schweizerischen Behörden die Durchsuchung von Geschäftsräumen der von dem Zeugen Gr. als "Treuhänder" mitbetriebenen Firma F. und Befragung von Zeugen aus seinem Umfeld. An der Durchführung der Maßnahme am 2. November 1993 beteiligten sich auch deutsche Ermittlungsbeamte, die in den Büroräumen der Firma F. unerwartet den Zeugen Gr. selbst antrafen. Er gab dann als seinen Wohnsitz eine Adresse in Bratislava an. Die deutschen Beamten ließen ihn noch am selben Tage von dem örtlich zuständigen Untersuchungsrichter des Kantons Bern vernehmen. Die Verteidiger der Angeklagten wurden davon nicht benachrichtigt. Für das Landgericht war der Zeuge Gr. danach unerreichbar, nachdem er unter allen aus der Akte ersichtlichen Adressen und Kontaktadressen vergeblich geladen worden war. Es verlas deshalb in der Hauptverhandlung zunächst ohne Angabe von Rechtsgründen das Protokoll seiner Vernehmung durch den Untersuchungsrichter des Kantons Bern. Später holte es einen Gerichtsbeschluß gemäß § 251 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO nach, der die Verlesung des Protokolls auf § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO stützte. Die Urkundenverlesung wurde nicht wiederholt. Am folgenden Verhandlungstag widersprach der Verteidiger nach weiteren Prozeßhandlungen der Verwertung des Inhalts des Vernehmungsprotokolls. Dennoch heben die Urteilsgründe darauf ab.

b) Diese Beweiserhebung im Ermittlungsverfahren war entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht rechtsfehlerhaft. Deshalb fehlt die Grundlage für die Annahme eines Verwertungsverbots hinsichtlich der Verlesung des richterlichen Vernehmungsprotokolls durch das Landgericht (vgl. dazu Schomburg in Schomburg/Uhlig/Lagodny, IRG 2. Aufl. vor § 68 Rdn. 37 m.w.Nachw.).

aa) Der Untersuchungsrichter des Kantons Bern hat durch Unterlassen einer Benachrichtigung der Verteidiger nicht rechtsfehlerhaft gehandelt. Gemäß Art. 3 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (BGBl. 1976 II 1799 i.d. Fassung der Bekanntmachung vom 11. März 1986 <nur die Schweiz betreffend>: BGBl. 1986 II 544) läßt ein um Rechtshilfe ersuchter Staat das Ersuchen grundsätzlich in der in seinen Rechtsvorschriften vorgesehenen Form erledigen. Nach Art. 4 Satz 1 dieses Übereinkommens wird der ersuchende Staat von Zeit und Ort der Erledigung nur auf ausdrückliches Verlangen benachrichtigt. Gemäß Art. III des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Ergänzung des Übereinkommens und die Erleichterung seiner Anwendung vom 13. November 1969 (BGBl. II 1171; 1976 II 1818) wird die Anwesenheit von Prozeßbeteiligten bei der Vornahme von Rechtshilfehandlungen im ersuchten Staat gestattet, auch wenn dessen Recht die Anwesenheit von Prozeßbeteiligten bei Untersuchungshandlungen nicht vorsieht, dies aber nach den innerstaatlichen Vorschriften des ersuchenden Staates zulässig ist. Damit beantwortet sich im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz die Frage der Anwesenheit von Prozeßbeteiligten ausnahmsweise nach dem Recht des ersuchenden Staates (vgl. Nagel, Beweisaufnahme im Ausland 1988, 163). Der schweizerische Untersuchungsrichter hatte nur auf Antrag der deutschen Behörden aufgrund des deutschen Strafprozeßrechts die Anwesenheit von Prozeßbeteiligten bei der Zeugenvernehmung zu gestatten und die dazu erforderlichen Benachrichtigungen vorzunehmen. Da kein derartiger Antrag vorlag, hat er nicht gegen Rechtsnormen verstoßen.

bb) Für die Frage des Vorliegens eines Rechtsfehlers bei der Beweiserhebung im Ermittlungsverfahren ist daher entscheidend, ob die deutschen Strafverfolgungsbehörden den Antrag auf Ermöglichung der Anwesenheit der Verteidiger bei der Zeugenvernehmung zu Unrecht unterlassen haben. Dies ist hier jedoch auszuschließen, da ein Ausnahmefall nach § 168 c Abs. 5 Satz 2 StPO vorlag.

