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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 700/94, Urteil v. 21.04.1995, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 700/94 - Urteil vom 21. April 1995 (LG Mannheim)

BGHSt 41, 127; Strafbarkeit der Beförderung von Privatpersonen im Busverkehr von Deutschland nach Serbien Montenegro während des UN-Embargos.

§ 34 Abs. 4 AWG; § 69h AWV

Leitsätze

1. § 34 Abs. 4 AWG kann als Blankettstrafvorschrift durch eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft nur dann unmittelbar ausgefüllt werden, wenn die EWG-Verordnung nach ihrer von den EG-Organen veranlaßten Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften aufgrund einer autonomen, gerade im Hinblick auf § 34 Abs. 4 AWG getroffenen Entscheidung des zuständigen deutschen Organs auch im Bundesgesetzblatt oder im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist. (BGHSt)

2. Ist dies nicht geschehen, kommt eine strafrechtliche Ahndung von Embargoverstößen nur nach § 34 Abs. 4 AWG in Verbindung mit den §§ 69h ff. der Außenwirtschaftsverordnung in Betracht. (BGHSt)

3. Beschließt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen, so ist eine zur Umsetzung dieses Beschlusses aufgrund des Außenwirtschaftsgesetzes erlassene Rechtsverordnung nach § 34 Abs. 4 AWG nur wirksam strafbewehrt, soweit die Verbote dieser Verordnung nicht über die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Sanktionen der Vereinten Nationen hinausgehen. (BGHSt)

4. Die Beförderung von Privatpersonen im Landverkehr aus der Bundesrepublik Deutschland in das Gebiet der Republiken Serbien und Montenegro war auf der Grundlage der UN-Resolution Nr. 757 (1992) vom 30. Mai 1992 nicht wirksam unter Strafandrohung verboten. (BGHSt)

Entscheidungstenor

I. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 11. März 1994 aufgehoben, soweit die Angeklagten in den Tatkomplexen II.1 und II.3 der Urteilsgründe verurteilt worden sind.

Insoweit werden die Angeklagten freigesprochen; die ausscheidbaren Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen der Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt.

II. Auf die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten im Tatkomplex II.2 der Urteilsgründe verurteilt worden sind.

Im Umfang dieser Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und über die verbleibenden Kosten der Revisionen der Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

III. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten "jeweils zweier Verbrechen nach dem Außenwirtschaftsgesetz - Embargoverstöße -", die Angeklagten H. und R. E. ferner der "Beihilfe zu einem Verbrechen nach dem Außenwirtschaftsgesetz - Embargoverstoß -", für schuldig erkannt und gegen sie Gesamtfreiheitsstrafen bei Strafaussetzung zur Bewährung verhängt, gegen die Angeklagten H. und R. E. ein Jahr und gegen den Angeklagten D. elf Monate. Die Angeklagten wenden sich mit ihren auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer Revision eine höhere Bestrafung der Angeklagten; sie beanstandet mit der allein erhobenen Sachbeschwerde im wesentlichen die Annahme fortgesetzter Taten und die Strafzumessung. Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg; einer Erörterung der erhobenen Verfahrensbeschwerden bedarf es nicht. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat nur teilweise Erfolg.

I.

Der im Tatkomplex II.1 der Urteilsgründe festgestellte Sachverhalt rechtfertigt einen Schuldspruch der Angeklagten wegen eines - fortgesetzten - Verbrechens gemäß § 34 Abs. 4 AWG i.V.m. § 69 h Abs. 1 Nr. 4 b AWV i.d.F. der 23. Verordnung zur Änderung der AWV vom 11. Juni 1992 (BAnZ Nr. 109 vom 13. Juni 1992, S. 4645) nicht.

1. Nach den Feststellungen sind die Angeklagten H. E. und sein Bruder R. E. Gesellschafter und gleichberechtigte Geschäftsführer der schon von den Eltern gegründeten Transportfirma R. E. GmbH mit Sitz in Pforzheim. Für dieses Unternehmen ist der Angeklagte D. seit 1989 als Busfahrer tätig. Seit 1990 betrieb die Firma R. E. GmbH u.a. die - genehmigte - Buslinie Pforzheim-Belgrad-Pforzheim mit wöchentlichen Abfahrten in Pforzheim am Freitag und Rückfahrt ab Belgrad am Sonntag. Befördert wurden überwiegend Gastarbeiter, ehemalige Gastarbeiter und deren Familienangehörige. Fahrer dieser so eingesetzten Busse war fast durchweg der Angeklagte D.; ihm oblag auch weitgehend die Organisation und Abwicklung dieser Fahrten.

