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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 217/92, Urteil v. 16.06.1992, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 1 StR 217/92 - Urteil vom 16. Juni 1992 (LG Würzburg)

BGHSt 38, 309; besonders schwere Brandstiftung (Ausnutzungsabsicht, konkreter Bezug zur geplanten Tat); räuberische Erpressung; Molotow-Cocktail als Waffe.

§ 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB; § 255 StGB; § 307 Nr. 2 StGB

Leitsatz

Für den Tatbestand der besonders schweren Brandstiftung in der Form des § 307 Nr. 2 StGB genügt nur eine Ausnutzungsabsicht, welche die geplante weitere Tat (hier: eine räuberische Erpressung) in einen konkreten Bezug zu der noch akuten Brandsituation stellt. (BGHSt)

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 18. November 1991, auch soweit es den Angeklagten Cosimo L. betrifft,

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten jeweils der versuchten schweren Brandstiftung und der versuchten räuberischen Erpressung schuldig sind, b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die drei Angeklagten der versuchten schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung für schuldig erkannt und deshalb die Angeklagten D. und L. jeweils zur Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten M. zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten D. und M. Revision eingelegt. Diese Rechtsmittel führen aufgrund der Sachbeschwerde - gemäß § 357 StPO auch zugunsten des Angeklagten L., der selbst nicht Revision eingelegt hat - zur Schuldspruchänderung und zur Aufhebung der Strafaussprüche.

1. Nach den Feststellungen ließen die drei Angeklagten am 6. November 1989 gegen Mitternacht durch für diesen Zweck gegen Bezahlung "angeheuerte Franzosen" gegen das Wohnhaus des Anlageberaters O. - in dem sich dieser, seine Ehefrau und ein Kind aufhielten - brennende Molotow-Cocktails werfen. O. wußte nichts davon, welchem Zweck dieser Brandanschlag diente; die Angeklagten beabsichtigten, den Geschädigten später telefonisch unter Bezugnahme auf diese Brandlegung erpresserisch zur Zahlung eines Betrages von 2,4 Mill. DM an die Angeklagten aufzufordern. Der Brand konnte alsbald gelöscht werden; ob das angekohlte Holz der Eingangstür bereits selbständig gebrannt hatte, konnte nicht sicher festgestellt werden. Am 12. November 1989 rief der Angeklagte L. plangemäß telefonisch den Geschädigten an, wobei er diesen unter massivem Hinweis auf den Brandanschlag und der Ankündigung, seiner Familie könne noch Schlimmeres zustoßen, zur Zahlung des von den Angeklagten gewünschten Betrages von 2,4 Mill. DM aufforderte; darauf ließ sich der Geschädigte jedoch nicht ein.

Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung nicht.

2. Das Landgericht ist zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die drei Angeklagten durch die von ihnen am 6. November 1989 veranlaßte Brandlegung sich der versuchten schweren Brandstiftung im Sinne des § 306 Nr. 2 StGB schuldig gemacht haben. Doch begegnet die Anwendung des § 307 Nr. 2 StGB durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Das Landgericht sieht den Tatbestand der versuchten besonders schweren Brandstiftung nach dem Wortlaut des § 307 Nr. 2 StGB ohne weiteres als erfüllt an, weil die drei Angeklagten auf der Basis ihrer gemeinsamen Planung in der Absicht, die Tat (§ 306 StGB) später zur Begehung einer räuberischen Erpressung (§ 255 StGB) auszunutzen, unmittelbar zur Inbrandsetzung eines Wohngebäudes im Sinne des § 306 Nr. 2 StGB angesetzt haben. Der Beschwerdeführer D. rügt mit Recht, daß die Strafkammer das Merkmal "die Tat zur Begehung einer räuberischen Erpressung auszunutzen" unzulässig weit ausgelegt hat.