Alles spricht dafür, daß wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks die sofortige Vernehmung des zufällig angetroffenen Zeugen geboten war. Nach § 168 c Abs. 5 Satz 2 StPO ist in einem solchen Fall von der Benachrichtigung des Verteidigers abzusehen. Zwar kann das Revisionsgericht grundsätzlich die Voraussetzungen des § 168 c Abs. 5 Satz 2 StPO dann nicht selbst überprüfen, wenn weder der (deutsche) Ermittlungsrichter - hier in der besonderen Lage des vorliegenden Falles die deutschen Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft - noch das Tatgericht sich damit ausdrücklich befaßt haben. Das Revisionsgericht ist grundsätzlich auf die Prüfung beschränkt, ob die Entscheidung frei von Rechtsmängeln, insbesondere Ermessensfehlern ist (BGHSt 29, 1, 3; 31, 140, 143). Hier allerdings war aus der Sicht der deutschen Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft (zum unmittelbaren Verkehr der Justizbehörden untereinander vgl. Art. VIII des oben erwähnten deutsch-schweizerischen Zusatzvertrages vom 13. November 1969) zur Zeit der Beantragung der Untersuchungshandlung am 2. November 1993 keine andere Beurteilung möglich als diejenige, daß der Untersuchungserfolg bei einer zeitlichen Zurückstellung der Zeugenvernehmung zur Ermöglichung der Anwesenheit der Verteidiger gefährdet gewesen wäre.

Nach den ihnen am 15. Juli 1993 mitgeteilten Erkenntnissen der Kantonspolizei Bern hatte sich der Zeuge Gr. am 13. November 1992 nach den USA abgemeldet. Am 18. Juni 1993 war dieser für das Kreiskommando Thun zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben worden. In einem im Juli 1993 gegen ihn geführten Strafverfahren des Richteramtes Thun wegen eines Straßenverkehrsdelikts hatte er danach zwar noch seine vormalige Adresse in E. angegeben; dort hatte er aber tatsächlich keine Wohnung. Wie die deutschen Beamten bei der Durchsuchung feststellten, befanden sich dort die Wohnung des Zeugen Gl. und die Geschäftsräume der Firma F.. Für die Firma F. war der Zeuge Gr. als Mitinhaber aufgetreten, ohne jedoch ins Handelsregister eingetragen zu sein. Über das Vermögen seiner früheren Firma GT. AG war im Januar 1993 der Konkurs eröffnet worden.

Auf diese Tatsachen hatte sich bereits vor dem Ersuchen der deutschen Ermittlungsbehörde um internationale Rechtshilfe deren Annahme der Unerreichbarkeit des Zeugen Gr. gestützt, weshalb das Ersuchen die Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma F. und die Befragung von Zeugen aus dem Umfeld von Gr. begehrt hatte. Der Zeuge Gr. wurde dabei nur durch Zufall angetroffen. Der schweizerische Untersuchungsrichter sah ersichtlich keinen Grund für eine freiheitsentziehende Maßnahme gegen ihn; in der Schweiz war er nur wegen geringfügiger Vergehen verfolgt und von der Vollziehung der Untersuchungshaft in Deutschland in einem Verfahren wegen versuchter räuberischer Erpressung im Jahre 1992 nach vorläufiger Festnahme wieder verschont worden. Bei seinem Antreffen in den Büroräumen der Firma F. gab er als Wohnsitz eine Adresse in Bratislava an. Die anwesenden deutschen Ermittlungsbeamten hatten keine Möglichkeit, ihn am 2. November 1993 bis zu einem möglichen Eintreffen der Verteidiger auf schweizerischem Boden festhalten zu lassen. Ihre Ermittlungen waren im übrigen auch deshalb besonders eilbedürftig, weil diese neben der versuchten Anstiftung zum Mord durch die Angeklagten zugleich auch einen Handgranatenanschlag auf einen Ermittlungsbeamten und ein weiteres Attentat auf den Tatzeugen S. durch unbekannte Täter zum Gegenstand hatten. Vor dem Hintergrund dieser Taten war dem Verteidiger des Angeklagten He. am 7. Oktober 1993 bereits die Akteneinsicht verweigert worden, weil sie den Untersuchungszweck gefährden konnte.