Die Angeklagten setzten diese Fahrten unverändert wie zuvor noch im Jahre 1992 bis zum 31. Januar 1993 fort, ungeachtet dessen, daß wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 30. Mai 1992 mit der Resolution 757 (1992) ein umfassendes Wirtschaftsembargo gegen Serbien und Montenegro nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen verhängt, der Rat der Europäischen Gemeinschaften daraufhin die Verordnung (EWG) Nr. 1432/92 vom 1. Juni 1992 zur Untersagung des Handels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den Republiken Serbien und Montenegro (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 3. Juni 1992 Nr. L 151/4, S. 21) erlassen und die Bundesregierung die 23. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 11. Juni 1992 über "Besondere Beschränkungen gegen Serbien und Montenegro" (BAnz Nr. 109 vom 13. Juni 1992, S. 4645) - teilweise wortgleich mit der EWG-Verordnung Nr. 1432/92 - in Kraft gesetzt hatte.

Im einzelnen hat das Landgericht 14 solcher Fahrten im Zeitraum vom 12. Juni bis 13. September 1992 (II.1 a der Urteilsgründe) sowie 20 weitere Busfahrten Pforzheim-Belgrad-Pforzheim in der Zeit vom 18. September 1992 bis 31. Januar 1993 (II.1 b der Urteilsgründe) näher festgestellt.

Nach Auffassung der Strafkammer umfaßte das in den genannten Vorschriften enthaltene Dienstleistungsverbot auch das Unterhalten und Bedienen von Buslinien auf serbischem Gebiet, was die Angeklagten jedenfalls nach dem 15. September 1992 gewußt hätten. Das Landgericht wertet die unter II.1 b der Urteilsgründe festgestellten, in der Zeit vom 18. September 1992 bis 31. Januar 1993 durchgeführten 20 Busfahrten, soweit sie über serbisches Gebiet führten, bei jedem der drei Angeklagten als fortgesetzt begangenes Verbrechen nach § 34 Abs. 4 AWG.

Die vom Landgericht vertretene Rechtsauffassung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

2. Nach § 34 Abs. 4 AWG macht sich - in der hier in Betracht kommenden Tatbestandsalternative - strafbar, wer einer Vorschrift einer aufgrund des Außenwirtschaftsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung oder einem im Bundesgesetzblatt oder im Bundesanzeiger veröffentlichten Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaften zur Beschränkung des Außenwirtschaftsverkehrs, die der Durchführung einer vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen dienen, zuwider handelt.

a) Im Hinblick darauf, daß eine nach Kapitel VII der UN-Charta vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossene wirtschaftliche Sanktionsmaßnahme für die Bürger der Mitgliedstaaten keine unmittelbaren Rechtswirkungen entfaltet, sondern nur die Mitgliedstaaten bindet, eröffnet die durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze vom 28. Februar 1992 (BGBl I S. 372) neu gefaßte Vorschrift des § 34 Abs. 4 AWG als Blankettstrafvorschrift der Bundesrepublik eine rechtliche Handhabe, vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossene, für sie als Mitgliedstaat der Vereinten Nationen verbindliche wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen innerstaatlich mit Strafbewehrung umzusetzen. Die Vorschrift geht davon aus, daß nur der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Kompetenz besitzt, Art und Umfang der zulässigen und gebotenen Embargo-Maßnahmen zu bestimmen, daß derartige Beschlüsse des Sicherheitsrats gemäß Art. 41 der UN-Charta konstitutiv sind und strikte Bindungswirkung gegenüber den Mitgliedstaaten entfalten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es nicht etwa darauf an, was der Sicherheitsrat im Rahmen des Art. 41 UN-Charta hätte beschließen dürfen, maßgeblich ist allein, was er beschlossen hat. Diese Beschränkung auf die Durchführung der vom Sicherheitsrat beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen hat der deutsche Verordnunggeber schon im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Gesetzesgebundenheit im Strafrecht (vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein GG 7. Aufl. Art. 103 Rdn. 9; Senge in LdR 8/1630, S. 2 f.) zu beachten, wenn er - wie hier - die Blankettnorm des § 34 Abs. 4 AWG durch den Erlaß einer Rechtsverordnung ausfüllt. Dem trägt die Vorschrift mit dem Merkmal "der Durchführung... dienen" Rechnung. Ein durch die Rechtsverordnung statuiertes Verbot muß im strikten Regelungsbezug zu den vom Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionsmaßnahmen stehen; insbesondere darf es in seinem Regelungsgehalt nicht über die in dem Beschluß des Merkmal "der Durchführung ... dienen" Rechnung. Ein durch die Fuhrmann in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand 112. Ergänzungslieferung Februar 1995, Außenwirtschaftsgesetz - A 217 - § 34 Rdn. 24, 27). Da sich nach § 34 Abs. 4 AWG ein Täter nur dann strafbar macht, wenn er der Vorschrift einer Rechtsverordnung zuwider handelt, die der Durchführung einer vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen - im dargelegten Sinne - dient, hat der Strafrichter zu prüfen, ob diese Voraussetzungen der Strafbarkeit vorliegen.