b) In Rechtsprechung und Schrifttum ist bisher nicht abschließend geklärt, wie die in § 307 Nr. 2 StGB vorausgesetzte Absicht des Täters, die schwere Brandstiftung zur Begehung der weiteren Tat auszunutzen, näherhin beschaffen sein muß, insbesondere, in welchem konkreten Bezug die geplante weitere Tat zur Inbrandsetzung im Sinne des § 306 StGB stehen muß, um die in § 307 StGB enthaltene erhöhte Strafdrohung zu rechtfertigen. Aus dem Zusammenhalt der in den Nrn. 1 bis 3 des § 307 StGB geregelten Erschwerungsgründe ergibt sich zunächst, daß für Nr. 2 dieser Vorschrift jedenfalls nicht jedes "Ausnutzen" im Wortsinne genügen kann. So regelt § 307 Nr. 1 StGB eine konkrete Zuspitzung der im abstrakten Gefährdungsdelikt des § 306 StGB erfaßten Gemeingefahr, indem er verlangt, daß der Brand den Tod eines Menschen dadurch verursacht haben muß, daß dieser zur Zeit der Tat in einer der in Brand gesetzten Räumlichkeiten sich befand. In ähnlicher Weise ist auch der Qualifikationstatbestand des § 307 Nr. 3 StGB an die konkrete Brandsituation gebunden, wie sich aus der Gesetzesfassung ohne weiteres ergibt. Deshalb kann auch für § 307 Nr. 2 StGB nur eine Ausnutzungsabsicht genügen, die die geplante weitere Tat in einen konkreten Bezug zu der akuten gemeingefährlichen Brandsituation stellt. Dieses Ergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt. § 307 Nr. 2 StGB a.F. brachte mit der Formulierung "um unter Begünstigung" (der Brandstiftung) deutlich das Erfordernis einer unmittelbaren Anbindung der geplanten weiteren Straftat an die aktuell durch den Brand verursachte gemeingefährliche Situation zum Ausdruck. Insoweit sollte die Neufassung der Vorschrift keine sachliche Änderung bewirken; sie diente nur dem Zwecke, die Fassung des Tatbestandes durch die ausdrückliche Erwähnung des räuberischen Diebstahls und der räuberischen Erpressung klarzustellen (vgl. BT-Drucks. 7/1261 S. 20) und an den neueren Sprachgebrauch anzupassen.

c) Hiernach ist es zwar zutreffend, daß auch im Anwendungsbereich des § 307 Nr. 2 StGB n.F. die Brandstiftung mindestens Vorbereitungshandlung (vgl. etwa Cramer in Schönke/Schröder, StGB 24. Aufl. § 307 Rdn. 9 und Wolff LK 10. Aufl. § 307 Rdn. 5) oder Mittel (Horn SK StGB § 307 Rdn. 10) für die Begehung einer der in der Vorschrift genannten weiteren Taten sein muß. Doch ist erforderlich, daß die geplante weitere Tat, die durch die Brandstiftung vorbereitet oder ermöglicht werden soll, plangemäß in sehr nahem zeitlichen, sachlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Brand verwirklicht werden soll. Ob indes dieser Zusammenhang so nah und unmittelbar zu sein hat, daß der Täter der schweren Brandstiftung die durch den Brand entstehende allgemeine Verwirrung (so Preisendanz, StGB 30. Aufl. 1978 Anm. 2 zu § 307) oder den Brand und die dadurch verursachte Verwirrung der in Gefahr geratenen Personen (Geppert Jura 1989, 471, 473, 476) zur Begehung der in der Vorschrift genannten Taten ausnutzen wollen muß - eine Auslegung, die mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift übereinstimmt -, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung durch den Senat.

Hier diente die Brandlegung lediglich dazu, den Geschädigten zunächst in Furcht und Schrecken zu versetzen und so den Boden für die - für einen späteren Zeitpunkt geplante - räuberische Erpressung vorzubereiten. Der geplanten räuberischen Erpressung fehlte daher der für eine Annahme des § 307 Nr. 2 StGB erforderliche sehr nahe zeitliche, sachliche und räumliche Zusammenhang mit der versuchten schweren Brandstiftung.

3. Auch der Schuldspruch wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zwar kommt ein Molotow-Cocktail durchaus als Waffe oder Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB in Betracht. Doch muß ihn der Täter bei der Tatbegehung mindestens "bei sich" geführt oder eingesetzt haben. Das ist hier nicht der Fall. Die Molotow-Cocktails wurden lediglich bei dem Brandanschlag am 6. November 1989 verwendet, der zwar als Vorbereitungshandlung für die geplante räuberische Erpressung gedacht war, die aber erst am 12. November 1989 - und damit erhebliche Zeit nach Beendigung der versuchten schweren Brandstiftung - mit dem Telefonanruf des Angeklagten L. beim Geschädigten das Versuchsstadium erreichte. Es liegt daher nur versuchte räuberische Erpressung vor.

4. Daraus ergibt sich, daß das Landgericht auch das Konkurrenzverhältnis unzutreffend beurteilt hat: Es liegt nicht Tateinheit, sondern - da es sich um rechtlich selbständige Straftaten handelt - Tatmehrheit vor.

5. Der Senat hat den Schuldspruch - gemäß § 357 StPO auch zu Gunsten des Angeklagten L. - entsprechend geändert. § 265 Abs. 1 StPO stand nicht entgegen, da sich die Angeklagten nicht anders als bisher geschehen hätten verteidigen können.

Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der Strafaussprüche. Der neue Tatrichter wird für jeden der drei Angeklagten jeweils zwei Einzelstrafen und eine daraus gebildete Gesamtstrafe festsetzen müssen.

6. Die von dem Angeklagten M. erhobenen Aufklärungsrügen sind, soweit sie überhaupt zulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) angebracht sind, offensichtlich unbegründet.

Externe Fundstellen: BGHSt 38, 309; NJW 1992, 2581; NStZ 1992, 2581; NStZ 1992, 541; StV 1993, 525

Bearbeiter: Rocco Beck