Unter allen diesen Umständen war das Entschließungsermessen der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefährdung des Untersuchungserfolges bei Unterlassen der möglichen sofortigen Vernehmung des Zeugen Gr. ohne Benachrichtigung der Verteidiger im Sinne des § 168 c Abs. 5 Satz 2 StPO auf Null reduziert. Daher kann der Senat ausnahmsweise die Frage der Anwendung des § 168 c Abs. 5 Satz 2 StPO selbst beantworten, obwohl weder die Entscheidung der deutschen Ermittlungsbehörden hierüber ausdrücklich in den Akten vermerkt ist noch sich das Tatgericht damit befaßt hat. Die in BGHSt 29, 1 und 31, 140 abgedruckten Urteile stehen dem nicht entgegen. Das vorliegende Prozeßgeschehen unterscheidet sich wesentlich von den dort entschiedenen Fällen.

cc) Im übrigen würde auch aus einem Verstoß gegen § 168 c Abs. 5 Satz 1 StPO im vorliegenden Fall kein Beweisverwertungsverbot folgen. Dessen Entstehung ist davon abhängig, daß der Verteidiger im Rahmen des Äußerungsrechts nach § 257 StPO der Verwertung sofort widerspricht; denn es darf zur Vermeidung unüberschaubarer Prozeßlagen für die nachfolgenden Beweiserhebungen und Prozeßhandlungen nicht unklar bleiben, ob die vorherige Beweisaufnahme nach dem Willen des Widerspruchsberechtigten verwertbar ist oder nicht. Für Fälle des Verstoßes gegen die §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 137 StPO ist dies anerkannt (BGHSt 38, 214, 225 f; 39, 349, 352; BGH, Urt. vom 12. Januar 1996 - 5 StR 756/94 -, zum Abdruck in BGHSt bestimmt). Entsprechendes hat der Senat bereits zuvor auch für den Fall des § 168 c Abs. 5 Satz 1 StPO angenommen (NStZ 1987, S. 132, 133).

Im vorliegenden Fall hat der Verteidiger den Widerspruch verspätet erhoben, so daß dieser kein Beweisverwertungsverbot auslösen konnte. Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob mit dieser Annahme von Entscheidungen des 2. und 5. Strafsenats (BGHSt 31, 140 ff; BGH StV 1985, 397, 398) abgewichen wird, welche jedoch nicht ausdrücklich darauf eingegangen sind, kann offenbleiben. Sie ist hier nicht entscheidungserheblich.

c) Das Urteil des Landgerichts enthält auch keinen sachlich-rechtlichen Fehler deshalb, weil es nicht erörtert hat, daß der Zeuge Gr. vom Untersuchungsrichter des Kantons Bern vernommen wurde, ohne daß die Verteidigung dabei Fragen stellen konnte (zur Möglichkeit eines Ausgleichs von Verfahrensdefiziten bei der Beweiswürdigung Schomburg aaO unter Hinweis auf BGHSt 2, 300, 304). Die Aussage des Zeugen Gr. war für das Landgericht nur zur Abrundung des Tatbildes von Beweisbedeutung. Es hat seine Feststellungen im Kern auf die Aussage des Zeugen S. gestützt, die durch das Auffinden des Originals und von Bruchstücken des Empfangsexemplars des Telefax-Schreibens mit dem Tötungsauftrag an den Zeugen Gr. bestätigt wurde. Unter diesen Umständen bedurfte die Vernehmung des Zeugen Gr. ohne vorherige Benachrichtigung der Verteidiger bei der Beweiswürdigung keiner besonderen Erörterung.

2. Die Rüge der Nichtbeachtung der Wahrunterstellung eines Beweisantrages auf Vernehmung des Zeugen vom Hörensagen Br. zur Beteiligung des Tatzeugen S. an einem Komplott gegen die Angeklagten sowie die Rüge eines sachlich-rechtlichen Fehlers der Beweiswürdigung hierzu haben ebenfalls keinen Erfolg.

Der Revision ist einzuräumen, daß die Annahme des Landgerichts, der Äußerung des Zeugen Hei., über die der Zeuge Br. nach dem Beweisantrag berichten sollte, komme "keinerlei Beweisbedeutung" zu, rechtlichen Bedenken begegnet. Darauf beruht das Urteil aber nicht.

Das Landgericht hat die Komplott-Behauptungen nach den Urteilsgründen nicht außer Betracht gelassen und generelle Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen S. erkannt. Es hat dessen Aussage zur versuchten Beteiligung der Angeklagten am Mord aber wegen der ergänzenden Sachbeweise, die mit der Annahme einer gezielten Falschbelastung der Angeklagten nicht vereinbar seien, als glaubhaft angesehen. Dieser Beweisschluß trägt den Schuldspruch, ohne daß die genannten Rechtsfehler dies beeinflussen konnten.