b) Der Senat läßt offen, ob § 69 h Abs. 1 Nr. 4 AWV in der zur Tatzeit geltenden Fassung mit dem Landgericht dahin ausgelegt werden kann, daß diese Vorschrift die Beförderung von Personen im Landverkehr auf dem Gebiet der Republiken Serbien und Montenegro verbietet. Enthielte die Verordnung ein derartiges Verbot, so fände es in der hier maßgeblichen Resolution des Sicherheitsrats Nr. 757 (1992) keine Entsprechung und wäre daher unbeachtlich mit der Folge, daß darauf eine Bestrafung nach § 34 Abs. 4 AWG nicht gestützt werden darf.

Die Beförderung von Privatpersonen auf dem Gebiet der Republiken Serbien und Montenegro ist von der UN-Resolution Nr. 757 (1992) nicht erfaßt. Nach deren Nr. 5 soll nur verboten werden, Gelder oder jegliche wirtschaftliche Mittel den Behörden, gewerblichen, industriellen oder der öffentlichen Versorgung dienenden Unternehmen dieser Republiken zur Verfügung zu stellen.

Privatpersonen sind lediglich vom Empfang "sonstiger Gelder" auszuschließen. Die Zuwendung von - auch entgeltlichen - Dienstleistungen an Privatpersonen fällt hierunter nicht (vgl. auch unten II 2).

Hiernach scheidet eine Verurteilung der Angeklagten aufgrund des § 34 Abs. 4 AWG wegen der von ihnen auch auf serbischem Gebiet durchgeführten Omnibusfahrten aus. Die Angeklagten sind aus Rechtsgründen freizusprechen.