3. Die Sachrüge des Angeklagten H. gegen den Schuldspruch hat keinen Erfolg.

Nach den Feststellungen liegt der beendete Versuch einer (Ketten-) Anstiftung zum Mord in zwei tateinheitlichen Fällen vor (§§ 30 Abs. 1, 211, 52 StGB). Der Senat stellt zum Schuldspruch nur berichtigend klar, daß eine versuchte Anstiftung zum Mord in zwei tateinheitlichen Fällen vorliegt; dies hat das Landgericht mit "Versuch der Beteiligung" ungenau bezeichnet.

Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist auch davon auszugehen, daß ein Rücktritt vom Versuch der Anstiftung gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 StGB nicht in Betracht kommt. Der Angeklagte H. hat die durch ihn geschaffene Gefahr der Tatbegehung nicht rückgängig gemacht und sich nicht freiwillig um die Verhinderung der Tat bemüht. Hinsichtlich der gegen seinen Bruder gerichteten Tat liegt ein fehlgeschlagener Anstiftungsversuch vor, von dem er bereits aus Rechtsgründen nicht zurücktreten konnte. Tatsächliche Anhaltspunkte für Rücktrittsbemühungen hinsichtlich der gegen den Zeugen R. gerichteten weiteren Tat hat das Landgericht nicht feststellen können. Der zur Beauftragung eines Mörders angestiftete Mitangeklagte He. hat alsbald nach Absendung des schriftlichen Mordauftrages die USA verlassen und ist nach Griechenland gereist; er befindet sich seit dem 27. Mai 1993 in Haft. Auf ihn konnte der Angeklagte H. demnach kaum noch einwirken, um seinen durch ihn geweckten Entschluß zur Anstiftung eines gedungenen Mörders rückgängig zu machen; es ist auch nicht erkennbar, daß er einen Grund dafür hatte. Seine Untätigkeit nach dem beendeten Anstiftungsversuch genügt für einen Rücktritt im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 StGB nicht.

4. Die Sachbeschwerde ist jedoch hinsichtlich des Strafausspruchs begründet.

Das Landgericht hat zwar für den Schuldspruch zutreffend darauf abgestellt, daß die vom Angeklagten H. geplante Tat ein Mord des gedungenen Täters aus Habgier sein sollte; der Angeklagte ist deshalb der versuchten Anstiftung zum Mord in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig. Der Tatrichter hat aber beim Strafausspruch nicht berücksichtigt, daß der Strafrahmen wegen versuchter Anstiftung zum Mord doppelt zu mildern ist, wenn in der Person des Anstifters Gesinnungsmerkmale nach § 211 Abs. 2 StGB - als im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB strafbegründende besondere persönliche Merkmale - nicht vorliegen (BGHSt 22, 375, 377; 25, 287, 289; BGH NJW 1982, 2738; BGHR StGB § 28 Abs. 1 Merkmal 3; Senat, Urt. vom 16. Februar 1993 - 1 StR 840/92 -). Diese hat das Landgericht jedoch nicht geprüft. Darauf kann der Strafausspruch beruhen.

II. Revision des Angeklagten He.

1. Soweit auch für den Angeklagten He. inhaltsgleich dieselben Verfahrensrügen wie für den Angeklagten H. erhoben sind, kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.

2. Soweit für ihn darüber hinaus die Rüge der Verletzung seines Anspruchs auf ein faires Verfahren durch Mitwirkung des Staatsanwalts Heu. als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft (neben Staatsanwalt Ri.) an der Hauptverhandlung nach dessen Zeugenvernehmung erhoben wird, liegt kein Verfahrensfehler vor.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHSt 14, 265, 267; 21, 85, 89; Senat, Urt. vom 20. Juli 1976 - 1 StR 327/76 - und NStZ 1989, 583) kann ein Staatsanwalt nach seiner Zeugenvernehmung nicht mehr ohne Verlust der gebotenen Objektivität an der Hauptverhandlung teilnehmen, soweit er dadurch gezwungen wäre, seine eigenen Zeugenangaben zu würdigen. Die Aufgabe des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft kann ihm aber übertragen bleiben, soweit sie von der Bewertung der eigenen Zeugenaussage getrennt werden kann. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen. Die Zeugenvernehmung des Staatsanwalts Heu. diente aufgrund eines Beweisantrags der Verteidigung der Aufklärung des Aussageverhaltens des Zeugen G. H.. Dieser ist auch selbst vom Landgericht vernommen worden. Daß Staatsanwalt Heu. seine eigene Zeugenaussage im Schlußvortrag gewürdigt hätte, trägt die Revision nicht vor; auch in den Urteilsgründen findet seine Zeugenaussage keine Erwähnung. Für Prozeßhandlungen in der Hauptverhandlung, die sich darauf beziehen konnten, stand während und nach der Vernehmung des Staatsanwalts Heu. der Staatsanwalt Ri. zur Verfügung. Deshalb kann der Senat ausschließen, daß Staatsanwalt Heu. seine eigene Aussage zu bewerten hatte.