c) An diesem Ergebnis ändert nichts, daß der Wortlaut des § 69 h Abs. 1 Nr. 4 AWV demjenigen des Art. 1 d) der Verordnung (EWG) Nr. 1432/92 des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 1. Juni 1992 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 3. Juni 1992 L 151/4) entspricht. Diese Verordnung ist zwar seit ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften auch in Deutschland gemäß Art. 189 Abs. 2 EWGV unmittelbar geltendes Recht (vgl. auch BGHZ 125, 27, 30 f. m.w.Nachw.). Doch kommt ihr keine strafrechtliche Bedeutung zu. Der EWG-Vertrag begründet keine Befugnis zum Erlaß strafrechtlicher Sanktionen (vgl. BGHSt 25, 190, 193; Fuhrmann aaO Vorbem. Rdn. 7; Löffeler wistra 1991, 121; Tiedemann NJW 1993, 23 ff.; Amend, Lexikon des Rechts/Strafrecht, Strafverfahrensrecht S. 64). Demgemäß bestimmt Art. 6 dieser EWG-Verordnung, daß jeder Mitgliedstaat selbst die Sanktionen regelt, mit denen Verstöße gegen diese Verordnung geahndet werden sollen. Zwar sieht § 34 Abs. 4 AWG in der seit dem Änderungsgesetz vom 28. Februar 1992 (vgl. oben I 2 a; vgl. hierzu Fuhrmann aaO § 34 Rdn. 1, 3) geltenden Fassung vor, daß auch ein Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaften, der seinerseits auf einer wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen beruht, die dieser aufgrund der Vorschriften des Kap. VII der Charta der Vereinten Nationen beschlossen hat, zur Ausfüllung der Blankettvorschrift des § 34 Abs. 4 AWG herangezogen werden kann. In diesem Sinne hätte auch die Verordnung (EWG) Nr. 1432/92 vom 1. Juni 1992 verwendet werden können, soweit und insofern sie als Durchführungsvorschrift zu den vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen erlassen worden ist und sich in diesem Rahmen hält (vgl. näher oben I 2.a). Hierzu hätte sie jedoch nach der von den EG-Organen veranlaßten Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - zusätzlich - aufgrund einer autonomen, gerade im Hinblick auf § 34 Abs. 4 AWG getroffenen Entscheidung des zuständigen deutschen Organs auch im Bundesgesetzblatt oder im Bundesanzeiger veröffentlicht werden müssen. Diesen Weg ist die Bundesrepublik Deutschland jedoch hier nicht gegangen; vielmehr hat sie die im Tatzeitraum geltenden §§ 69 h bis 69 k AWV im Verordnungswege als Durchführungsvorschriften der Sanktionsmaßnahmen des Sicherheitsrates erlassen (vgl. Fuhrmann aaO § 34 Rdn. 27). Die EWG-VO Nr. 1432/92 ist nicht im Bundesgesetzblatt oder im Bundesanzeiger veröffentlicht worden, wie es § 34 Abs. 4 AWG voraussetzt. Eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger im Sinne dieser Vorschrift kann auch nicht etwa darin erblickt werden, daß der Wortlaut der EWG-VO Nr. 1432/92 teilweise Gegenstand der 23. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom 11. Juni 1992 ist, die ihrerseits als Rechtsverordnung der Bundesregierung im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist.

Da Europäisches Recht in keiner Hinsicht unmittelbar Gegenstand der strafrechtlichen Beurteilung durch den Senat war, kam entgegen einer Anregung der Revision der Angeklagten eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 177 Abs. 3 EGWV nicht in Betracht.

3. Soweit die Revision der Staatsanwaltschaft im Fall II.1 der Urteilsgründe eine umfassendere und höhere Bestrafung der Angeklagten erstrebt, ist das Rechtsmittel offensichtlich unbegründet, weil ein strafbares Verhalten der Angeklagten nicht vorliegt.

II.

Im Tatkomplex II.2 der Urteilsgründe tragen die bisherigen Feststellungen einen Schuldspruch wegen eines - fortgesetzten - Verbrechens nach § 34 Abs. 4 AWG nicht.

1. Das Landgericht hat festgestellt: Nachdem im Zuge eines wegen der Busfahrten Pforzheim-Belgrad-Pforzheim (vgl. oben I.) eingeleiteten Ermittlungsverfahrens die Wohnräume der Angeklagten H. und R. E. und die Geschäftsräume der Firma R. E. GmbH durchsucht worden waren, gingen die Angeklagten dazu über, die wöchentlichen Omnibusfahrten nach Belgrad und zurück im sog. "gebrochenen Verkehr" zu organisieren: Die Reisenden wurden mit den Bussen der Firma R. E. GmbH nur noch bis zur ungarisch-serbischen Grenze bei Tompa gebracht, wo sie sodann in von dem Angeklagten D. organisierte serbische, bosnische oder Busse der Firma E. D.O.O. Beograd umstiegen und so nach Belgrad gebracht wurden. Entsprechendes galt für die Rückfahrt, bei der die Reisenden von Belgrad nach Tompa mit fremden Bussen gebracht wurden und dort für die weitere Rückfahrt in die an der Grenze wartenden Busse der Firma R. E. GmbH umstiegen. Diese Fahrten in ihrem gesamten Verlauf wurden von den Angeklagten organisiert, der Fahrpreis wurde einheitlich für die gesamte Strecke bis Belgrad in den Bussen der Firma R. E. GmbH kassiert; die fremden Busbetreiber erhielten anteilige Bezahlung. Für den Zeitraum 5. Februar 1993 bis 23. April 1993 hat das Landgericht zwölf derartige Fahrten festgestellt, die es insgesamt als fortgesetzten Verstoß gegen § 34 Abs. 4 AWG i.V.m. § 69 h Abs. 1 Nr. 4 b AWV i.d.F. der 23. Verordnung zur Änderung der AWV vom 11. Juni 1992 gewertet hat. Es mache keinen Unterschied in der rechtlichen Wertung, ob Busse des eigenen Unternehmens den Transport in Serbien durchführten oder fremde bosnische Busunternehmer eingeschaltet waren; soweit ein eingetragenes serbisches Busunternehmen, sei es auch die Firma E. D.O.O. Beograd, im Rahmen des "gebrochenen Verkehrs" in die Beförderung auf serbischem Gebiet eingegliedert gewesen sei, habe "die Teilzahlung des vereinnahmten Geldbetrages zusätzlich eine unmittelbare Förderung der serbischen Wirtschaft" bewirkt.

2. Der Schuldspruch hat schon deshalb keinen Bestand, weil er auf der irrigen Ansicht beruht, die Beförderung von Privatpersonen auf dem Gebiet der Republik Serbien sei im Tatzeitraum wirksam strafbewehrt verboten gewesen; das trifft jedoch nicht zu, wie bereits dargelegt worden ist (vgl. oben I.2).

Doch hat das Landgericht den hier festgestellten Sachverhalt nicht, wie es geboten gewesen wäre, unter sämtlichen für die strafrechtliche Beurteilung in Betracht kommenden Gesichtspunkten gewürdigt.

Nach den Feststellungen geht die Strafkammer davon aus, daß die Angeklagten jedenfalls auch serbischen Busunternehmen zur Weiterbeförderung in Serbien an der ungarisch-serbischen Grenze Passagiere zugeführt haben. Der Senat läßt offen, ob damit die Angeklagten gegenüber serbischen Wirtschaftsunternehmen im Sinne von § 69 h Abs. 1 Nr. 4 b AWV in der zur Tatzeit geltenden Fassung Dienstleistungen erbracht, sie so in die Lage versetzt haben, mit der Weiterbeförderung dieser Fahrgäste ihrerseits eine wirtschaftliche Tätigkeit auf serbischem Gebiet (vgl. insoweit auch § 69 h Abs. 1 Nr. 4 a AWV) auszuüben, und damit unmittelbar oder mittelbar eine Förderung der serbischen Wirtschaft bewirkt haben. Wie die Revision des Angeklagten H. E. zutreffend dargelegt hat, ist durch das mit der UN-Resolution Nr. 757 (1992) vom 30. Mai 1992 gegen Serbien und Montenegro verhängte Wirtschaftsembargo die private Personenbeförderung im Landverkehr nicht betroffen. Diese Resolution enthält weder ausdrücklich noch sinngemäß ein allgemeines Dienstleistungsverbot, unter das der vorliegende Sachverhalt subsumiert werden könnte. Eine Zusammenschau der dort getroffenen Regelungen ergibt, daß das verhängte Wirtschaftsembargo keine vollständige verkehrsmäßige Abschottung von Serbien und Montenegro enthielt oder enthalten sollte. Ein generelles Verbot findet sich in Nr. 7 lediglich in Bezug auf den Luftverkehr. Der Land- und Seeverkehr wird nur durch Nr. 4 a und b insoweit verboten, als er sich auf die Beförderung von Waren (Rohstoffen und Erzeugnissen) bezieht. In die Personenbeförderung von und nach Serbien und Montenegro im Landverkehr hat das Wirtschaftsembargo der Resolution 757 (1992) nicht eingegriffen (vgl. oben I 2 b). Dieses Auslegungsergebnis wird bestätigt dadurch, daß auch die Verschärfung des Wirtschaftsembargos durch die Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 820 (1993) vom 17. April 1993 den Bereich der privaten Personenbeförderung auf dem Straßenwege - sei es mit Pkw, sei es mit Omnibussen - unberührt gelassen und lediglich unter Nr. 27 die Bereitstellung von finanziellen und nichtfinanziellen Dienstleistungen an jede natürliche oder juristische Person zur Durchführung einer geschäftlichen Tätigkeit in Serbien und Montenegro - mit bestimmten, hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen - verboten hat. Daraus ergibt sich, daß die Bereitstellung von Dienstleistungen nicht finanzieller Art an natürliche Personen zu privaten Zwecken selbst noch nach der Verschärfung des Embargos möglich sein sollte. Vor diesem Regelungshintergrund kann die Zuführung von Passagieren an serbische Busunternehmen, wie es die Angeklagten hier im "gebrochenen Verkehr" praktiziert haben, für sich allein nach Auffassung des Senats auch nicht etwa dahin gewertet werden, daß damit ökonomische "Mittel" (economical resources) im Sinne der UN-Resolution 757 (1992) an gewerbliche Unternehmen in Serbien zur Verfügung gestellt worden seien. Auch insoweit war daher das Verhalten der Angeklagten nicht mit wirksamer Strafbewehrung verboten.