3. Die Revision des Angeklagten He. rügt - neben der bereits behandelten Beanstandung der Verletzung des Beweisantragsrechts und einer fehlerhaften Beweiswürdigung zum Komplott der Zeugen S., Gr. und Hei. gegen die Angeklagten - insoweit auch die Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO). Sie versäumt jedoch, von allgemeinen Angaben abgesehen, eine Mitteilung der vermißten Beweiserhebungen und des erwarteten Aufklärungsergebnisses. Daher ist diese Rüge im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig.

4. Die Sachrüge des Angeklagten He. ist unbegründet, soweit sie die Beweiswürdigung des Landgerichts beanstandet; der behauptete Widerspruch liegt - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - nicht vor. Die Sachbeschwerde führt jedoch zu einer Änderung des Schuldspruchs.

a) Der Angeklagte He. ist - auf der zweiten Stufe der versuchten Kettenanstiftung - des Versuchs der Anstiftung des Zeugen Gr. zum Mord an dem Zeugen G. H. schuldig (§§ 30 Abs. 1, 211 StGB); da dieser Anstiftungsversuch fehlgeschlagen ist, scheidet ein Rücktritt gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StGB aus. Das Sich-Bereit-Erklären des Angeklagten He. dazu gegenüber dem Angeklagten H. tritt als tatfernere Handlung im Sinne des § 30 Abs. 1 StGB hinter den Anstiftungsversuch zurück (vgl. Roxin in LK StGB 11. Aufl. § 30 Rdn. 78).

b) Dagegen entfällt die vom Landgericht angenommene Strafbarkeit wegen tateinheitlich begangenen Sich-Bereit-Erklärens zur Anstiftung zum Mord an dem Zeugen R.. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Angeklagte He. dieses Vorhaben gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB aufgegeben hat. Weitere Feststellungen dazu sind nicht zu erwarten. Der Senat ändert deshalb den Schuldspruch. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte He., der von seinem Recht zu schweigen Gebrauch gemacht hat, sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

c) Ein Teilfreispruch ist nicht erforderlich, weil die Einzeltaten durch das Sich-Bereit-Erklären zur Anstiftung zu zwei Morden miteinander verbunden gewesen waren, so daß nur eine von zwei tateinheitlichen Taten entfällt.

5. Die Sachrüge hat zum Strafausspruch Erfolg, weil das Landgericht - wie es bereits für den Angeklagten H. ausgeführt wurde - auch bezüglich des Angeklagten He. nicht die Möglichkeit einer weiteren Strafrahmenverschiebung wegen Fehlens von Mordmerkmalen in seiner Person geprüft hat.

III. Revision der Staatsanwaltschaft

Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft bezüglich des Angeklagten H. hat - auch zugunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) - gleichfalls bereits deshalb Erfolg, weil das Landgericht das Vorliegen von Mordmerkmalen bei dem Angeklagten nicht geprüft hat. Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Tatrichter das Vorliegen eines jeweils beendeten und fehlgeschlagenen Versuchs auf beiden Stufen der versuchten Kettenanstiftung zum Mord verkannt hat. Innerhalb der bereits für die Strafrahmenmilderung maßgebenden Vorverlagerung der Strafbarkeit nach § 30 StGB war die Tatausführung insofern weit fortgeschritten und nicht - wie das Landgericht es hervorgehoben hat - frühzeitig stecken geblieben.

Externe Fundstellen: BGHSt 42, 86; NJW 1996, 2239; NStZ 1996, 595; NStZ 1998, 148; StV 1997, 244

Bearbeiter: Rocco Beck