Nach den Feststellungen haben indes die Angeklagten den Fahrpreis für die gesamte Strecke Pforzheim-Belgrad (und zurück) einheitlich kassiert und sodann den mit der Weiterbeförderung in Serbien beauftragten bosnischen oder serbischen Busunternehmen den anteiligen Fahrpreis bezahlt. Hiernach wurden durch Gebietsansässige Zahlungen zu Gunsten von Empfängern in Serbien im Sinne des § 69 k AWV in der zur Tatzeit geltenden Fassung geleistet. Derlei Zahlungen bedurften der Genehmigung; Anhaltspunkte dafür, daß die Angeklagten derartige Genehmigungen eingeholt hatten, bestehen nicht. Diese Vorschrift steht ohne weiteres im Einklang mit Nr. 5 der UN-Resolution Nr. 757 (1992) vom 30. Mai 1992, zu deren Durchsetzung sie von der Bundesregierung erlassen worden ist; sie kann daher geeignete Grundlage für eine Verurteilung nach § 34 Abs. 4 AWG sein. Unter diesem Gesichtspunkt hat das Landgericht das festgestellte Tatgeschehen jedoch nicht gewürdigt. Demgemäß fehlen Feststellungen über nähere Einzelheiten der jeweiligen Zahlungsvorgänge. Insoweit bedarf es der Prüfung und Entscheidung durch einen neuen Tatrichter.

3. Auch die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Ein Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten liegt schon darin, daß das Landgericht den Schuldspruch - nicht auch - auf § 34 Abs. 4 AWG i.V.m. § 69 k AWV gestützt und nicht jeweils einzelne Taten, wie es nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen in BGHSt 40, 138 ff. geboten gewesen wäre, festgestellt hat.

III.

Der im Tatkomplex II.3 der Urteilsgründe festgestellte Sachverhalt rechtfertigt eine Verurteilung der Angeklagten H. und R. E. wegen "Beihilfe zu einem Verbrechen nach dem Außenwirtschaftsgesetz - Embargoverstoß -" nicht.

1. Nach den Feststellungen führte der anderweit verfolgte Busfahrer T. in der Zeit vom 18. November bis zum 20. Dezember 1992 aufgrund einer von ihm eingerichteten neuen Buslinie insgesamt fünf Busfahrten von Ludwigsburg nach Belgrad und zurück durch. Für jede dieser Fahrten mietete er von der Firma R. E. GmbH jeweils einen Bus zu einem Pauschalpreis von 4.200 DM, den ihm die Angeklagten H. und R. E. zur Verfügung stellten.

2. Bei den von T. durchgeführten Busreisen handelte es sich um die Beförderung von Privatpersonen auch auf dem Gebiet der Republik Serbien, die - wie bereits dargelegt (vgl. oben I.2) - im Tatzeitraum nicht rechtswirksam strafbewehrt verboten war. Daher fehlt es an einer strafbaren Haupttat, zu der die Angeklagten H. und R. E. in strafbarer Weise hätten Beihilfe leisten können. Sie waren daher freizusprechen.

3. Deshalb ist die Revision der Staatsanwaltschaft, soweit sie auch dieser Tat gilt, offensichtlich unbegründet.

IV.

Da das Urteil insgesamt aufgehoben wurde, ist auch die in diesem Urteil zur Frage der Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen getroffene Entscheidung gegenstandslos geworden. Der neue Tatrichter wird über eine etwaige Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen neu entscheiden müssen.

Externe Fundstellen: BGHSt 41, 127; NJW 1995, 2174; NStZ 1995, 548; StV 1995, 419

Bearbeiter: Rocco Beck